ganz unruhig und sind Dir entgegen gegangen," sagte Louise, indem sie sich schmeichelnd an seinen Arm hing. „Es ist Alles schon bereit, wir haben einen großen Christbaum gelaust, die Mutter wollte ihn unterdessen anzünden. Sieh nur, dort brennt auch schon einer, man wird wieder ganz kinderfroh an solchem Abend."
So plaudernd führten ihn die beiden Mädchen triumphierend nach Hause. Die Frau Pastor hatte eben die letzte Kerze angezündet, da hörte sie die Stimme ihrer Kinder vor der Thür, und Freudenthränen stürzten ihr aus den Augen, als der geliebte Sohn sie jetzt in die Arme nahm und Kuß auf Kuß auf die runzligen Wangen drückte.
„Laß mich doch erst mal Dein Antlitz schauen," bat sie dann, „ob Du auch ganz unverändert bist."
„Ganz unverändert, mein Mütterchen," rief Richard lachend, innen und außen, auch die alte Liebe ist nicht erloschen," setzte er leiser hinzu.
„Treu und fest, wie Dein seliger Vater," sagte die Mutter und blickte stolz in das offene, gelebte Antlitz.
Es war ein unendlich glückliches Weihnachtsfest, was die vier so eng verbundenen Menschen feierten. Richard empfand es so recht in diesen Tagen, was für ein Segen die Heimat und ein treues Mutterherz ist, wenn man auch schon längst den Kinderschuhen entwachsen. Am zweiten Festtag, als die Schwestern gegen Abend ausgegangen, und er mit der Mutter allein in dem traulichen Zimmer am Ofen saß, begann ec nach Melitta zu forschen, die Mutter mußte ihm Alles erzählen, was sie von den beiden Damen und ihren Verhältnissen wußte.
„Ich werde sie aufsuchen, womöglich morgen schon, meine arme, verlassene, wilde Rose," erklärte er dann, „wenn ich ihr auch nicht all den verlorenen Reichtum wieder ersetzen kann; vielleicht vermag ich doch ihr Leben wieder etwas glücklicher zu gestalten."
Und so wanderte denn Doktor Bergen heute durch die düstere Vorstadt, wo, wie man ihm gesagt, Bendelo's jetzt wohnen sollten. An dem Hause, in welchem Helene Bauer gewohnt, und wo er so oft seine Schritte hingelenkt, blieb er einen Moment stehen. Anna, die Pflegerin Helenens, ging an ihm vorüber, dem Hause zu. Bergen, dem das junge Mädchen mit dem unschönen, durch Pockennarben entstellten Antlitz so oft die Thür zu Helenens Zimmer geöffnet, erkannte sie sogleich und trat, sie freundlich begrüßend, zu ihr heran.
„Welch ein Glück, daß ich Sie treffe!" rief Anna erfreut, „Sie müssen nun schon mit herauf kommen in Helenens früheres Zimmer, Melitta Bendels liegt dort sterbenskrank, und wenn ihr Einer helfen kann, sind Sie es gewiß."
Bergen wurde leichenblaß bei Nennung dieses Namens, stumm folgte er seiner Führerin, die ihm so bekannte dunkle Treppe hinauf.
„Es ist ein Jammer," erzählte diese, „heute haben sie die Frau Commerzienrätin begraben, das arme Kind hat gar nichts davon erfahren; etwas Geld fanden wir noch in ihrer Kleidertasche, damit sind die Begräbniskosten bestritten, auch einen Kranz habe ich besorgt. Herzzerreißend ist's, wie sie da oben liegt, so totenbleich, so verlassen, und wenn sie dann phantasiert von ihrer Mama und so flehentlich bittet, daß diese doch nur einmal zu ihr heran kommen und mit ihr sprechen möge. Und dann wieder sucht sie ihre Zöpfe, die sie, glaube ich, in ihrer Not noch am Heiligabend verkauft hat." Bergen rollte bei diesen einfachen Worten Annas langsam eine Thräne nach der andern in den Bart. Er erinnerte sich der dunklen Mädchengestalt, die er in den Friseurlaben am heiligen Abend hatte verschwinden sehen, o warum war er ihr nicht gefolgt! ein schmerzlich Stöhnen rang sich los aus seiner Brust. Jetzt öffnete Anna die Thür, welch ein erschütternder Anblick!
