geben, noch den Eisenbahnwagen zu öffnen. Auf dem Bahnhof in Krauchenwies soll in den betreffen­den Wagen eine fürchterliche Schlägerei verübt wor­den sein. Hier angekommen, war alles ruhig, was den Händler endlich veranlaßte, die Wagen zu öff­nen, und siehe da, welches Grausen! In dem einen Wagen lagen sämtliche Pferde auf einem unförmlichen Haufen zusammen, zum Teil tot, zum Teil mit dem Tode ringend, im anderen Wagen lag ebenfalls ein Teil der Pferde bereits auf dem Boden. Nun wurde ausgeladen und die Tiere einige Stunden auf dem Bahnhof mit Stroh bedeckt liegen gelassen, dann noch ein Teil lotgeschlagen. Sämtliche Tiere trugen alle Zeichen des Erstickungstodes durch Kohlensäure­vergiftung an sich. In dem engen, dicht geschloffenen Eisenbahnwagen haben die 17 Pferde offenbar nicht Atmungsluft genug gehabt, um 24 Stunden davon leben zu können. Sie müssen aber einen fürchter­lichen Kampf durchgemacht haben, da alle äußerlich sichtbaren Schleimhäute nicht nur ganz dunkelblau und stark aufgetrieben waren, sondern auch vielfache gräßliche Verwundungen an ihren Körpern sich zeig­ten. Die hier getöteten Pferde wurden von dem Händler mitgenommen.

Der Frankfurter Aepfelwein hat eine schwere Probe glücklich überstanden. Es wurde eine Anzahl Flaschen über s Meer nach Brasilien und auch wieder herüber gesandt, um zu probieren, ob er sich hält. Und siehe da, die Kenner in Frankfurt wollen gefunden haben, daß er au Güte und Ge­schmack sogar zugenommen habe.

An der Unstrut (Thüringen) wanderte eine weife Frau von Dorf zu Dorf und verkaufte kleine Briefe an die Frauen, die gut waren gegen viele Krankheiten, namentlich gegen Kinderlosigkeit. Diese Briefe müssen um den Hals gehängt und auf der Brust getragen werden und kosten nur 1 v-L 50 L, obwohl sie 10 Thaler wert sind; sie enthalten aber nichts als einen mit Kreuzen bemalten Zettel. Und auf diesen Schwindel sind Hunderte hineingefaüen. (Kaum glaublich!)

Halle, 24. Nov. Die Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg ernannte den Afrikareijenden Stan­ley zum Doktor der Philosophie.

Straßburg, 24. Nov. Ein Erlaß des Statthalters verbietet das fernere Erscheinen dreier Blätter, derUnion für Elsaß-Lothringen", des Schiltigheimer Echos" und desSt. Odikienblattes", wegenfeindfeliger Stellung derselben gegen Deutschland.

Liegnitz, 22. Nov. Aus die Anfrage eines Mannes, der Lust hat, nach Kamerun auSzuwan dern, antwortete das Hamburger Afrikanijche Lyn dikat entschieden abratend. Das Klima sei für deutsche Auswanderer ungeeignet.

Durch Verstaatlichung des Unsallversicherungs- geschäfteü werden etwa 200 Beamte privcner Ge­sellschaften künftig, brodlos. Die Petitionen solcher Beamten, sie zu entschädigen oder im Reichsdienve zu verwenden, sind seither zurückgemiesen 'worden. Sie wollen sich nun an den Reichstag um Bestir- wortung wenden und erinnern zan das Wort Bis marcks, daß ein Jeder ein Recht aus eine Beschäftig­ung habe, die seinen Fähigkeiten entspricht.

Die Deulschsceisinnigen haben einen Antrag auf Gewährung von Diäten im Reichstag ein- gebracht und an den Vorstand des Reichstags das Ersuchen gerichtet, sofort Beschwerde wegen der Be schränkung der Giltigkeit der Freisahrkarten der Ab­geordneten zu führen, da dieselben einseitig und im Widerspruch mit der betr. Etalspositivn erfolgt je,.

Die Sozialdemokraten wollen einen Antrag einbringen, daß das JnkrasMeten des Krankenk >ssen gesetzes noch etwa um 6 Monate, etwa bis zum l. Juli 1885, hinausgeschoben werde.

Der neue Reichstag zählt nicht weniger als 152 Mitglieder, welche dem letzten Reichstag nicht angehört haben.

Die Ausdehnung der Unfall- und Kran­ken - V erst ch er u n g aus Land- und Fo stwuktchasl hat im Staatsrat eine so ungünstige Beurteilung ge­funden und stößt in den Ausschüssen des Bundes rats auf so große Bedenken, daß eine duichuiegende Umarbeitung durch eine Unterkommisiion beschlossen wurde.

