Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
M 43.
Erscheint wöchentlich 8mal: Dienstag, Donnerstag and Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlobn) vO , in dem Bezirk 1 — «l,
außerhalb des Bezirks 1 20 4. Monats
abonnement nach Verhältnis.
Dienstag den 14. April.
JnsertionSgebühr für die Ispaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 -l, bei mehrmaliger je S <k. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.
1885.
Amtliches.
Die Güterlmchsbeamte«
werden erinnert, den Tag des Abschlusses des Güter- buchscrgäiizungsgeschäfts pro 1884/85 rechtzeitig hie- her anzuzeigen.
Nagold, den 9. April 1885.
K. Amtsgericht. Daser, O.-A.-R.
Durch mutvolle und aufopfernde Thätigkeit bei Brandfällen haben sich u. a. ausgezeichnet und werden belobt: Am SS. Jan. in Ostelsheim (Calw), die Feuerwehren und Löschmannschaften von Althengstctt und Ostelsheim, sowie von Dätz ingen (Böbling en).__
Die Realpolitik in der Kolonialfrage.
Bon den Gegnern der deutschen Kolonialpolitik ist oft die Behauptung ausgestellt worden, daß man in Deutschland die Kolonialfrage mehr vom idealen, ja wohl gar einer Art Großmachtsucht entsprungenen chauvinistischen Standpunkte behandle und nicht das Reale, Praktische, wirtschaftlich Verwertbare dabei im Auge habe. Nun, was denjenigen Idealismus anbetrifft, den man zum Gelingen jedes großen Unternehmens, was Gefahren und Opfer in sich schließt, bedarf, so können auf diesen als einen treibenden, nationalen Hebel bei der Kolonialpolitik die Leiter und Befürworter derselben allerdings nicht gut verzichten, aber geradezu eine seltsame Erdichtung ist es, wenn behauptet wird, daß die deutsche Kolonialpolitik ein ideales, unpraktisches Machwerk sei und bleibe und die Nation keinen wirtschaftlichen Vorteil davon haben werde.
Um das Gegenteil dieser Behauptung nachzuweisen, dürfen wir uns nicht in Einzelheiten der Kolonialpolitik verlieren, sondern müssen nur die großen Verhältnisse derselben fcsthalten, denn das einzelne Unternehmen kann mißlingen oder zu öfteren Enttäuschungen führen, als das ganze große Kolonialwerk; dieses muß nach Jahren der Arbeit und Opfer gedeihen. Ist es etwa in England, Holland und Portugal zu Anfang der Gründung ihrer Kolonien anders gewesen? Auch diese Länder machten mit überseeischen Besitzungen erst manche schlechte Erfahrung, aber heute weiß jedermann, der in England, Holland oder Portugal gelebt hat, daß diese Staaten den größten Teil ihres Reichtums in kommerzieller wie industrieller Beziehung ihren Kolonien verdanken, von denen sie unter sehr günstigen Bedingungen wertvolle Naturprodukte beziehen und Jndustrieerzeugnisse dahin liefern.
Ferner ist es doch eine Thatsache, daß Deutschland jährlich an Kaffee, Reis, Gewürz und Baumwolle mindestens für 300 Millionen Mark aus dem Auslande bezieht. Sollte es nun dem deutschen Unternehmungsgeiste nicht gelingen, in einigen Jahren in den deutschen Kolonien Südafrikas und Neu-Guineas wenigstens einen guten Teil des Bedarfs Deutschlands an Kaffee, Reis, Gewürz und Baumwolle zu bauen? Diese Millionen kämen dann doch dem deutschen Nationalvermögen zu Gute und vermehrten Deutschlands Kauffähigkeit auf allen Gebieten. Wiederholt ist auch schon darauf hingewiescn worden, daß die Negervölker und andere halbwilde Eingeborene der Kolonialländer gar nicht so bedürfnislos und armselig sind, wie sie scheinen, daß sie gern allerlei europäischen Tand, auch Hausgeräte und Waffen kaufen und dafür allerlei wertvolle Naturprodukte in Tauschhandel geben. Wir denken daher, daß bei der deutschen Kolonialpolitik doch recht greifbare, wirtschaftliche Vorteile und nicht nur ein unpraktischer Idealismus eine Rolle spielen und daß nicht nur
s der große Kapitalist, sondern auch der kleine Mann allmählig seinen Nutzen von den deutschen Kolonien haben kann. Man komme nur nicht mit dem abgeschmackten Einwande, daß Deutschland auch ohne Kolonien sich diese Vorteile erwerben könne, indem es keinem deutschen Unternehmer verwehrt sei, in fremden Kolonien Handel zu treiben und Plantagen zu gründen. Vertragsmäßig besteht dies Recht allerdings, aber mit der Gleichberechtigung sitzt es in der Praxis doch ganz anders und in englischen, französischen und holländischen Kolonien können deutsche Unternehmungen nie so gedeihen wie in deutschen.
