Der Meg rum Herren. Nachdruck nicht
Novelle von F. Stöckert. gestattet.
(Schluß.)
Bergen steht am Fenster, er hat die Hände gefaltet, seine Lippen stammelten ein Dankgebet zu Gott, der sein heißes Flehen erhört und das Leben des geliebten Mädchens erhalten hat. Jetzt tritt er wieder an das Lager, Melitta ist erwacht, und sie sieht fragend, verwundert zu ihm aus.
„Habe ich denn nur geträumt?" flüsterte sie. Wir wohnten doch in der Vorstadt in dem niederen Zimmer. Das ist doch mein altes Schlafgemach, und dort mein kleines Boudoir, da steht ja meine Lieblingsbüste, die Pythia, und da hängt Mamas Bild, aber Mama ist nicht hier, sie starb und dann wurde ich krank. Und dann kamen Sie, und Sie haben mich hierher gebracht, Sie haben mich gerettet! Wie soll ich es Ihnen danken?"
„Es war nur meine Pflicht als Mensch und Arzt!" Melitta nickt.
„Ich weiß es, die Pflicht ist Ihnen das Höchste, das Heiligste. Aber meine Möbel, wie kommen die hierher?"
„Ich kaufte sie von Ihrem Hauswirt, ehe ich St . . verließ, der Gedanke war mir urerträglich, jemand anders im Besitz ihrer Sachen zu wissen! Doch jetzt kein Wort weiter," sagte er, sich erhebend, als fürchte er, schon zu viel gesagt zu haben: „Suchen sie sich nach und nach mit Ihren Gedanken, Ihren Erinnerungen und mit der Gegenwart zurecht zu finden. „Ich gehe, Ihnen meine Mutter zu bringen."
Melitta hatte die Augen wieder geschlossen, als er sie verlassen, ein wonnig süßer Traum unendlichen Glücks zieht durch ihre Seele. Sie fühlt sich so geborgen, so geschützt und behütet, als könnte kein Leid und Kummer sie je wieder treffen, so lange diese treuen, ernsten Augen über sie wachen. Und jetzt tritt seine Mutter an ihr Lager und haucht einen Kuß aus ihre Stirn.
„Lassen Sie mich Ihnen Ihre teure Mama etwas ersetzen," sagte sie mit einem Blick voll Herzensgüte. Melitta's Augen füllten sich mit Thränen.
„Ich verdiene so viel Liebe nicht," sagte sie leise.
„Wer so viel Leid erfahren, wie Sie, mein liebes Kind, dem muß man doppelte Liebe entgegenbringen," erwiderte die alte Dame freundlich.
Später durften auch Louise und Jda die Genesende begrüßen, und nach einigen Tagen gestattete Bergen, daß sie das Lager verließ. Ihre durchaus elastische Natur trägt viel dazu bei, daß die Genesung schnell vor sich schreitet. Auf dem schmalen Gesicht- chen, da erblühen wieder die Rosen der Gesundheit, und in den dunkelblauen Augen, da blitzte es manchmal wieder so übermütig auf, wie in früheren glücklichen Zeiten. Nur wenn Bergen in der Nähe ist, dann hat das süße Antlitz, das mit dem kurzgeschnittenen Haar so überaus kindlich ausfleht, einen Ausdruck der Demut, der ihm sonst nicht eigen; fast schüchtern begegnet sie ihm.
Nur in den ersten Tagen nach ihrer Genesung hat sie in einem Ausdruck überwallender Dankbarkeit seine Hand ergriffen und ihre Lippen darauf gedrückt. Als aber Bergen ihr dieselbe schnell entzogen, und fast finster gesagt hatte: „Was thun Sie, Melitta! war sie tief erschrocken gewesen und dunkelrot geworden. Seitdem war sie ganz verschüchtert ihm gegenüber, sie schreckte zusammen, wenn sie seinen Tritt hörte, und wurde rot und blaß, wenn seine Blicke auf ihr ruhten.
