russischen Ordensdekorationen besitzt, hat gelegentlich der Monarchenbegegnung von Skierniewice das lebensgroße Bildnis des Kaisers von Rußland von diesem als Geschenk erhalten.
Es heißt, bei der Kaiserbegegnung sei eine Kundgebung an die europäischen Kabinette über den friedlichen Charakter des Vorganges verabredet worden.
Der Berichterstatter der „Köln. Ztg." aus Skierniewice schreibt über den Eindruck, den das Beisammensein der drei Kaiser machte: „Da standen die drei Mächtigen friedlich beisammen, Kaiser Wilhelm, der die schwere Last seiner 87 Jahre mit heldenmütiger Manneskraft trägt, in der Erfüllung aller Pflichten ein leuchtendes Vorbild, Franz Josef, schlank und leichtfüßig wie ein Jüngling, zwischen beiden die Hünengestalt des Zaren, breitschultrig und stämmig, mit dem energischen Kopfe des Slawen, der typische Russe, gerade wie unser Kronprinz der typische Deutsche genannt werden kann. Dazu die reizenden Frauengestalten, die schöne Kaiserin, die anmutige Großfürstin Maria Paulowna (Gemahlin des Großfürsten Wladimir, geb. Herzogin von Mecklenburg) und die männlich kräftigen Erscheinungen der Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch und Nikolaus Ni- kolajewitsch. Und in geringem Abstande von diesen die reichen, unendlich malerischen Trachten der russischen Offiziere, die straff und streng militärischen Uniformen der Deutschen, die koketteren, leichteren der befreundeten Oesterreicher. Und aus diesem Gefolge, auch körperlich Alle überragend, mit dem in der Sonne blitzenden Kürassierhelm auf dem gewaltigen Schädel, Fürst Bismarck, der neben dem mittelgroßen, in die elegante, knappe ungarische Husarenuniform eingezwängten Grafen Kalnocky und dem Herrn von Giers im unansehnlichen Zivilfrack noch riesiger erscheint. Dieses Bild, die 3 Kaiser und ihre höchsten Berater, hat etwas Großartiges, Ergreifendes, und gierig Haftel das Auge an ihm, um es ganz zu erfassen und sich dauernd zu erhalten.
Es kann kaum einem Zweifel mehr unterliegen, daß die Mächte, deren Souveräne und leitende Staatsmänner in Skierniewice versammelt waren, übereingekommen sind, mit Ausnahme der zur allgemeinen Charakterisierung der Entrevue ausgegebenen offiziösen Mitteilungen nichts näheres zu verlautbaren. Hieraus ergibt sich der Maßstab für die Beurteilung des Wertes der dennoch in manchen Blättern fortgesetzten Enthüllungen von selbst.
Der Rücktritt des deutschen Botschafters in London, Grafen Münster, von seinem gegenwärtigen Posten steht trotz aller seitherigen Zweifel zufolge der Nat.-Z. nahe bevor. Der Mann hat im Verlaufe des vieljährigen Aufenthalts zu viel vom Engländer bekommen und hat sich „zu viel gefallen lassen."
Unter den Vorlagen, die den neuen Reichstag sicher erwarten, ist die Postdampfersubvention. Nach den Blättern wird dabei neues Material vorgelegt werben, um die Forderungen der Regierung in erweitertem Maße zu rechtfertigen. Die Angabe, daß bei dieser Gelegenheit auch weitere Erklärungen über die Kolonialpolitik der Regierung erfolgen würden, ist bisher nicht widerrufen worden. Vielleicht werden erst bei dieser Gelegenheit die amtlichen Aktenstücke über die Einverleibungen in Afrika bekannt gegeben.
Das „Beil. Tagblatt" erfährt aus Hamburg, daß die Hamburger Lotterie-Kollekteure sinken wollen, da die von dem Lotteriekonsortinm gestellten Loospreise ihnen nicht konvenieren, das Konsortium aber nicht nachgeben will. Wir wünschen von Herzen Gluck zu diesem Strike auf beiden Seiten ; möge er von ewiger Dauer sein. Denn dadurch würden nicht nur viele Hamburger von einer nutzlosen Ausgabe bewahrt, sondern auch die Bewohner anderer Staaten von einer oft geradezu schamlosen Belästigung vorschont bleiben. Das- Treiben vieler Hamburger Loosvertreiber ist in dieser Beziehung ja nur leider zu sehr bekannt geworden.
