Da der Getötete beabsichtigt hatte, kurz vor seiner Ermordung nach Konstanz zu ziehen und sich hier zu verpfründen, — er hat auch hier ein schönes Stück Geld verdient durch seinen Fischhandel — io kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß der verheiratete Bruder aus Habgier dies verhindern und so das Vermögen des Bruders sich sichern wollte.
Amberg, 2. Jan. Im benachbarten Hohen - kemmnath wettere jüngst ein 24jähr«iger Bursche, daß er einen halben Liter Branntwein auf einmal austrinke. Ein anderer Bursche bezahlte ihm denselben und er trank ihn, mußte jedoch seine mutwillige Wette mit dem Leben büßen.
Die N. A. Z. ist so frei, in den Adressenstnrm der Reichstagswähler hineinzurufen, besser, als nachträglich gegen Beschlüsse der eigenen Abgeordneten zu protestieren, sei es vorher Männer zu wählen, gegen die man nicht nachher protestieren müsse. Ob's in den Wind gesprochen ist?
In Gotha ist der Architekt Bohnstedt gestorben, der Sieger bei der ersten Konkurrenz von Entwürfen zum Bau des Parlamcntshauses in Berlin.
Berlin, 3. Jan. Der Reichskanzler überwies dem BundeSrate 6 weitere Petitionen landwirtschaftlicher Vereine, die um Erhöhung der Zölle auf landwirtschaftliche Produkte (Getreide-, Vieh- und Wollzölle), sowie zum Teil auch um Beseitigung der Goldwährung bitten. An den Reichstag sind neuerdings täglich Petitionen ähnlicher Richtung ein- gclaufen.
Berlin, 4. Januar. (Jakob Grimm-Feier.) An der heutigen Feier der Universität zum Gedächtnis des vor hundert Jahren geborenen Jakob Grimm nahm auch der Kronprinz Teil. Anwesend waren auch die Minister des Innern v. Pultkammer und der Finanzen v. Scholz. Der Germanist Prof. Dc. Scherer hielt die Gedächtnisrede, die sich über die sprachforscherische Thütigkeit des stets gemeinsam arbeitenden Vrüderpaares Grimm an der Hand von deren Lebenslauf eingehend verbreitete. In gedankenreicher, formvollendeter Rede entwarf Prof. Scherer ein Bild der in der deutschen Sprachwissenschaft unerreicht dastehenden schöpferischen und organisatorischen Thütigkeit der Brüder Grimm, schilderte deren, wenn auch grundverschiedene, so doch von gemeinsamem Boden der Vaterlandsliebe und zu gemeinsamem Ziele strebenden Charaktereigenschaften und schloß mit einem Hinweis darauf, daß Jakob Grimm festgeglaubt und im Geiste bereits erschaut habe ein einig Deutschland unter Preußens Führung.
Berlin, 5. Jan. Der bentigen Gedächtnisfeier Lasker's wohnten zahlreiche Parteifreunde bei.
Berlin, 5. Jan. Die neue Direktorstelle im auswärtigen Amt, deren Bewilligung vorausgesetzt, wird aus keinen Fall Graf Herbert Bismarck, sondern höchst wahrscheinlich Herr von Kusserow einnehmen, in dessen Händen zur Zeit vorzugsweise die Leitung unserer kolonialen Angelegenheiten ruht.
Berlin. 5. Jan. Die Abhaltung einer Konferenz bezüglich der egyptischen Angelegenheit erscheint jetzt zweifellos. Der Vorschlag, dieselbe in Paris abzuhalten, wird von mehieren besonders einflußreichen Mächten gewünscht und betrieben. Kommt es dazu, so würde nach dem jetzigen Stande der Verhandlungen England selbst Paris als Konferenzort Vorschlägen und damit Frankreich formell entgegen- kommen, in der Hoffnung, mateiielle Zugeständnisse von Frankreich zu erhalten. Jn.wiichen scheint Frankreich vorläufig nicht geneigt, seinen bisherigen Standpunkt auszugeben und sich von Deutschland, Oesterreich und Rußland trennen zn wollen. Zunächst hat Frankreich den gedachten Mächten seine Gegenvorschläge auf die englischen Vorschläge unterbreitet und will darüber ein Einveisländnis zu erzielen suchen.
Berlin, 5. Jan. Nach einer den „Pol. N." von hier zugehenlnu Mitteilung habe der Reichskanzler Fürst Bismarck den definitiven Entschluß gefaßt, jedes Reisepi o>ekt nach dem Süden für jetzt falle» zu lassen. In dentichen Bundesratskrenen werde versichert, dnß der Reichskanzler dam't zugleich einem wiederholt ausgesprochenen Wnnsche des deutschen Kaisers Rechnung getiagen habe. Als nicht unwahlscheinlich gelte aber, daß der Reichskanzler, falls die Fürstm Bismarck den geplanten Aufenthalt im Süden Ihatsächlich nehmen sollte, später sich für kurze Zeit von de» GeicbBlen losreißen dürfte, um allenialls die Fürstin abgiholen
Berlin, 6. Jan. Die „Nordd. Allg. Zkg."
sagt: Die Nachrichten über die Erwerbungen der Firma Lüderitz an der Luciabai entbehren bisher jeder Bestätigung durch amtliche Berichte.
