148

thun kann, um mit Hilfe des preußischen Landtags die Interessen des preu­ßischen Volkes zu wahren. (Lebhaftes Bravo. Zischen links.) v. Fischer (Ulm): Seine süddeutschen Freunde seien im Prinzip für das Mo­nopol, acceptieren aber auch eine andere Branntweinbesteuerungsreform, weil sie das Bedürfnis der Vermehrung der Einnahmen anerkennen. Sie werden aber auch das Monopol zukünftig acceptieren, wenn die Interessen der süddeutschen Brenner ebenso gewahrt werden, wie in der gegenwärtigen Vorlage. Richter: Er habe dem Reichskanzler nicht persönliche Inter­essen untergeschoben; er hätte erwartet, daß es der Reichskanzler unter seiner Würde halte, sich auf solche wahrheitswidrige Behauptungen Anderer zu stützen. Die Klage des Kanzlers über die schnelle Ablehnung der Vorlage sei unberechtigt; warum habe er nicht vorher Fühlung mit der Volksvertretung gesucht, warum ignoriere er die öffentliche Meinung? Zu einer Reform der Branntweinsteuer seien die Freisinnigen bereit, wenn der Ertrag nach ihren Intentionen verwendet würde. Die jetzt plötzlich angekündigte neue Brannt­weinsteuer müsse aber Jeder, der den Kanzler kenne, nur für eine Brücke zum Monopol halten. Die Andeutungen des Kanzlers seien unklar, fast ver­mute er, daß statt eines Monopols zwei, ein Händler- und ein Brenner­monopol kommen werden. Der Kanzler sagt, er könne nicht bis 1887 warten, er sei alt, wir aber haben zum Reiche und zum Träger der Krone das Ver­trauen, daß es auch im Jahre 1887 dauern und gedeihen wird, ganz gleich; wer da noch lebt. Die Ableugnung eines Staatsstreiches sei ja schön, aber noch schöner wäre es gewesen, wenn der Reichskanzler nicht gleichzeitig gesagt hätte, die Fürsten könnten ihre Rechte zurückfordern; auch das wäre ein Staatsstreich. Ein Fürst, der das versuche, sei ein Revolutionär und ver­wirke sein Recht, das in der Verfassung wurzle. Zum Ansehen des Reichs gehöre der Reichstag und deshalb sei es bedauerlich, wie der Reichskanzler den Reichstag schildere und behandle. Möglich, daß dem Reiche äußere Ver­wickelungen bevorstehen, dann aber sei es doppelt notwendig, daß man in Friedenszeiten die Finanzkraft desselben nicht zerstöre. (Beifall links, in den der Reichskanzler ironisch einstimmt.) Fürst Bismarck: Ich beneide den Redner um seine Beredtsamkeit, etwas Neues hat er aber nicht gesagt. Wenn seine Rede das deutsche Volk von dem Nachdenken über die Zukunft, zu dem ich es anregen wollte, abhält, so kann ich es nicht hindern. Er meint, die Fürsten könnten ihre Rechte nur durch Verfassungsbruch und Re­volution zurücknehmen, das ist übertrieben. Was ist denn 1866, als der deutsche Bund aufgehoben wurde, Anderes geschehen? Man behauptet, ich ginge nach Kanossa; gibt es ein schlimmeres Kanossa, als dasjenige, wie ich hier seit 14 Jahren st ehe und bettle, während Sie mir Steine statt Brot geben?

Belgien und Niederlande.

Noch kann man nicht klar übersehen, wie weit die gewaltige Strikebewegung in Belgien geht und von wo aus sie geleitet wird. Für die nächsten Tage sind große Anarchistenversammlungen in ver­schiedenen Orten ausgeschrieben, bei denen es wahrscheinlich wiederum blutige Köpfe setzen wird. Die belgische Regierung glaubt, daß die Unruhen von Frankreich aus insceniert worden sind, Thalsache ist, daß der bekannte fran­zösische Kommunist Basly sich in Charleroi an der Grenze aufhält.

England.

London, 27. März. Die hiesige Times bespricht die gestrige Rede des Fürsten Bismarck im Reichstag und urteilt sehr hart über die Haltung des Reichstags. Sie sagt, Fürst Bismarck habe sich das Recht er­worben, daß man ihm und seinen Absichten in Bezug auf die Interessen des Reiches Vertrauen schenken müsse, während man dasselbe vom Reichstag nicht sagen könne. Dieser habe seine Fähigkeit für die Handhabung großer An­gelegenheiten erst noch zu beweisen. Die vom Kanzler über den Reichstag geübte Kritik sei nur zu wohl begründet. Leider hat das englische Blatt recht!

Amerika.

