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stellt, lächelte überlegen vor sich hin. „Der Arzt ist ein gestudicrter Mann," flüsterte sie, „und er kann wohl Medizin verschreiben; aber ich werde ihm einen Trunk geben, der mehr wirken wird als Ruhe und Medizin. Mögen sie hernach mit mir machen, was sie wolle», mein Erich, mein Goldkind, das mich ans dem Feuer gerettet hat, wird nichts auf mich kommen lassen."
Erich rief im Fieber, der Vater schlage mit flammenden Balken auf ihn ein, und ein Feuermcer verbrenne sein Gehirn. Sie legte ihm den kühlenden Umschlag auf's Haupt, da wehrte er ihre Hand ab und murmelte halb singend: „O Mutter, Mutter, was mich brennt, das lindert mir kein Sakrament" — und dann, mit dem schnellen Ucbergang zum Be- wußtsein, der manchen Kranken eigen, richtete er sich plötzlich auf und fragteerstaunt: „Sie sind da, Mut 1er Augustin?"
„Gott sei Dank, mein Herzens-Erich, mein lieber junger Herr! Sind Sie denn wieder ganz bei sich selbst? Ich dachte ja immer, der liebe Gott würde Sie nicht so viel leiden lassen für Ihr edles Werk."
„Habe ich denn so gar schwer geträumt? Ich habe Ihnen wobl viele Mühe verursacht?"
„Ach, ich frage nicht deshalb. Ich freue mich blos, daß Sie wieder zur Besinnung gekommen sind, ehe sie mich wegschicken, und dag ich Ihnen doch sagen kann, was ick auf dem Herzen Hab'. Aber können Sie mich auch versieben?"
„Gewiß, gewiß, sangen Sie nur an," sagte Erich lächelnd, wenn auch nicht neugierig.
„Na, dann hören Lie, aber merken Sie wohl auf jedes Wort: „Ihr Vater, der alte Wüterich, der Sic gestern bald todtgeschlogcn hätte, der ist gar nicht Ihr Vater."
Jetzt sprechen Sie wohl im Fieber, nicht wahr?" entgegnete Erich.
„Ich schwöre es bei Jesus Christus," beteuerte Mutter Aiiaiistin. „ich weiß wohl, was ich sage. Dem schlechten Menschen sein Sohn nennt sich Baron und Freiherr und lebt in Saus und Braus von dem, was von rechtswegen Ihnen gehört, Herr Erich Sehen Sie mich doch nicht an, als wenn ich nicht meine >ünf Sinne beisammen hätte! Wer soll es denn wissen, wenn nicht ich? Ich bin ja Ihre Amme gewesen und Hab' mich von dem Herrn Hardenberg bereden lassen, daß ich die zwei kleinen Würmchen vertauschte. Ihr wäret gar nicht zu unterscheiden von einander, und die Baronin, die sich nicht mit Säuglingen beschäftigte, nahm hernach auch ohne Arg das fremde Kind für ihr eigenes. Sie können's mir ganz wahrhaftig glauben, was hätt' ich davon, Ihnen etwas vorzulügcn!"
Sie fuhr fort die Wahrheit ihrer Aussage zu beteuern, und mit allen Argumenten, die ihr nur einfielen, zu unterstützen.
„Aber welchen Grund konnte mein Vater dazu haben?" fragte Erich.
„Er wollt' seinen Sohn in das warme Nest setzen, hihibi I Dazumal halte er noch nicht so viel Geld zusammengescharrt wie jetzt durch Erbschaft und durch seinen Geiz. Und dann wollt' er sich auch an dem verstorbenen Baron, Ihrem Vater, rächen, der mit Hardenberg's erster Frau ein Verhältnis gehabt haben sollte. In der Art ähneln Sie nicht Ihrem wahren Vater, Herr Erich. — Hernach mag's dem alten Wütrich leid gethan haben. Er hat den Narren an Baron Adolf gefressen, und der sieht ihn nicht an.
Das ist seine Strafe gewesen von jeher, aber an Ihnen, Herr Erich, hat er's dann ausgelassen.
Erich sank auf sein Lager zurück. Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf. War es denn wirklich kein Trugbild seiner verstörten Phantasie? Sein Vater war nicht sein Vater, Emma nicht seine Stiefmutter, Agnes nicht seine Schwester — Agnes! „O mein Gott, mein Gott!" — Er fuhr auf und ergriff beschwörend die Hand der alten Frau.
