Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
HF 1-i
! Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag ! »nd Sawstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne ! Trägerlolm) r<0 in dem Bezirk ! außerhalb des Bezirks 1 ^ 20 Monats- abonnemcnl nach Verhältnis.
Dienstag den 3. Februar.
Jniertionsgebühr für die Ispaltige Zelle aus ge
wöhnlicher Schrift bet einmaliger Einrückung S 4, bei mehrmaliger je 6 -l. Die Inserate muffen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.
1885 .
Für die Monate
Kebruar und März
kann bei alle» Poststellen und durch die Postboten auf den
abonniert werden.
Amtliches.
A« die Standesbeamte« «nd deren Stellvertreter.
Im Heiraths-, beziehungsweise Sterberegister werden die Eintragungen in Betreff des Wohnorts der Eltern der Eheschließ-mden, beziehungsweise der Eltern des Berstorbenen häufig nicht richtig gemacht. Es ist beispielsweise zu sagen,
1) wenn Vater und Mutter noch leben:
„Sohn (Tochter) des Schuhmachers Johann Maier und dessen Ehefrau Anna geb. Müller, wohnhaft zu Nagold";
2) wenn beide Eltern gestorben sind:
„Sohn (Tochter) des verstorbenen Tischlermeisters Hermann Vogt und der verstorbenen Ehefrau desselben Marie geb. Schmidt, zuletzt wohnhaft zu Nagold";
3) wenn der Vater gestorben ist und die Mutter lebt:
„Sohn (Tochter) des verstorbenen Fuhrmanns
Karl Klink, zuletzt wohnhaft zu Nagold, und dessen Ehefrau Bertha geb. Fischer, wohnhaft zu Nagold";
4) wenn die Mutter gestorben ist und der Vater lebt:
„Sohn (Tochter) des Kaufmanns Emil Beck,
wohnhaft zu Nagold, und der verstorbenen Ehefrau desselben Katharine geb. Theurer, zuletzt wohnhaft zu Nagold";
5) bei unehelich Geborenen:
„Sohn (Tochter) der unverehelichten Nätherin
Amalie Kielt, wohnhaft zu Nagold", beziehungs
weise „der verstorbenen unverehelichten u. s. w., zuletzt wohnhaft zu Nagold".
Die Standesbeamten (Stellvertreter) haben sich künftig hiernach genau zu achten.
Nagold, den 26. Januar 1885.
K. Amtsgericht. Daser, O.-A.-R.
Zu den neuen Verbrechen der Anarchisten.
Man rede was man will über die Ursachen der Umsturzpläne in den unteren Klassen, klar ist sicherlich das Eine, daß sozialdemokratische, demagogische und ultra - radikale Lehren und Agitationen von der Aufrichtung einer neuen, wahren Glückseligkeit unter den Menschen das Urteil der Massen über Recht und Gesetz, Leben, Ehre und Eigentum getrübt, Unzufriedenheit bei der Menge, Wut und Bestialität bei Einzelnen erzeugt und auf diese Weise die rasch auf einander folgenden anarchischen Verbrechen verursacht haben. Sehr bezeichnend für die Niedertracht der Anarchisten ist auch der Umstand, daß Nationalität und Achtung vor irgend einer Würde ihnen abhanden gekommen ist und daß die Lumpen aller Länder sich bei jeder Schandthat gern die Hände reichen. Ganz Ungeheuerliches wird in dieser Richtung in denjenigen Ländern geleistet, wo das Prinzip von der politischen Freiheit auf der Spitze existiert, also z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort hat bald nach dem Bekanntwerden des letzten Londoner Dynamitattentats eine Sozialistenversammlung in Chicago stattgefunden, in
welcher die jüngsten Dynamitattentate in London von mehreren Rednern sehr gepriesen und der Gebrauch des Dynamits gegen die besitzenden Klassen anempfohlen wurden.
