Unglaublich scheint eS. daß im Duell zwischen den Lieutenannts v. Wille und v. Gotzow in Köln^ 12mal, nach andern Nachrichten sogar 27mal die Kugeln gewechselt worden sind, bis Wille eine Leiche war, und die Veranlassung? Eine verwechselte Mütze!
Berlin, 16. Febr. Der Reichstag setzte die Beratung der Getreidezölle fort, wobei Redner der freisinnigen Partei, der Sozialisten gegen die Vorlage, Redner der konservativen, der Reichspartei, nationalliberalen Partei und des Zentrums für dieselben sprachen. Staatssekretär Burchard erklärte: Dem Beschlüsse des Reichstags, den vorgeschlagenen Roggenzoll auf drei Mark zu erhöhen, werde der Bundesrat schwerlich widerstreben. Bismarck erklärt, es sei eine Entstellung der geschichtlichen Wahrheit, wenn man die Kornzölle als durch die Geschichte gerichtet bezeichne, man solle mit solch nichtigen Behauptungen nicht Arbeiter und Besitzlose aufhetzen. Von Bevorzugung des Großgrundbesitzes sei keine Rede, der Bauer selbst erkenne immer mehr die Gemeinsamkeit seiner Interessen mit denen des Großgrundbesitzes: Der Antrag auf Erhöhung des Roggenzolles auf drei Mark wurde mit 192 gegen 151 Stimmen angenommen, ebenso die Erhöhung des Weizenzolls auf drei Mark mit 229 gegen 113 Stimmen. Fortsetzung morgen.
Berlin, 16. Febr. Das Sperrgesetz wird noch im Laufe dieser Woche erwartet. Die Kommissionsberatung über die Tarifnovelle beginnt gleichfalls sofort, um dieselben innerhalb drei Wochen zu erledigen. Die Absicht, den Reichstag möglichst vor Ostern zu schließen, besteht fort.
Berlin, 16. Febr. Die portugiesische Regierung hat ihren Berliner Vertreter auf der Kongo- kouferenz beauftragt, die Anerkennung der afrikanischen Gesellschaft zu unterzeichnen. Der Konflikt ist vollständig gehoben, angeblich durch die warme Verwendung des Fürsten Bismarck für die afrikanische Gesellschaft.
Im Bundesrat stößt der auf Abänderung der Geschworenengerichte abziclende Gesetzentwurf auf ernstlichen Widerstand, namentlich bei den süddeutschen Regierungen, so daß ec möglicherweise gar nicht an den Reichstag gelangen wird.
Herzloser und rücksichtsloser gegen den Notstand der deutschen Landwirtschaft wie gegen die Bedrängnis des deutschen Handwerkerstandes hat sich der manchesterlichc Freisinn wohl kaum je einmal zu erkennen gegeben, als bei der Zolldebatte im Reichstage am 13. d. M. Die Landwirtschaft soll zu Grunde gehen im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz; ist ihr nicht zu helfen außer mit Schutzzöllen, so möge sie sich nur auf ihr Ende vorbereiten, denn dann ist sie überhaupt nicht wert, zu existieren, das ist der Grundgedanke des manchester- lichen Freisinns, der in allen möglichen Tonarten variiert wird. Und wenn das Handwerk nicht vermag. im industriellen Konkurrenzkampf mit andern Völkern ohne Zollschutz seine Waren zu einem Preise herzustellen, wie jene, so lasse man es zu Grunde gehen — was ist daran gelegen — so zischte es in den Reihen der freisinnigen manchesterlichen Parlamentarier. Aber so warm und herzhaft mit solcher Energie und Gewalt der Beweisführung wie kaum jemals ist der Reichskanzler diesen verbohrten Freihändlern gegenüber für die Landwirtschaft, also den größten Teil unseres deutschen Volkes, und gelegentlich auch fürs Handwerk eingetreten. Möge das Volk, wenn es wieder einmal berufen wird, sich seine Vertreter zu wählen, dessen eingedenk sein, daß herzloser und erbarmungsloser für die Landwirtschaft und das Handwerk Niemand denkt und handelt als der manchesterliche Freisinn. (D. Reichsp.)