„Daß Sie Niemand, Niemand ein Wort von dem verraten werden, was Sie mir gesagt haben. — Niemand, vor Allem meiner Schwester nicht!"
„I, wo werd ich doch!" sprach sie beschwichtigend, wie zu einem Kinde. „Nein, nein, da seien Sie ruhig," fuhr sie in verändertem Tone fort, „wenn ich so lauge nichts gesagt Hab', werd' ich doch jetzt den Mund halten können."
Aber als sie ihn in seine Fieberträume zurückfallen sah, murmelte sie kichernd: „Wozu sollt' ich ihm denn davon erzählt haben, wenn ich ihm nicht auch das Schloß und die vielen Güter verschaffen wollte? Mag es der Andere, der Baron Adolf auch einmal ein Weilchen bei solchem Vater probiren l Warum will er mir armem Weib das Haus über dem Kopf einreißen?" —
Dem fiebernden Erich war es, als arbeite er in einem wilden Chaos von Feuer, Rauch und stürzenden Balken, als müsse er sich mit Aufbietung aller Kraft durchringen zu einem schönen Ziel — und wenn er ein Hindernis überwältigt hatte, so flammte, wirbelte, krachte um ihn neues, und dicht an seiner Seite stand immer Baron Adolf mit höhnischem Lächeln, und als er endlich dem lockenden Ziel nahe war und verlangend die Arme ausstreckte, da begegnete wieder die weiche, kühle Hand des Aristokraten hindernd der seinen, und er fuhr mit einem Schrei der Verzweiflung empor.
Der vom Schloß herbeigerittcne Baron Adolf stand jetzt an Erichs Lager. „Erkennen Sie mich nicht, Erich?" fragte er, zu ihm herabgebcugt.
Der Kranke sammelte mühsam seine Gedanken.
„O gewiß," sprach er matt, „bitte, nehmen Sie Platz."
Er grübelte weiter, und Baron Adolf sah, wie sich auf sein Antlitz allmählich der finstere, abweisende Zug legte, mit dem er ihm gestern gegenüber gestanden.
„Gewähren Sie mir eine Bitte," sprach der junge Edelmaun, seine Hand fassend, indem er sich neben dem Bett niederließ: „Thun wir, als hätten wir uns gestern abend nicht gesehen. Ich habe mir nachträglich zurecht gelegt, was Sie mir so feindselig naben ließ, und ich glaube, ich habe das Richtige getroffen : Sie lieben Ihre Schwester und Sie glauben —"
„Daß Sie mit ihrem Lebensglück gespielt haben, ja." —
„Nein, beim ewigen Gott! Das geschah nicht! Das Glück Ihrer Schwester kann Ihnen nicht teurer sein als mir. Es ist wahr, ich bin einen Augenblick unmännlich schwach gewesen, ich habe Mutterthränen nachgegeben, aber ich bin gekommen, um Alles gut zu machen, denn Agnes entsagen, hieße auch mein Lebensglück zerstören."
Erich sah starr vor sich hin. Höhnte das Schicksal sie nicht offenbar? Gestern noch hätte dies Geständnis so viel Freude Hervorrufen können, und heute! Aber Niemand kannte die Schranke, die zwischen den Beiden lag, als er, Niemand sollte sie auch erfahren.
Agnes wäre an dem schrecklichen Bewußtsein zu Grunde gegangen.
„Meine Schwester liebt Sie nicht mehr!" sagte dann Erich düster.
„Das will ich erst ans ihrem eigenen Munde hören," erwiderte der Baron.
„Sie werden Sie nie Wiedersehen!"
„Sie habe» kein Recht in das Geschick Ihrer Schwester einzugreisen."
„Ich nehme mir das Recht und werde daran festhalten bis zum letztem Atemzuge."
„Aber ich war Agnes nicht aleichgillig," rief der Freiherr, dessen verletzte Eitelkeit sich jetzt auch emporbäumte.
„Das gebe ich zu, aber sie hat Alles überwunden." —
„Ich gehe stehenden Fußes zu ibr, und wenn sie mir, Auge in Auge, Ihre Behaupiung bestätigt, dann —"
„Sie werden nicht gehe-!"
