31. Jahrgang.
Mo. 28.
Amts- uml Intelligenzblatt für äen Aezirkr.
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Dienstag, äen 9. März 1886
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H'okitifcHe WcrcHvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 6. März. Bei der heute fortgesetzten Beratung des Ent. rvurf des Branntwein-Monopol sprach zunächst Staatssekretär v. Bötticher und nach diesem Fürst Hatzfeld von der deutschen Reichs- Partei für, Abg. Oe chel Häuser (nationalliberal) gegen die Vorlage. Er sowohl wie der ihm folgende Abg. Windthor st empfahlen eine Beratung in der Kommission. Auch der Abg. v. Helldorf von den Deutsch-Konservativen war dieser Ansicht. Nachdem noch der Abg. Bamberger gegen das Monopol gesprochen, drückte Finanzminister v. Scholz die Hoffnung aus, daß in der Kommission eine Verständigung erzielt werden möge. Die Vorlage wurde an eine Kommission von 28 Mitgliedern verwiesen.
— Ein Korresp. der Wiesbadener Presse gibt aus eigener Wissenschaft folgende erbauliche Schilderung davon, wie im sogen, „blauen Ländchen" die Anti-Branntweinmonopol-Petitionen zu Stande gebracht werden: Von Massenheim, dem Wohnorte unseres ultramontandeutschfreisinnigen Abg. Schneider aus, werden gedruckte Petitionen gegen das Branntweinmonopol in Bewegung gesetzt. Wir hatten in einem Gasthause zu Delkenheim Gelegenheit, eine solche zu sehen, in der dem kleinen Bauer, Arbeiter rc. vorgerechnet war, daß sie den Branntwein nach Einführung des Monopols L'/Mal teurer als jetzt bezahlen müßten. Das Schriftstück wurde vom Wirte dpr Leuten nebst Tinte und Feder vorgelegt und es schrieben auch viele Bürschchen von 15 bis 20 Jahren ihre Namen darunter, mit dem Bewußtsein, einen großen Staatsakt vollzogen zu haben. Ein Anwesender schrieb statt seines Namens ein : „Fürst Bismarck vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun."
Kiel, 2, März. Man schreibt der Voss. Ztg.: Wie es heißt, sind die Untersuchungsverhandlungen gegen den in Haft genommenen Redakteur Prohl bereits zum Abschlüsse gelangt und die Akten nach Leipzig gesandt. Prohl hat in der vergangenen Woche einen Selbstmordversuch gemacht. Er zerbrach ein Glas seiner Brille und durchschmtt sich die g-oße Halsarterie. Man fand ihn bald darauf blutüberströmt auf seinem Belle liegen, die Ader wurde nach Samaritervorschrist init dem Daumen zusammengehalten, bis der Kreisphysikus Dr. Joens zur Stelle war, welcher den Verband anlegte. Auch die Frau des Herausgebers des Tagebl., Böckel, befindet sich noch in Haft; sie soll dringend verdäcktig sein, Spuren der Thal des Prohl ver
nichtet zu haben. Weitere Komplicen des Prohl scheinen bisher nicht ermittelt zu sein.
Frankreich.
Paris, 5. März. Heute nach Schluß der Börse schleuderte ein Mann von einer der Galerien eine, wies es heißt, mit einer ätzenden Flüssigkeit gefüllte Flasche in den Börsensaal hinunter. Die Flasche hat niemand verletzt. Als die Anwesenden aus dem Saale hinauseilten, feuerte der Betreffende drei Revolverschüsse ab. Ein Kassendiener verhinderte, daß der Mann wettere Schüsse abfeuerte. Fast gleichzeitig wurde er durch die Polizisten festgenommen. Die aufgeregten Börsenleute fielen nun über den Mann her und behandelten ihn derart mit Stockhieben und Faustschlägen, daß er mehr tot als lebendig zum Polizeikommissar gebracht wurde. Die Menge hatte sich so dicht um die Polizeibeamten zusammengedrängt, daß diese bisweilen förmlich in die Lust gehoben wurden. Gleich nach dem ersten Schrecken suchten alle zu fliehen; das Gedränge wurde so stark, daß mehrere Personen verwundet wurden. Der Mann ist etwa 35 Jahre alt. Derselbe erklärte, er heiße Petrowitsch und sei Anarchist, er habe den Kapitalisten eine Lehre geben wollen. Durch die Schüsse sind 3 Personen von Kugeln gestreift, jedoch nicht verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft hat die russische Botschaft um Mitteilungen gebeten.
Hcrges-Weuigkeiten.
(Amtliches.) Se. König!. Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 3. März das Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichsordens dem Herrn Kameralverwalter Rinck in Hirsau zu verleihen geruht.
Durch Höchste Entschließung vom nämlichen Tage haben Se. Majestät die silberne Z i v i l v e r d ie n st m e d a i l le an Herrn Schultheiß Ziegler in Gechingen und Landpostboten Pfrommer in Zavelstein zu verleihen geruht.
