Sulzbach a. d. M., 9. Dez. Die Pockenkrankheit im benachbarten Spiegelberg hat nunmehr eine höchst besorgnißerregende Ausdehnung genommen; bis jetzt 5 Tobte, darunter 2 Erwachsene; die Schulen mußten geschlossen werden.
Konstanz, 7. Dez. Hier Hot am Montag Abend ein heftiger Sturm getobt, welcher einen Cirkus derart mitnahm, daß die Vorstellung beendigt werden mußte. Nach schlimmer erging es dem Gasthaus zum „Boden", welches von einem einstürzenden Giebel so wuchtig getroffen wurde, daß zwei Stockwerke vollständig durchschlagen wurden. Die vier Mädchen, welche im obersten Stockwerk schliefen, wurden in ihren Betten und mit der ganzen Kammereinrichtung in die unten liegende Küche geschleudert, deren Fußboden durch Schutt und Balken zertrümmert wurde. Drei der Mädchen blieben unversehrt, das vierte, eine 24jährige Schweizerin und Verwandte des Besitzers, welche dieser Tage Konstanz verlassen wollte, fand seinen Tod unter den Schuttmassen.
München, 10. Dez. Ein grauenhaftes Verbrechen hat die Vorstadt Giesing gestern Abend in große Aufregung gebracht. Ein junger Zimmermann hat seinen Stiefvater durch vier Revolvcrschüsse zu tödten versucht, weil dieser sich entschieden weigerte, den Taugenichts durch Geld fortwährend zu unterstützen.
Mit 3000 durchgegangen ist der Lehrling eines Tuchgeschäfts in der Töugesgasse in Frankfurt. Er kassirte auf der Reichsbank im Aufträge seines Prinzipals am Samstag die genannte Summe ein und verschwand damit.
Berlin, 7. Dez. Das Ereigniß deS Tages ist die Annäherung der preußischen Regierung an Rom, welche sich einerseits in der Begnadigung des Bischofs Dr. Blum von Limburg, andererseits in der Meldung ausspricht, daß der Kronprinz aus seiner Rückreise von Spanien den Papst in Rom besuchen werde. Man darf hierin wohl einen Gegenzug gegen den Antrag des Centrums auf Wiederherstellung der Artikel 15, 16 und 18 der Verfassung erblicken.
Berlin, 10. Dez' Die Meldung der „Nationalzeitung" von einer Drei-Kaiser-Zusammenkunft ist erfunden, (s. unten.)
Berlin, 10. Dez. Daß der deutsche Kronprinz bei seinem Besuche in Rom nach dem Könige Humbert auch den Papst besucht, wird heute von keiner Seite mehr geleugnet. Kultusminister v. Goßler (welcher am Samstag von Friedrichsruh zurückgekehrt ist) tritt heute Abend die Reise nach Genua an, um dort mit dem Kronprinzen zusammenzutreffen. Das beweist, daß der Besuch beim Papste nicht etwa, wie vermuthct wurde, der Vermittlung zwischen Quirinal und Vatikan, sondern der Regelung der Beziehungen Preußens zur Kurie gilt.
Die Anwesenheit des württembergischen Ministers v. Mittnacht in Berlin bezog sich, wie die „Allg. Ztg." erfährt, auf die Herbeiführung gleichartiger Normen für die süddeutschen Staatsbahnen mit dem preußischen Staatsbahnsystem.
Der 5. und 6. Dezember waren stürmische Tage im preußisch en La nd ta g. Es ging schon scharfe Luft durch das Haus, als Dr. Stern, der demokratische Abgeordnete von Frankfurt, den Antrag stellte, an Stelle der öffentlichen Wahlen die geheime Abstimmung für Landtags- und Communalwahlen ciuzuführeu. Geheime Wahlen, sagte er, sind allein freie Wahlen und der unverfälschte Ausdruck des Volkswillens. Minister Puttkamer schüttelte gewaltig das Haupt und sprach sich energisch gegen den Antrag aus, als er aber, den Antrag Stern übertrumpfend, die Erklärung abgab, die Regierung erwäge, ob die geheime Abstimmung nicht auch bei den Wahlen zum Reichstag zu beseitigen sei, izg wuchs der Sturm zum Orkan. Man fühlte und sprach es ans, daß Pult- kamcr eine so bedeutsame Erklärung nicht aus eigene Faust abgeben könne, sondern nur ans Anweisung Bismarcks und nach Bcrathnng im Staatsministerium. So ziemlich alle Parteien erklärten durch ihre Vertreter die geheime Abstimmung bei den Reichstagswahlen als eine Grundsäule des Reiches und erinnerten daran, daß Fürst Bismarck selber die allgemeine und geheime Abstimmung damals in seinem Programm ausgenommen und durchgesetzt habe, als es galt, den Bundestag zu stürzen und ganz Deutschland für seine großen Pläne zu gewinnen. Man fragte, was geschehen sei, um solche Umwälzung herbcizuführen. Der Antrag Stern wurde zwar mit 202 gegen 102 Stim
men abgelehnt, aber die Gedanken und Blicke waren nun einmal weit über das Abgeordnetenhaus und Preußen auf das deutsche Reich und die Zukunft gelenkt worden und die Redner sagten es voraus, daß die Bedrohung der geheimen Abstimmung bei den nächsten Reichstagswahlcn eine große Rolle spielen werde.
