Eltern in Annaberg, beim Baden, weil er kurz vor­her gegessen und sich nicht genug abgekühlt hatte, vom Schlag getroffen.

Berlin, 30. Juni. (Tod während der Chlo­roform-Narkose.) Die junge, blühende Frau eines hiesigen Bäckermeisters hatte sich einer Operation zu unterziehen. Der operirende Arzt chloroformirte die Frau, doch hatte er, ehe er zur Operation schreiten konnte, nur mehr eine Leiche vor sich. Alle Wieder­belebungsversuche waren erfolglos.

Berlin, 1. Juli. Die Verbindung mit un­seren afrikanischen Kolonien gewinnt von heute ab einen stabilen und regelmäßigen Charakter, da eine regelmäßige Dampfschiffsverbindung alle 14 Tage von Hamburg ab stattfindet. Heute, wo unser Con- sul Schmidt abreist, der für seine fernere Mission in Afrika einen neuen auf 3 weitere Jahre giltigen Con- tract abgeschlossen hat, gehen sogar zwei Schiffe ab. Die Nachfragen um Engagements für Afrika sind in letzterer Zeit seitens hiesiger Arbeiter sehr starke gewesen, so daß unser Consul Schmidt, der gestern übrigens zum definitiven Abschied zum letzten Mal einige Stunden hier weilte, wiederholt erklären mußte, daß der Staat überhaupt keine Arbeitskräfte für Af­rika engagiert, daß das Klima dem deutschen Arbei­ter überhaupt sticht günstig sei, und daß der Deut­sche drüben überhaupt nur als Kaufmann, Beamter oder alsHerr" leben könne, die Neger könnten,drü­ben allein als Arbeitskräfte verwandt werden. Auch der Gemüsebau wird von jetzt ab mehr forciert wer­den. Stachelbeeren und Johannisbeeren gedeihen vortrefflich und soll Deutschland im nächsten Jahr mit dem vorzüglichsten Johannisbeerwein zu billigem Preis versorgt werden. Die Rosen erreichen die Größe von mäßigen Kohlköpfen.

Berlin, 2. Juli. Der vom Bundesrat an­genommene Antrag in Sachen Braunschweigs lautet: Der Bundesrat spricht die Ueberzeugung der verbündeten Regierungen aus, daß die Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig, da derselbe sich in einem dem reichsverfassungsmäßig gewährleisteten Frieden unter Bundesstaaten wider- streitenden Verhältnisse zu Preußen befindet und im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Gebietsteile dieses Bundesstaates, mit den Grund­prinzipien der Bündnisverträge und der Reichsver- sassung nicht vereinbar sei. Die braunschweigische Landesvertretang ist davon zu verständigen. Der Bundesrat genehmigte ferner den Vertrag mit dem Norddeutschen Lloyd, belr. die ostasiatischen und australischen Dampferlinien.

Berlin, 3. Juli. Der Reichskanzler ist heute Nacht wieder hier eingetroffen.

Berlin, 3. Juli. Hiesige Blätter machen den Ansprüchen des Herzogs von Cambridge auf den braunschweigischen. Thron gegenüber ziemlich energisch Front und halten dafür, daß dieselben eigentlich nicht so ernsthaft zu nehmen wären, als sie wohl gemeint seien. DieNat.-Ztg." meint ge­radezu, daß Jemand, der in Deutschland irgend eine amtliche Stellung bekleiden wolle, auch Deutscher sein müsse, mag nun diese Stellung die Würde eines Schutzmannes, Gerichtsvollziehers, oder eines Bundesfürsten repräsentieren: Beweis genug, daß man nicht daran denkt, den Ansprüchen des englischen Herrn so ohne Weiteres große Tragweite beizu­messen.

Berlin, 4. Juli. Der Reichskanzler hat ge­stern den Vertrag mit dem Norddeutschen Lloyd in Bremen, betreffend die Dampfersubvention, vollzogen. Der Kanzler reist morgen früh nach Kröchelndorf, wo Montag die Hochzeit des Grafen Wilhelm stattfindet.

Auf kirchenpolitischem Gebiete ist es neuerdings wieder etwas lebendiger geworden. Ein­mal gibt der Abschiedsbrief des früheren Kölner Erz­bischofs an seine Diöcese und seine Berufung nach Rom Anlaß zu mancherlei Betrachtungen und dann hat auch der Studienerlaß des Bischofs von Pader­borns. u.) zu einer gereizten Polemik innerhalb der kleri­kalen Presse geführt, die sich ziemlich unverhüllt ge­gen den genannten Kirchenfürsten richtet. Derselbe wagt es, in seinem Erlasse die Härten des Kultur­kampfes einigermaßen zu mildern und empfiehlt eine ungestörte geistliche Wirksamkeit. Diese von dem Paderborner Bischof angeschlagenen versöhnlichen Klänge haben ihm heftige Angriffe der intransigenten klerikalen Blätter vom Schlage derGermania" zu- gczogen, was um so bemerkenswerter erscheint, als '

gerade jetzt niemand Geringeres als Papst Leo XIII. selbst den fanatischen Hetzern in seiner Umgebung durch die Maßregelung des »Journal de Rome" eine empfindliche Lektion hat zu Teil werden lassen.

