Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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1885 .
Gestorben: Den 6. März zu Wildbad der kgl. Bad- meistcr Luz.
Tages-Neuigkeiterr.
Deutsches Reich.
/X Vom Walde, 10. März. Ernste, nachdenkliche Gesichter zeigten sich am letzten Samstag in der Frühe in Garrweiler, als die Kunde von Mund zu Mund ging : Der Bauer I. G. Rentschler wollte soeben das 2 Jahre alte, ihm von seiner Frau in die Ehe gebrachte Kind mittelst eines in eine Giftfarbe getauchten Schlozers beseitigen. Die mit der Bereitung des Frühstücks beschäftigte Mutter schöpfte aus dem allzulangen Verweilen des Mannes in der Wohnung, während er seiner Beschäftigung in der Stallung hätte nachgehen sollen, Verdacht, eilte in die Stube und konnte durch geeignete Vorkehrung rechtzeitig das Eindringen des etwaigen Giftstoffes in den Magen verhindern. Während die Mutter von dem Geschehenen dem Ortsvorstand Anzeige machte, trat ein Landjäger bei demselben ein, der sofort die Verhaftung und Einlieferung des R. bewerkstelligte. Das Kind ist außer Gefahr.
Stuttgart, 5. März. Die Kammer der Standesherren befaßte sich heute mit den Kirchengesetzen, welche die zweite Kammer abgelehnt hat, und dafür auf Antrag des Universitätskanzlers v. Rüme- lin die Negierung um Einbringung eines neuen Gesetzes, in welchem die Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der kirchlichen und bürgerlichen Gemeinden auf fakultativem Wege stattfinden soll, gebeten wird. Der Berichterstatter der Kommission der ersten Kammer, welcher beantragte, dieser Bitte nicht beizutreten, war der jetzige Kultusminister v. Sarwey, der heute am Regierungstische saß. Seine Stelle hatte der Präsident Dr. v. Riecke übernommen. Er erstattete seinen Bericht ganz an der Hand des Sarwey'schen und wies energisch die Angriffe v. Rümelins auf die Landessynode zurück. Der Staatsminister a. D. v. Linden warf die Frage auf, ob es sich nicht empfehle, für das andere Haus eine neue Geschäftsordnung einzuführen, wonach der Ueber- weisung an die Kommission eine erste Lesung der Gesetze im Plenum vorangehe, dann könne es nicht Vorkommen, daß so umfassende Berichte, wie in der zweiten Kammer über den vorliegenden Gegenstand gemacht worden, einfach gegenstandslos sind. Fürst v. Hohenlohe-Langenburg gab dem gleichen Wunsche Ausdruck mit dem Hinzufügen, die Regierung möge öfter die Gesetze zuerst vor die erste Kammer bringen, als dies jetzt geschehe. Auch Fürst Hohenlohe ist ein Gegner des Beschlusses des anderen Hauses, zudem, wie der neue Kultusminister mitteilt, die Regierung noch keine Stellung genommen hat. Der Beschluß, jener Bitte nicht beizutreten, wurde denn auch mit allen gegen die Stimme des Grafen Pückler-Limburg, welcher den Rümelin'schen Standpunkt vertrat, gefaßt.