Es war in den ersten Tagen des März, Melitta saß allein im Wohnzimmer, mit einer Handarbeit beschäftigt, als Bergen hereintrat. Eine leichte Bläffe flog über ihr Antlitz, sie senkte das Köpfchen tiefer auf die Arbeit. Bergen trat zu ihr heran, sein Blick ruhte in tiefer Zärtlichkeit auf dem gesenkten Köpfchen, um seinen Mund da bebte es wie eine mächtige Bewegung.
„Legen Sie die Arbeit fort!" sagte er fast rauh, es geht nicht länger so, ich muß reden!" Melitta legte gehorsam die Arbeit zusammen und faltete die Hände in den Schooß, aber immer noch wagte sie nicht, den Blick zu ihm zu erheben.
„Wollen Sie mir denn keinen Blick gönnen?" fragte er jetzt fast traurig. Da hob sie langsam die weichen Lider, es schimmerte in den dunkelblauen Augen wie eine bange, zitternde Frage. Schon einmal hatte sie in keckem Uebermut gehofft, das so schwer gefundene Zauberwort aus seinem Munde zu venneh- men, und als sie sich getäuscht, da war sie in kindi
schem Zorn entflammt. O, wie ganz anders verstand sie jetzt dieses großmütige, edle Herz!
„Fühlen Sie sich nun auch ganz stark, ganz kräftig wieder?" fragte Bergen jetzt und schaute prüfend in ihr Antlitz.
„Ganz kräftig," erwiderte Melitta, „ich dachte vorhin schon daran, mich nach einer Stellung umzusehen."
„Melitta!" brauste da Bergen zornig auf, „das haben Sie wirklich gedacht und geglaubt, ich würde Sie wieder ziehen lassen, allein wieder hinaus in das kalte rauhe Leben, Dich, meine zarte, holde Blume? Nein, steh mich nicht so erschrocken an, weise mich nicht zurück mit meinem Herzen voll heißer, leidenschaftlicher Liebe zu Dir. Es wäre fürchterlich, wenn Du es thä- test.
„Ich verlange ja nicht viel, aber," seine Stimme wurde flehender, „laß hier an meinem Herzen Deine Heimat sein, laß mich Dich beschützen, Dich behüten. Melitta, ich kann es nicht, ich kann Dich nicht wieder von mir lassen."
Da leuchtet es auf in Melitta's Augen in seligem. hohen Glück, sie duldet es, daß er jetzt die Arme fest um sie schlingt und das Köpfchen an seine Brust zieht.
„Hast Du mich denn auch lieb, nur ein ganz klein wenig?" fragt er leise.
„Ach, unsäglich!" ruft Melitta, faßt jubelnd. „Aber ich verdiene sie ja nicht, die Liebe des besten, des edelsten der Männer!"
A l l - * t - r.
— Augenoperation. Eine interessante Augen- operation ist jüngst von Professor Dr. Pflüger in Bern vorgenommen worden. Bisher war man der Meinung, daß es ein Ding der Unmöglichkeit sei, einenem Blindgeborenen durch Operation das Augenlicht wiederzugeben. Nun wurde zu Dr. Pflüger ein ISjähriger blindgeborener Knabe zur Untersuchung gebracht und letztere ergab, daß der Sehnerv selbst nicht gelähmt, sondern das Sehen durch ein anderes Hindernis entfernt werden könnte, auch die Sehkraft sich einstellen würde. Die Operation wurde darum vorgenommen, und als man die Binde wieder abnehmen durfte, da sieht der Blindgeborene. Aber er hat schlechterdings keinen Begriff von dem Wesen, den Verhältnissen und Entfernungen der Dinge, die sich ihm zeigen. So z. B. wies ihm Dr. Pflüger seine Hand, welche der Blinde oft betastet und gedrückt hatte; allein dieser wußte nicht, was es sei. Man stellte ihm die pflegende Schwester und einen Herrn gegenüber und fragte ihn, welches die Frau und welches der Mann sei. Er traf das Richtige. Als man aber der Diakonissin das weiße Häubchen, das er früher befühlt haben mochte, wegnahm und um den Kopf des Herrn ein weißes Tuch legte, da mußte der Herr auf einmal die Frau sein. Kurz, trotz der sorgsamsten Pflege machen ihn alle diese neuen Eindrücke ganz konfus und müde. Er ist jetzt in der Stille bei seinen Eltern, die in einem Dorfe des Kantons Freiburg wohnen, soll aber bald wieder dem Herrn Professor, der an der völligen Herstellung seines Gesichtes nicht zweifelt, sich vorstellen. Ohne Zweifel werden sich da noch eine Fülle der merkwürdigsten und interessantesten psychologischen Beobachtungen anstellen lassen. Man kann sich die Freude und Wonne des armen Menschen ausmalen, der sich auf einmal im Besitze des Augenlichts befand.
