Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägcrlobn) 80 -t, in dem Bezirk t ^ — -l, außerhalb des Bezirks 1 ut: 20 -l. Monats- abonnemcnt nach Verhältniß.
Samstag den 29. März.
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wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S bei mehrmaliger je 6 -4. Die Inserate müssen spätestens Morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.
1884 .
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auf den
„KeseüHafter"
für das II. Quartal 1884.
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Redaktion «nd GvpedMo».
Amtliches.
Ire Gerichtsvollzieher
werden erinnert, Hanptregister und Kasscntagbuch auf den l. April d. I. unfehlbar anher einznsenden.
Nagold, 25. März 1884.
K. Amtsgericht.
Daser. O.-A.-R.
Tages Neuigkeiten.
! Deutsches Reich.
** Nagold, 27. März. Freunde geistlicher Musik werden hiemit an die kommenden Sonntag den 30. März Nachm. 3V, Uhr im Festsaale des Seminars stattsindende Aufführung des Oratoriums Messias von Händel freundlich erinnert. Es ist hier zum erstenmal die sehr willkommene Gelegenheit geboten, eines der schönsten Oratorien zu hören. Das kleine Eintrittsgeld, das diesmal der verursachten Kosten wegen erhoben wird, dürfte kein Hindernis sein, teilzunehmen, da der Zutritt zu den schönen Seminarkonzerten bisher immer frei war.
/V Nagold. Die Gemeindebaumwärter, Welche am 25. d. hier im Gausthaus „zum Stern" ihre Frühjahrsversammlung abgehalten, haben seit 2 Jahren den edlen Zweck der thunlichsten Vermehrung des Obstbaumsatzes und der rationelleren Pflege der Obstbäume mit anerkennenswertester Tätigkeit verfolgt. Der eigenen Fortbildung sollte auch diese Zusammenkunft dienen. In Anwesenheit sämtlicher Bezirks - Gemeindebaumwärter und vieler hiesiger Männer hielt Herr Gärtner H a n d t e von Ebhausen einen gemeinfaßlichen Vortrag über die wichtigsten Veredlungsarten und sein Kollege Helber von Haiterbach einen solchen über den Nutzen der Bienen während der Baumblüte. Die Anwesenden haben sich einstimmig mit wärmster Dankbarkeit und Anerkennung über beide Vorträge ausgesprochen. Herr Gärtner Raas von hier hat sodann in einem die Wichtigkeit der Sache kurz begründenden Vortrage eine Organisation der angeordneten und vom landw. Bezirks- Verein wesentlich unterstützten Gemeindebanmwärter- Versammlungen empfohlen. Zu diesem Zwecke, so schlug der Redner vor, müßten sämtliche Baumwärter zu einem Vereine zusammentreten; Mitglied desselben könne jeder werden, der einen Jahresbeitrag von 50 in eine gemeinsame Kasse zahle, welche hiefür pomologische Schriften zur Zirkulation unter den Vereinsangehörigcn beschaffe. Durch diese Organi- sativn verliert das periodische Zusammenkommen der Baumwärter und der weiteren Interessenten den bisherigen Charakter der mehr privaten geselligen Ver
einigung und wird in seiner Neugestaltung die Erhaltung, Ermutigung und Förderung der produktiven Obstbaumzucht wesentlich fördern. Wenn auch der Durchführung dieses Plans Schwierigkeiten sich entgegenstellen dürften, so möchte doch eine Propaganda für denselben zu empfehlen sein. Herr Oberamtsbaumwart Bi hier wird am kommenden Sonntag bei Herrn Baumwärtcr Harr in Rohrdorf mit vier gewählten Komitemitgliedern zu einer Vorbesprechung der Sache zusammentreten, deren Resultat die Ausarbeitung eines Statuten-Entwurfs und die Berufung einer konstituierenden Versammlung sein wird. Der Sache ist Gedeihen zu wünschen.
