61 . Jahrgang.
Mo. 37.
Amt»- unä Iiüelligeazbkatt für äen Aezieü.
Erscheint Otenatag, Ao««ersL»g L Samstag.
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Die«8t«g» öea 30. März 1886.
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öie Weöaktiorr.
^ot'itifcHe WscHvicHtsn.
Deutsch e-s Reich.
Berlin, 27. März. Irr der Heutigen Sitzung fies Reichstags, wv die zweite Beratung des B r-aunt-w einmon sp-o-ls auf der Tagesordnung stand, erschien der Reichskanzler Fürst B is-nrs r ck am Bundes- ^ ratstische, und -ergriff alsbald nach Eintritt in die Beratung das Wort. Sobald der Reichskanzler sich erhob , zeigte der Reichstag das bekannte Bild : aus den FoyeM eilten die Abgeordneten auf ihre Plätze., Eugen Richter - setzte sich auf -die Rednertribüne, verschiedene Abgeordnete faßten unnMMar! -vor dem KanSor Posta. Fürst B i s m a r ck führte aus: „Obgleich ich Leine Hoffnung mehr habe , daß das Monopol angenommen «erde, halte ich es doch für meine Pflicht, die Gründe darzutegen, welche die Regierung zur -Einbringung der Vorlage bestnmntm. Die Entscheidung gegen die Vorlage ist ja in den Fraktionen erfolgt, ehe man noch die Vorlage kannte. So hat man in wenige« Wochen die Vorlage zu Fall gebracht, an der die Regierung G Monate gearbeitet -hat. Der Reichstag hat eine Prüfung des Bedürfnisses absolut abgelehcit. Hch hoffe, daß das deutsche Volk dasselbe Urteil über das Verfahre« sich bildet, wie ich, das ich aber aus parlamentarischen Rücksichten nicht aussprechen will. Es ist eine falsche Auffassung, daß die Regierung allein die Pflicht haben -soll, -über die Wohlfahrt des Vaterlandes Nachzudenken. Die Minister haben doch eksin Interesse xro^omo, obwohl der Älbg. Richter mir nachgesagt Hat, ich handle als Brennereiinteressent. Ich halte es unter meiner Würde, ihm im -gleichen Tone zu antworten; es ist für -Las Ansehen des Meiches gleichgiltig, -was man über Richter denkt, nicht aber, was man über den ersten Beamten -des Reiches denkt/' Dann kommt der Reichskanzler auf seine früheren Ausführungen zurück, um die dringenden . Bedürfnisse im Reich, im Staat und in den Gemeinden nachzuweisen, neue Einnahmen seien absolut notwendig. Erkenne man erst das Bedürfnis an, so biete sich auch nach der Meinung der.Fortschrittspartei der Branntwein als erstes Steuerobjekt, von dessen Benutzung die Angst vor den Schankwirten
Jeuitteto«. ur°chdruck «rd«t-n4
Me FalschrurmM.
Krimäral-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
Er mußte sich gedulden, so schwer es ihm -auch ward, und fein Geheimnis in sich verschließen.
„Wenn nur Duprat erst wieder zurück wäre", murmelte er, als er wenige Stunden später in seinem Privatcomptoir einige eingelaufene Briefe durchsah.
Er drückte ungeduldig auf eine Tischglocke. Jonas erschien.
„Herr Kommerzienrat befehlen?"
„Leuchtmann soll kommen."
Der Diener ging, und gleich darauf erschien der Gerufene.
Es war dies ein kleiner alter Herr mit kahlem Schädel und einer ausgeprägten Gestchtsphyfiognomie.
„Leuchtmann", sagte der Chef, „ich gab Ihnen vorgestern einen Auftrag, haben Sie denselben erfüllt?"
„Sie meinen das Schreiben an den Herrn Duprat?"
„Was sonst könnte ich meinen."
„Ich habe es selbst expediert."
„Und warum antwortet Herr Duprat nicht? Warum kommt er nicht?"
Leuchtmann zuckte die Achseln.