Geisenheim, 8. Dez. Gestern wurde durch Extrablätter bekannt, daß der Bischof von Limburg, der ein geborener Geijenhcimer ist, zurückbernfen worden sei. Seine einzige hier wohnende und sehr betagte Schwester hatte immer gewünscht, ihren Bruder vor ihrem Ende noch einmal zu sehen und zu sprechen. Allein wahrscheinlich war die freudige Mittheilung, daß ihr Wunsch in Erfüllung gehen solle, zu angreifend für die achtzigjährige Frau, denn sie war kurze Zeit nachher eine Leiche.
Elberfeld, 8. Dez. Aufsehen erregt das Verschwinden des Vorstehers der Spar- und Konsumgesellschaft und Rendanten des evangelisch-christlichen Unterstützungsvereins, W. B. Derselbe soll 18000 vkL veruntreut haben.
Wie verlautet, hat seit einigen Tagen durch Kriegsministerialbeschluß der Verkehr in den Canti- uen lämmtlicher Kasernen des deutschen Reiches dadurch eine Beschränkung erlitten, daß der Aufenthalt den Militärpersonen nur so lange gestattet ist, bis sie ihre Speisen und Getränke in Empfang genommen haben, welche von ihnen dann auf den Compagniestuben zu verzehren sind, das gesellige Niederlassen an Tischen und Bänken ist verboten, bezw. durch Beseitigung der letzteren unmöglich gemacht.
Ein Komet. Im Sternbilde des Schwans ist gegenwärtig ein Komet sichtbar, der zu den merkwürdigsten Gestirnen dieser Art gehört. Augenblicklich kann man ihn zwar noch nicht mit bloßem Auge sehen, aber seine Helligkeit wird bis zur Mitte des kommenden Monats Januar um mehr als das Fünffache zunehmen und der Komet daher bald, besonders ehe der Mond aufgegangen ist, auch unbewaffneten Augen sichtbar werden.
Oesterreich-Ungarn.
Aus Wien geht der „Nat.-Ztg." folgendes Privat-Telegramm zu: „Es geht hier in diplomatischen Kreisen das Gerücht, daß eine „Drei-Kaiscr- Zusammenkunft" am Horizont erscheinen werde. Dieselbe soll als der erste greifbare Ausdruck der aus den Konferenzen zwischen dem Fürsten v. BiSmarck und Herrn v. Giers hervorgcgangenen wärmeren Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland erscheinen. Die Theilnahme des österreichischen Kaisers wäre eine logische Konsequenz des bestehenden Verhältnisses zwischen Deutschland und Oesterreich."
Im ungarischen Oberhause hat gestern die Verhandlung des Gesetzentwurfes über die Civilehc zwischen Christen und Juden begonnen. Der Episcopat soll für den Fall der Annahme deS Gesetzentwurfes die Verweigerung der moralischen und materiellen Unterstützung des Ministeriums bei den Reichstagswahlen beschlossen haben.
Italien.
Ein Telegramm aus N o m meldet: Der päpstliche Prälat Savasere hat auf seine Prälatenwürde verzichtet und ist zum Protestantismus übergetreten.
N o m, 10. Dez. Das offiziöse Journal „Stam- pa" schreibt: Der deutsche Kronprinz könne seiner Befriedigung über den enthusiastischen Empfang in Genua nicht besser Ausdruck geben, als daß er nach Rom komme, um den König und das Volk zu begrüßen, die ihm anläßlich des Todes Victor Ema- nuels so viele Beweise der Sympathie und Freundschaft gegeben haben. „Diritto" hebt hervor, der Besuch des Kronprinzen erfolge im Namen und Auftrag seines kaiserlichen Vaters. „Bersaglieri" sagt: Der Besuch des Kronprinzen beim Könige sei die Hauptsache, der Besuch desselben bei dem Papste, der erst nach dem Besuche bei dem Könige stattfinde, trete in die zweite Stelle zurück.
Spanien.
Ueber den Ball im Madrider Rathhaus meldet die „Köln. Ztg.", daß derselbe sehr überfüllt war. Der Kronprinz und die königliche Familie blieben während der drei Stunden ihrer Anwesenheit beieinander, indem sie stehend mit zahlreichen Leuten plauderten. Die spanischen Damen sind hübsch, haben schöne, verführerische Augen, werden aber in reifern Jahren leicht allzu wohlbeleibt und bekommen ein Schnurrbärtchen. In Toiletten, in Geschmeide und in Spitzen (die schönsten kommen von Barcelona)
wurde mehr als bei ähnlichen Gelegenheiten in Deutschland geleistet.
Rußland.