War dieses totenbleiche Mädchenbild wirklich die einst so berückend schöne Melitta Bendelo? Wild und wirr hängen die kurzen Locken um das schmale eingefallene Gesicht. Jetzt richtet sie die großen dunklen Augen auf ihn, ein Strahl des Erkennens, ein flüchtiger Schimmer der Freude leuchtete darin auf, als ahne sie, daß jetzt ihr Geschick sich wenden müsse, daß eine treue Hand sich ihrer annehmen und sie nicht länger dem fürchterlichen Elend und dem Mitleid fremder Menschen überlassen wird.
Die hohe Männergestalt bebte vor tiefer, schmerzlicher Bewegung, es war ihm, als müsse er zusammen- sinken vor Weh über diesen Anblick. — Wo war nun all sein Stolz, sein fester Wille, sein Mannesmut, mit
dem er sich losgerissen von ihr, als der ganze Zauber ihrer strahlenden Schönheit sie noch umgab. In diesem Moment schmolz Alles dahin in heißer Liebe und Erbarmen mit ihr, die so elend, so verlassen, nur noch ein Schatten von dem, was sie einst gewesen, hier auf diesem Lager lag. „Sie sind es, Doktor Bergen?" flüsterte Melitta und streckte ihm die kleine, abgemagerte Hand entgegen. Und als müsse sie sich entschuldigen über all das namenlose Elend, spricht sie leise weiter: „Es wäre gewiß nicht so weit gekommen, nein ganz gewiß nicht, wenn Mama nicht krank geworden wäre — und nun ist sie gestorben, sie haben sie heute begraben, die kleine Marie von drüben hat es mir erzählt. Glauben sie mir, ich habe tapfer gekämpft, ich wollte nicht erliegen, nicht verzweifeln, aber," — sie blickte wie mitleidig auf die kleinen, zarten Hände, „meine Kraft reichte nicht aus. Als ich am Heiligabend das Bäumchen angezündet, und meiner lieben, armen Mama eine kleine Freude machen wollte, ich hatte ja darum mein Haar verkauft, und sie lag dort so starr, so leblos, da brach ich zusammen. — Ein Thränenstrom erstickte ihre Stimme bei dieser Erinnerung, die heute zum ersten Mal wieder klar vor ihre Seele trat.
„Wir werden Sie zu meiner Mutter bringen." sagte Bergen, mühsam nach Fassung ringend; „Und sie und meine Schwestern, wir Alle wollen sie pflegen." Melitta blickte ihn dankbar an. „O, Sie sind gut! Ich darf fort aus diesem entsetzlichen, dunklen Hause? dann werde ich auch vielleicht wieder gesund und kräftig."
„Gewiß, Sie sollen ganz gesund wieder werden, und wenn es dann Frühling wird, dann wollen wir Blumen auf Ihrer Mama Grab legen."
„Wir wollen Blumen auf ihr Grab legen," — sagte Melitta leise träumerisch, doch plötzlich wurde ihr Blick wieder irre.
„Mama, Mama!" rief sie in herzzerreißenden Tönen, „bleibe bei mir, laß Dich nicht in das kalte, tiefe Grab legen, wo sie die arme Helene hingetragen, die so gerne leben wollte, nur einen Tag, nur einen des vollen reichen Lebens. Sieh' ich gebe Dir auch all' mein Geld, und will recht fleißig arbeiten, denn ich muß mir doch meine Zöpfe wieder kaufen und die blitzenden Steine, und die Perlen. Weißt du, ich trug sie dann, ich war Leonore, und er, — er — o wie hieß er doch?"
„Mein Freund, die goldene Zeit ist wohl vorbei;" flüsterte sie jetzt leise, ihre Wangen röteten sich in Fieberglut.
