Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.

.^ 117 .

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlobn) SO in dem Bezirk l X 20 außerhalb des Bezirks 1 40 -i. Monats­

abonnement nach Verhältniß.

Samstag den 6. Moder.

Jnsertionsgebühr sür die tspaltige Zeile aus ge­

wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 «I, bei mehrmaliger je 8 4. Die Inserate müssen spätestens Morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1883 .

Bestellungen

auf den

Gesellschafter"

für das IV. Quartal

werden von allen Poststellen und Postboten fortwährend angenommen.

Kerfchirdenr Urtheile «brr dir Körfr.

Der Reichstagsabgeordnete Bamberger meint in einer vor mehreren Jahren erschienenen Schrift die Arbeiterfrage": die Börse sei der Ortan dem der ganze Eruährungssleiß der Nation, ihr Arbeiten, Sparen, Erzeugen und Aufhäufen in condensirtesten Extract »mgesetzt und zusammengefaßt wird. Die Lebenswärme einer ganzen Weltbewegung in Brenn­spiegeln aufgefangen, welche mit ihren heißen Strah­len Besitztümer in der Minute ausbrüten oder zer­setzen ! Ohne das Saug- und Druckwerk der Geld­märkte wäre der rasche Kreislauf der heute verbrauch­ten Kapitalsmassen gar nicht durchführbar. Das zu großen und langwierigen und wagnißvollen Unter­nehmungen nothwendige Kapital muß aus allen Adern und Aederchen des Landes herausgelockt werden!" Muß es'?! Das eben ist die Frage.

Um alle Aederchen des Bolksvermögens der Börse zuzuführen, will man in Frankreich Aktien schon von 50 Franks an gestatten. Bisher wurden nur solche von 500 Frks. an gestattet. Es soll eben schon dem Dienstboten und kleinsten Gewerbsmann und Bauern auch möglich gemacht werden, seine klei­nen Ersparnisse an die Börse zu bringen. Denn die Börse war längst neidisch darüber, daß so viel Er­sparnisse in den Sparkassen angelegt sind und so ihren Händen entzogen waren. Die Sparkassen sollten nach der Börsenmeinung nur Sammelweiher für die klein­sten Wasseräderchen sein, um sie alle ins Meer der Börse zu leiten. Ein Saug- und Druckwerk, oder ein Auspumpungssystem ist allerdings die Börse; darin stimmen viele mit Bamberger überein, nur meinen sie es anders. Einen Giftbaum nannte ein preußischer Minister die Börse. Und die Erfahrun­gen der letzten 10 Jahre lassen dieses Wort begreif­lich erscheinen. Es hat sich ja in Berlin, in Wien, in Paris, Lyon, überall, gezeigt, welche fürchterlichen Wunden dem Volkswohlstand geschlagen werden, wenn das Börsenfieber, die Spielwuth in weitere Kreise des Volks dringt. Denn alle diese Leute, welche ihre sicheren Staatspapiere verkaufen und Spielpapiere Oregon, Galizier, Rumänier rc. kaufen, bilden nur die Schlachtschafe für die wenigen Eingeweihten, welcheden Rummel verstehen." Will sich nun vol­lends so ein spielwüthiger kleiner Rentier oder Kapi­talist aus Börsenblättern belehren, wie mans eigent­lich angreifcn muß, um an der Börse zu gewinnen und nicht zu verlieren, so ist er erst recht verkauft. Denn die Börsenblätter sind keine unparteiischen Rath­geber, sondern pfeifen das Lied dergroßen Häuser" der Börsenkönige.

Eine kluge Regierung wird daher die unerfah­renen Leute und die, welche wenig zu verlieren haben, möglichst von dem gefährlichen Eis der Börse fern halten. Denn auf diesem Eis zu fahren, verstehen bis jetzt nur äußerst wenige, aller Menschen

riskiren dabei Arm und Fuß, oder gar das Genick zu brechen. Wenn man in Frankreich Aktien schon von 50 Fr. an gestatten, und damit das Börsenspiel in die ärmeren und unerfahrenen Kreise der Bevöl­

kerung verbreiten will, jo beweist das nur, daß ent­weder die französische Regierung sehr verblendet ist, oder aber, daß sie thun muß, was die großen Bör­senkönige haben wollen. Und so ist es auch. Daß die französische Regierung unter der Oberhoheit der Börsenkönige steht, hat man neulich bei den Kammer­verhandlungen über die Privateisenbahngesellschaften aufs deutlichste sehen können.