Stuttgart, 6. März. Die gestrige Sitzung der Kammer der Abgeordneten verlief ohne erhebliche Debatten. Man begann die Beratung des Etats des Ministerums des Innern und erledigte eine Reihe von Kapiteln desselben. Bei Kapitel 1 bat Beutter, es möchte die Anbringung von Schindelschirmen durch Disspensationen von der Norm, daß sie 4 Meter von der Eigentumsgrenze angebracht sein müssen, erleichtert werden, und wurde darin von mehreren Abgeordneten des Schwarzwaldkreises und vom Oberland unterstützt. Minister v. Hölder versprach, die Frage einer technischen Begutachtung zu unterstellen. Eine Exigenz von 9290 ^ für zwei
Ratstellen bei der Zentralstelle für Landwirtschaft, die im Hinblick auf das Zustandekommen des Feldbereinigungsgesetzes eingestellt worden ist, gab dem Abg. Mohl Gelegenheit, der Landwirtschaft im allgemeinen und dem neuen Landeskulturgesetz im besonderen etwas am Zeuge zu flicken, was zur Folge hatte, daß eine Anzahl von der Landwirtschaft an- gchörenden Abgeordneten in längerer Redeschlacht gegen ihn Front machte. Bei dem Kapitel der Alb- wasserversorgung gaben die Abgeordneten Beutter und Leibbrand dem Wunsche Ausdruck, die Regierung möge jetzt auch die Wasserversorgung des Schwarzwalds in die Hand nehmen, während Abel meinte, nachdem die Heuberggemeinden versorgt, solle man mit den Staatsbeiträgen innehalten. Doch scheint nach den Aeußerungen des Min. v. Hölder die Regierung keineswegs abgeneigt, durch ihre Vermittlung auch noch anderen wasserarmen Landesteilen zu dem nassen Elemente verhelfen zu wollen. — Daß das Landjägerkorps für die pflichttreue Ausübung seines schweren Berufes sich allgemeiner Anerkennung erfreut, gieng daraus hervor, daß ihm die exigierten Gehaltsaufbesserungen ohne Widerspruch zugewendet wurden. Man Hütte gerne noch mehr für unsere Landjäger gethan, wenn die Finanzen in dieser Beziehung nicht eine gewisse Reserve auferlegen würden. Bei diesem Kapitel kam auch das Zigeunerunwesen zur Sprache, und der Abg. Schwarz äußerte sich sehr mißliebig über das Eingreifen der Landjäger bei Wahlen zu Gunsten der Regierungskandidaten. Auch den Oberamtstierärzten wurde noch in Ansehung der größeren Geschäftslast, die ihnen durch das Reichsviehseuchengesetz auferlegt worden ist, eine kleine Gehaltsaufbesserung zugewandt, wenn dies auch nicht so glatt und willig geschah wie bei den Landjägern.
Stuttgart, 7. März. Die Kammer der Abgeordneten setzte bcnte die Beratung des Etats des Ministeriums des Innern fort, erledigte aber nur ein einziges Kapitel, dasjenige der Centralstelle für die Landwirtschaft, für welche jährlich 99 670 eingestellt worden sind. Die Abgeordneten kamen dabei mehrmals in ziemlich animierte landwirtschaftliche Debatten hinein Frhr. v. Herrmann eröffnete den Reigen, indem er seine Angriffe gegen die landwirtschaftlichen Gauverbände, die bei ihrem komplizierten Apparat durchaus nicht ihre Aufgaben erfüllen, richtete. Er wurde darin von den Abgg. Dentler, Rapp und Egger kräftigst unterstützt, während man am Regierungstisch den Ganvcrbänden wegen ihrer Verdienste um die Landwirtschaft das Wort redete, deren Entwicklung man nicht stören solle. Einige Abgeordnete des Unterlandes, Frhr. v. Wöllwarth und Ramm, ferner Bantleon und Uhl, waren denn auch mit ven Vertretern der Regierung gleicher Ansicht und Frhr. Hans v. Ow führte aus, daß die Leistungsfähigkeit der Gauverbände von der Person ihres Vorstandes abhänge. — Die Regierung hat nicht unbedeutende Mehr- exigenzcn für die Förderung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens beantragt, was von verschiedenen Rednern mit lebhafter Befriedigung bcprüßt wurde. Nachdem v. Schad den Wunsch ausgesprochen, es möge bei den Altwasserkorrektionen doch mehr Rücksicht auf die Fischzucht genommen werden, Mohl gegen diese Absicht im Interesse der Industrie ein Veto eingelegt hatte, kam auch die Frage der landwirtsch. Enquete zur Sprache, über welche der Minister v. Hölder einige Mitteilungen machte. Es ist in sechs in den verschiedenen Landestcilen gelegenen Ortschaften eine Probe-Enquete eingcleitet worden, deren Resultate der Kammer noch in der gegenwärtigen Session vorgelegt werden sollen. Der Minister meinte, daß die Enquete wohl manches Interessante zu Tage fördern werde, ob das praktische Ergebnis derselben aber so bedeutend sein werde, um ihre Ausdehnung in dem Umsange, wie es in Baden geschehen (ein Vorgehen, das etwa 700000 kosten werde), zu rechtfertigen, sei doch eigentlich zweifelhaft. Als unbedingter Anhänger der landwirtschaftlichen Enquete im weitesten Sinne trat v. Weber auf, während Haug ihr jeden Nutzen absprach und auch andere landwirtschaftliche Abgeordnete der Ansicht waren, daß man im Grunde wenig Neues von ihr erwarten dürfe. Frhr. v. Hermann trat für die Ausdehnung der Enquete nur in dem Falle ein, wenn die Resultate der Probe-Enquete von derjenigen der badischen wesentlich ab
weichen sollten. Das wird aber kaum der Fall sein. — Das Cannstatter landwirtschaftliche Hauptsest, das jedem Schwaben ans Herz gewachsen ist, kam auch noch heute zur Sprache. Gegen dieses Fest, das allerdings zu einem wüsten Jahrmarkts- trnbel herabgesunken ist, hat sich schon vor längerer Zeit eine starke Gegnerschaft geltend gemacht. Man hält solches deshalb auch nur noch alle zwei Jahre ab und Heuer wird es wieder aus- fallen, jedoch nur sein ösfizicller Teil, nicht aber als Volksfest, denn Cannstatt will sich die Einnahmequelle, die es aus dem Feste zieht, nicht entgehen lasten und setzt es wieder auf eigene Hand in Szene.