In Rußland spukt der Nihilismus wieder in sehr bedenklichem Grade. Am 9. Nov. war in No- gaisk im Berdianski'schen Kreise ein Nihilist dingfest gemacht worden, bei dem man eine Menge regierungsfeindlicher Schriften fand. Als der Staatsverbrecher durch Soldaten in das Kreisgefängniß geschafft werden sollte, fand es die Geleitwache belustigend. mit ihrem Gefangenen unterwegs noch eine Bauernhochzeit mitzumachen. Bei dieser Gelegenheit empfahl sich der Herr Verbrecher aber auf Nimmer- Wiedersehen.
Egypten.
Wiederum sind in Egypten 5 Compagnien egyptischer Trupen in der Nähe von Suakiin von den Aufständischen vernichtet worden.
England.
Aus London schreibt uns ein Landsmann über die entsetzliche Lage der Deutschen, welche unbemittelt dorthin kommen, folgendes: Hunderte von jungen deutschen Männern und Mädchen kommen ohne jegliche Hilfsmittel hierher und London ist längst dafür bekannt, daß jede Nacht Tausende auf der Straße zubringen müssen; diese Menschen ergreifen das Bettelhandwerk und schließlich das Diebstahlsgewerbe, schnell fallen sie in die Hände der Justiz und dann harrt ein hartes Schicksal ihrer. Die Mädchen werden verschlungen von der Straße und von den gemeinsten Lastern. Mit Recht sagen die Engländer: Alle deutschen Mädchen gehen aus die Straße. Es gibt allerdings ein Stadtviertel hier, wo meistens deutsch gesprochen wird, jedoch ist dasselbe für Deutschland keine Ehre; cs ist dort schmutzig, voll enger Gassen, worin ein ehrlicher Mensch sich nur unter dem Schutze eines Polizcimanns bewegen kann. London ist übervölkert und braucht keine Arbeiter, namentlich keine, die nicht englisch sprechen können. Ich rathe allen jungen Deutschen, nicht nach London zu gehen, sondern lieber nach Afrika oder Australien, wo sie bewillkommnet werden und für Arbeit gut bezahlt werden, was in London nicht der Fall ist. Ich bitte Sie um die Veröffentlichung dieser Warnung, wenngleich solche schon oft durch die deutschen Blätter gegangen sind, weil ich, als ehe- maligcr Württcmberger aus dem Bezirk Oberndorf, mich für meine Landsleute interessier, deren ich schon viele arme und unglücklich hier getroffen habe. (A. B.)
Amerika.
New-Jork, 7. Dez. Dem „New-Iork Herold" wird aus Hongkong unterm. 6. ds. gemeldet: Ein Pöbelhaufen zerstörte gestern die christliche Kapelle. Militär zerstreute die Tumultuanten, und wurden 200 Mann zur Bewachung der Trümmer zurückgelassen.
Asien.
Kein Volk hat eine so große Abneigung gegen Eisenbahnen wie die Chinesen. Das hangt mit ihrer in Fleisch und Blut übergegangenen politischen Abschließungssucht zusammen. Als vor 7 Jahren eine 16 Kilometer lange Eisenbahn von Shanghai nach dem Hafenvororte Woosung gebaut war, zerstörte das Volk die Bahn gleich nach der Jntriebsetzung. Jetzt will die chinesische Negierung die Sache noch einmal riskiren und eine Bahn von Peking landeinwärts bauen. (In den Zeitungen wird diese Bahn als die erste in China zu bauende bezeichnet.)
Handel K Verkehr.
(Konkurseröffnungen.) Georg Martin Friedrich Fach, Bäcker und Wirth in Crailsheim. Andreas Scheercr, Wirth und Wagner von Amrichshausen, zur Zeit mit unbekanntem Aufenthalt abwesend. Heinrich Kupfer, Wagner in Blauseldcn. Wilhelm Krauß, Traubenwirih in Markgröningen.
Herrcnbcrg, 3. Dez. Im Hopfen Handel ist cs seit einigen Tagen sehr stille geworden. Bei noch ziemlichem Vorrath taucht hie und da noch ein Händler auf, der pr. Clr. 150-160 anbietet. Die kleineren Produzenten haben meistens verkauft. Die größeren werden nnn wohl auch bald täuschen, daß ihre Forderungen von 200 und darüber pr. Ctr. für dieses Jahr nie bezahlt werden. Diejenigen, welche die schönen Angebote von 180—190 .6 zurückwiescn, sind jetzt übel daran, denn die Kauflust ist ziemlich geschwunden.
Herrenbcrg, 8. Dez. Im Hopfenhandcl ist es sehr flau geworden. Die vereinzelten Käufer, die sich zeigen, bieten 130—140 pro Ctr. Die Borräthe in hiesigem Rayon betragen in Allem zusammen immerhin noch ca. 1000 Ctr.
Stuttgart, 10. Dez. (L an d csproduktcnb örs e.) Der Umsatz in Waizen war auf heutiger Börse nicht unbedeutend , auch in Haber kamen mehrfache Abschlüsse zu Stande. Wir notircn per 100 Kilogr: Waizen, bayerischer 20 ^ bis 20 50 4, kalifornischer 23 25 4, russischer Sax. 20
50 ^1 bis 21 ^ 25 Haber prima 13 40 ^ bis 14 ./L
20 gewöhnlicher 13 20