„Ich will Sie nicht ausregen," saute der Baron. Er setzte sich wieder und sagte treuberzig: „Erich, ich weiß, die Lüge war Ihnen von jeher >remd. Sehen Sie mich an und wiederholen Sie, was Sie mir sagten. Aber wenn Sie je eine Regung von Liebe gefühlt, wenn Sie je die Sehnsu t gehegt. Ibr Streben und Denken fortan einem geliebten Weibe zu widmen, so treiben Sie keinen Spott mil rmei Menschen- hcrzcn."
Erich war in die Kffsen zurückgesnnken und hatte das Haupt abgewandt. „Ick kann nichts widerrufen," lprach er tonlos. „Meine Schwester ist Ihnen unerreichbar!" —
„Hahaha!" lachte Adolf sckneEeud an'. „Das hatte noch gefehlt, gerade das! Wie ich sagte, ich bin ein verlorener Mensch. Ha, wenn ich dielen Adolf v. Nordheim, der 2? Jahre lang daran gcaibeitet hat, mir meine Zukunft zu zerstören, vor mir hätte, mit meinen Fäusten wollte ich ihn zermalmen. Habaha I — So hilf Du mir, göttlicher Leicht inn! Leben Sie wohl, Erich, gute Besserung, und tanzen Sie heut' abend im Geist auf meiner Verlobung. — Ihrem stolzen Schwesterlein sagen Sie, es möge sie keine Neue ankommen, wenn ich die Neigung, die sie verschmähte, der ersten Besten in den Schoß werfe."
Er stürmte hinaus und warf sich auf's Pferd und jagte davon wie von Furien gepeitscht. Davon, davon, wie wenns bis an das Ende der Welt gingt. Aber das Gespenst, das er floh, böbnte hinter ihm her. Das Gespenst der Reue, der Selbstverachtung.
„Was ist denn hier geschehen?" fragte eine halbe Stunde später der Arzt erschrocken, als er an Erichs Lager trat. „Ich hoffte, es sollte Alles glatt ablaufen, und nun ist eine 'Gehirnentzündung in vollem Anzuge. — Rufen Sie mir einmal die Angehörigen des Patienten, ich habe ein ernstes Wort mit ihnen zu sprechen." —
(Forti, wlgt. i
Allerlei.
— (Auch ein Assvcis.) Student: „Ich bin Teilhaber an dem Geschäft meines Vaters!" — Prosessor: „Wie so? Sie studieren doch Medici» und Ihr Vater ist Kaufmann!" — Student: „Ja, jah! Er besorgt eben die Einnahmen und Ich die Ausgaben!
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nazold. — Druck und Verlag der G. W. Z aiscr'schen Buchhandlung in Nagold.
AurMche irrro 'Ur'wclt-MeLclrrntrnuchur
Konkursverfahren.
Ueber das Vermögen des Jakob Schwarz,
Bäckers in Alten steig, wird heute am 19. April 1884, vormittags 10 Uhr, das Konkursverfahren eröffnet und der
Amlsnotar Dengler in Altenstaig und in dessen Verhinderung der Notariatsassistent Wischils daselbst zum Konkursverwalter ernannt.
Konkursforderungen sind bis zum 19. Mai 1884 bei dem Gerichte anzumelden.
Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläu
biger-Ausschusses und eintretenden Falls über die in ß 120 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf Montag den 26. Mai 1884, vormittags VslO Uhr, vor dem Unterzeichneten Gerichte auf das Rathbaus in Altensteig Termin anberaumt.
Allen Personen, welche eine znr Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben, nichts an den Gemeinschnldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befrie
digung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 15. Mai 1884 Anzeige zu machen.
Königl. Amtsgericht zu Nagold.
Zur Beglaubigung:
Gerichtsschreiber Lipp s.
Konkursverfahren.
In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Johann Georg W u r- st e r, Schmids in Simmersfeld, ist znr Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichnis der bei der Verteilung zu berücksichti
genden Forderungen der Schlußtermin auf
Montag den 26. Mai 1884, vormittags l l Vs Uhr, vor dem K. Amtsgerichte auf das Rathaus in Altensreig bestimmt.
Nagold, 21. April 1884.
Ü l P P A
Gerichtsschreiber des K. Amtsgerichts. Nagold.
Lehrlings- und Arbeiter-Gesuch.
Einen Lehrling nimmt unter ganz billigen Bedingungen an; ebenso kann ein tüchtiger Geselle eintreten bei
Schreiner Raas.