die brennenden Kleider zu löschen. Der dritte nun Verstorbene lag ohnmächtig seitwärts und war in kürzester Zeit am ganzen Leibe gebraten. Die beiden anderen liegen ebenfalls im Spitalc mit bedeutenden Brandwunden, doch fürchtet man nicht für ihr Leben. Wie das Unglück entstehen konnte, ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt.
Von Gelsenkirchen, 5. Juni, wird geschrieben: Eine unbeschreibliche Aufregung herrschte heute in unserem Orte, zu der nachfolgender Vorfall die Veranlassung geboten. Das etwa 6 Jahre zählende Kind eines hiesigen Bergarbeiters war krank und starb — wie es schien. Pfingstmontag wurde die Leiche auf dem hiesigen Kirchhofe in üblicher Weise bestattet. Heute, am Pfingstmittwoch, nun hatte der Totengräber eine neue Kindergrust zu graben. Als ob die Vorsehung es so gefügt, kam er bei seiner Arbeit der Ruhestätte des ersteren Kindes nahe und hörte — voll Entsetzen — ein leises Wimmern. Schnell gefaßt, grub er nunmehr den Sarg vollständig heraus, hob den Deckel auf, und vor ihm lag das totgeglaubte Kind lebend und weinend. In aller Eile brachte er nun das Kind seinen armen Eltern. Man hofft auf sein Aufkommen. (Wir geben diese Mitteilung — so fügt die „K.-V. Ztg." dieser Nachricht hinzu — unter allem Vorbehalt. In den Einzelheiten kann sie kaum richtig sein. Daß das Kind noch zwei Tage unter der Erde gelebt haben soll, können wir uns nicht vorstellen.)
Berlin, 9. Juni. Die Grundsteinlegung des neuen Reichstagsgebäudes ist trotz ungünstigen Wetters glänzend verlaufen. Bald nach I I Vs Uhr erschien Bismarck in Kürassieruniform auf dem Festplatz, wo bereits der Reichstag, der Bundesrat und die geladenen Gäste versammelt waren. Von Diplomaten bemerkte man die Botschafter Rußlands, Oesterreichs, der Türkei. Punkt 12 Uhr langte der Kaiser in großer Generalsnnisorm in vierspännigem offenen Wagen an, worauf die Feier, welche eine halbe Stunde währte, sofort begann und programmmäßig verlief. Die vom Reichskanzler verlesene Kaiserurkunde hebt hervor, wie durch glorreiche Waffenerfolge der vereinten deutschen Stämme das Reich zu ungeahnter Herrlichkeit erstanden und wie aus der Begeisterung des Volkes, aus dem gegenseitigen Vertrauen der Bundesregierungen für Deutschland die Kraft erwachsen, seine Verfassung und nationale Entwicklung aus eigener Macht zu schützen und die Pflege seiner Wohlfahrt in eigene Hand zu nehmen. Diesem Schutze, dieser Wohlfahrt solle die Arbeit in dem Hause, dessen Grundstein man jetzt legen wolle, dienen. Dankbar gegen Gott sei auf das von den Bundesregierungen und dem Reichstage in gemeinsamer Thätigkeit vollbrachte Werk zurückzubiicken und zu hoffen, daß ferner die gemeinsame Arbeit von Einigkeit getragen und von Segen begleitet werde. Der Ordnung, Freiheit, Gerechtigkeit, der gleichen Liebe für alle Volkskreise sei unverbrüchlich dieie Arbeit gewidmet. Möge Frieden nach außen und innen den Bau des Hauses beschirmen! Auf immerdar sei das Haus ein Wahrzeichen der unauflöslichen Bande, welche in großen herrlichen Tagen die Deutschen vereinigten. Bei Ueberreichung von Kelle und Mörtel an den Kaiser sprach der bayerische Bevollmächtigte die Freude des Bundesrats sowie dessen Wunsch aus, der Kaiser möge die Vollendung des Baues in ungeschwächter Kraft sehen. Möchte die einmütige Arbeit der Vertreter der Negierungen und der Nation dem Vaterlande zum Heile gereichen. Bei der Ueberreichung des Hammers an den Kaiser hielt der Reichstagspräsident v. Levetzow eine kurze Ansprache mit Segenswünschen für das neue Werk. Seine Ansprache schließt: „Auf dem Hause ruhe der Segen Gottes, welcher Eure Majestät allwege sichtlich geleitet, damit alles wohl gelinge und es bis ans Ende der Tage von diesem Hause heiße: Hie Kaiser und Reich!" Der Schluß des Weihespruches des Generalsuperintendenten Oberhofpredigers Kögel lautet: „So erhebe sich und wachse dieser Bau für die Jahrhunderte: Eine Burg der Kraft, ein Herd der Eintracht, eine Warte für die Zeichen der Zeit, ein Bergungsort für das Erbe der Väter, ein Ausgangspunkt für gottgesegnetes Thun! Amen!" Kelle und Hammer wurde» dem Kaiser auf blauseidenem Kissen dargeboten. Nach der Feier reichte der Kaiser dem Hofprediger Kögel unter Dankesworten die Hand. Der Kaiser, der Kronprinz und Bismarck wurden bei ihrer Ankunft und Abfahrt vom Publikum mit begeisterten Hochrufen begrüßt.