Bergen öffnet ein Fenster und läßt die kalte Winterluft Hineinströmen. Anna muß frisches Wasser besorgen, er legt einen kühlenden Verband um das heiße Köpfchen.
„Bist Du das, Mama?" fragte Melitta und faßt seine Hand, läßt sie aber gleich wieder fallen. „Es ist nicht Mama's Hand," sagte sie traurig, Ma- ma's Hand war so kühl, so weich." Endlich legte sie den heißen Kopf müde in die Kissen zurück, als wollte sie einschlummern. Bergen sitzt noch eine Weile an ihrem Lager, ihren Schlaf beobachtend, als derselbe immer ruhiger wird, erhebt er sich und bittet Anna bei der Kranken zu bleiben; er wolle sofort seine Anordnungen treffen, damit Melitta noch am Abend nach seiner Wohnung geschafft werden könnte. Noch einmal fällt sein Blick tiefbewegt auf die Schlummernde.
„Armes, armes Kind," murmelt er und streicht ihr die krausen Haare aus der erhitzten Stirn. Dann geht er leisen Schrittes zur Thür hinaus und eilt nach Hause, ein Zimmer für Melitta Herrichten zu lasten
Sieben Tage sind vergangen, in welchen Melitta in den heftigsten Fieberphantasien gelegen. Bergen hat Tag und Nacht an ihrem Lager gewacht, trotz der Bitten seiner Muiter und Schwestern, ihnen die Pflege zeitweise zu überlassen und sich einige Stunden der Ruhe zu gönnen.
„Ich würde doch keine Ruhe haben," hat er traurig erwidert, „so lange das teure Leben noch in Gefahr schwebt." Sein Antlitz sieht bleich und verfallen aus, und um die schönen, ernsten Augen haben sich dunkle Schatten gelegt.
Heute endlich leuchtet es wie Hoffnung in seinem Blick; die Krisis ist eingetreten, Melitta liegt seit einigen Stunden im tiefen, festen Schlummer. Die ersten Strahlen der Wintersonne lugen hinein in das lauschigstille Gemach, es ist Melitta's früheres Schlafgemach. Kein Stück fehlt darin, von all dem Luxus, mit welchem das verwöhnte, reiche, junge Mädchen sich in früheren Zeiten umgeben. Der weiche
Teppich, die rosa-seidene Garnitur des Bettes, und dort die schweren dunklen Portieren, die zurückgeschlagen sind, so daß man das kleine geschmackvoll eingerichtete Boudoir übersehen kann.
(Schluß folgt.)
Att er t-t.
— Ueberden Wein als Sommergetränk schreibt die „Weinlaube": „In der Regel steigt der Consum des Weines bei Beginn der großen Hitze, es trinken dann auch jene Leute Wein, welche sonst nur zum Bierglase greifen, um sich zu erfrischen und zu laben. Es ist dies auch sehr empfehlenswert, nicht bloß deshalb, weil gewässerter Wein viel bester den Durst stillt, als reines Wasser, sondern auch aus dem Grunde, weil die Brunnen- und Quellwasser häufig verschiedene Wirkungen auf den menschlichen Organismus äußern, je nachdem derselbe an ein hartes oder weiches Wasser gewöhnt ist. Beweis dessen ist die Thatsache, daß ein und dasselbe Brunnenwasser bei verschiedenen Personen verschiedene Zustände Hervorrufen kann: bei den Einen löst es auf, bei Anderen bewirkt es das Gegenteil. Mäßiger Zusatz von Wein macht diese Wirkung zumeist verschwinden, und es ist namentlich auf Reisen viel vorteilhafter, Wasser mit Wein zu trinken, als sich durch Außerachtlassen dieser Vorsicht allen mög- lchen Zufällen auszusetzen. Zumeist ist es der weiße Wein, welcher in dieser Beziehung Verwendung findet. Derselbe ist fast immer etwas saurer als der Rotwein und es bleibt dieser saure Geschmack auch bei der Verdünnung nachhaltiger und ausgiebiger. Ein