Tübingen, 7. März. Wie sehr einem schon seit langer Zeit tief empfundenen Bedürfnis durch das ins Lebenrufen einer monatlichen Hundebörse abgeholfen wurde, zeigte die letzten Freitag bei Hrn. Kogler z. Linde abgehaltene Haupthundebörsc in überzeugendster Weise. Es war ein imposanter Anblick, dem regen Leben) und Treiben zuzuschauen. Schon vormittags hatten sich die geräumigen Lokalitäten mit Verkäufern und Käufern von nah und fern angefüllt. Es waren sämtliche Hundegattungen in reichstem Maße vertreten: vom kleinsten Schoßhündchen bis zum kräftigsten Bernhardiner, vom gewöhnlichen Spitzer bis zum fein dressierten Pudel edelster Rasse; nach letzterer fand besonders von studentischer Seite lebhafte Nachfrage statt. Käufer selbst von größerer Entfernung hatten sich in der Erwartung dieser günstigen Gelegenheit ebensowenig getäuscht als Verkäufer, welche mit dem Erlöse zufrieden frohen Mutes die „Börse" verließen.
In Waldenbuch bei Stuttgart waren im vorigen Jahre viele junge Bäume in Gärten und an Straßen umgebrochen worden, ohne daß der Thäter ermittelt wurde. Vor. einigen Tagen hörte der Hammerschmied in tiefer stiller Nacht wieder ein fortwährendes Knicken an der neuen Straße. Er schlich dem Geräusch nach und ertappte den Baummörder, einen Seiler, bei der Arbeit. 58 junge Bäume waren ihm zum Opfer gefallen. Der Ertappte (zugleich der Schuldige vom vorigen Jahre) erhängte sich im Gefängnis.
Reutlingen, 9. März. Der wegen Verdachts der Brandstiftung eingezogen gewesene Bäcker Gottlob Grözinger ist nach dreimonatlicher Untersuchungshaft wieder entlasten worden.
Darmstadt, 7. März. Die zweite Kammer entschied sich mit allen gegen 7 Stimmen für die Beibehaltung der Weinsteuer und ersucht die Regierung, die Frage wegen Besteuerung der Weinlagen von Privaten in Erwägung zu ziehen.
Leipzig, 7. März. Im Landesverratsprozeß gegen Janssens und Knipper wurde Janssens wegen Landesverrats und Verleitung von deutschen Unteroffizieren zur Verletzung des Dienstgeheimnisses zu 8jährigem Zuchthaus verurteilt, Knipper freigesprochen. Janssen lebte vom Jahre 1878 bis 1882 in der Rheinprovinz, hauptsächlich in Köln, als Generalagent des französischen Kriegsministeriums, um militärische Geheimnisse auszukundschaften; er hatte eine Anzahl Unteragenten, darunter 2 Söhne, die in Wesel, Köln, Koblenz und München wohnten. Von Unteroffizier Mester beim Bezirkskommando in Deutz verschaffte er sich Abschrift der Mobilmachungs-Instruktion des 8. Armeekorps für etwa 80 den Sergeanten Schneider in Düsseldorf bestimmte er gegen ein Geschenk von 500 die Beilagen der Mobilmachungsinstruktion des 7. Armeekorps zu liefern. Dieselben wurden während der Abwesenheit des Divisionsgenerals mittels nachgemachter Schlüssel, die Janssens lieferte, aus Schränken entwendet. Andere Agenten waben beauftragt, Abzeichnungen und Festungspläne, sowie Mobilmachungspläne des 5. und 11. Armee-