Sehr beachtenswert für Lehrerkreise dürfte folgende Mitteilung des Reichsboten sein: Die mili- tärpfichtigen Volksschullehrer und Kandi­daten des Volksschulamts, welche ihre Befähigung für letzteres in vorschriftsmäßiger Prüfung bewiesen haben, können bekanntlich nach sechswöchentlicher Aus­bildung zur Reserve beurlaubt werden. Diese Be­stimmung ist jedoch, nach Mitteilung derPreuß. Schulztg.", zufolge ergangener Erläuterung nicht als ein dem Lehrerberufe zugestandenes Vorrecht anzu­sehen, sondern in dem bisher wahrgenommenen Mangel an Volksschullehrern begründet. Demgemäß soll diese Vorschrift zunächst auf diejenigen Militärpflichtigen keine Anwendung finden, welche zwar die Eigenschaft als Volksschullehrer besitzen, aber nur in Privatan­stalten beschäftigt oder angestellt sind.

Am 1. Juli sind es zehn Jahre gewesen seit Einführung der Reichswährung in Deutschland, welche sich so schnell und leicht namentlich auch im Süden eingebürgert hat, wo der Uebelstand mit der Menge der verschiedensten fremdländischen Münzsorten am drückendsten empfunden wurde. Jetzt wünsch» niemand mehr das Alte zurück.

Der deutsche Kronprinz ist in Aachen, wo er behufs Teilnahme am 25jährigen Jubiläum des 53. Infanterie-Regiments am Sonnabend vor­mittag eingetroffen war, in glänzender Weise emp­fangen worden. Bereits am Montag abend wurde der Kronprinz in Berlin zurückerwartet.

Unter den Sozialdemokraten, unter denen lange Zeit Uneinigkeit geherrscht hat, soll wieder Friede, Einigkeit, Ruhe und Glückseligkeit eingekehrt sein. Es soll, wie Berliner Blätter erfahren haben wol­len, in einer Stadt Mitteldeutschlands vor Kurzem eine Zusammeukunft der Führer stattgefunden haben, bei welcher es zwischen Bebel, Hasenclever, Auer, Kayser, Frohme, Kräcker, Grillenberger u. s. w. zur Aussöhnung und Bruderküssen gekommen sei. Wir werden ja sehen, ob's wahr ist und, wenn es wahr ist, wie lange es dauert.

Unter derUeberschrift:Die Wollkalamität und das Reich" bespricht die Kreuzztg. das Sinken der Wollpreise, den Wollkrach, wie sie cs nennt, und schildert die daraus entspringende Notlage der Landwirtschaft. Sie schlägt als einen Ausweg vor, daß von Reichswegen die Bekleidung der Armee, der Marine, der Postbeamten u. s. w. an die Bedingung geknüpft werde, daß dieselbe aus inländischem Roh­material hergestellt sein müsse.

Den ultramontanen Blättern kommt ein Erlaß des bischöflichen General-Vikariates von Pader­born sehr ungelegen. In diesem Erlasse werden näm­lich diejenigen jungen Leute, welche an den Univer­sitäten sich zum geistlichen Stande vorbilden, ermahnt, auch in Pholosophie, Geschichte und deutscher Litte- raturgeschiche sich zu unterrichten und darüber, daß es geschehen fei, von den Professoren sich eine beson­dere Bescheinigung ausstellen zu lassen. Um nicht eingestehen zu müssen, daß der Paderborner Erlaß ein Einlenken von kirchlicher Seite in Betreff des Gesetzes über die Vorbildung der Geistlichen bedeute, interpredieren die ultramantonen Blätter derselben so, als wäre er bestimmt, dem Staate die Versagung des Dispenses unmöglich zu machen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 3. Juli. In Horodenka (Galizien) sind über 600 Häuser abgebrannt: 5000 Menschen, meistenteils arme Juden, sind obdachlos und brodlos. Zwei Menschen verbrannten, mehrere Kinder werden vermißt; es herrscht große Not.

Pest, 3. Juli. Ministerpräsident Tisza be­antragte in gemeinsamer Ministerkonferenz, die österr.- ungarische Monarchie möge mit Deutschland einen Zollvertrag abschließen, der beide Reiche nach außen als ein gemeinsames Zollgebiet erscheinen lasse, mit Beibehalt eines Zwischenzolls zwischen Oesterreich- Ungarn und Deutschland.

Frankreich.

Paris, 2. Juli. Aus Nom wird telegraphiert, daß der Papst in einer Unterredung mit einem römi­schen Berichterstatter gegen die Gerüchte von einer Annäherung des Vatikans an den Quirinal Einspruch erhoben habe. Eine Aenderung seiner Politik auf diesem Gebiete sei seiner unwürdig. Die Gerüchte seien von Leuten in Umlauf gesetzt worden, welche

über den Brief des Papstes erregt seien und die sich fitzt dadurch rächen wollten, daß sie aussagten, Leo XIII. vertrete schlecht die Interessen der Kirche. (Auch diese Nachricht ist ihrer Form nach mit Vor­sicht aufzunehmen.)