(Für die Fnmilie des ermordeten Briefträgers Kossäth) in Berlin dal ein edelmütiger Gutsbesitzer in Ungarn in glänzender Weise gesorgt. Eines Tages erhielt Frau K. von ihm einen Brief, in welchem er ihr anbot, er wolle für sie und ihre Kinder sorgen, da der schreckliche Vorfall ihn tief erschüttert habe und er ohne Kinder sei. Wenn Frau K. zu ihm übersiedcln wolle, so möge sie ihm antworten. Die Frau, durch ein solches Anerbieten eines Unbekannten stutzig gemacht, suchte sich erst Rats zu erholen. Inzwischen lraf aber ein zweiter Brief und eine Anweisung auf 1000 ein. Frau K. ist denn auch mit ihrer Tochter nach Ungarn übcrgesiedelt. Der Sohn mustte zunächst, da er in die Lehre gegeben, noch in Berlin zurüclbleibcn, um seine Lehrzeit zu keenden. Auch sür ihn will der Wohlthäter später in ausgiebiger Weise sorgen.
Aus Münster teilt man der „Germ." mit, daß der Kaiser es abgelehnt habe, eine Adresse, welche der katholische Adel ihm zu überreichen gedachte, in Empfang zu nehmen.
Oesterreich-Ungarn.
Bei dem Bankett, welches am 21. ds. anläßlich der Eröffnung der Arlbergbahn in Bregenz stattfand, hat Herr v. Mittnacht den Toast auf die österreichische Flagge ausgebracht. Der Vertreter Württembergs, Ministerpräsident Dr. v. Mittnacht, berichtet die „N. fr. Pr.", erinnert daran, daß schon vor 60 Jahren das erste Dampfschiff den Bodensce befahren habe. Endlich sei auch die schon längst ersehnte österreichische Flagge auf dem Bodensee entfaltet worden. Die Verbindung mit Oesterreich über den Bodensee wird in Württemberg herzlich begrüßt. Was Oesterreich nützt und fördert, das kann von den Deutschen nur mit Freude begrüßt werden (lauter Jubel); obwohl wir wissen, daß die neue Eisenbahnstraße nicht blos nach Deutschland führt, so wissen wir auch, daß ein verwandtschaftlicher Zug den Oester- reicher nur zum Deutschen führen wird. Darum begrüßen wir Oesterreichs Flagge auf unserm schönen See mit so großer Sympathie. Möge diese Flagge, die sich an so manchem heißen Tage Rubm erworben, sich auch im friedlichen Wettkampfe erproben. Oesterreichs Flagge hoch!
Wien, 21. Sept. Die Pariser Nachricht eines Frankfurter Blattes, daß der österreichische Konsul in Khartum vor 6 Wochen ermordet worden sei, erweist sich als unbegründet, ebenso wie jene von der angeblich gleichzeitigen Ermordung Gordon Paschas und des französischen Konsuls in Khartum.
In Sachen des Anarchismus erfährt man, daß es nun in der Absicht der Mächte liege, daß die Anarchisten seitens aller Staaten als gemeine Verbrecher behandelt werden sollen, daß somit auf dieselben auch die für gemeine Verbrecher geltenden Bestimmungen der Auslieferungsverträge Anwendung finden sollen.