Im Einklänge mit Gerüchten, die seit einigen Tagen coursieren, wird der „Voss. Ztg." aus Paris telegraphiert: „Dem Drucke Deutschlands, Frankreichs und Englands weichend, hat Portugal eingewilligt, sich mit der afrikanischen Association zu verständigen. Der Vertrag wird vor Schluß der Berliner Confe- renz unterzeichnet werden." Der letzte Satz würde richtiger lauten: Die Berliner Conferenz wird erst nach der Unterzeichnung des Vertrages geschlossen werden.
Oesterreich-Ungarn.
In Graz und Neichenberg können wir nächstens von neuen Hochverratsprozessen hören. Die dortigen Deutschen wollen sich an der Bismarckspende beteiligen und die deutschgesinnten Blätter motivieren
die- dadurch, daß der Kanzler Deutschland einig, selbständig und groß gemacht hat. Da aber das Jahr 1866 in diesem Vorgänge eine sehr wesentliche Rolle spielt, so mag ein czechischer Staatsanwalt an den Bismarckspendern seine Kunst versuchen.
Wien, 14. Febr. Fürst Bismarck soll der österreichisch-ungarischen Regierung versprochen haben, daß er, falls die Zollerhöhung ins Leben trete, einen die Verhältnisse unserer Monarchie berücksichtigenden inoäus vivsncki aufzustellen bestrebt sein werde. Frankreich.
Paris, 16. Febr. (Kommunarden-Manifestation.) DaS Begräbnis des ehemaligen Mitgliedes der Kommune, Jules Balle, gestaltete sich zu einer kolossalen Kommunarden-Manifestation. Beim Abzüge aus dem Sterbehause auf dem Boulevard St. Michel befanden sich mindestens 50000 Teilnehmer im Zuge, welche bis zum Kirchhofe verdoppelt sein mögen. Der Sarg war mit revolutionären Emblemen bedeckt und zahllose rote und schwarze Banner befanden sich im Zuge. Die Polizei war nicht sichtbar. Studenten griffen am Boulevard St. Michel die Gruppe der Deutschen an und es entwickelte sich eine Schlägerei. Zwei Studenten wurden verwundet. Der deutsche Kranz erregte einige Ausrufe: „Nieder mit Deutschland!" Er kam jedoch unversehrt am Friedhof Pere Lachaise an. Italien.
Wie es mit der italienischen Kolonialpolitik weiter gehen wird, ist bei dem verworrenen Zustand derselben für den Augenblick ganz unklar. So viel indeß dürfte doch feststehen, daß derselben in Folge der bestimmten Erklärungen seitens der Zentralmächte wie der mit Energie betriebenen Rüstungen der Pforte die Flügel in wirksamer Weise beschnitten worden sind. Spanien.
In Gibraltar ist laut „F. Z." ein kleines Pulvermagazin explodiert. Es wurden 9 Soldaten und 8 Zivilisten getötet.
Rußland.
Ein merkwürdiger Nachklang der Drei-Kaiser- Zusammenkunft in Skrerniewice dringt plötzlich in die Oeffentlichkeit. Der Polizeimeister von Warschau fordert der „Köln. Ztg." zufolge in den Warschauer Blättern zu angestrengten Nachforschungen nach einem Polizeiosfizier Namens Schtscherba auf. welcher in Skierniewice die Wache bei der Drei-Kaiser-Zusam- menkunft hatte uud spurlos verschwunden ist. Egypten.