Die Börse ist, darin hat Bamberger wieder recht, durchaus nothwendig, um den Geldverkehr zu vermitteln. Aber staatliche Beaufsichtigung und Be­schneidung ihrer kolossalen Auswüchse ist ebenso noth­wendig. Denn wenn in den Händen eines Privat­mannes mehr Geld vereinigt ist, als ein mittlerer oder auch großer Staat jährlich Einnahmen und Aus­gaben hat, so können diese Unsummen ebensowohl zum Nutzen, als zum größten Schaden der Völker verwendet werden, wenn der Staat nicht contrvllirt odergar sich in den Händen dieses Privatmanns befin det." _ (Schluß f olgt.

An dem vom 2. Juli bis 25. Aug. in der K. Thier­arzneischule zu Stuttgart abgehaltenen Lehrkurs für Hufschmiede hat u. a. theilgenommen unv die Prüfung mit Erfolg bestan­den: Fcue rbacher, Johannes , vo n Ebh ausen._

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

* Nagold. Geschichtsfreunde machen wir aufmerksam, daß am nächsten Sonntag Abends 7 Uhr der dritte Vortrag über Luthers Leben und sein Re­formationswerk im neuen Schulhaus stattfinden wird.

(Eingesandt.) Unsrer Nachbargemeinde Bö­sin gen ist zu dem beabsichtigten Kirchenbau eine allgemeine Kirchenkollekte bewilligt worden, welche am kommenden Sonntag auch in den Gemeinden unsres Bezirks veranstaltet werden wird. Jeder­mann, der das Kirchlein in Bösingen schon gesehen hat, wird es zugestehen müssen, daß dasselbe seinem Zwecke durchaus nicht entspricht, indem es nicht blos von außen höchst unansehlich und von innen dumpf und dunkel ist, sondern indem es namentlich mit seinen 200 Sitzplätzen, die für die Jugend gar keinen Raum bieten, dem Bedürfniß der Gemeinde entfernt nicht genügt. Die Gemeinde Bösingen hat deßwegen schon Pit 25 Jahren die Herstellung eines würdigen, ihren Verhältnissen angemessenen Gotteshauses ins Auge gefaßt, und zu dem Ende einen Baufond ge­sammelt, der mit Hilfe eines Staatsbeitrags gegen­wärtig sich auf 7400 beläuft. Aber unbemittelt wie sie ist, kann sie aus eigenen Mitteln unmöglich die Summe von 36 000 aufbringen, die nach den vorliegenden Ueberschlägen nothwendig ist, um ein einfaches, in seinen äußeren Dimensionen ausreichen­des und im Inneren würdig ausgestattetes Gottes­haus zu erbauen. Um so mehr ist der Gemeinde Bösingen, deren ungünstige ökonomische Lage ja be­kannt ist, zu wünschen, daß die am nächsten Sonn­tag stattfindende Kirchenkollekte eine zahlreiche Be­theiligung finden und einen reichen Ertrag liefern möchte, damit sie dadurch dem Ziel ihrer Wünsche, ein würdiges Gotteshaus zu besitzen, würde um einen guten Schritt näher gerückt werde. Die evangelischen Glaubensgenossen unsres Bezirks aber möchte der Einsender noch ganz besonders daraus aufmerksam machen und sie bitten, daß sie sich des apostolischen Wortes 1. Cor. 12, 26. erinnern und zu Gunsten der ihrer Hilfe bedürftigen Nachbargemeinde das Gefühl der Zusammengehörigkeit durch kräftige brü­derliche Handreichung bethätigen.

