138
Calw.
Bekanntmachung, ketr. das Impfwesen.
Mit Genehmigung der K. Kreisregierung vom 16. d. M. Z. 2082 ist der Oberamtsbezirk Calw von 1886 ab in folgende 3 Jmpfbezirke geteilt worden:
I. Bezirk mit den Gemeinden: Calw, Agenbach, Aichhalden, Altbulach, Altburg, Althengstett, Bergorte, Breitenberg, Dachtel, Deckenpfronn, Emberg, Ernstmühl, Gechingen, Hirsau, Holzbronn, Hornberg, Liebelsberg, Martinsmoos, Monakam, MöUlingen, Neubulach, Neuhengstett, Neuweiler, Oberhaugstett, Oberkollbach, Oberkollwangen, Oberreichenbach, Ostelsheim, Ottenbronn, Röthenbach, Schmieh, Simmozheim, Sommenhardt, Speßhardt, Stammheim, Nnterhaugstett, Würzbach, Zwerenberg. — Jmpfarzt Oberamtsarzt Dr. Müller in Calw allein, bezw. mit den Wundärzten Krayl, Berger I, Blank, Lörcher, Münsinger, Raster, Riethmüller, Sattler und Schrägle.
II. Bezirk mit den Gemeinden: Dennjächt, Liebenzcll und Unterreichenbach. — Jmpfarzt Dr. Kommerell in Liebenzell allein, bezw. mit Wundarzt Berger II.
III. Bezirk mit den Gemeinden: Teinach und Zavelstein. —Jmpfarzt Dr. Zahn in Calw mit Wundarzt Schrägle.
Dieß wird der bestehenden Vorschrift gemäß zur Kenntniß der Bezirksangehörigen gebracht.
Den 23. März 1886. K. Oberamt und Oberamtsphysikat.
Flaxland. Dr. Mütler.
Calw.
Bekanntmachung.
Unter den Schafen des Michael Stahl in Oberkollbach ist die Schafräude ausgebrochen.
Den 23. März 1886. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
H^otitifche Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 22. März. Zur Geburtstagsfeier des Kaisers prangt die Stadt in reichem Flaggenschmuck. Bereits seit den frühen Morgenstunden bewegt sich eine dichte Menschenmenge unter den Linden und vor dem Kaiserpalais. Der Kaiser ist in den oberen Räumen des Palais und wird mit unbeschreiblichem Enthusiasmus begrüßt, so oft er am Fenster erscheint. Das Standbild Friedrichs des Großen prangt in herrlichem Blumenschmuck. Die Beglückwünschungen erfolgten in der vorgeschriebenen Reihenfolge. Ungemeinen Jubel erregte die Ankunft der drei Urenkel des Kaisers, deren ältester zusammen mit dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm ins Palais einfuhr. In der Garnisonskirche sind Deputationen sämtlicher Regimenter in Paradeuniform erschienen. Die Festpredigt hielt Divisionsprediger Göbler. — Die Präsidien des Reichstags und der beiden Häuser des Landtags sind offiziell benachrichtigt worden, daß der Kaiser ihre Glückwünsche bei den abends stattfindenden Soireen^entgegennehmen wolle.
— An dem Festmahl der städtischen Behörden, welches in den prachtvoll geschmückten Festräumen des Rathauses stattfand, nahmen 200 Personen teil. Wie immer wurden an diesem Feste nur zwei Toaste ausgebracht, der erste vom Oberbürgermeister Dr. v. Forckenbeck auf den Kaiser, der zweite vom Stadtverordnelenvorsteher auf die Kaiserin.
— Am Samstag Abend fand im königl. Schauspielhause die Aufführung der „lebenden Bilder aus dem Leben der hl. Elisabeth" statt. Der Ausführung wohnte der Kaiser an. Es war zum Erstenmal seit drei Wochen, daß der Kaiser sich wieder öffentlich sehen ließ. Neben ihm saß
seine 83jährige Schwester, die Großherzogin-Großmutter von Mecklenburg, die an Frische des Geistes und Körpers mit ihm wetteifert, und andere Mitglieder der kaiserlichen Familie. Die Bilder wurden bekanntlich von der Hofgesellschaft zum Besten der katholischen Grauen Schwestern aufgeführt.