Spanien.

Madrid, 1. Juli. Auch in Aranjuez ist die Cholera ausgebrochen; in den letzten 24 Stunden sind dort auf 4000 Einwohner 104 Todesfälle vor­gekommen.

Madrid, 3. Juli. Der König ist am Donnerstag früh, von nur zwei Adjutanten begleitet, nach Aranjuez abgereist, wo die Cholera am heftig­sten auftritt. Es sind daselbst vom Dienstag 200 Cholerafälle gemeldet, davon 74 Tote, bei einer Bevölkerungszahl von 6000. Der König, welcher in seiner Eigenschaft als Generalissimus der Armee handelt, beabsichtigt die Garnison zu besuchen, welche stark heimgesucht ist, und für die Kantonnierug der Truppen Anordnung zu treffen; er will aber auch das Zivilhospita! besuchen.

Madrid, 4. Juli. Nachdem der König von seiner Reise nach Aranjuez, von einer ihn mit begei­sterten Zurufen empfangenden Volksmenge begleitet, in das Schloß zurückgekehrt war, sammelten sich vor demselben viele Tausende, welche die Huldigungen fortsetzten, bis der König wiederholt auf dem Bal­kon erschien und lebhaft dankte.

England.

London, 1. Juli. Hervorragende Konser­vative gründen eine öffentliche Gesellschaft, deren Zweck es ist, die Provinzen mit Zeitungen und Flug­schriften zur Förderung der konservativen Interessen zu versorgen.

Handel L Uerkehr.

(Konkurseröffnungen.) Pauline Moser, Modistin in Crailsheim. Andreas Blessing, Bäcker und Wirt zum Herzog Karl" in Göppingen. Johann Georg Wurster, Mühlepächter in Grunbach. Peter Oellig, Gastwirt in Stuttgart. I. F. Koppenhöfer'sche Bierbrauerei, E. und P. Koppenhöfer, offene Handelsgesellschaft in Stuttgart. Otto Rühm, Pianofortefabrikant in Stuttgart.

Die Ernteberichte aus Amerika versuchen nach­zuweisen, daß die diesjährige Wcizenernte in den Vereinigten Staaten die ungünstigste seit 20 Jahren werden soll, was aber vielseitig in Abrede gestellt wird. Nach Berichten aus russischen Geschäftskreisen ist das Wetter in Rußland in letzter Zeit für alle Landcserzeugnisse sehr günstig gewesen und hofft man dort auf eine reichliche Ernte. Die letzten Meldungen aus den ton­angebenden Produktions-Distrikten Oesterreich-Ungarns über den Stand der Getreidefelder lassen eine gute Mittelernte erhoffen.

Der Weg zum Herzen. Nachdruck nicht

Novelle von F. Stöckert. gestattet.

(Fortsetzung.)

Sein Entschluß wurde auch durch Laura's Krank­heit nicht schwankend gemacht. Ihr Bild verblich eben so schnell, so schattenhaft wie alle die andern der Be­wohner der kleinen Stadt, als er dieselbe endlich im Rücken hatte. Ein anderes süßes Mädchenbild war es, das, je näher er seinem Ziele kam, ihn um­schwebte. Dem bestrickenden Zauber dieser Mäd­chenerscheinung zu entfliehen, hatte er einst die Stadt verlassen, und jetzt trieb es ihn dahin zurück und heiß verlangte es ihn, sie zu suchen, sie wiederzufinden.

Und nun war er angelangt und wanderte durch die alten, wohlbekannten Straßen, auch an dem Hause vorüber, wo einst Melitta's Köpfchen, hinter Blumen versteckt, nach ihm ausgeschaut. Jetzt blühten keine Blumen mehr hinter den Fenstern, ein altes, fremdes Frauenbild saß an demselben und blickte mißmutig auf die schneebedeckte Straße hinunter. Eine Schaar junger Damen mit Schlittschuhen am Arm begegnete ihm, es waren Freundinnen von Melitta, die er einst in dem Bendelo'schen Hause gesehen, auch Hermine Wellner war darunter, sie wurde dunkelrot, als er grüßend seinen Hut zog. Allmählig wurde es dunkel auf den Straßen, man zündete die Gaslaternen an. Bergen beschleunigte seine Schritte, er sehnte sich nach dem lieben Antlitz seiner Mutter. In einen hell er­leuchteten Friseurladen, an welchem ihn sein Weg vor­über führte, schlüpfte eine dunkle Mädchengestalt hin­ein, betroffen blieb er stehen, war das nicht Melit­ta's zierliche Gestalt, unter dem weißen Tuch, welches sie um den Kopf geschlungen, glaubte er die langen, schwarzen Zöpfe herunter hängen zu sehen. Sollte er ihr folgen? Wohnte sie vielleicht in diesem Hause? Da tönten bekannte Namen an sein Qhr:

Da ist er ja, Richard! Richard!" riefen zwei Helle Mädchenstimmen, es waren seine beiden Schwe­stern, die jetzt freudestrahlend auf ihn losstürmten Du bleibst so entsetzlich lange, wir wurden schon