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
** Nagold, 12. April. Kürzlich fand die Prüfung der hiesigen Fortbildungsschule statt. Wie alljährlich erhielten diejenigen Schüler, die sich durch Fleiß und Wohlverhalten auszeichneten, Prämien und Belobungen. Die Verteilung derselben wurde mit der heute nachmittag vorgenommenen Visitation der Sonntagsschule verbunden. Geldprämien erhielten folgende Schüler, die zwei Jahre lang die Schule besuchten: Balthas Bauer von Ergenzingen, Hermann Mayer von hier, Adolf Schill von Hirsau. Julius Motz von Schietingen, Benjamin Rentschler und Ernst Knödel von hier. Mit Belobungen wurden bedacht: Ernst Ungerer von Egenhausen, Johann Killinger von Oberjettingen, Albert Katz und Joachim Jedele von Hochdorf. — Heute nachmittag war eine schöne Entlassungsfeier der Heuer aus der Kinderlehre tretenden Söhne und Töchter in der Kirche. Es wurden hiebei Reden der beiden Geistlichen gehalten. Die Haupt- stücke der christlichen Wahrheit im Chore gesprochen, die Konsirmationsdenksprüche von den Kindern gelesen und jedem Treugebliebenen (bis auf ganz geringe Ausnahmen alle) ein schönes Gedenkblatt cingehändigt.
Nagold. Nächsten Freitag abends 8 Uhr werden wir im Gasthof z. Hirsch Gelegenheit haben, den Deutschen Gedankenleser und Spiritisten-Entlar- ver Hrn. Stengel, Königl. Württemb. Hofkünstler, bewundern zu können. Die Düsseldorfer Zeitung schreibt über den Künstler folgendes: „Die Gedan- kcnlese L 1a Cumberland erregt viel Aufsehen. Auch hier fand jüngst eine derartige Sitzung statt. Eine ausgewählte Gesellschaft wohnte nemlich einem Produktionsabend des Professors Stengel bei. Am interessantesten gestaltete sich die Gedankenlese. Herr Stengel ließ sich verschiedene Geldmünzen und Ssinge geben, überreichte dieselben, ohne sie einer näheren Ansicht unterworfen zu haben, einem Herrn und er- gieng sich alsdann — zehn Schritte davon entfernt — eingehend über die Beschaffenheit der Gegenstände; bei den Münzen beschrieb Professor Stengel Kopf und Schriftscite, bei den Ringen die Fassung, die Eingravierungen innen und außen. Alles staunte und stand vor einem Rätsel. An demselben Abend gab Professor Stengel auch das Schreibmedium nach Dr. Slade zum Besten. Eine Schiefertafel wurde von den Anwesenden geprüft und als tadellos befunden. Hr. Stengel nahm die Tafel, begab sich an seinen Platz und die Tafel beantwortete die von einer Dame gestellte Frage, indem nach wenigen Minuten die mit Kreide geschriebene Antwort zum Vorschein kam. Noch schwieriger als diese Prozedur wahr das Erraten einer vierstelligen Zahl. Zwei Herren einigten sich in seiner Abwesenheit über eine solche Zahl und deponierten dieselbe in einem ver
schlossenen Kouvert. Stengel hatte nun eine Tafel, auf welcher die zehn Ziffern verzeichnet standen und führte die Hände erst des einen, dann des andern Herrn über die Zifferreihe hin und her, um aus den Erregungen nach einander die erste, die zweite, die dritte und die vierte Ziffer zu folgen. Es handelte sich um die Auswahl zwischen je zehn Ziffern und zwar um eine viermalige Auswahl. Die Lösung wurde nur dadurch möglich, daß er zwei Personen zur Verfügung hatte, so daß er mit dem Zweiten die Probe darauf machen konnte, ob das richtig sei, was er aus dem Pulsschlag und den unwillkürlichen Zuckungen des Einen geschlossen hatte. Trotzdem dauerte die Prozedur recht lange, der Gedankenleser niußte namentlich wegen der ersten und dritten Ziffer wiederholt abwechselnd die Hände zu Rate ziehen. Endlich schrieb er, allerdings noch mit Zagen, die Zahl 5580 an die Tafel und das nun eröffnete Kouvert ergab dieselbe Zahl. DaS Publikum zollte dem Künstler reichen Beifall." Auch die „Bonner Zeitung" spricht sich sehr lobend über die in Bonn gegebenen Soirsen aus. (s. Inseratenteil.)