Berlin, 23. März. Der Kaiser hat den gestrigen festlichen Tag im trefflichsten Wohlsein begangen. Seine Wohnräume hatten sich schon am frühen Morgen in einen wahren Blumengarten umgewandelt. Als der Kaiser sich am Fenster zeigte und gleichzeitig auf seinen Wunsch die drei Urenkel sichtbar wurden, brach im Publikum endloser Jubel aus.
Oesterreich-Ungarn.
Nachod, 20. März. Am 4. März begaben Sich die Prinzlichen Herrschaften, Se. Durchlaucht der Prinz, Ihre Hoheit die Frau Prinzessin und Ihre Durchlaucht die Prinzessin Charlotte über Prag nach Frankfurt am Main, woselbst sich Höchstdieselben mit Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Katharina von Württemberg, sowie dem Prinzen Wilhelm Selbst ein Rendez-vous gaben. Ihre Durchlaucht die Prinzessin Charlotte hatte daselbst die Freude, der Mutter Ihres hohen Bräutigams vorgestellt zu werden. Prinz Wilhelm hatte die Prinzessin Pauline mitgebracht, welche die ihr entgegengebrachte Zuneigung herzlich erwiderte und sich an ihre künftige Mama sofort anschloß. Von Frankfurt begab Sich Prinzessin Charlotte, begleitet von der Hofdame Ihrer Frau Großtante der Landgräfin von Hessen, Gräfin Bünau, nach Karlsruhe, um dort Ihre treueste Freundin und Cousine die Ecbgroßherzogin Hilda geborene Prinzessin von Nassau zu besuchen. Letztere befand Sich in großer Sorge wegen der schweren Erkrankung Ihres Gemahls, der sich aber jetzt mit Gottes Hilfe auf dem Wege der Besserung befinden soll. Nach fünftägigem Aufenthalte daselbst fuhr die Prinzessin Charlotte mit der Hofdame Ihrer Mutter, Freiin Bacelli, welche nach Karlsruhe nachgereist war, zu Ihrer Großmutter, der Frau Prinzessin Friedrich von Anhalt, nach Dessau, wo Höchstdieselbe noch mit Ihrer Frau Mutter verweilt. In Kurzem werden beide höhe Damen auf kurze Zeit nach Nachod zurückkehren. Hier starrt alles in tiefstem Schnee und Eis. Selten war hier wohl ein Winter so streng und rauh wie der heurige. Das baldige Scheiden der hohen Prinzessin aus der engeren Heimat erfüllt ihre sämtlichen Getreuen Hierselbst mit Wehmut, und man tröstet sich nur mit dem Gedanken, daß der liebe Gott Ihr das schöne Württemberg an der Seite Ihres geliebten hohen Gemahls zu einer zweiten Heimat machen mögel
Gcrges-Weuigkeiten.
Calw, 23. März. Das zur Feier des 89sten G.eburtsfestes Sr. Majestät des deutschen Kaisers im Gasthof z. „Kanne" arrangierte Bankett erfreute sich wieder einer großen Teilnahme. Herr Oberamtsrichter Frommann brachte in schön gesetzten, edel gedachten Worten den Toast auf unfern Kaiser aus, er schloß mit dem Wunsche, es möchte dem edlen Fürsten trotz des hohen Alters doch noch gestattet sein, den innern Ausbau des Reichs und die Vermittelung der Parteien im Reiche erleben zu dürfen. Herr Kommerzienrat Staelin ergriff hierauf das Wort und toastete in herzlichen Worten auf den deutschen Kronprinzen, Herr Betriebsinspektor Huzenlaub auf den Reichskanzler, Fürsten Bismarck. Mit einem bescheidenen Blick über unsere Grenzen nach Osten wünscht Herr Oberamtsarzt I)r. Müller in der Regierungsfolge auch unserem Kronprinzen seine Siege und schloß seinen Rückblick auf die deutschen Waffenerfolge, in zündenden und mit großer Begeisterung aufgenommenen Worten mit einem Hoch auf die deutsche Armee und ihre Führer. Hierauf trug Hr. E. Hepp, 8tuci. r«A. ein von ihm selbst verfaßtes, den Kaiser ehrendes Gedicht vor, das nach Form und Inhalt die verdiente Anerkennung fand. Weit zurückgreifend in jene Zeit, in der die deutschen Lande zerrissen, ein Spielball der europäischen Politik waren, erinnernd an die Jahre des Suchens und Ringens um die deutsche Einheit, führte nun Herr Kollaborator Bäuch le warm empfunden den Anwesenden vor Augen in welch glänzender, herrlicher Weise das Sehnen und Streben der Besten unseres Volkes seine Erfüllung gefunden
ins Wort. „Ueber meine Stimmungen werde ich doch wohl noch Herr sein dürfen; wenn auch —"
„Was?"