Schlimme Nachrichten aus Amerika. Zunächst ist der Schatz­sekretär Manning, wahrscheinlich an einem Schlagfluß, schwer erkrankt. Dann wachsen die Strikes wie Pilze aus der Erde. 7000 Arbeiter in den

Was?"

Noch einmal verhängnisvoll werden wird."

Mir?" Mitleidsvolle Geringschätzung lag in dem Ton dieser Frage.

Ich fürchte es."

Und ich danke Ihnen für Ihre Besorgnis, die ganz überflüssig ist und mich nicht bestimmen kann, anders über die zur Sprache stehende Sache zu denken. Ich will in Ihrem Interesse hoffen, daß Sie Herrn Duprat keine Veranlassung weiter zur Klage geben werden; ich würde mich sonst genötigt sehen, Sie sofort zu entlassen."

Leuchtmann fand auf diese niederschmetternden Worte keine Entgegnung mehr ; ein stummes Kopfnicken Etwolds bezeichnet« ihm, daß er keine Fort­setzung der Unterhaltung wünsche. Der alte Mann wankte hinaus.

Im gleichen Augenblick trat der Bureaudiener Jonas von der nur an­gelehnt gewesenen Thür zurück. Das stete sauer-süße Lächeln, welches für seine Züge charakteristisch war, hatte jetzt den Ausdruck übermütigen Spottes.

Leuchtmann bemerkte es und warf ihm einen wütenden Blick zu.

Auch so Einer", knirschte er,der sich durch Lüge und Verrat empor- geschwindelt hat. Und dazu schweigen müssen! Aber wartet nur, Gesindel! Auch an Euch koinmt die Reihe, und dann werden Andere jubilieren."

Als Leuchtmann an seinen Platz zurückkehrte, waren vie Augen des ganzen Bureaupersonals auf ihn gerichtet; man zweifelte nicht, daß Herr Duprat dem alten Herrn wieder etwas eingedrückt habe. Eine diesbezügliche Frage eines Ueberneugierigen blieb unbeantwortet. Aber man kannte den Herrn Prokuristen schon genügend, um zu wissen, daß alles Böse von ihm kam.

Schade um ihn" , murmelte Etwold indessen gedankenvoll.Aber Gedankenschwäche nein, so etwas kann ich unmöglich dulden."

Diese Worte bezogen sich natürlich auf den Gemaßregelten. Für das,

Mäntelfabriken haben in New-Aork die Arbeit eingestellt und die Weichen­steller der Nashville-Louisviller Bahn striken gleichfalls. Auf der Missouri- Bahn kam es gar zu einem Kampf zwischen den sinkenden Arbeitern und der Polizei. Nur durch Aufbietung der Miliz gelang es, einen Güterzug abzu­lassen. Endlich sind in New-Dork böse Dinge an's Tageslicht gekommen. Die Konzession zu einer Pferdebahnlinie, der Broadway-Surface-Bahn, hat nur erlangt werden können durch Bestechungen verschiedener städtischer Beamter. Dies ist in Amerika zwar nichts Außergewöhnliches, aber das Publikum scheint sich diesmal darüber zu ärgern.

Hages-WeuigkeiLen.

Stuttgart, 27. März. Das große R ei t e rf e st s p i e l, welches zu Ehren des Neuvermählten Paares, des Prinzen Wilhelm und der Prin­zessin Charlotte, wahrscheinlich am 28. April, jedenfalls aber in der Woche nach Ostern im K. Reithause stattfinden wird, nimmt gegenwärtig alle dabei beteiligten Personen durch strenge Proben in Anspruch. Das Projekt wird zunächst, da es sich um Ueberraschung dabei handelt, nicht veröffentlicht; doch sind wir in der Lage, einige Hauptpieyen daraus anzugeben, welche einen Begriff von dem Glanz und der Pracht geben, mit der das Festspiel in Scene gehen wird. Dasselbe eröffnet ein großer Festzug von 215 Mitwirken­den zu Pferde und zu Fuß in den Kostümen und Rüstungen aus der Zeit des Herzogs Ulrich von Württemberg, der, gefolgt von Georg v. Sturmfeder, Marie von Lichtenstein rc., selbst im Zuge erscheint. Herolde, Bürger, Reiter, gewappnete Knechte eröffnen und schließen den Zug. Es werden alsdann neun Quadrillen ausgeführt, wobei 118 Pferde nötig sind. Hervorragendes Interesse wird die große Fahrschule in Anspruch nehmen, bestehend aus vier vierspännigen alten Geschützen aus jener Zeit. Ferner findet ein Turnier statt, wobei sämtliche Mitwirkende vollständig geharnischt erscheinen. Die große Jagd, die ferner veranschaulicht wird, dürfte einen ungemein malerischen Effekt machen; den Schluß derselben bildet ein festlicher Jagdzug, indem auch die so wirksamen Figuren aus dem Kostümfest wieder erscheinen. Durch einen amphitheatralischen Einbau im K. Reithause, ähnlich wie bei dem Ju- biläumssestspiel der Ulanen, wird die Zahl der Sitzplätze auf 1516000 gebracht werden; dadurch werden wohl alle Anmeldungen auf die Zuschauer­plätze befriedigt werden können. Es sind zunächst Anteilscheine L 20 zu zeichnen, die später in Eintrittsbillete umgetauscht werden. Anmeldungen nimmt Banquier Vellnagel (Firma Stahl u. Federer) entgegen.