(Neujahrsbriefverkehr inBerlin.) 1 809 485 Stadtbriefe sind in Berlin von 3l. Dezember mittags bis 1. Januar abends zur Bestellung eingeliefert worden. Gegen das Vorjahr ergibt dies eine Zunahme von 30 000 Stück.
Wie die Nat.-Lib. Korrcsp." niitteilt, erlassen eine Anzahl angesehener Männer der Pfalz, Rheinhessens und der Saargegend zur Sammlung einer Ehrengabe der Nation an den Reichskanzler zu seinem 70. Geburtstag.
Wie der „N. Fr. Pr." gemeldet wird, soll die Ansprache des Kaisers an die Generale ungefähr wie folgt gelautet haben: „Meine Herren, wir sind im tiefsten Frieden, und ich zweifle nicht, daß uns derselbe auch im neuen Jahre erhalten bleibe. Sollte es nicht geschehen, so weiß ich, daß ich auf Sie zählen kann."
Daß es mit der Erhöhung der Getreidezölle ernst wird, dafür spricht u. a. die Thatsache, daß der Reichskanzler fortgesetzt Eingaben landwirtschaftlicher Vereine, die diese Forderung enthalten, dem Bundesrat überweist. Sämtliche Eingaben stütze» sich auf Schilderungen der schwer bedrückten Lage der Landwirtschaft und verlangen meist Erhöhung der Getreidezölle, der Viehzölle und der Zölle für tierische Produkte.
Eine neue Version in der Angelegenheit der deutschen Annexionen in der Südsee ist diejenige, daß Fürst Bismarck gar nicht auf einen dauernden deutschen Besitz dort abziele. Vielmehr beabsichtige er, die Erregung der Australier zu benützen, um in einer andern Frage auf England zu drücken. Er werde den Verzicht auf Neu Guinea anbieten, wenn dafür Helgoland an Deutschland abgetreten werde. Zuerst wurde die Nachricht in der konservativen „St. James Gazette" uufgetischt. Jetzt wird sie vom „Manchester Guardian" ausgenommen, welcher von einer Aeußeruug des Fürsten Bismarck berichtet, daß der Besitz der deutschen Insel Helgoland seitens einer fremden Macht eine ständige Demütigung für Deutschland sei; wenn England sie nicht ruhig aufgebe, so werde Deutschland ihm in anderen Weltteilen Verlegenheiten bereiten.
lieber Eugen Richter urteilt die Cobl. Ztg.: „E. R. ist ein bedeutender Mensch, und Manches von dem, was er sagt, ist sehr beherzigenswert, aber sein großer Fehler ist der. daß er das allgemeine Interesse nicht über seine persönlichen Neigungen zn stellen versteht, und an diesem Fehler geht Eugen Richter auch unzweifelhaft zu Grunde. Eine Zeit lang wußte er durch die Mehrheit und durch das Ueberraschende seines Auftretens, dem vielfach auch die natürliche Logik nicht fehlte, zu imponieren, aber nach und nach wird es immer deutlicher, daß er sehr einseitig ist, daß er immer einseitiger wird, daß er die großen Gedanken der Zeit verleugnet, daß er sie seinem persönlichen Kampf mit der Regierung opfert. Eugen Richter hat es versäumt, die Negierung in den Fragen der Zeit zu überflügeln und sich dafür auf den Standpunkt gestellt, ihr in den Fragen der Zeit Opposition zu machen, weil er eben in seiner Opposition gegen die Regierung in keinem Punkte nachgeben will; an diesem Versäumnis und an diesem Standpunkt wird mit der Zeit auch bei denen, die jetzt noch zu ihm halten, sein Ruf scheitern. Wir stehen nicht an, zu erklären, daß wir es bedauern, einen Man» von der geistigen Bedeutung Richters, so scheitern zu sehen, aber dem Deutschen Reiche und der Allgemeinheit würde es zum größten Schaden sein, wenn er in der Einseitigkeit, in die er sich nach und nach verrannt hat, nicht scheitern würde.
Mühlhausen, 1. Jan. Der „Expreß" stellt die Nachricht einiger Zeitungen, es sei der vierte Teilnehmer an den Straßburger und Stuttgarter Mordthaten in der Person eines gewissen Marowski in Mühlhausen entdeckt worden, dahin richtig, daß die Polizei in Mühlhausen wirklich eine geheimnisvolle Persönlichkeit verhaftet habe, die sich weigert, Auskunft über Namen, Berust den letzten Aufenthalt rc. zu geben; indessen sei Grund zur Annahme vorhanden , daß dieses Individuum an den Attentaten von Straßburg und Stuttgart teilgenommen habe. Schweiz.