In Unterlengenhardt (Neuenbürg) wurde kürzlich ein Kind mit einem förmlichen Hasenkops geboren; dasselbe hatte nur eine Lippe und ein Aerm- chcn. Lebend kam es auf die Welt, ist aber nach kurzer Zeit gestorben.
Stuttgart, 24. März. Der wegen des Raubmords, an dem Pfandleiher Reinhard auf dem Lconhardsplatz verübt, hier in Untersuchung befindliche Silberhorn ist nun wieder aus seiner Haft entlassen worden. Auch bei den beiden andern Verhafteten konnten bis jetzt keine triftigen Beweise für ihre Beteiligung an dieser Bluttat gefunden werden, so daß man sie ebenfalls bald aus der Haft entlassen muß.
Stuttgart, 25. März. Der wegen des Raubmords am Leonhardsplatz verhaftete Kutscher Gais ist auf freien Fuß gesetzt worden, dagegen soll Hetze! jetzt wieder Irrsinn simuliren.
Für die Zahnradbahn von Stuttgart nach Degerloch haben die Gütererwerbnngen durch den Unternehmer Dir. v. Keßler bereits begonnen. Mit dem Vau wird in Kürze ebenfalls begonnen.
Stuttgart. Bei der Entleerung eines Kompostfasses wurden gestern zwei in der Verwesung ziemlich vorgeschrittene Kindcrleichen gefunden, welche, nachdem sie jedenfalls längere Zeit in einem Abort gelegen waren, kürzlich bei dessen Auspumpung in jenes Faß gelangt sein müssen.
Ein hübsches Zusammentreffen ist es, daß drei einer angesehenen Nürnberger Familie entsprossene Brüder, von denen einer auswärts und zwei in Nürnberg in hervorragender Stellung sich befinden, in diesem Jahre von ihren Gemahlinnen durch die Geburt von gesunden kräftigen Zwillingen erfreut wurden. Da ist es eine Lust, Großvater zu sein.
Unsinnige Wette. Man schreibt ans Bayreuth: In einer Bicrwirtschaft zu Berncck kneipte dieser Tage der 25 Jahre alte Färbergeselle Friedrich Lö- winger von Himmelkron. Nachdem er etwa 9 Glas Bier getrunken hatte, schlug er den Anwesenden eine Wette vor, gegen 20 vlL noch 3 Maß Schnaps zu trinken. Da Niemand darauf einging, so unternahm er das „Bravourstück" auf eigene Kosten, trotz entschiedener Abmahnung der Gäste und des Wirts und brachte wirklich eine Mas Schnaps hinunter. Kurz darauf entfernte er sich aus der Wirtschaft, stürzte aber auf der Straße zusammen und wurde bewußtlos nach dem Bczirkskrankenhanse gebracht. Dort starb er am folgenden Tage. Die Menschheit scheint nicht viel an ihm zu verlieren.
Aus dem Rheingau wird berichtet, daß in den nicht geschützt gelegenen Gärten ein beträchtlicher Teil der Blüten der Aprikosen- und Pfirsichbäume erfroren ist.
Berlin, 24. März, lieber die bereits gemeldete Aenßernng des Kaisers bei dem vorgestrigen Empfange des Reichstagspräsidiums berichtet die
„Kreuzzeitg.": Der Kaiser sprach die feste Hoffnung ans, daß der Vorschlag der verbündeten Regierungen aus Verlängerung des Sozialistengesetzes angenommen werden würde. Ec kenne die betreffenden Zustände wohl und habe mit eigenem Blute dafür stehen müssen. Die Ablehnung der Verlängerung könne er nur als eine gegen seine Person gerichtetes Ergebnis ansehen.