Kairo, 16. Febr. Nach einem von Lord Wolseley telegraphierten ausführlichen Bericht von Augenzeugen aus Khartum drangen die Aufständischen am 26. Januar bei Tagesanbruch in Khartum ein. Gordon wurde durch eine Salve der Aufständischen getödet, als er nach dem österreichischen Konsulat ging. Der österreichische Konsul wurde in seiner Wohnung getötet, der griechische Konsul ist gefangen.
Amerika.
Philadelphia, 13. Febr. Bei dem Brande des hiesigen Armenirrenhauses sind nach bisherigen Ermittelungen 28 Personen umgekommen.
New-Jork, 15. Febr. Durch eine Schneelawine sind Drciviertel der Stadt Utah zerstört worden, wobei 16 Personen ums Leben kamen.
Handel K Uevkehr.
(Konkurseröffnungen.) Johannes Diener, Schuhmacher von Fellbach, entw. Karl Philipp Auch, Handschuhsabr. in Eßlingen, cniw. Christian Roth, Holzhauer von Rodt, und seine Ehefrau Dorothea Roth. Margarethe Wagner, gcb. Schlotter in Schopsioch, Ehesr. des Lanimwirls Jak. Wagner von da, z. Z. in Amerika. Wilh. Schöll, Uhrmacher in Mariazell. Viktor Wagner, Kaufm. in Stuttgart, Inh. des Mode- warcngeschafts Elise Lcchler-Wicland. David Murr, Kausm. in Ulm. Jette Günzburger, geb. Kah», Trödclhändlerin in Stuttgart, Eßlingcrstraßc 2l. Ehefrau des Handelsmanns Abraham Günzburger. Josef Reutemann, Bäcker und Wirt in Wangen und seine Ehefrau Franziska, geb. Gelle. Eduard Weißhardt. Bierbrauer von Siggen, und seine zweite Ehefrau Ursula, gcb. Duräch.
S tu l tg ar t, 16. Febr. (Landesproduktenbörse.) Die Preise gierigen gegen die letzte Börse höher. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, daher. 19 -ir 25 ^ bis 20 russischer Sax., alt. 19 50 -1 bis 20 50 -ch neu 19 ^ bis 19
25 ^1, Bessarabier 20 russischer Assow 18 bis 18
75 -1, Kernen, bayerischer 19 ^ 25 ^ bis 19 50 ^1, Gerste,
Nördlinger 19 75 ungarische 19 bis >9 75
Stuttgart, 16. Febr. (Mehlbörsc.) Der Verkehr war schwächer,' die Preise werden zwar etwas höher gestellt,' aber von den Käufern noch nicht gerne gewährt. Vom inländischen Mehl verkauft 1575 Sack zu: Nr. 0 30.50 32,
Nr. 1 28 29.50, Nr. 2 26-27, Nr. 3 23.50 bis
25, Nr. 4 19.50 -21. In ausländischen Mehlen kein Handel.
Stuttgart, 16. Febr. (Hopfenmarkt.) Umsatz 32!
Ballen von 42 ^ bis 63 Währeil-!-Hklktdril"k'Ware^e».'..-'v- sucht bleibt und verhältnismäßig gut bezahlt wird, ist mißfarbiger Hopfen beinahe unverkäuflich.
Das Amulett.
(Aus der Zeitschrift „Fürs Haus".)
Die goldenen Strahlen der Herbstlonne fielen durch das offene Fenster, an welchem Frau Ehrenstein strickte.
Wie einsam, dachte sie, ist es doch hier auf dem Lande, seit meine liebe Nichte Dora verheiratet ist. Ich hätte nie geglaubt, sie so zu vermissen. Erst 6 Monate sind seit ihrem Hochzeitstage vergangen, aber mir dünken sie 6 Jahre und — Im selben Augenblick umarmte Dora Wilhelm! die Tante.
„Jst's möglich?! Wo kommst Du her, es ist doch nichts passiert?"