DasJonrn. de St. Petersbvurg" chreibt: Die bei Eröffnung des deutschen Reichstags gegol­tene Thronrede, könne nicht verielsten, eine neue wie. liche Bestätigung der Politik des Friedens und des Einvernehmens zu geben, welche durch die Emcevue

von Skierniewice eine neue Weihe erhalten hat; sie habe dies in Ausdrücken gethan, deren innerer Wert noch durch die Persönlichkeit dessen erhöht werde, der sie verkündete, denn es sei der ehrwürdige Kaiser Wilhelm, welcher das Ergebnis der Entrevue zu Stiernievice dahin zusammenfaßte, daß er seine Freund­schaft mit den Kaisern von Rußland und Oesterreichi- Ungarn für lange Zeit gegen alle Angriffe gesichert ansehen könne.

Berlin, 22. Nov. Fürst Bismarck erklärte lautM. Mg. Ztg." angesehenen Konservativen gegenüber, er werde keine neue Steuer Vorschlägen; verkürze oder streiche der Reichstag die geforderten Mittel, so acceptiere er dies, indem er dem Reichs­tag die Verantwortung dafür überlasse. Es sei Sache des Reichstages, nach Ablehnung aller Steuer­vorschläge neue Mittel zur Deckung der Ausgaben vorzuschlagen. Die Konservativen bringen alsbald einen Gesetzentwurf über eine Börsensteuer ein, wie er von der Kommission in der letzten Session be­schlossen war. Die Freisinnigen bereiten einen Air­trag auf Abänderung des Wahlgesetzes vor, wonach die Abgabe von Wahlzetteln in Briefumschlägen zu­gelassen werden soll.

Berlin, 22. Nov. Mit 261 Stimmen ge­gen 71 weiße Zettel, die von den Freisinnigen, der Volkspartei, den Sozialdemokraten abgegeben sein dürften, ist Herr von Wedell-Piesdorf (konservativ), Regierungspräsident in Magdeburg, zum ersten Prä­sidenten des Reichstages gewählt worden. Der neue Präsident ist zum ersten Mal Mitglied des Reichs­tages; seine Aufgabe ist daher doppelt schwer. Eins bringt er für dieselbe mit: ein mächtiges Organ und eine imposante, vornehme Figur. Zum ersten reip. zweiten Vizepräsidenten werden auf Antrag des Ab­geordneten v. Benda die Abgeordneten Frhr. zu Franckenstein (Zentrum) und Hoffmann (Deutschfrei­sinn.) durch Akklamation gewählt.

Berlin, den 23. Nov. Eine neue Zählung ist für das ganze deutsche Reich zum nächsten Jahr in Aussicht genommen. Man wünscht eine eingeh­ende Armcnstatistck zu haben.

Mitten im Lärm des Wahlkampfes ist in Berlin Gustav Reichardt, der Componist des Arndt'- schen Liedes: Was ist des Deutschen Vaterland? zur ewigen Ruhe eiugegangen und still und fast unbe­merkt bestattet worden.

Nachdem Professor Schweninger seine Vorlesung und seine Klinik ohne jede Kundgebung der Studierenden hat eröffnen können, haben diese ihn nun als Lehrer abgelehnt, indem sie die Bor­te ungen nicht hören mögen.

Frankreich.

Paris, 24. Nov. Gestern Abend fand eine Versammlung von etwa 5000 beschäftigungslosen Arbeitern statt, welche nach einer stürmischen Debatte beschlossen, demnächst eine Versammlung im Freien an einen, noch zu bestimmenden Orte abzuhalten. Nach Schluß sangen Einige die Marseillaise und die Caimagnole, weshalb die Polizei einschritt und 30 Personen verhaftete. Einige Polizei-Agenten und ein Polizrikvmmissar wurden verwundet.

Paris, 21. Nvv. Heute wurden in Algier und Phillppeville 2000 Mann nach Tonking einge- schisft; weitere 2000 Mann folgen in nächster Woche.

Paris, 24. Nov. In der Kammer begann die Beratung der Tongkingcreditvorlage. Lockroy (äußerste Linke) kritisirte die Cvkonialpolitik der Re­gierung, Delafosse (Rechte) griff das Cabinet heftig au mR erklärte, es verdiente in Anklagezustand ver­setzt zu werden. (O welch ein Glück, Minister zu scm!)

Serbien.

Ein vergesseuer Briefkasten. Die,,Bos­nische Post" schreibt: Wie alle Bahnhöfe, so hat auch der von Serajewo seinen Briefkasten, der von Bahnbeamren, den Inwohnern der umliegenden Häu­ser und von den Ossizieren des Barackenlagers be­nutzt wird. Seit einiger Zeit machten die Corre- ipoudenken, welche sich eines Briefkastens bedienten, inoeß die Beobachtung, daß alle ihre Briefe mit ei­serner Consequenz unbeantwortet blieben. In letz­terer Zeil ge,eilte sich noch eine zweite Wahrnehm­ung dazu, nämlich die, daß der Kasten immer voll angetroffen wurde, was bei der geringen Anzahl der Coneipondeuten allerdings Wunder nehmen mußte. Schliesstich wandte man sich um Aufklärung au die Postbireetiöu, welche nunmehr den Briefkasten öffnen ließ. Man fand darin nicht weniger als hundert

und etliche Briefe, deren ältester vor vier Monaten dem verschwiegenen Briefkasten anvertrant worden war. Volle hundertundzwanzig Tage hatte der arme Kasten vergessen an der Bahnhofsmauer gehangen und Niemand hatte sich gefunden, der ihn seines In­halts entleert hätte.