— Was ist eine Illusion? In einer seiner letzten Vorlesungen über geistige Zurechnungsfähigkeit vor Gericht sprach Herr Professor Mendel in Berlin über Hallucinationen, Illusionen, Visionen. Durch ein Beispiel erläuterte er die gegebenen Definitionen in folgender Weise: Wenn ich hier ganz ruhig sitze, gar nicht an Engel denke und mit einem Mal einen leibhaften Engel vor mir zu sehen glaube, so ist das eine Hallucination. Wenn ich dagegen mich eifrig mit religiösen Studien beschäftige und in meinem Glaubenseifer eine „englische" Erscheinung habe, so ist das eine Vision. Hingegen wenn ich von einem von Ihnen glaubte, daß er mit allen Tugenden der Engel ausgestattct sei, in ihm also einen „Engel" erblickte, so ist das eine Illusion! Homerisches Gelächter und Beifallsrufe schlossen das lustige Intermezzo.
— (Gegen trockenen Husten.) Unmittelbar nach dem Hustenanfall kaue man ein Stückchen Peru-Rinde in der Größe eines Pfefferkorns. So lange der Speichel davon den bitteren Geschmack an
nimmt, schlucke man ihn hinunter, dann speie man das Holz aus. Man wiederhole dies nach jedem Husten; es ist ein unvergleichliches Mittel.
(Ein wollener Dichter.) Der Dichter Björn- stjerne Björnson, welcher sich während des letzten Sommers in Tirol bei Henrik Ibsen aufhielt und sich dort ein starkes Erkältungsleiden zuzog, ist eifriger Jägerianer oder „Wollmann" geworden. Jetzt spaziert Björnson in Paris in der Jägertracht einher, und manch wütender Blick wird ihm nachgesandt, denn man vermutet in dem Norweger natürlich einen verhaßten Deutschen a 1a Doktor Wurster. Der große Wollprofessor wird sich freuen, den großen Dichter für seine Idee begeistert zu haben, am meisten freuen sich jedoch des Dichters Freunde, weil Björnson jetzt etwas hat, woran er glaubt, . . . wenn es auch nur Wolle ist.
Johann Jakod Moser.