wesentliches Erfordernis hierbei ist es jedoch, daß der zur Verfügung stehende Wein vollkommen- klar und abgelegen ist. Zum Wässern kann man nur alten Wein benutzen, weil im jungen Wein zu wenig Geschmackstoffe enthalten sind. Viel weniger kommt der Alkoholgehalt des Weines in Betracht. Wenn man forcierte Märsche oder Gebirgstouren in großer Hitze zu unternehmen beabsichtigt, bei welchen man nicht viel tragen kann, so ist am besten, gewässerten Wein mitzunehmen. Der mäßigwarme, gewässerte Wtin, hat dieselbe Wirkung wie kalter, gewässerter, schwarzer Kaffee, welcher in Italien vorzüglich als durstlöschendes Getränk consumiert wird. In fieberbehafteten Gegenden oder bei großer Hitze greife man nach Rotwein und trinke so wenig als möglich Wasser. Je mehr man nämlich Wasser trinkt, desto mehr transpiriert man, es steigert sich damit das Gefühl der Hitze, und daher kommt es auch, daß jene, welche gewohnt sind, viel zu trinken, den meisten Durst leiden. Je weniger wasserreich die Gewebe des Körpers sind, desto exakter geht auch die Blutcirkulation und die Verarbeitung der Nahrungsstoffe vor sich und desto widerstandsfähiger gegen Jnfectionen ist der menschliche Körper. In sauren Flüssigkeiten gedeihen die Batterien nur schlecht oder gar nicht, weshalb in warmer Sommerzeit, in welcher die Batterien, sowie alle anderen pflanzlichen Organismen besonders vermehrungsfähig sind, die sauren Flüssigkeiten vor allen neutralen hinsichtlich des Consums den Vorzug verdienen."
— Richterliche Milde. Der englische Oberrichter Lord Mansfield wollte einst gern einen Menschen sreigespro- chen wissen, der eine Sache von geringem Werte gestohlen hatte. Er schlug den Geschworenen vor, den entwendeten Gegenstand nur auf 10 Ps. anzuschlagen. Als der Kläger dies hörte, rief er: «Wie, nur 10 Pf., Mylord? Die Facon lostet mich zehnmal mehr." „Ach," erwiderte Lord Mansfield, „der Facon wegen wollen wir keinen Menschen hängen."
— Ein ehrgeiziger Arzt beklagte sich jüngst über den Undank der Welt gegen seinen Beruf. Staatsmännern und Feldherrn, Künstlern und Gelehrten setze man Denkmäler nach ihrem Tode, aber dem verdienstvollen Arzte nicht. „Aber Doktor," ruft eine Dame, „rechnen Sie die Denkmäler für Nichts?" _
Verdient Xaeliabmunx! Vor einiger Zeit verlangte
ein Bekannter, welebsr längere 2 sit au Verstopfung, verbunden mit Blutandrang, Loxfsebmsraen, Herzklopfen, Appetitlosigkeit litt, auf besonders Bmpkebluüg seines Hausarztes, die bekannten Vpotbsksr R,. Brandt'» Sebveixsr- pillen. Der betreffende Vpotbeksr, vsleber aus unbekannten Orünäen dis liebten ZeinvsDsryillen niobt batte, avollts den Läufer veranlassen, seine sslbstkabrieierten äbnlieb den Lebten Lebveixerpillen verpackten Dillen, veil besser null billiger, 211 nebmsn. Dlüeklieberrvoiss rvar aber <lsr Leidende auf äie verssbiedsntlieb existierenden Xaebabmnn- gsn vorder aufmerksam gsmaelit uml vsrliess sofort dis ^potbeks, um in einer anderen äie liebten Vpotbeker L. Brandts Lebrvsirerplllsn xu kaufen. Dies verdient Xaeb- abmung unä cviril man stets vor Däusebuug bscvabit bleiben, venu, man darauf aebtet, dass das Btiguett der ^.po- tbeksr B-. Brandt s Zebrveirsrpillsn sin rvsisses Lrsux in rotem Dsld un d den Xamsnsxug L. Brandt trägt. _
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Bertas der G. W. Z aiser'schen Buchhandlunz in Nagold.