W. Staats-Anz.

Aus dem Oberamt Mergentheim, 25. März. Neuer­dings spuckt auch hier in mehreren Köpfen eine Millionenerbschaft. Es soll nämlich im vergangenen Herbst in Amerika ein gewisser Kiliau verstorben sein mit einer Verlassenschaft von 8 Millionen Dollars ohne direkte Erben. Der verstorbene soll aus Nassau, diesseitigen Oberamts, gebürtig und vor ca. 40 Jahren nach Amerika ausgewandert sein, und es glauben in Nassau, Schäftersheim und Adolzhausen, einige Personen auf die Erbschaft berechtigten Anspruch zu haben. Wie man uns mitteilt, soll bereits von hier aus an die zuständigen Behörden in Amerika ein diesbezüglicher Stammbaum abgegangen sein.

Maulbronn, 24. März. In Hohenklingen hat dem Bfr. zufolge ein Weingärtner beim Aushauen seines mehr als 100jährigen Wein­bergs im Höllenstein ein merkwürdiges Gewächs zu Tage gefördert. Der Wurzelstock eines Weinstocks (Elbling) hat sich nämlich unterhalb des Schenkel­kopfes zu einem schneckenlinig verwachsenen Knopf verdickt, der einen Umfang von 60, einen Durchmesser von 19, eine Länge von 25 om und ein Gewicht von 5'/2 hat.

Ueberrascht werden Sie sein, wenn nach nutzlosem Gebrauch aller möglichen Mittelchen Sie sich endlich entschlossen haben, W. Voh'sche Katarrhpillen gegen Ihren hart­näckigen Schnupfen, Husten oder Katarrh anzuwenden und oft schon einige Stunden nach deren Gebrauch sich von Ihrem Uebel befreit finden. Voß'sche Katarrhpillen sind erhältlich in den Apotheken. Jede ächte Schachtel trägt den Namenszug vr. meä. Wittlinger'S.

was jener gegen seinen Prokuristen vorgebracht, hatte der Kommerzienrat jetzt, wo er das überdachte, nur ein mitleidiges Lächeln.

Jonas suchte sein am äußersten Ende der Bureaux gelegenes Privat­zimmer auf, wo er in Ermangelung einer anderen Beschäftigung an den Scheiben trommelte, wobei er, wie er zu sagen pflegte, seine Gedanken Revue passieren ließ.

Plötzlich wurde diese Gedankenparade unterbrochen. Herr Duprat war an der kleinen Seitenpforle vorgefahren.

Mit einer Behendigkeit, wie er sie selbst auf ein Klingelzeichen des Chefs nicht entwickelte, und ganz rücksichtslos gegen jede andere dienstliche Anforderung, welche an ihn herantreten könnte, eilte Jonas aus dem Bureau und die Treppe hinab, dem allmächtigen Prokuristen entgegen.

Einen anderen Diener, der eben mit derselben Absicht aus dem Hause trat, schob er bei Seite, um der Erste zu sein, der Herrn Duprat seiner- gebenes Willkommen" zuflüsterte.

Mit vielen Bücklingen nahm er dann dem Ankommenden seine wenigen Reiseeffekten ab, die er auch, während sie die Treppen Hinaufstiegen, fest in

Händen hielt. . ^ _

Dienstbereit, wie immer", sagte Duprat mit selbstzufriedenem Lächeln; man sah es dem elegant gekleideten jungen Mann an, daß er sich gerne in dieser sklavischen Weise bedienen ließ.

Seine Verdienste um das Haus Etwold waren Manchen so zweifelhaft, wie seine Herkunft, die Niemand kannte. Und trotzdem stand er heute in einem Alter, wo Andere noch nach untergeordneten Stellungen zu ringen pflegen, auf einem Platz, der wohl geeignet war, ihm Neider und Feinde zu erwecken; und der letztere Umstand war es wohl auch, der Etwold veranlatzte, auf Verdächtigungen Duprats kein Gewicht zu legen. (Forts, s.)