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61. Jahrgang

Amts- um) Intelligenz^katt ^ür äen Äezirlr.

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§am8tag, äea 13. Mürz 1886

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^otttifche WcrcHvicHten.

Deutsches Reich.

Stuttgart, 10. März. Erst in der letzten Stunde des gestern geschloffenen Landtags gelang es, bezüglich des seit mehreren Tagen zwischen beiden Häusern hin- und hergeschobenen Feldbereinigungs­gesetzes ein volles Einverständnis zu erzielen. Nachdem die zweite Kammer gestern auf halbem Wege entgegengekommen war, willigte die Kammer der Standesherren ein, den von dem anderen Hause beanstandeten Passus in Art. 37 zu streichen. Das Gesetz soll mit dem 1. Juli d. I. in Kraft treten. Die Kammer der Standesherren beschäftigte sich gestern außerdem noch mit den von einer ganzen Reihe von Vereinen der Geflügel- und Vogelfreunde, sowie von Privaten gewünschten Maßregeln zur Beseitigung des durch frei herumstreifende oder in fremdes Eigentum eindringende Katzen verursachten Schadens. Das andere Haus war über diese Petitionen einfach zur Tages­ordnung übergegangen, welchem Beschluß die Kammer der Standesherren nicht beizutreten vermochte, sondern den Antrag annahm, die vorliegenden Petitionen der K. Staatsregierung zur Erwägung in der Richtung zu über­geben, ob es sich niA im Interesse de- Schutzes der nützlichen Vögel empfehle, Vorschriften zu erlaPen, wodurch das Tölen der in einer gewissen Entfernung von menschlichen Wohnungen im Wald und im Felde herumschweifenden Katzen gestattet wird. -- Nachdem sodann die beiden Präsidenten die Emzelsitzungcn mit einem kurzen Rückblick auf hie Geschäfte d»s Landtags geschlossen und beide Kammern ihren Vorsitzenoeii ihren Dank für die Geschäflsleitung aus­gesprochen, traten beide Häuser zu einer gemeinschaftlichen Sitzung zusammen, um die Neuwahl des ständischen Ausschusses vorzunehmen, die ganz im Sinne der früheren Zusammensetzung desselben au-fiel. Da schon um Freitag die feierliche Eröffnung des zweiten Landtags der gegenwärtigen Wahlperiode erfolgt, so ging der Schluß des bisherigen Landtags ohne weitere Förmlichkeit von statten. Ministerpräsident v. Mittnacht beschränkte sich darauf, das K. Entlassungsreskript zu verlesen, worauf die Versammlung mit einem Hoch auf S. M. den König sich auflöste.

Berlin. Das Soziali st engesetz ist in der Kommission in erster Lesung mit den Windthorst'schen Abschwächungen angenommen worden. Zen­trum, Deutsch-Freisinnige, Volkspartei haben diese Anträge angenommen, eine Gesamtabstimmung wird erst am Schluffe der zweiten Lesung statistnden und

Feuilleton. °°rb°t-n.>

Die Falschmünzer.

Kriminal-Roman von Gustav Lössel.

(Fortsetzung.)

Jonas schien von der Begegnung nicht minder bestürzt als sein Herr. Er verneigte sich tief, um seine Verlegenheit zu verbergen; dann entfernte er sich eiligst über die zum Hof hinab führende Treppe.

Aus seinem Comptoir trat Etwold in das Nebenzimmer, dessen Thüre durch das WortKaffe" ausgezeichnet war. Er sprach dort mit dem Kassierer wegen der zu leistenden Zahlungen für den Tag und begab sich dann in den hieran anstoßenden mehrfenstrigen Saal, in welchem viele junge Leute an Pulten emsig schrieben und rechneten. Der Kommerzienrat haßte nrchts so sehr als Jemanden müßig zu sehen. Er begnügte sich auch nickt blos mit einem Umblick; er prüfte selbst, was gearbeitet wurde und ob die Rechnungen stimmten.

Heute war die Inspektion ausnahmsweise flüchtig; es drängte Etwold, zu seinem Kinde zu kommen, und wenn er hier noch einen Augenblick ver­weilte, mußte er wohl einen sehr triftigen Grund dafür haben.

Beim nochmaligen Durschreiten des Kassenzimmers sagte er gani flüchtig zu dem eben mit Rechnen beschäftigten Kassierer:Also das Geld liegt auf meinem Tisch." Jener nickte stumm und rechnete weiter. Etwold aber ging durch sein Zimmer ohne Aufenthalt hinaus und warf die Außenthüre in's Schloß.

Da diese nur mit dem in seinem Besitze befindlichen Schlüssel zu öffnen war, konnte nun Niemand anders in sein Privatcomptoir gelangen, als durch die Kaffe. Der schallende Laut der zugeworfenen Außenthür war aber den Bureaubeamten ein erlösendes Zeichen, und die Physiognomie der Arbeits­zimmer war sofort eine andere, gemütlichere.

Etwold ging unverzüglich zu seiner Tochter.