Nach der Hinrichtung des Mörders Kämmerer sprach der Mititärkaplan kein Gebet, sondern richtete in ungarischer Sprache folgende Worte an die Versammelten: „Wie er gelebt, so ist er gestorben! Der Missethäter, der das Herz gehabt hatte, sieben Menschenleben zu vernichten, der gegen Gesetz, Kaiser und Staat sich vermessen, ist dem zeitlichen Gerichte verfallen und mutzte enden, wie dieser geendet. Doch wie er hier auf Erden keine Gnade gesunden, wird ihm eine solche auch im Himmel nicht beschieden sein, denn er hat bis zum letzten Augenblicke den Glauben und die Kirche verleugnet — er ist auch ohne Glauben gestorben. " Kämmerer, welcher sich während seiner ganzen vier Monate und einen Tag dauernden Haft einer ungestörten Gesundheit erfreute, beschäftigte sich in den letzten Wochen seiner Haft mit der Verfertigung von Tabakspfeifen, ZUndhölzchenschachtelu und Uhren aus Brotkrumen; er verwendete namentlich viel Mühe auf die Verfertigung zweier Wanduhren, von denen er eine fertig brachte. Die Zeiger derselben tragen die ans Strohalmen gefertigte Aufschrift „Vorwärts": auf dem Pendelgewicht ist, ebenfalls aus Strohalmen gefertigt, ein lakonischer Appel an die Proletarier zu lesen.
In dem Dorfe Gullowitz in Mähren feierten um 15. August sechs Ehepaare ihre goldene Hochzeit.
Pest, 22. Sept. In Agram wurde der kleine Belagerungszustand publiziert, weil Burger, welche für den Regicrungskandidaten gestimmt hatten, insultiert wurden.
Schweiz.
Zürich, 19. Scpt. Der N. Z. Ztg. wird geschrieben: Die verhaftete Frau Stellmacher, welche letzten Winter, als ihr Mann verschiedener Mordlhatcn überführt wurde, sich ganz unschuldig stellte und vorgab, keine Ahnung zu baden von der politischen Agitation desselben, hat sich nun als entschiedene Anarchistin entpuppt. Schon zu der Zeit, als ihr Mann sich in Wien aufhiclt und daselbst über verruchte Thatcn brütete, schickte sie wiederholt an eine zürcherische liberale Redaktion die wütendsten Anarchistcnblätter, wie ckrapsau roriKS", und bezeichnen- (denn sie versteht gut französisch) gewisse Artikel mit einem farbigen Bleistift, um jene Redaktion auf falsche Fährte zu führen. Es wurde nämlich in den erwähnten Blättern gemeldet, datz in Frankreich von den Anarchisten etwas in Scene gesetzt werden soll; das wurde nur geschrieben, um die Aufmerksamkeit von Oesterreich abzulenkcn. Später machte man auch die Beobachtung, datz Frau Stellmacher mit den heftigsten Anarchisten in intimem Verkehr stand. So sah man sie auch mehrmals mit Kaufmann, der ani gleichen Tag wie sie, nämlich letzten Sonntag, verhaftet wurde, Arm in Arm spazieren. Es ist ferner eine Thatsache, datz Frau Stellmacher im Laufe dieses Jahres wiederholt Geldsendungen aus Oesterreich erhalten hat. Auch in Zürich scheint die Märtprerrolle, die sie spielte, Teilnahme gefunden zu haben; denn seitdem ihr Mann eine europäische Berühmtheit erlangt hat, vermehrte sich die Zahl ihrer Kunden, die sic als Klcidermacherin bcsatz, so sehr, datz sie noch zwei Gehilfinnen anstellen muhte.
Frankreich.
Poris, 20. Sept. Die hiesigen katholischen Missionen erhielten eine Depesche aus Hongkong vom 13. September, nach welcher die Chinesen die
katholischen Kapellen der Provinz Canton zerstört hätten. Gegen 6000 Christen seien ohne Obdach.
Das Unterrichtsministerium in Paris hat 6 junge Lehrer auf Staatskosten auf das Lehrerseminar nach Küßnacht (Schweiz) geschickt, um Deutsch zu lernen.
Nach einer Mitteilung der Pariser Liberte wäre ein friedliches Arrangement mit China, Dank einer vom Fürsten Bismarck unterstützten Mediation einer dritten Macht nicht ohne Aussicht, von der französ. Regierung angenommen zu werden, welche wieder ihrerseits bereit wäre, wenn die Vorschläge ernst sind, ihre Ansprüche derart zu modifizieren, daß sie statt der Geld-Indemnität wertvolle Compensations-Ob- jekte annehmen würde. Eine solche Lösung des chinesischen Konfliktes würde gewiß in ganz Frankreich mit großer Befriedigung begrüßt werden. Mittlerweile dauert die Diskussion über die Mittel, durch welche China zur Annahme der französ. Forderungen gezwungen werden könnte, in den Pariser Journalen ungeschwächt fort.