Berlin, 9. Juni. Während der Feier der Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudes regnete es, der Kaiser ist aber trotzdem im Freien geblieben.
Die Kaiserin hat an den Reichskanzler den nachstehenden Erlaß gerichtet: „Die Grundsteinlegung des Rcichstagsgebäudes durch den Kaiser ist eine so ernste Feier, daß ich meinem tiefen Bedauern über meine Abwesenheit bei derselben Ihnen gegenüber Ausdruck zu geben wohl berechtigt bin. Aufrichtig bringe ich dieser Nationalfeier Treue und Segenswünsche dar für Kaiser und Reich, für den inner» und äußeren Frieden in der Gegenwart und in Zukunft, dem weiblichen Berufe entsprechend, der wahre Vaterlandsliebe bedingt."
Berlin, 9. Juni. Die Transvaaldeputation, bestehend aus 3 Mitgliedern, dem Präsidenten Krüger, dem Kriegsminister Jacobus Smit und einem Mitglieds der dortigen Regierung, Herrn Dutoit, ist von Amsterdam kommend, heute in Berlin zu einem mehrtägigen Aufenthalt eingetroffen und hatte bereits am Sonntag die Ehre, von Sr. Maj. dem Kaiser empfangen zu werden; sie nimmt auf besondere Einladung an den Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung des neuen Rcichstagsgebäudes teil. Seit Jahren dürfte Berlin keine so interessanten und bemerkenswerten Gäste beherbergt haben, wie diese. Mit welcher herzlichen Sympathie ganz Deutschland dem Freiheitskampfe dieser stolzen Bauern gegen die Engländer folgte, steht noch in zu frischer Erinnerung, um darüber ein Wort zu verlieren. In Paris wurden diese tapferen Transvaaler auf das Festlichste willkommen geheißen, und wir hoffen, daß sie beim Verlassen Berlins sagen können, daß sich die tiefe Sympathie, welche wir für das tapfere freiheitsliebende Bauernvolk empfinden, in gleich herzlicher Weise in des deutschen Reiches Hauptüadt kundgab, wie in derjenigen Frankreichs. Die angebahnten handelspolitischen Beziehungen mit dem Transvaal können übrigens für unsere deutschen Anstiengungen in West- und Mittelafrika von bedeutsamstem Nutzen sein. Dehnen sich die deutschen Beziehungen in entsprechender Weise in Afrika wie bisher aus, dann werden wir auch mit den Transvaalers in nähere Beziehungen kommen in den neuen deutschen Kolonialbestrc- bungen, und eine gute Freundschaft mit diesem Volke, deren Vertreter in unserer Mitte weilen, wird von gegenseitigem Nutzen sein.
Gegenüber der Nachricht russischer Blätter über die augenlich beschlossene Vermehrung der deutschen Artillerie wird offiziös versichert, im diesseitigen Kriegsressort werde an eine Vermehrung der Geschütze der deutschen Feldartillecie nicht gedacht.
Berlin. Als Mietpreis für einen Tisch im neuen Börsensaal ist ein jährlicher Betrag von 5000 in Aussicht genommen.
Berlin, 6. Juni. In der ultramontanen Bonner „Reichsztg." ist zu lesen: „Wie man uns mitteilt, gewinnt in Zentrumskreiscn die Ueberzeu- gung immer tieferen Boden, daß wenn die protestantische Einweihung nicht aus dem Festprogramm der Grundsteinlegung des neuen Reichstagsgebäudes gestrichen wird, eine Teilnahme Seitens der katholischen Reichstagsmitglieder rein unmöglich ist. Durch die offizielle Aufnahme des protestantischen Weiheaktes in das Festprogramm wird der Protestantismus zur offiziellen Reichsreligion gestempelt. Dagegen müssen die Katholiken und ihre Vertreter ganz entschieden Protest erheben. So weit sind wir denn doch noch nicht, daß die Katholiken sich so etwas wie stumme Hunde gefallen lassen müßten. Hoffentlich wird die Sache auch von den Centrumsmitgliedern im Reichstage zur Sprache gebracht und feierliche Verwahrung dagegen eingelegt werden. Würden sich die Protestanten so etwas gefallen lassen, wenn man ihnen dergleichen böte?"
Der Kreuzztg. zufolge ist nicht Prinz Friedrich Wilhelm von Hanau, sondern ein jüngerer Bruder desselben, Prinz Heinrich (geb. 1842), am 5. ds. M. in Paris zum Katholizismus übergetreten.
In Strenz-Nauendorf bei Alsleben a. d. Saale herrscht seit 14 Tagen die Trichinose. 64 Personen sind erkrankt, darunter 23 bedenklich; 4 sind schon der Krankheit erlegen.