(Zehuteilung des Tags.) In den jurassischen Blättern veröffentlicht ein Schweizer Uhrcnmacher
einen Brief, worin er für die nächste Zeit eine Revolution in der Zeitmessung prophezeit, nämlich die Einteilung des Tages in 10 Stunden, der Stunde in 100 Minuten und der Minute in 100 Sekunden.
Frankreich.
Paris, 4. Jan. In Betreff der von der französischen Regierung dem englischen Kabinet gemachten Vorschläge zur Losung der egyptischen Frage berichtet „Memorial Diplomatique", daß es sich hierbei um die Neutralisierung Egyptens handle. England würde dem nicht abgeneigt sein und auch die Neutralisierung Afghanistans wünschen, um dem Por- dringen der Russen ein Ziel zu setzen und Indien zu sichern. Wenn Europa den Wünschen Englands entgegenkomme, werde dieses Egypten eine genügende Summe vorschießen, welches im andern Falle die Zahlungen einstellen müßte.
Die Mutter der Louise Michel ist Freitag nacht gestorben. Clemenceau und Rochesort wollen eine Kundgebung in Szene setzen, weil Louise Michel noch nicht, wie zu Neujahr erwartet wurde, begnadigt ist. Die letztere leidet an Verfolgungswahnsinn. Die Begnadigungsfrage soll demnächst jedoch nochmals im Ministerrate Vorkommen.
Paris, 5. Jan. Die heutige Beerdigung der Mutter Louise Michel's war eine Monster-Manifestation der Communarden und Anarchisten. Beim Eintreffen auf dem Kirchhofe betrug die Menschenmenge über 15 000; Rochefort und Fachite befanden sich im Zug. Die Polizei mußte darauf verzichten, die roten Fahnen zu entfernen. Am Grabe hielten verschiedene Kommunarden und Anarchisten Brandreden.
Paris, 5. Jan. Der Armeeccnps-Kommandeur General Courey wird Oberbefehlshaber der gelammten Streitkräfte in Tonlin und China. General Briere behält das Commando des Corps in Tonkin. Die radikalen Organe greifen den neuen Kriegsminister General Lewal als einen angeblichen Orleanisten heftig an.
Paris, 6. Jan. In Folge des Gefechts östlich von Chu kehrten etwa 12 000 Manu Chinesen zurück, um die Offensive zu ergreifen. General Neg- rier durchbrach ihre durch Forts verteidigte» Positionen. Die Chinesen wurden vollständig zurückgeworfen, verließen nach heftigem Widerstande ihre sämtlichen Stellungen und ließen 2 Batterien. Gewehre, Munitionsvorräte, Lebensmittel, Fahnen und den ganzen Wagenpark zurück. Der Verlust der Chinesen beträgt 600 Tote und zahlreiche Verwundete. Die Franzosen hatten in beiden Gefechten drei Offiziere leicht verwundet, 19 Tote und 65 verwundete Mannschaften.
Der französische Kriegsminister Campenon ist zurückgetreten und an seiner Stelle der Divisionsgeneral Lewal zum Kriegsminister ernannt worden. Die „Rep. franz." sagt, Campenon habe sich zurückgezogen, weil er mit der von den Kammern cefor- derten Politik einer energischen Aktion in Tonkin nicht einverstanden sei. Der Ministerpräsident Ferry forderte, wie es heißt, zur Beschleunigung der Aktion die Absendung größerer Truppenkörper, während General Campenon sich einer solchen Maßregel energisch widersetzte, da nach seiner Ansicht durch die Entsendung einiger Divisionen der Mobilisierungsplan durchkreuzt und damit die notwendige Schlagfertigkeit Englands auf dem europäischen Kontinent gefährdet würde. Die „France" glaubt, 20 000 Mann würden nach Tonkin geschickt.
Der neue französische Kriegsminister, General Lewal, ist der fünfzehnte Kriegsminister der dritten französischen Republik. Seine Ernennung kam insofern nicht überraschend, als General Campenon's Stellung aus mehr politischen als militärischen Gründen schon seit längerer Zeit erschüttert war und. außerdem General Lewal schon wiederholt als Ministerkandidat genannt wurde. Der Posten eines französischen Kriegsministers ist ein ungleich wichtigerer als in irgend einem anderen Lande, da er gleichsam den in Frankreich fehlenden obersten Kriegsherrn ersetzen muß und außerdem neben dem Amte eines Chefs der Marinevcrwaltung auch noch dasjenige eines Chefs des Generalstabes der Armee in seiner Person vereinigt, wenigstens trägt er formell die Verantwortung für das Ressort, dem bei nns^ der Feldmarschall Moltke durchaus selbstständig umsteht. Trotzdem wird aber naturgemäß die Wirksamkeit und die Bedeutung eines französischen KriegSministers durch den überaus häufigen Wechsel in dieser Stelle be-