Ein Pariser Telegramm meldet der „Voss. Z.": Die Geschäftskrise in Lyon nimmt zu. Die Erregung der Arbeiter hat einen hohen Grad erreicht. Das aus Sektionen der verschiedenen Industriezweige gebildete Arbeiterkomite veröffentlicht einen Aufruf, der mit den Worten beginnt: Auf ihr Hungernden, die Stunde des Handelns hat geschlagen!
Italien.
Rom, 19. Sept. Die klerikalen Blätter veröffentlichen ein vom 10. Sept. datiertes Schreiben des Papstes an den Kardinal-Staatssekretär Jako- bini, in welchem der Papst sagt, daß er für die Verschonung Roms von der Cholera bete, und fortfährt: Leider aber sind wir wegen der zahlreichen, den Zorn der göttlichen Gerechtigkeit erregenden Unbilden, und angesichts der Nachbarschaft der von der Geißel heimgesuchten Ortschaften nicht ohne Besorgnis für Rom. Es ist uns daher nicht unmöglich, gegenüber der Gefahr teilnamslos zu bleiben. Wir wissen, daß mit löblichem Eifer und weiser Voraussicht viele Maßregeln ergriffen werden von denjenigen, welche die öffentlichen Angelegenheiten leiten, damit die Geißel die Stadt nicht unvorbereitet treffe. Aber auch wir wollen zum Beistand Roms bereit sein und haben beschlossen, ein großes, nächst dem Vatikan gelegenes Hospital, wohin wir uns ohne Schwierigkeiten selbst persönlich zum Besuche und zur Tröstung der Kranken begeben können, zu eröffnen und ausschließlich auf unsere Kosten zu unterhalten. Das Hospital soll besonders den Bewohnern der uns zunächst gelegenen Quartiere Borgo und Trastevers zu gute kommen. Der Papst gibt sodann einige Vorschriften, betreffend das Direktionsund Sanitätspersonal und sagt, daß er trotz seiner schwierigen Lage, vertrauend auf die Vorsehung und die Hochherzigkeit der katholischen Welt, die Summe von einer Million Lire anssetze. Wenn, was Gott verhüte, die Geißel sich in Rom ausbreiten sollte, behalte er sich vor, über den päpstlichen Palast Lateran, soweit möglich und angebracht, zu verfügen.
Belgien.
Brüssel, 22. -sept. Der Moniteur veröffentlicht das vom Könige genehmigte, vom Minister des Innern und der Justiz kontrastgnierte Schulgesetz; dem Gesetze ist ein Reglement über dessen Ausführung beigegeben.
Brüssel, 22. Sept. Ein Straßenanschlag des Bürgermeisters sagt, es sei die Pflicht jeden guten Bürgers, dem Schulgesetze Folge zu leisten. Kundgebungen in den Straßen würden den öffentlichen Frieden gefährden und seien deshalb bis auf weiteres untersagt. Die bevorstehenden Kommunalwahlen bieten legale Waffen zur Bekämpfung des Schulgesetzes. Die Bürger werden aufgefordert, die Ordnung aufrecht zu halten. Alle größeren Menschenansammlungen, welche die Ruhe stören könnten, würden zerstreut.
England.
London, 16. Sept. In einer großen Schweinemetzgerei in Limerick stellten über 1000 Gesellen die Arbeit ein behufs Erzielung höherer Löhne. Die Meister nahmen hierauf eine allgemeine Arbeitssperre vor, infolge dessen gegenwärtig 3000 Schweinemetzger feiern und die Speckfabrikation momentan ins Stocken geraten ist.
Auf den Januar 1885 ist in London eine Konferenz von Kapitalisten, Handwerkern und Sozialpolitikern geplant, in welcher die mit der Ver-