Am 30. September werden hundert Jahre verflossen sein seit dem Tode des in Stuttgart (18. Januar 1701) geborenen und gestorbenen Johann Jakob Moser, des berühmten Staatsrechtslehrers, des frommen Liederdichters, des unbeugsamen Märtyrers für die Verfassung seines Vaterlandes. Weil er als Konsulent der „Landschaft", d. h. als rechtskundiger Berater des ständischen Ausschusses unerbittlich und unbestechlich den Zumutungen widerstand, Landesgelder ohne Bewilligung des Landtags auszuliefern, wurde er am 12. Juli 1759 vor den Herzog nach Ludwigsburg geladen und ohne weiteres von dort aus unter Husarenbegleitung auf die Festung Hohentwiel abgeführt. Auf der 30 Stunden langen Fahrt durfte er die Kutsche nicht verlassen, in vier Jahren durfte er nicht aus seinem Zimmer gehen, nicht einmal dem Gottesdienst durfte er anwohnen. Der Festungspfarrer durfte dem Gefangenen nicht einmal das Abendmahl reichen; nur mit Mühe wurde, da er heftig am Gliederweh litt, ein Arzt zu ihm gelassen, der aber nur in Gegenwart des Kommandanten und nur von der Krankheit mit ihm sprechen durfte. Zu essen bekam er oft nur für's Hungersterben, im Winter mußte er fast erfrieren. Papier, Tinte, Feder und Bleistift war ihm versagt, nur Bibel, Predigtbuch und ein Gesangbuch wurde ihm zugelassen. Die Lieder, die er dichtete, kratzte er mit der Spitze der Lichtputze in die weiße Wand und auf den leeren Rand der Blätter und zwischen die Zeilen jener Bücher. Im dritten Jahr seiner harten Gefangenschaft starb seine treue Frau in Stuttgart. Auch seinen Söhnen war verwehrt, irgend etwas für ihren Vater zu thun. Endlich wurde er auf Andringen der Landschaft und auf Verwendung Friedrichs des Großen beim Kaiser am 25. September 1764 in Freiheit gesetzt, nachdem er noch tapfer die Zumutung zurückgewiesen, ein Zeugnis seiner Schuld zu unterschreiben. Als der durch den Grafen von Montmartin irre geleitete Herzog vor 5 Jahren ihn in Ludwigsburg mit der schärfsten Untersuchung bedrohte, hatte er erwidert: „Euer Durchlaucht werden einen ehrlichen Mann finden." Nun ließ der zur Erkenntnis gekommene Herzog ihn wieder zu sich kommen, lud ihn zur Tafel und sagte ihm: jetzt wisse er, daß er an ihm einen ehrlichen Mann, guten Patrioten und getreuen Unterthauen habe. Um das Andenken dieses Gerechten zu ehren und zu erhalten, ist soeben ein Verein zusammengetreten in der Absicht, in der Moserstraße zu Stuttgart seine Erzbüste an seinem Todestage aufzustellen. Stadt und Land wird gewiß gerne zu den sehr mäßigen Kosten dieses Denkmals beitragen. Es wäre zu wünschen, daß in jeder Oberamtsstadt sich jemand fände, welcher Beiträge sammelte, die, so klein sie sein mögen, mit Dank angenommen werden.
Das Konnte besteht aus den Herren:
Hofkaplan vr. Bra u n, Oberbürgermeister I>r. v. H a ck, Präsident v. Hofacker, Gemcinderat C. Körner, Stadt- pfarrcr Lanxmann, Prosesior vr. v. Martitz in;Tübingen, Prälat v. Merz, Präsident vr. v. Rieckc, Freiherr Julius v. Röder, Rechtsanwalt Karl Schott, Kandier Schult« Kassier des Kereins, an welchen die Beiträge ru sende» find, Ge- meinderai K. Stähle, Kaufman Gustav Stälin, Buchhändler Steinkopf, Landtagsabgeordneter Tafel, Oberbaurat v. Tritschler, vr. Oskar ».Wächter, Rechtsanwalt Welcher, Stiftnngsvcrwalter Barchet, Schriftführer.
Russische 1864. Prämien Anleihe. Die nächste Ziehung findet am 13. Juli statt. Gegen den Kursverlust von ca. 20V Mark bei der Auslassung übernimmt däs Bankhaus Karl Neuburger, Berlin, Französische Straße 13,
die Versicherung für eine Prämie von Mk. 1,15 pro Stück»
Beraniworllicher Redakteur Stetnwandel in Na,old. — Druck und
Bellas der G. W. Zaiser'fchen Buchhandlung in Nagold.