Handel K Urrkehr.

(Konkurseröffnungen.) Michael Schober, Holz­macher von Engelhofcn, Gdc. Mittclsischach z. Z. in Amerika. Ludwig Bogt, Graveur in Geislingen. Konrad Dcupser, Ger­ber in Waldsee.

Nürnberg, 20. Nov. (Hopfen.) Die Stimmung ist ruhig. Es notieren: Wiirttemberger 80120, Elsäßer «L 70-100.

Stuttgart, 24. Ndv. (Landesprodukteubörse.) Das heutige Geschäft verlief wie immer in den letzten Wochen ziem­lich still und der Umsatz war bei gleichbleibendcn Preisen mäßig. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, bayerischer 18 bis 18.50, russisch Sax. .L 18.3018.80, Kernen 18, Haber «L 1314.

Stuttgart, 24. Nov. (Mehlbörse.) An inländischen Mehlen sind verkauft 2010 Säcke. Nr. 0 29.5031.50, Nr. 1 28-29, Nr. 2 28-27.50, Nr. 3 2425.50, Nr. 4 19.50-20.50.

KotlMppcherr.

Erzählung von C. Waldheim.

(Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)

Die Neugierde derer, die den Gast des Müllers noch ^ nicht persönlich gesehen hatten, war aufs Höchste gespannt, und Jeder hatte gesucht, die Vorzüge seines Geistes oder Körpers ins beste Licht zu setzen, um vor dem Fremden damit zu glänzen. Die Dame des Hauses entfaltete ihren elegantesten Gesellschaftston. Sie war sich recht wohl bewußt, ein gewandtes Benehmen zu haben, denn sie war eine Städterin, wenn ihr Ge­burtsort auch kaum 3000 Einwohner hatte, so war es doch eine Stadt, und deshalb sagte die gute Frau sich stets, daß sie eigentlich zu etwas Besserem be­stimmt sei, als hier in dieser entsetzlichen Gegend ihr Leben zu vertrauern.

Und nun wurde er den übrigen Gästen vorge­stellt. Er war ein kolossaler, robuster Mann mit langem Schnurrbart, der den liebevollen galanten Ehe­mann in Gesellschaft spielte, und daheim seine Frau mißhandelte. Seine Frau, ein zartes schmächtiges kleines Wesen, die in ihrem anmutigen Geplauder stets inne hielt, wenn der zärtliche Gatte in ihre Nähe kam, war im Gespräch mit einer anderen För­sterin, die im Bewußtsein, hoch über ihre Sphäre zu stehen, die große Dame spielte und aus die ganze Gesellschaft nur von oben herabsah. Sie war die Tochter eines Rittergutsbesitzers freilich eines arg verschuldeten und ruinierten. Ihre Tochter, eine hübsche Brünette mit blitzenden Augen, war von den jungen Forstgehilscn umringt, deren Schmeicheleien sie mit vieler Herablassung anhörte. Sie war mindestens für einen Arzt oder dergleichen bestimmt, das predigte ihr die Mutter täglich; auf einen Förster konnte sie nur mit Verachtung herabblicken.

Rhoden verbarg seine Ungeduld unter höflichen Redensarten, bis er endlich sich dem Ziele seiner Sehnsucht gegenüber sah. Rothkäppchen stand neben Leonie, die ihren Arm mit mütterlicher Zärtlichkeit um die Taille des jungen Mädchens gelegt hatte. Sie war so reizend neben der düsteren, unschönen Leonie, daß Rhoden, obgleich er sich, wenn er von ihr abwe­send war, ihr Bild stets in den prächtigsten Farben malte, dennoch überrascht war. Sie war so reizend in dem rosa-duftigen Gesellschaftsanzug, daß er sie hätte stürmisch in seine Arme ziehen mögen, um das zarte Antlitz, den schneeigen Hals mit glühenden Küs­sen zu bedecken.

Aber er begegnete ihr in so kühlem Gcsellschafts- tone, daß sie erschreckt zu ihm aufblickte. Wie war er so ganz anders als im Walde, wo er jeden nachmit­tag mit ihr znsammentraf und so lieb und traut zu ihr sprach, daß sie immer ganz berauscht seinen Wor­ten lauschte. So hatte eben Leonie von ihm erzählt und konnte nicht ahnen, daß Lconiens kluge graue Augen ihren Freund inkommodierten.

Es war ein Schwirren, ein Durcheinander von Unterhaltungen in dem etwas engen Gesellschaftszim­mer, daß man sich schwer im Zwiegespräch mit seinem Nachbar verständlich machen konnte.

Arthur Rhoden lehnte am Fenster und suchte die zerstreuten Ausrufe des Gesprächs, die bis zu ihm drangen, aufzufaugen.

Leonie war durch andere Mädchen in Beschlag genommen, und die jungen Männer, wagten sich noch nicht recht an ihn heran. Herbert, der. Einzige, wel­cher mit ihm rivalisieren konnte, war viel zu verschlaf-