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Nr. 269

Donnerstilg, den 17. November 1927

101. Jahrgang

Die deutsche Finanzpolitik

Kritik an den Plänen

des Reichsfinanzministers

Eine Rede des Reichstags«-«. Dr. Fischer in Dresden.

TU. Dresden, 17. Nov. Auf einer Tagung des sächsischen Wirtschaftsausschusses der Deutschen Demokratischen Partei in Dresden sprach Reichstagsabg. Dr. Fischer- Köln über die deutsche Finanzpolitik. Er ging von einer Betrachtung der gegenwärtigen Konjunkturlage und der Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen der deutschen Wirtschaft aus. Die deutsche Auhenhandclswirtschaft habe, so betonte der Redner, eine entscheidende Steigerung der deutschen Ausfuhr nicht herbeiführen können, da durch Fehlmaßnahmen der Zoll- »nd Steuerpolitik des Jahres 1SS5 in Deutschland eine langsame Prcisauf- wärtöbeweguna ansgclvft

worden sei, die im Gegensatz zu Sen sinkenden Tendenzen des weltwirtschaftlichen Preisniveaus steht. Bei der Unter­suchung der Hemmungen für einen Wiederaufbau der deut­schen Wirtschaft vermies der Redner besonders auf die außer­ordentlich überspannten Steuerbelastnngen. Es müsse dem­nach ein Abbau der Stenern erfolgen. Auf die Finanzpolitik Dr. Köhlers eingehend, bezeichnet es der Redner als Jllustonspolitik, ohne umfassendste Maßnahmen auf dem Gebiete der Ver- waltungsresorm den Reichshaushalt 1923 ohne Steuer- erhöhungcn ausgleichen zu wollen. Dies wäre nur möglich, wenn die Einkommensteuer gegenüber 1927 ein Mchrerträg- nis von etwa 39 Prozent und die Verkehrs- und Verbrauchs­steuern ein solches von 20 Proz. aufweisen würden. Der Red­ner stellte fest, daß das von der Neichsregierung vorgelcgtc Steuervereinheitlichuugsgesetz nicht die der Wirtschaft ver­sprochene Senkung der Nealsteuern bringe.

Dr. Fischer entwickelte dann erneut das Programm, Lurch rücksichtslose Einnahmedrosselung die öffentlichen Verwal­tungen in einen engeren Rahmen ihrer Ausgabewirtschaft

htneinzuzwtngen und die Steuerpflichtigen vor weiteren Ueberspannungen der Steuerlasten durch ein Steuerhöchst­lastengesetz zu schützen. Steuervereinhcitlichnng und Ver­einfachung der Steuerverwaltung sei in großem Umfange dann zu erreichen, wenn wir zu einer weitgehenden Konzentration der direkten Steuersenkungen auf die zwei Pfeiler: Einkommensteuer und Vermögenssteuer gelangen. Nachdem selbst Organisationen wie der Neichs- laudbund sich für Vcrwaltuugs- und Verfassungsreform in Richtung auf den Einheitsstaat ausgesprochen haben, dürfe man hoffen, daß man auch im Parlament endlich den Weg zum Einheitsstaat freilegen werde. Die Bcsolduugsreform sei notwendig,- für eine gerechte Entschädigung der Liquida­tionsgeschädigten müsse im ordentlichen Reichshaushalt Raum gcschasscn werden. Aber Experimente, wie sie jetzt in kulturpolitischer und finanzieller Hinsicht mit dem Reichs- schulgesctz versucht werden, müßten unbedingt unterbleiben. Der Redner bekämpfte die vom Reichssinanzminister ent­gegen seinen Steuersenkungsprvgramm angekündigte Wie­derinkraftsetzung der Vermögenszuwachssteuer und wandte sich scharf gegen die beabsichtigte Erweiterung der Zwangs­wirtschaft für Zigarctteninöustric und -Handel. Das Tabak­steuergesetz an sich bedürfe einer grundsätzlichen Neuformung Wir fordern, so schloß Dr. Fischer, eine Finanzpolitik, die mit schnellmöglichster Wirkung den Weg zum Steuerabban freilcgt. Daher ist

die einheitliche Jnangrissnahmc einer umsasseudru Finanz- nnd Verwaltnugsresorm das dringende Gebot der Stunde. Erkennt man, daß Steuerabbau eine Forderung volkswirt­schaftlicher Gcsamtnotwendigkeit ist, erkennt man, daß Steuer- und Zollabbau sowie Ausfuhrsteigernng die Vor­aussetzungen dafür sind, daß wir die gegenwärtige Jnlands- konjuuktur auf eine Vergrößerung »nserer Ausfnhrwirt- schaft übertragen können, so wird cs möglich sein, die Ge­samtheit des Volkes, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Wirt­schaft und Beamtenschaft für die Durchsetzung des Reform­programms zu gewinnen.