Gegen derartige Demonstrationen sollten doch nunmehr die Regierungen auch jenseits des Ozeans einzuschreiten wissen, zumal es erwiesen ist, daß amerikanische Anarchisten solche in Europa zu Unthaten anreizen.
lieber die Dynamitverbrecheu in London erfährt man noch, daß am Sonnabend das Publikum in der Regel freien Zutritt zu dem Parlamentsgebäude, dem Tower und fast allen übrigen öffentlichen Gebäuden und Anstalten Londons hat, so daß den Urhebern der Explosion ihr verbrecherisches Vorhaben wesentlich erleichtert wurde. Wenige Minuten nach 2 Uhr sah eine Frau bei einem Gange durch die unterirdische St. Stephanskapelle in der Westminsterhalle eine schwarze Reisetasche am Boden liegen und lenkte die Aufmerksamkeit eines Polizisten Namens Cole darauf. Cole hob die Tasche auf und brachte sie nach der Halle. Auf der obersten Stufe der nach der Kapelle führenden Treppe angelangt, fing die Tasche an zu rauchen. Der Polizist warf sie zu Boden und es fand eine mit furchtbarer-Detonation gepaarte Explosion statt. Cole und ein anderer Polizist Namens Cox trugen so ernste Verletzungen davon, daß sie sofort nach dem nahegelegeuen Westminster-Hospitale gebracht werden mußten, wo sie in kritischem Zustande darniederliegen. Die Gewalt der Explosion riß am Eingänge zur Kapelle ein Loch im Steinpflaster von 3 Fuß im Durchmesser und 4 Fuß Tiefe. Die gemalten Glasfenster in der Halle wurden zumeist zerschmettert, mehrere Statuen von ihren Sockeln herabgerissen und selbst das Dach zeigt zahlreiche Risse, durch welche das Tageslicht hereinicheint. Die zweite Explosion fand genau um 2 Uhr 13 Minuten statt, denn in diesem Augenblick blieben fast alle Uhren im Parlamentsgebäude stehen. Die Szene der Explosion war das Haus der Gemeinen. Die Höllenmaschine war unterhalb der Pairsgallerie hingelegt worden, wo sie mit verheerender Wirkung explodierte. Kaum irgend ein Gegenstand in dem Hause ist der Beschädigung entronnen, und das Innere bietet ein Bild schrecklicher Verwüstung dar. Von der Barre bis zum Stuhle des Sprechers und hinter demselben ist alles mit Trümmern, Holzsplittern und Glasscherben bedeckt.
Tages Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
-ffNagold. Der am letzten Freitag im Gasthaus zum Engel abgehaltene Bürgerabend brachte uns einen interessanten I Vssiündigen Vortrag über Ursachen und Verlauf der ersten französischen.Revolution von Hrn. Oberamtsbaumeister Hrch. Schuster. Zuerst zeigte Redner, wie unter langjähriger Mißwirtschaft des kriegslustigen, eroberungssüchtigen und glanzliebenden Ludwigs XIV. und des verschwenderische» und sittenlosen Ludwigs XV. und der schlechten Weiber, die an seiner Stelle Frankreich regierten, sich Schulden auf Schulden häuften, wie die Rechte des Bürgers mit Füßen getreten wurden, wie das Schandleben des Hofs (hier warf Redner einen vergleichenden Blick auf das reine edle Familienleben unseres Kaiserhauses) als schlimmes Beispiel auch in den bürgerlichen Kreisen wirkte und das Volksleben vergiftete, so daß Frankreich feinem finanziellen und moralische» Ruin entgegentrieb und das soziale Elend um so schrecklicher werden mußte, als an den auf