„Es wird wohl seine Nichtigkeit damit haben, was Duprat sagt", sprach Ctwold ärgerlich. „Freilich Ihr Alter reizt zur Vergeßlichkeit."
doch nicht abhalten dürfe. Solle man nun den Branntwein treffen im Sta
dium der Produktion oder in dem der Konsumtion? Denke man sich die Produktionssteuer verdreifacht, so ergebe sich nur eine Mehreinnahme von -t00 Millionen; das sei zu wenig, wenn man die Grund-, die Gebäude- und die Mietssteuer abschaffen wolle. Außerdem könne das Brennereigewerbe eine solche Steuer nicht tragen. Dagegen werde beim Branntweinausschank exorbitant verdient, der Schänker habe einen Vorteil von 1000 bis 2000 Prozent. ,Mer muß die Steuer einfltzen, und wenn das Monopol abgelehnt wird, werden wir Ihnen eine Konsumsteuervorlage, vielleicht auch -mehrere Vorlagen machen, damit Sie die Auswahl haben. — Bis -Mm Januar 1887 können wir Sie nicht in Ruhe lassen, ich bin alt -und habe Eile, an der Befestigung des Reiches zu ar« .beit e n. Durch ein parlamentarisches Regiment und verantwortliche Reichs« Ministerien werden Sie das Reich nicht festigen. Es werden Zeiten kommen, wo Sie sich nach einer festen Hand werden umsehen. Auf den Reichstag habe ich früher als Stütze der Einheit vertraut; aber die heutige parlamentarische Mehrheit hat Elemente ausgenommen, die das Reich hassen u-n d dessen Be st and anfeinden. Ich fürchte für die Zukunft des Reiches, wenn diese Majorität noch weiter so wirtschaftet. Es ist alte englische Tradition, daß man sämtliche Parteien und Abgeordnete für gleich vaterlandsliebend hält. Wir wollen abwarten, ob das auch in England so bleiben wird; in Frankreich und Italien ist cs nicht so. Ich sag:', daß ein« Majorität, die sich auf Vaterlandsfeinde stützt, mir keine Stütze für die Zukuuft bietet. Ich kann mich der Befürchtung nicht erwehren, daß; die deutschen Fürsten die Opfer bereuen könnten, die sie bei der: Grrrndung des Reichs gebracht und daß aus Liebe zu ihren Unterthanen sie das Bedürfnis empfinden könnten, das Geopferte wieder zu gewinnen, natürlich cuf gesetzlichem Wege. — Glauben Sie nicht, daß ich mit einem Staatsstreich drohe und zerstören will, was ich selbst geschaffen habe; ich halte es für meine Pflicht, auf Grund meiner langjährigen Erfahrung zu warnen. Wenn der Reichstag die Mouopolvorlage und auch die in Aussicht gestellten Vorlagen ablehnen würde, so wird der König von Preußen sehen, was er
^Vergeßlichkeit?" staunte Leuchtmann. „Hat mir Duprat Vergeßlich, ksrt vorgeworfen?" Ein tiefer Unwille prägte sich in den Zügen des alten Mannes aus.
„Hm", brummte der Chef; „und eine Eigenschaft, welche der Tod jeder ' regulären Geschäftsverbindung ist. Sie haben jedenfalls den Brief zu schreiben vergessen. Ich beauftragte Sie damit, weil derselbe vertrauliche Mitteilungen enthielt uud weil Sie der Aelteste meines Geschäftspersonals sind. Nun poche« Sie auf den Umstand, daß der Brief nicht kopiert wurde, und behaupten -reist, daß Sie denselben geschrieben, während Sie es doch sicher ver, gessen haben."
„Herr Kommerzienrat", erwiderte der alte Mann erregt, „Sie erheben da eine Anklage wider mich, die ich nicht unerwidert lassen kann. Meine langjährige GHchäftsthätigkeit, auf welche ich mit Genugthuung zurückblicke, hat mir, «enn auch keine Ehren, so doch stets die volle Zufriedenheit meiner Vorgesetzten eingebracht. Ehrgeizig war ich nie und allen Lügen feind, sonst könnte ich heute vielleicht auch eine andere Stellung bekleiden."
„Wollen Sie mir vielleicht damit anzudeuten wagen, daß Herr Duprat seine bevorzugte Stellung verwerflichen Mitteln verdankt?" fuhr Etwold auf.
„Ich kann mich nicht enthalten zu sagen", entgegnete Leuchtmann, „daß Herr Duprat lügt, wenn er mich der Vergeßlichkeit beschuldigt. Er kann mir keinen Beweis hiefür erbringen, und wenn er kommt, wird er mir den Empfang des von mir geschriebenen Briefes selbst bestätigen müssen."
„Sie führen eine kühne Sprache, sagte Etwold grollend. „Was für einen Grund hätte Herr Duprat, Ihnen Feind zu sein?"
„Er haßt und feindet alles an, was sich nicht sklavisch vor ihm beugt, und wenn Sie meine ganz aufrichtige Meinung haben wollen, Herr Kommerzienrat, so fürchte ich, daß sein maßloser Ehrgeiz Ihnen —"