„Ach nein, Tantchen," seufzte die junge Frau, „aber es verlangte mich so sehr nach Dir! Ich setzte mich, als Herbert heute in sein Bureau gegangen» in den Expreßzug, und da bin ich nun, um diesen Tag bei Dir zu verbringen."
„Das ist schön," erwiderte Frau Ehrenstein, „gleich sollst Du ein Tasse Thee haben und ein Stück Pfannenkuchen, den ich heut gebacken. Wir wollen denken, die alte Zeit sei wiedergekommen."
Frau Ehrenstein nahm die niedliche chinesische Theckanne aus dem Schranke, hielt aber plötzlich inne, als sie. sich zurückwendend, Doras liebes Gesicht in Thränen sah.
„Was ist Dir, mein Liebling, warum weinst Du, bist Du nicht glücklich?"
„Nein, o nein, ich bin's nicht." seufzte Dora.
„Aber warum nicht, um Himmels willen ? Er liebte Dich und Du ihn, und als ihr am Hochzeitstage abreistet, wart Ihr das glücklichste Paar, welches ich je gesehen."
„Ich weiß es wohl, aber Herbert liebt mich nicht mehr so wie früher."
„Nun, meine Liebe, wer ist Schuld daran?"
„O, ich nicht, ich sicherlich nicht!" beteuerte die junge Frau. „Niemand kann von mir verlangen, daß ich immer liebenswürdig, immer heiter u. geduldig bin. Wenn es ihm nicht gefällt, mich heftig zu sehen, braucht er mirs doch nicht immer zu sagen!"
Frau Ehrenstein seufzte. „Ja," sagte sie, „ich verstehe, Du hättest eine schwere Prüfung Deiner Liebe ertragen können, aber —"
„Aber nicht diese täglichen, kleinlichen, ermüdenden Aergernisse!" fiel Dora leidenschaftlich ein. „O Tante, liebe Taute, was soll ich thun?"
„Sieh, Dora," erwiderte Frau Ehrenstein nach einer kurzen Pause, „was Du mir du sagst, ist mir nichts Neues; als ich Deinen Onkel heiratete, mußte ich dieselbe Erfahrung machen."
„Wirklich, Tantchen?"
„Während einer kleinen Zeit, dann giengs vorüber."
„Aber wie?" fragte weinerlich Dora.
„Mit Hilfe eines wunderkräftigen Amuletts!"
„Eines Amuletts?" Dora sah ihre Tante ungläubig an.
„Ja, ja," erwiederte diese, „ich besitze ein kostbares Amulett, das ich von meiner Mutter geerbt."
„Was ist's, Tante?"
„Nun, ich will Dirs erzählen, ja ich will Dir mein Amulett sogar schenken, liebes Kind."
Frau Ehrenstein nahm bei diesen Worten eine Kette von ihrem Halse und legte sie um ihre Nichte. Es waren 21 goldene Perlen, deren feine Ciselierung von der Zeit fast verwischt war.
„Wie, Tantchen, Deine Goldperlen?"
„Dies ist mein Amulett," sagte die alte Dame. „Als ich seiner bedurfte, trug ich es aber nicht um den Hals, sondern in der Tasche. Du mußt es ebenso machen, damit Herbert nichts davon merkt. Spricht er einmal heftig zu Dir und Du hast Lust, ihm ebenso zu antworten, so halt erst still und zähle drei der Perlen mit den Fingern ab; dann kannst Du sagen, was Du willst."
Dora lachte krampfhaft. Du machst Dich über mich lustig, Tante!"
„Ich bin in vollem Ernste, Dora. Ich verlange nicht, daß Du mir glaubst, bevor Du mein Amulett erprobt."
„Aber es kommt mir so lächerlich vor!"
„Nun, warte es nur ab," entgeguete die alte Dame, „ich erhielt die Perlen von meiner Mutter. Merke wohl, Du darfst nicht eine Silbe sprechen, bevor Du die drei Perlen abgezählt, eine für den