Von Mitgliedern der „freisinnigen Partei" im Reichstage (Sezessionisten) wird der N. Fr. Presse in Wien berichtet: „Die Rede, welche Fürst Bismarck am Sonnabend (15. März) im deutschen Reichstage gehalten hat, wird alle Verehrer des großen Staatsmannes über seine Gesundheit beruhigen. Wer so lange, so klar und eindringlich zu sprechen vermag, der kann wohl körperlichen Schmerzen unterworfen sein, wie sie das Alter auch dem Kräftigsten bringt, aber er befindet sich noch im Vollbesitze seiner geistigen und physischen Mittel. Der Reichskanzler hat gesprochen, als wenn er um fünfzehn Jahre jünger wäre; er ist noch immer der Alte, noch immer die gewaltige Persönlichkeit, deren weltgeschichtliche Bedeutung auch dem politischen Gegner Verwunderung abnötigt. Die Rede gehört sogar zu den merkwür» digsten, die wir von Bismarck kennen, denn sie enthält in schärferer Form, als er sie jemals ausgestellt, die Grundzüge seines politischen Programmes und greift weit über den Gegenstand hinaus, dem sie gewidmet war. Der Reichskanzler hatte das Wort ergriffen, um dem Reichstage das llnfallversicherungs- gesetz zu empfehlen. Er that dies mit einer Mäßigung, welche gerade in letzter Zeit oft an ihm vermißt ward, und auch mit unverkennbarer Bescheidenheit, insofern er eingestand, daß jeder Versuch, die soziale Frage auf dem Wege der Gesetzgebung zu lösen, der Erforschung einer Torrs, inovAnits, gleiche. Er verteidigte den Staatssozialismus mit dem Satze, der Staat habe nicht das Recht, die Erfüllung einer sittlichen Pflicht dem Zufalle oder Privaten zu überlassen, und mit der Behauptung, daß jedes Armenpflege-Gesetz bereits Sozialismus sei. Einen polemischen Zug erhielt die Rede des Reichskanzlers erst, als er sich gegen Bamberger wendete und dessen Vorwurf zurückwies, daß er sozialistischen Schrullen huldige. Aber selbst da bediente sich Fürst Bismarck so milder und gemessener Ausdrücke, als wollte er die Heftigkeit vergessen machen, mit welcher er achtundvierzig Stunden vorher die Fortschrittspartei und den Gesandten der Vereinigten Staaten abgekanzelt hatte.
Berlin, 26. März. In die Kommission für das Sozialistengesetz ist Stalin gewählt.
Aus dem Reichstage. In seiner Rede zu Gunsten der Unfallversicherung sagt Fürst Bismarck: Die Hanptbe- schwerde des Arbeiters ist die Unsicherheit seiner Existenz: er ist nicht sicher, daß er immer gesund ist und er sicht voraus, daß er einmal alt und arbeitsunfähig sein wird. Verfällt er aber der Armut auch nur durch eine längere Krankheit, so ist er nach seiner eigenen Kraft vollständig hülfloS und die Gesellschaft erkennt ihm gegenüber bisher eine eigentliche Verpflichtung außer der ordinären Armenpflege nicht an, auch wenn er noch so iren und fleißig vorher gearbeitet hat. Die Armenpflege läßt aber viel zu wünschen übrig, namentlich in den großen Städten, wo sie viel schlechter als auf dem Lande ist. Wenn wir in den Berliner Zeitungen lesen von Selbstmord aus Nahrungssorgcn, von Leuten, die Hungers gestorben sind und sich anfgehängt haben, weil sie nichts zu essen gehabt haben, von Leuten, die in den Zeitungen ankündigten, sie wären obdachlos hinausgcwvrjen und hätten kein Unterkommen, so sind das lanter Dinge, die wir auf dem Lande nicht verstehen. Da würde sofort der Landrat und die Polizei erscheinen nnd den Hinansgeworscnen wieder einschcn und dem Hungernden durch Exekution zu Speise und Trank verhelfen. Der Arbeiter ist wegen dieser Unsicherheit feindselig und mißtrauisch