Alpirsbach, 4. März. Auf dem Lose des Eisenbahnbau-Unternehmers Kläger hier trug sich heute vormittag ein großer Unglücksfall zu» der ein Menschenleben kostete. Der Taglöhner Karl Sauer von Alpirsbach war beauftragt, in der Pulverhütte Pulver und eine Schachtel Dynamitpatronen zu holen. Er vollzog diesen Auftrag und eignete sich aus dieser Schachtel zwei Dynamitpatronen an, welche er in den Stiefelschaft des rechten Fußes steckte. Als er hernach in der Feldschmiede eine Gießkanne Wasser erwärmen lassen mußte, um die gefrorenen Dynamitpatronen aufzuweichen, und
Jeu illeton. °—
Ire Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
„Gesehen! Gesehen!" fuhr Etwold auf. „Was bildet Ihr Euch denn nun ein, gesehen zu haben?"
Gar keine Einbildung," erwiderte Mathies. „Hören Sie endlich auf mit Ihrem Zeit raubenden Widersprechen. Es ist nur wenig, was ich gesehen habe, aber in diesem besonderen Falle genug, um Ihre Tochter — des Mordes verdächtig zu machen."
Der Kommerzienrat erstickte nur mit Mühe einen lauten Aufschrei, in welchem Schmerz, Wut und sittliche Empörung sich mischten.
„Ihr seid bestochen, Kerl," rief er mit gedämpfter Stimme dem Anderen zu. „Niedrigste Rachsucht giebt E -h das ein, und die Habgier spornt Euch weiter. Von irgend einer Seite, denkt Ihr, muß doch Vorteil kommen."
„Ich könnte Sie füglich ihrem Schicksal überlassen, undankbarer Mann," grollte Mathies; „aber dennoch will ich es nicht ungewarnt thun. Wollen Sie mich nun hören oder nicht?"
Etwold nagte wüthend an seiner Unterlippe und schwieg.
„Also hören Sie," begann Mathies mit einem triumphierenden Lächeln auf seinem häßlichen Gesicht. „Es war gestern Nacht — nach der Uhr habe ich nicht gesehen, aber es mochte kurz vor Mitternacht sein — als es mich antrieb, auch einmal einen Blick in das herrliche bunte Leben und Treiben u werfen, den letzten vor meinem Fortgang aus Ihrem an glänzenden Festen o reichen Hause. Vielleicht, daß ich einer ungewissen Zukunft entgegen gehend, so etwas nie wieder zu sehen bekaiy. Ich machte es aber nach meiner bescheidenen Stellung sehr bescheiden und stieg, unkostümiert über die Wendeltreppe hinauf, wo ich denn endlich vor die GlaSthür des Wintergartens kam. Da wirst Du schon etwas zu sehen bekommen, dachte ich.
Aber prosit die Mahlzeit! Dunkel war es darin, bis auf das bischen Licht, welches der Mond durch das Glasdach und die daran stoßenden Palmenkronen herabwarf. Und beim Scheine desselben sah ich ein einsames Menschenpaar, auch nicht in bester Stimmung, im Gegenteil, sogar in der allerschlechtesten. Sie waren in einem heftigen Wortwechsel begriffen, wie sie es auf dem Theater machen, ehe sie einander tot stechen. Und merkwürdig, daß ich gerade da an eine solche Stelle denken mußte. Ich konnte lange nichts verstehen. Aber auf einmal ruft er überlaut: „Und das sollen Ihnen die Gerichte beweisen!" Damit rennt er fort und auf die Thür zu, an der ich lausche. Sie stößt einen Schrei aus und folgt ihm. „Steh da," ruft sie, „ich folge Dir auf die Straße!"
Ich hatte keine Zeit mehr zum Lauschen und Schauen und renne nun selbst den Gang entlang nach der Treppe zurück. Ungesehen kann ich diese nicht hinabgelangen, denn Korridor und Treppe sind, wenn auch nur matt, erleuchtet. Ich finde zur Seite eine offene Thür, die zu dem Wartzimmer führt, wo sonst der Jonas hockt. Da hinein drücke ich mich. Aber kaum die Thür ins Schloß gedrückt, bücke ich mich zum Schlüsselloch und spähe hindurch. Hui! Kommt der Mann herbeigestürmt — Treppe hinunter — weg ist er. Jetzt kommt ein leiserer Schritt, aber auch hastig und behende, nur etwas katzenartig. Ein Schatten huscht vorbei — ich sehe einen Dolch blitzen — dann wird's still. „Na ja, ein Maskenscherz," denke ich bei mir und verhalte mich noch längere Zeit ruhig, aus Furcht, daß jene zurückkommen und mich da sehen könnten. Endlich wird mir die Zeit zu lang. Ich komme wieder heraus und lausche hinauf und hinab. Alles ist still und der Wintergarten öde und leer; nur von ferne höre ich Ballmusik. Na ich traue mich denn auch nicht tiefer hinein und kehre auf mein einsames Zimmer zurück.
Und wollen sie nun wissen, Herr Kommerzienrat," vollendete tief Atem schöpfend Mathies, „wer die Beiden im Wintergarten gewesen? Der Mann — er trug einen schwarzen Domino und hatte eine rotseidene Maske in der Hand — war der Ermordete von der Schwedengasse; und die kostümierte Dame, auch mit abgelegter Maske, war — Ihre Tochter!