Die gegenwärtige Stärke des deutschen Volkes. Die Zahl der Deutschen im Deutschen Reiche wird gegenwärtig rund 43 Millionen betragen. Die Zahl des deutschen Volkes in ganz Oesterreich-Ungarn wird auf reichlich 10 Millionen veranschlagt. In der Schweiz sprechen über 2 Mill. der Bewohner
deutsch, in Rußland 1 Mill. Im Großherzogtum Luxemburg und dem angrenzenden belgischen Bezirke Arlon wohnen gegen 250000 Deutsche, in Rümä- nien und den Staaten der Balkanhalbinsel etwa 50000, in Italien und zwar in den deutschen Gemeinden am Südabyange des Monte Rosa und im Tofathale in den Dörfern Timan, Sauris-Zahro und Sappada-Bladen reden heute noch etwa 15 000 Bewohner einen deutschen Dialekt. Rechnet man nun noch die zahlreichen Deutschen in den größeren Städten Großbritanniens, Frankreichs, Hollands, der skandinavischen Staaten u. s. w. hinzu, so ergibt sich für ganz Europa eine Zahl von 56—57 Mill. Deutschen. In den Vereinigten Staaten und im britischen Nordamerika werden die deutsch sprechenden Bewohner schwerlich weniger als 8 Mill. stark sein; in Südbrasilien reden 150000 deutsch, in Australien gegen 200000, im Kaplande etwa 10000. Werden nun noch die Deutschen in Betracht gezogen, die in kleinerer Zahl fast über alle Länder der Erde zerstreut sind, so wird die Annahme der Wahrheit sehr nahe kommen, daß gegenwärtig 65—66 Mill. Menschen, also der 22. Teil der gesummten Bevölkerung der Erde, sich der deutschen Sprache als Umgangssprache bedienen. Die Zahl würde sich um reichlich 7 Mill. erhöhen, wenn man die Holländer und die Flämen in Belgien und den nördlichen Teilen Frankreichs dem deutschen Sprachstamme zuwählen wollte. Die Deutschen bilden also nahezu die Hälfte der gesamten germanischen Völkerwelt. Oesterreich-Uogam.
Wien, 9. Juni. Heute begann die Verhandlung gegen den Anarchisten Stellmacher. Stellmacher hat ein glattrasiertes, aufgedusenes.Gesicht voll unheimlicher, energischer Linien, mit stark hervorire- tenden Backenknochen, rollenden Augen und stechendem Blick. Sobald von seinem Fanatismus die Rede, umspielt ein freches Lächeln die stark ausgeprägten Mundwinkel. Stellmacher bekennt sich der Ermordung Blöch's schuldig, bezüglich der anderen Handlungen nicht.
Wien, 10. Juni. (Prozeß Stellmacher.) Einige Zeugen agnoscierteu den Angeklagten als den Raubmörder der Eisert'schen Wechselstube. Stellmacher fuhr fort, die Beantwortung vieler Fragen zu verweigern und erklärte, daß er durch seine Antworten seine Freunde iws Unglück stürzen würde. Sachverständige konstatierten, daß der bei Eifert nach der Mordthat Vorgefundene Zündstift zu den bei Stellmacher gefundenen elf Zündstiften gehöre. Sensation erregte die Verlesung von Briefen Stellmachers an den Oesterreichischen Gesandten in Bern und an deutsche Polizeibeamte, worin er gegen fgutes Honorar seine Vertrauensdienste als Geheimpolizist anbot. Der Angeklagte erklärte, er habe sich bei der Polizei einschleichen wollen, um seiner Partei zu nützen. Zwei Wachmänner, welche Stellmacher nach der Verhaftung überwachten, teilen mit, Stellmacher habe gesagt: „Wir machens besser als die Nihilisten. Diese haben von oben angefangen, wir fangen von unten an und rufen damit eine Panik hervor. Die Wachleute sind die Stützen des Systems. Wir fangen damit an, den Baum zu entwurzeln, dann fällt der morsche Stamm von selbst." Stellmacher verliest sodann sein Glaubensbekenntnis. Er glaube nicht an Gott. Die weiteren atheistischen Auseinandersetzungen unterbricht der Vorsitzende, worauf Stellmacher die bekannten sozialistischen Theorien vom Eigentum entwickelt und das Elend der Arbeiterfamilien schildert. Hierbei bricht er in Thrünen aus und kann vor Schluchzen nicht weiter sprechen. Stellmacher setzt sich, erhebt sich jedoch bald und spricht über seine traurigen Jugendrerhältnisse.
Wien, 10. Juni. Der Anarchist Stellmacher wurde wegen Raubmordes des Wechslers Eifert und wegen Mordes des Detectivs Blöch zum Tode durch den Strang verurteilt.
Schweiz.
Aus dem Kanton Bern vernimmt man wieder zahlreiche Todesfälle wegen unmäßigen Schnapsgcnusscs.
Ein Baseler Irrenarzt hat die sogenannte Heilsarmee, die auch die Schweiz unsicher macht, einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen und bezeichnet sie, ebenso wie den Spiritismus, als krankhafte Erscheinungen, als beunruhigende Zeichen der Zeit. Es wurzeln diese Erscheinungen in der hochgradigen, augenscheinlich sich andauernd noch steigernden Nervosität, die sich seit einer längeren Reihe von Iah-