unerschwingliche Höhe geschraubten Lasten nach mittest österlichem Herkommen der reiche Adel und die mit fetten Pfründen bedachte Geistlichkeit nicht beteiligt war, sondern alles von der niederen Bürgerschaft zu tragen war. Dann wurde weiter gezeigt, wie, als endlich in Folge der Weigerung der bevorzugten Stände, ihre Vorrechte zu Gunsten des geknechteten Volks schmälern zu lassen, die durch das Beispiel der nordamerikanischen Freiheitsbewegung genährte Re- volntionsidee bei dem durch leichtfertige und gewissenlose Schriftsteller seines sittlichen und religiösen Haltes beraubten-Volk zum Ausbruch kam, der mit gutem, aber schwachem Willen und zu wenig Einsicht begabte Ludwig XVI. eine ratlose und schwankende Haltung einnahm, wie endlich die schreckliche Revolution einer Lawine gleich anschwellend über die königlichen Häupter und die von Tausenden ihrer Anhänger hinwegschritt, jeden Tritt mit Strömen von Blut bezeichnend, bis endlich das Fallbeil in den Reihen derjenigen wütete, die seiner am würdigsten waren, nemlich der blutdürstigen Tiger selbst, und bis endlich das französische Volk, des Mordens müde, aus seinem Taumel erwachte und anfing, sich nach geordneten Zuständen zu sehnen, die ihm auch durch das Kaisertum — als dem Schlußstein der Revolution! — zuteil wurden. Redner zeigte nun durch passende Zitate aus Schillers Glocke, daß das Heil der Völker nicht durch blutige Revolutionen sondern durch gemäßigtes Vorwärtsschreiten auf gesetzlichen Bahnen erreicht werde. Zugleich führte Redner eine reichhaltige Musterkarte von edlen Bürgertugenden auf, ohne welche eine Republik nicht bestehen könne, so daß wohl den meisten Anwesenden sich der Gedanke aufdrängte, ein mit solchen Tugenden ausgestatte- tes Volk würde wohl auch unter konstitutionell monarchischer Regierung glücklich sein. Zum Schluß wurde noch die Nutzanwendung gemacht, daß einer drohenden Revolution nur dadurch vorgebeugt werden könne, daß man den berechtigten Klagen der unteren Klassen abhelfe, wie es gegenwärtig das Ziel unsers Kaisers u. seines vom Reichstag leider zuwenig unterstützten Reichskanzlers sei. Damit schloß der Redner seinen Vortrag, für den ihm von der Versammlung mit lautem Bravo gedankt wurde.
* Nagold, 2. Febr. Wer sich der täglichen Sorgen auf einige Stunden entschlagen will, der fand in jüngster Zeit durch das hier bestehende Vereias- leben hiezu reichlich Gelegenheit. Wohl aber bot noch kein Ball, kein Conzert so viel angenehme und ungezwungene Heiterkeit als der Scherzkranz des Lieder- kranzes am vergangenen Samstag. Schon das aus- gegebene, von künstlerischer Hand ausgeführte Programm, das die komischen Scenen bildlich darstellte, ließ einen besonderen Genuß ahnen. Und wenn man vollends den ganzen Saal überblickte und alle Häupter, auch mancher Griesgrame mit den buntesten Farben und Faconen von Papierkappen, niedlichen Nacht- und Morgenhäubchen bedeckt sah. der mußte ohne Kalender ahnen, daß man in die Zeit der Fastnacht eingetreten. Die erste Nummer des Programms, eine Kinderstnfonie, ausgeführt mit Instrumenten einer Janitscharen-Mufik in primitivster Form und Größe und doch zuder4händi- gen Klavierbegleitung thunlichst harmonisch klingend, versetzte sogleich alle Anwesenden in die heiterste Stimmung, welche durch die folgenden komischen Aufführungen: „Der Sänger vor dem Standesamt, „der Weinreisende". „der lustige Kupferschmid" (Streichquartett), „die Politik" und „die Buckligen" in dem Maße gesteigert wurde, daß die Lachlust kein Ende nehmen wollte. Die Rollen wurden aber auch meisterhaft