-6- Vom Lande, 4. Oktbr. Die Obstzucht, deren Ertrag eine mühelose Ernte ist, findet durch

das Beispiel, den Zuspruch und die Unterstützung Einzelner immer weitere Ausdehnung. Namentlich sorgt der landw. Bezirksverein durch Heranbildung junger Männer zu Gemeindebaumwärtern durch diese für die Anpflanzung guter Sorten von Obstbäumen und geben die Baumwärter im Setzen, Veredeln und Beschneiden der Bäume praktische Unterweisung, wozu auch die Lehrer an den Winterabendschulen behilflich sind. Dieser und jener, der den Ertrag seines Feld­stücks durch den etwaigen Anbau mit Obstbäumen höchst beeinträchtigt wähnte, welcher die geringen Kosten, den kleinen Zeitverlust der Baum-Pflanzung und -Pflege mit Vorurtheil ansah, fühlt sich Heuer durch die reichen Erträgnisse einzelner Baumgüter zu einem Unternehmungsgeist hingedrängt, den er bisher bei andern Ortsangehörigen mit scheelen Augen an­gesehen hatte. Ist es denn nicht Thatsache, daß die rationelle Obstzucht für manches Haus und Dorf eine Quelle der Wohlhabenheit geworden ist! Man­ches geeignete Grundstück wartet nur auf eine ver­ständige Hand, um durch Obstpflanzung reichen Segen zu gewähren, abgesehen davon, daß die Umgebung eines Ortes in einen Lustgarten verwandelt, durch den Zufluß von Capitalien der Güterwerth im all­gemeinen erhöht und der Verkehr belebt wird. Wo diesem lohnenden Erwerbszweig noch Hindernisse durch Vorurtheil, Trägheit, vermeintliche Armut entgegen­gesetzt werden, da dürfen die für den Gegenstand be­geisterten Männer vom Kampfe nicht zurückschrecken: sie kommen sicher ans Ziel.

Herrenberg, 2. Okt. Heute Vormittag miß­handelte in dem benachbarten Gärtringen der 21jäh- rige ledige Maurergeselle Schöll im Streit zuerst seinen Vater und dann seinen älteren Bruder mit einem Prügel derart, daß der Bruder besinnungslos zusammenbrach. Der Vater rettete sich durch die Flucht. Der herbeieilenden Mutter, welche abwehren wollte, drohte der Unmensch mit Todtschlag. Der in Gärtringen stationirte Landjäger, welcher herbei­gerufen wurde, verhaftete den Gutedel sofort und lieferte ihn heute Mittag an das königl. Amtsgericht dahier ein. (N. Tgbl.)

Cannstatt, 3. Okt. Wie nicht anders zu erwarten war, hat das Volksfest auch ein materiell für die Stadt sehr günstiges Ergebniß gehabt; die Gesammteinnahmen betragen nämlich 16 143 -^L, im­merhin 56000 vkL mehr als man ursprünglich in Rechnung genommen hatte. Es wird für die Stadt­kasse ein Ueberschuß von einigen 1000 verbleiben, trotzdem eine Menge unvorhergesehener Ausgaben zu bestreiten sind.

Für die kirchlichen Gesetzesvorlagen Württem­bergs sind von der staatsrechtlichen Commission ge­wählt worden: sür den evangelischen Entwurf als Berichterstatter im Allgemeinen Freiherr v. Gemmingen, als Referent für die Vermögensauseinandersetzung Dr. v. Hack, Oberbürgermeister von Stuttgart; für den katholischen Entwurf als Referent im Allgemeinen Abgeordneter Landauer, Landgerichtsrath in Ellwangen, und für die Vermvgensauseinandersetzung Abgeord­neter Untersee, Stadtschultheiß von Gmünd.Es wird nicht überflüssig sein, sagt die Germania, zu betonen, daß das Referat über den katholischen Ent­wurf auch zwei Katholiken übertragen wurde. Ferner glaube ich mich nicht der Gefahr eines Dementis auszusetzen, wenn ich behaupte, daß die Regierung betreffs des katholischen Entwurfs sich bei Zeiten und mit dem gewünschten Erfolge mit der competenten kirchlichen Behörde, dem bischöflichen Odrinariat in Rottenburg, ins Einvernehmen gesetzt hat. (Fr. I.)