Der Reichskanzler in Bayern

Dr. Marx Empfang in München

TU. München, 17. Nov. Reichskanzler Dr. Marx traf gestern abend mit dem fahrplanmäßigen Zuge von Wien kommend mit dreiviertelstündiger Verspätung um halb 9 Uhr abends in München ein. Zum Empfang hatten sich auf dem Bahnsteig MinisterpMident Dr. Held, Aeichsgesandter von Haniel, der bayerische Gesandte in Berlin, Dr. v. Pre- ger, sowie eine größere Anzahl anderer Herren ciugefun- den. Nach einer herzlichen Begrüßung durch den Minister­präsidenten fuhr der Reichskanzler sofort im Auto in das Palais des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held.

Zu Ehren des Reichskanzlers gab gestern abend Mini­sterpräsident Dr. Held ein Esten, zu dem sämtliche bay­erische Ltaatsmtnister, der Reichsgesaudte von Haniel, der bayerische Gesandte in Berlin Dr. v. Preger und die füh­renden Männer der Reichs-, Staats- und Gemeindebehör­den Münchens, führende Parlamentarier, die Spitzen der kirchlichen und militärischen Behörden erschienen waren. Ministerpräsident Dr. Held und Reichskanzler Dr. Marx wechselten mährend des Essens Trinksprüche. Anschließend fand ein Empfang statt.

Die Münchener Presse znm Besuch des Reichskanzlers.

TU. München, 17. Nov. Die gesamte Presse widmet dem Reichskanzler herzliche Begrüßungsworle. Die Bayerische Etaatszeitung, die bekanntlich der Regierung nahesteht, äußert sich besonders ausführlich und erklärt, der Besuch sei ein staatSpolttischer Akt in des Wortes- umfasteuder Be­deutung. Gerade im Hinblick auf die geschichtliche Zusam­mengehörigkeit des deutschen und des österreichischen Vol­kes liege in dem Reiseweg des Reichskanzlers von Wien nach München eine ganz besondere Symbolik, weil hier zum erstenmale der erste deutsche Minister den Weg gegangen ist, der allein zur großen gemeinschaftlichen deutschen Zu- kunst führen könne. Dem Reichskanzler werde mit aller nur erdenklichen Klarheit der ungebeugte Wille zur unbc- dingten Wahrung eines selbständigen bayerischen Eigcnle- benS tm Verbände des Reiches entgegcnlcuchten, in einem Reich, bas anstelle einer Machtpolitik künftig eine Zusam­menarbeit treten lassen will, die Bayern wie auch den Län-

deru die Möglichkeit gibt, Herr im eigenen Staate und im eigenen Lande zu sein und zu bleiben.

Bayerns Sondermünsche

Eins wirtschaftspolitische Rede des bayerische» Minister­präsidenten.

TU. München, 17. Nov. Ministerpräsident Dr. Held hielt gestern im bayerischen Landtag anläßlich der Bera­tung des Handclsetats eine wirtschastspolitische Rede, in der er zunächst nach einem Hinweis auf die bayerischen In­dustriezweige erklärte, daß der Staat in erster Linie der Landwirtschaft als der Grundlage der Gesamtwirt­schaft seine Fürsorge angedeihen lasten müsse. Die bayeri­sche Wirtscha t werde nur dann einen festen Boden haben, wenn sie sich aui den Binnenmarkt nnd zwar in erster Linie in Bayern selbst stütze. Der Schutz der deutschen Wirtschast müsse zur Ausgabe des Staates gemacht werden und auch beim Abschluß von Handelsverträgen darauf ge­sehen werden, daß kein größerer deutscher Wirtschaftszweig unberücksichtigt bleibe. Vom Standpunkt der bayerischen Wirtschaft sei es zu bedauern, daß mir unsere Bahnen und die Post nicht mehr in-Händen hätten. Die Ausnahme ausländischen Kapitals durch die deutsche Wirtschaft sei so­lange kein Nachteil, als die Wirtschast dadurch neue Werte schaffen und eigenes Kapital ansammeln könne, solange eine gewisse Grenze nicht überschritten werde. Richtlinien, die eine weitere Abnahme von Anslandskapital unmöglich machen würde», seien verhängnisvoll. Es könne natürlich keine Rede davon sein, daß etwa die süddeutsche Wirtschaft oder die süddeutschen Staaten einseitig in der Aufnahme von Anleihen beschränkt würden. Nur durch die Steigerung unserer Ausfuhr könnten wir allmählich die Auslandsver­schuldung wieder abtragen. Die bayerische Wirtschaft habe ebenfalls am Aufschwung der Konjunktur tcilgenommen. Es wäre aber ein schwerer Fehler, zu glauben, daß sich die bayerische Wirtschaft in der Gesundung befinde. Es handle sich vielmehr um eine Augenblickskonjunktur. Zu bedauern sei, daß die Frage der deutschen Valuta vielfach so leichtfertig und oberflächlich behandelt werde. Die dentsche Mark habe de» beste« «nd höchste« Stand Die In.