Stuttgart, 8. April. Die Kammer der Abgeordneten trat in ihrer heutigen Sitzung (der ersten nach den Osterserien) in die Beratung des Etats des Justizministeriums ein. Bei der Generaldebatte ward von dem Abg. Göz darauf hingewiesen, daß die in Württemberg geltenden Borschristen bezüglich der sicheren Anlage von Pflegschaftsgcldcrn doch gar zu sehr vcraitet seien, was schon daraus bervorgeht, daß hier die Anlage von Mündelgeldern in deutscher Reichsanleihe nicht gestattet ist. Von Göz ward auch auf die Mängel der Gebührenordnung der Rechtsanwälte in Württemberg hingewiescn und der Anschluß an die Sätze der deutschen Anwallsordnung befürwortet. Der Abg. Sachs trat mit dem Wunsche einer Verminderung der Landgerichte hervor, und noch eine ganze Reihe von Dcsiderien auf dem Gebiete der Justizverwaltung wurden laut. Der Justizminister v. Faber sagte für die meisten Fälle Abhilfe zu, verhielt sich aber in einigen Punkten den laut gewordenen Wünschen gegenüber ablehnend. Er bezeichnet cs als eine ernste Frage, ob bezüglich der Vorschriften der Anlage von Pflegschaftsgeldern die Landesgesetzgebung Vorgehen solle, da die Reichsgesetzgebung durch die Herstellung eines bürgerlichen Gesetzbuches sich mit der Sache beschäftige. Der Minister machte dabei die Mitteilung, daß die erste Lesung der Reichsstrafprozeßordnung in der mit der Ausarbeitung derselben beauftragten Kommission Ostern 1887 beendet sein werde. Aus volkswirtschaftlichen Gründen bezeichnet der Minister es als nicht rätlich, die jetzt bestehenden Schranken, welche dem Abfluß der Mündelgelder aus dem Lande entgegenstehen, niederzureißen, bevor man aus volle Gegenseitigkeit der andern deutsche» Staaten rechnen könne. Die württem- bergische Gebührenordnung für die Rechtsanwälte hält der Minister nicht für so schlecht, doch betonte er, es werde ihm lieb sein, die Vorschläge der Anwaltskammcr darüber zu hören. Von einer Verminderung der Landgerichte wollt der Minister auch nichts wissen. — Für das Ministerium, Colle- gien und Staatsanwaltschaft sind 1 336 499 für jedes der beiden Etatsjahre exigiert worden, die auch bewilligt wurden. — Bei dem Fonds für Heranbildung der Notariatskandidaten wurde gegen die Einsprache des Justizministrs die Hälfte der Exigenz gestrichen, dagegen sprach man der Regierung gegenüber die Geneigtheit aus, zu einem ähnlichen Lehrkurs für Verwaltungskandidaten die nötigen Mittel bewilligen zu wollen
Stuttgart, 10. April. Die Kammer der Abgeordneten kam gestern mit der Beratung des Justizetats zu Ende. Die Debatten waren nicht erheblicher Natur. Bei dem Kapitel IS: gerichtliche Strafanstalten, wurde von verschiedenen Seiten die Ansicht laut, daß die Gefangenen viel zu milde und human behandelt würden. Der Abg. Sachs gab dieser seiner Meinung dadurch praktischen Ausdruck, daß er beantragte, von den Verpflcgungskosten der Gefangenen, die mit 42l 345 ^ in den Etat eingestellt sind, 40 000 .4t zu streichen. Dieser Abstrich hatte sich aber keineswegs deS Einverständnisses des Justizministcrs zu erfreuen, und auch die Abgeordneten Ebner, v. Schad und v. Ow äußerten sich dahin, daß die Verpflegung unserer Strafgefangenen aus ein Maß reduziert sei, daß sic weitere Ersparnisse nicht gestatte. Es erfolgte denn auch die Ablehnung des Antrages Sachs. Eine noch ungünstigere Aufnahme fand Schnaidt mit seinem Antrag, durch Erhöhung des Etatspostcns: Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb der Strafanstalten um 40000 die Staatskasse um diese Summe entlasten zu wollen. Die Abgg. Abel und Mohl wiesen sehr