Nichts."
„Und ich habe Ihnen auch nichts weiter zu sagen; adieu!"
Soltmann verließ demonstrativ den Stall und Etwold nagte wieder an der Unterlippe, das unverkennbare Zeichen seiner höchsten Mißstimmung.
„Ach Gott, das große Unglück", klagte da eine Stimme in seiner Nähe. Es war die des Bureaudieners Jonas, welcher so nahe stand, daß er die kurze aber schlagende Unterhaltung unbedingt gehört haben mußte. Wollte er dem Kommerzienrat dies bemerklich machen? Fast hatte es den Anschein. Etwold hielt es aber unter seiner Würde, hierauf etwas zu erwidern.
Die Pferde waren tot. Was sollte er noch hier? Er verließ den Stall, es seinen Leuten überlassend, für die Wegschaffung der Tiere zu sorgen.
Auf dem Hofe begegnete er den von der Verfolgung zurückkehrenden Leuten, welche noch ganz außer Atem waren.
Der Kommerzienrat hielt seinen Schritt an.
„Nun?" kam es bebend über seine Lippen.
Einer der Arbeiter entblößte sein Haupt und sagte: „Der Kerl hat seine Strafe schon gefunden, Herr Kommerzienrat —"
„Was — wie?" stammelte dieser schreckenbleich. „Ihr habt ihn — gefangen?"
„Nein, aber der Teufel, dem er sicher seine Seele verschrieben", tönte es zurück. „Das Boot trieb Kiel oben im Kanal, und obschon die Leiche noch nicht gefunden ist, so ist doch anzunehmen, daß Mathies freiwillig oder durch eigene Unvorsichtigkeit den Tod in den Wellen gefunden."
Etwold atmete auf. Leichteren Herzens als er es verlassen, schritt er wieder dem Hause zu.
4. Kapitel.
Neue Konflikte.
Die geheimnisvolle Ermordung des Unbekannten in der Schwedengasse gab den Zeitungen der Residenz Veranlassung, sich mit dieser Sache eingehender und länger zu beschäftigen, als es der Fall gewesen wäre, wenn es sich um einen bloßen Raubmord an einem entlegenen Ort gehandelt hätte.
Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß Mathies an dem Morde beteiligt gewesen; aber der war nach Verübung seiner letzten Schandthat spurlos verschwunden, und man brauchte sein zurückgelassenes Schuhzeug nur mit den im Schnee zurückgelassenen kleinen, schmalen Fußspuren zu vergleichen, um überzeugt zu sein, daß er der Mordstätte zur Zeit des Attentats nicht einmal nahe gekommen war.
Auch sonst niemand hatte der Mörderin bei ihrem schrecklichen Werke assistiert; allein und nur mit einem dolchartigen Messer bewaffnet, hatte sie jenes vollbracht. Dann war sie nach dem festlich belebten Hause des Kommerzienrats zurückgekehrt, und hier verlor sich jede Spur von ihr.
Wer konnte es den Zeitungen verdenken, daß sie ihr sensationsbedürftiges Publikum noch auf mehrere Tage mit dem „unaufgeklärten geheimnisvollen Mord in der Schwedengaffe" unterhielten, und wie natürlich war es, daß sie bei jeder Gelegenheit den Namen des Kommerzienrats Etwold in Verbindung mit dem Verbrechen nannten!
Hier war der immer regeren Reporterphantäsie der weiteste Spielraum gegeben und jeder wollte etwas mehr wissen und klüger kombinieren als sein Konkurrent im Wege der Berichterstattung.
Das verursachte aber dem hiervon schwer betroffenen Kommerzienrat böse Stunden und schlaflose Nächte. Er hätte das Gespenst des Ermordeten gerne von seiner Schwelle gebannt aber es wich und wankte nicht. Da war es und da blieb es; und wenn sich seine übermüdeten Augen einmal wirklich auf Augenblicke schlossen, trat es mit drohend erhobenem Arm zu ihm heran und scheuchte den Schlaf von seinen Liedern. (Forts, folgt.)