Tages-Spiegel

Rcichstagsabgcordneter Dr. Fischer setzte sich in Dresden in beachtenswerter Weise mit der Finanzpolitik des Rcichssinanzministcrs auseinander.

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Ter Reichskanzler ist gestern abend von Wien kommend in München eingetrofsen. Dr. Strcsemann hat sich von Wie« direkt nach Berlin znrückbegeben.

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In einem Begrüßuugsartikcl der offiziösen «Bayerischen Staatszeitnng" zum Besuch des Reichskanzlers in Mün­chen wird besonders die Forderung der Eigenstaatlichkeit Bayerns hcroorgchobc«.

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Zur weiteren Förderung der Beratungen über das Besol­dungsgesetz im Haushaltsausschnß habe« gestern Abge­ordnete der Regierungsparteien Besprechungen gepflogen.

Der deutsche Gesandte in Warschau, Rauscher, ist «ach Berlin abgcreist, um der Neichsregierung über seine im Zusam­menhang mit der Eröffnung der neuen denlsch-poluischen Wirtschaftsvcrhandlnngen geführte« Besprechungen zn be­richten.

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Von englischer Seite wird die Beendigung der Truppen» Verminderung im Rheinland -ckanntgcgebeu.

flationsgcfahr würde verwechselt mit einer anderen Gefahr: Es werde vielfach Inflation genannt, was in Wirklichkeit bloß Teuerung sei. Im Interesse der Wirtschaft müßte man endlich davon ablaflen, das Gespenst der Inflation an die Wand zu malen. Ausführlich sprach der Ministerpräsi­dent hierauf über den Steuerdruck. Er erklärte dabei, daß unser Steuersystem verbesserungsbedürftig sei und be­tonte, daß bet den ins Uebermächtige gestiegenen Leistungen des Staates an einen »oeitgehenden Abbau der Stenern in absehbarer Zeit nicht gedacht werden könnte. Man müßte hier an das Ftnanzverhältnts zwischen Reich und Ländern und den ganz unmöglichen Finanzausgleich für Bay­ern denken. Deshalb sollte auch die Wirtschaft mithelfen, f"r Bayern einen ordentlichen Finanzausgleich zu erzielen, während sich in Wirklichkeit ein großer Teil der Wirtschaft auf die andere Seite gestellt habe. Wenn die Zentralisation der Verwaltung mit dem Einheitsstaat käme, dann würde der Katzenjammer sehr groß sein. Zum Schluß erklärte Dr. Held, es müsse von staatswegen dafür gesorgt werden, daß die Wirtschaft zwar nicht der Diktator aber eine kräftige Stütze für den Staat werde auf dem Wege zu einer besse­ren deutschen Zukunft.

Dr. Slresemann von Wien abqereisl

TN. Wie«, 17. Nov. Reichsaußenminister Dr. Strese- mann hat im Laufe des gestrigen Tages Wien verlassen, und ist wieder nach Berlin abgereist. Ein Vertreter der öster­reichischen Negierung und der deutsche Gesandte Graf Ler­chenfeld verabschiedeten ihn auf dem Bahnhof.

Briand zur Strefemann-Rede kn Wie«.

TN. Paris, 17. Nov. Ueber die Reise Strescmanns nach Wien befragt, erklärte Briand in der gestrigen Sitzung der Kammerkommission für Auswärtige Angelegenheiten, daß es ganz natürlich sei, daß sich die Minister des Aeußeren der europäischen Länder begegnen. Man hätte nur die Rede Strescmanns zu lesen, um sich davon zu überzeugen, daß Frankreich unrecht tun würde, wenn es sich über die Wie­ner Begegnung beunruhigen würde.

Die Besatzungsumgruppierung im Rheinland

TU. London, 17. Nov. An maßgebender Stelle wird bestätigt, daß die Reduzierung der britischen Bcsatzungs- truppen am Rhein auf den in der letzten Note au Deutschland angegebenen Stand nunmehr vollzogen ist.

Mit der Herabsetzung der englischen Truppen um 6259 Mann ist man nach hiesiger Auffassung bereits beträchtlich unter die Zahl gegangen, die aus mtlitärtechnischen Gründen als unbedingt notwendig bezeichnet wurde. Es scheint rich­tig zu fein, daß man an eine weitere Verminderung des bri­tischen Besatzungskontingents nicht denkt. Die 6259 Mann werden im Nhetnlande bis zum Augenblick der vollständigen Räumung verbleiben. In der Frage der endgültigen Räu­mung ist eine Aenderung der früheren Auffassung nicht feft- zustellen.