In ihrem kleinen Salon stieß er auf den Kommissar und auf Soltmann, denen eben der Sanitätsrat Edler, sein Hausarzt, das weitere Vordringen

dann ohne Zweifel, genau wie vor 2 Jahren, zur Ablehnung des ganzen Gesetzes führen. Den Konservativen und Nationalliberalen wird das Gesetz durch diese Abschwächungen unannehmbar, den Deutsch-Freisinnigen und den noch weiter links stehenden Gruppen wird es auch in dieser gemilderten Form nicht annehmbar werden. Der Minister v. Pullkammer hat in sehr ent­schiedener Weise das Gesetz mit den Windthorst'scken Anträgen für unbrauch­bar erklärt und versichert, die verbündeten Regierungen müßten es in dieser Form zurückwsisen.

Der Norddeutsche Lloyd hat alle Vorbereitungen soweit getroffen, daß am 30. Juni der erste Reichspostdampser von Bremerhaven aus die Fahrt nach dem Osten antreten und daß von da an im regelmäßigen Betrieb die Fahrten nach Ostasien und Australien nebst den Zweigfahrten ausgeführt werden können.

Kiel, 9. März. Redakteur Prohl wurde gestern nach Berlin über­geführt.

Gcrges-Weuigkeiterr.

Calw. Unsere Staaren, die schon seit 8 Tagen angekommen sind, scheinen sich mit dem Beginn des Frühjahrs verrechnet zu haben und finden nun vielfach ihre Quartiere noch nicht hergerichtet. Wir. beobachten, daß in einigen schon ausgehängten Slaarenhäuschen je 810 Vöge^Mhrend der Nacht Schutz vor der grimmigen Kälte suchen und daß sie sich We.Her­berge förmlich erobern müssen, weil ein großer Teil der befiederten Schaar keinen Platz mehr findet. Es wäre deshalb ;u wünschen, daß alle Freunde dieser drolligen und nützlichen Vögel die Wohnungen wieder in Stand setzen möchten und sind wir überzeugt, daß diese Häuschen, die ihnen zuni Unter­schlupf in der Zeit der Not gedient haben, sicherlich auch bald bezogen sein werden.

'Unterreichenbach. Das Geburtsfest Sr. M. des Königs --Erde auch Heuer in herkömmlicher Weise gefeiert. Die gesellige Vereinigung des Kriegervereins fand im Hirsch statt, wobei sich auch der Kirchenchor in rühmlicher Wesse beteiligte. Der vom Ortsvorstand ausgebrachte Toast auf den König fand begeisterte Aufnahme, Gesang wechselte mit dem Vortrag von Gedichten humoristischen Inhalts. Unsere Nachbargemeinde Dennjächt feierte hierauf am 7. d. M. in solenner Weise den Geburtstag ihres Orts­vorstands des in weiten Kressen bekannten Schultheißen Rothfuß, welcher

mit dem Bemerken wehrte, daß Fräulein Etwold zur Zeit und noch auf Tage hinaus vernehmungsunsährg sei.

Der Kommissar schien sich auch damit bescheiden zu wollen, aber Solt­mann sagte:Vielleicht, Herr Sanitälsrat, gestatten Sie mir doch nur eine einzige Frage an die Dame zu richten."

Von meinem Standpunkte als Arzt n e i n", erwiderte Jener entschie­den;aber hier kommt ja der Vater, wenn er es dennoch will ich lehne die Verantwortung für eine solche Interpellation einer schwer Kranken entschieden ab."

Was denn, was denn?" fragte Etwold in ärgerlicher Stimmung.

Der Sanitätsrat erklärte mit wenigen Worten die Sachlage.

Nun und?" fragte der Kommerzienrat schroff.

Uneingeschüchtert sagte Soltmann, daß er dennoch wünschen müsse, eine einzige Frage an seine Tochter zu richten.

Und ich untersage Ihnen fortan jede fernere Annäherung an dieselbe", erwiderte Etwold mit mühsam verhaltener Wut.Soll ich vielleicht das Leben meines einzigen Kindes Ihrer Neugier opfern? Auf den Ausspruch des Sanitätsrats Äcker, dessen Name auch Ihnen nicht ganz unbekannt sein dürfte, verweigere rch Ihnen den Zutritt zu meiner Tochter. Wollen Sie Gewalt anwenden, so thun Sie es auf Ihre Gefahr; ich erkläre Ihnen aber sogleich, daß ich der Gewalt Gewalt entgegensetzen werde." Und damit stellte er sich vor die zu dem Schlafzimmer seiner Tochter führende Thür, zugleich den Sanitätsrat zum Zeugen für alles Nachfolgende aufrufend.

Soltmann zuckte die Achseln und wandte sich zum Fenster.

Herr Kommerzienrat, ich muß doch sehr bitten", eiferte dagegen der Kommissar, daß Sie uns unsere traurige Pflicht durch Ihre unmotivierte Gereiztheit nicht allzu sehr erschweren. Wir leiden mit Ihnen unter dem Druck dieser ungewöhnlichen Verhältnisse und üben jede nur erdenkliche Rück­sicht. Over was würden Sie erst sagen, wenn ich, wozu mich die Umstände wohl berechtigen, eine Haussuchung bei Ihnen anstellte? Aber wie gesagt, ich übe jede Rücksicht, und da darf ich wohl auch von Ihnen,'einem gebildeten, besonnenen Mann, verlangen, daß Sie meinen Beamten unser gezwungenes BeifammeNtem nrcht ganz unleidlich machen." (Forts, f.)