106
Dev Ivieöe im Watkcrngebiet.
— Endlich ist das schmierige Werk der in Bukarest versammelten Bevollmächtigten Serbiens, Bulgariens und der Pforte doch zum glücklichen Ende gelangt. Der Friede zwischen Serbien und Bulgarien ist am 3. März unterzeichnet worden. Nachdem zuletzt noch hartnäckig über die blosse Fassung des Friedensartikels gestritten und weder die serbische Fassung desselben von Bulgarien noch die bulgarische von Seiten Serbiens annehmbar befunden worden war, einigte man sich endlich über folgenden, von dem Vertreter der Pforte vorgeschlagenen Artikel: „Der Friede zwischen Serbien und Bulgarien ist vom Tage der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages an wieder hergestellt." Die Ratifikationen sollen in Bukarest innerhalb 14 Tagen, wenn möglich früher, ausgewechselt werden. Damit wäre also zunächst der serbisch-bulgarische Konflikt beigelegt. Freilich mit Ach und Krach. Denn Serbien sträubte sich standhaft gegen die Annahme einer Bestimmung in den Friedensvertrag, wodurch auch die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Länder als wiederhergestellt erklärt worden wären. Eine solche Bestimmung ist eine übliche diplomatische Formel, der sich auch Todfeinde, wenn sie eben zu einem Friedensschluß sich vereinigt haben, ohne Anstand sich zu bequemen pflegen. Allein Serbien verschmäht eine solche Heuchelei: es wollte recht laut vor aller Welt kund thun, daß es mit Bulgarien schlechterdings keine Freundschaft halten wolle und daß es trotz der empfangenen Schläge, nur durch das Einschreiten der Mächte gezwungen worden sei, das Kriegsbeil für jetzt zu begraben. Schon dieser Umstand ist geeignet, die Freude über den wiederhergestellten Frieden zu dämpfen. Der Friede ist geschlossen, aber jedermann fragt sich auf wie lange? Zwei Staaten auf der Balkanhalbinsel sind heute durchaus mißvergnügt und tragen diese Empfindung aus eine Weise zur Schau, die man bei ihren Machtmitteln kaum anders denn als knabenhaften Trotz bezeichnen kann. Serbien sowohl als Griechenland können das Glück des Nachbars in Bul- arien nicht ertragen. Die Gelegenheit schien so günstig, aus Anlaß der ulgarischen Erhebung sich selbst zu verbessern; allein den Serben ist dieses Gelüsten durch einen unglücklichen Krieg, den Hellenen durch den Einspruch der Mächte vergällt worden. Daß sie jetzt die nächste beste Gelegenheit beim Schopf ergreifen werden, sich Recht zu verschaffen, erklären sie selbst mit dürren Worten. Viel kommt bei diesen Aussichten auf die innere Befestigung des bulgarischen Staatswesens an. Dieses ist jetzt ein wesentliches Element des Friedens auf der Balkanhalbinsel geworden, und von der Pforte ist es ein Zug politischer Weisheit, daß sie der bulgarischen Einheit, obwohl oamit wieder ein Stück orientalischer Frage abgelöst worden ist, nicht viel Schwierigkeiten entgegengestellt hat. So wie heute die Dinge liegen, sind die Türkei und das vergrößerte Bulgarien natürliche Verbündete gegen weitere Störungen des Friedens, mögen diese nun von den kleinen Nachbarn oder sonst woher kommen. In Sofia ist auf die Nachricht von der Unterzeichnung des Friedens sofort ein Tedeum gehalten worden. Mit vollem Grund; denn Fürst Alexander und sein Volk haben im Wesentlichen erreicht, was mit der Erhebung des 18. September bezweckt war. Aber das erfolgreiche Staatswesen darf daraus gefaßt sein, daß ihm die größten Schwierigkeiten erst dann erwachsen, wenn sein Bestand die amtliche Anerkennung gefunden hat. Außer Serbien und Griechenland ist noch eine andere Macht tief verstimmt. Rußland grollt, daß der Fürst nicht hat beseitigt werden können, der die Unabhängigkeit Bulgariens auf seine Fahne geschrieben und den Mut gehabt hat, sie selbst gegen den moskowitischen Befreier zu verteidigen. Das kann slavischer Hochmut und Eroberungsdrang dem deutschen Fürsten nicht verzeihen, und diese Feindschaft ist es, die zu fürchten ist. Schm. M.
Hcrges-Weuigkeiterr.
* Calw, 5. März. Eine Arbeit, ähnlich wie der voriges Jahr von Herrn Zuschneider Freund hier gefertigte Mosaikteppich ist gegenwärtig wieder im Geschäfte des Herrn Chr. Deyle hier, zur Besichtigung öffentlich ausgestellt, nämlich ein sehr kunstreich und mit vielem Geschmack hergestellter Schlafrock in fürstlicher Ausstattung. Insbesondere Damen dürste diese Arbeit viel Interesse bieten.
Kirchheim u. T., 28. Febr. Die beiden physikalischen Experimentalvorträge, welche Hr. G. D ähn e aus Dresden gestern und vorgestern im Vereinshause gehalten hat, waren ungemein zahlreich besucht und fanden den größten Beifall. Die glänzenden Versuche, welche er mit seinen vorzüglichen Apparaten vorführte, gelangen alle vollkommen und waren ebenso anregend als lehrreich. So ist z. B. die Farbenpracht seiner objektiven Darstellungen der Polarisationserscheinungen des Lichts für den Laien in der Naturlehre ebenso anziehend als für den Gelehrten. Diese Vorträge und Versuche sind ein vorzügliches Mittel, die Wissenschaft so viel als möglich in weite Kreise zu tragen.
Hall, 28. Febr. Die abgelaufene Woche hat auf dem Gebiete des Vereinslebens mannigfache Abwechslung und Anregung gebracht: Am Mittwoch nachm, sprach im Bienenzuchtverein Schullehrer Hirsching von Gottwollshausen , Vorstand des Vereins, über Auswinterung der Bienen. An demselben Tage abends hielt im historischen Verein Stadtpfarrer Gußmann aus Sindlingen einen anregenden Vortrag über die Zigeuner nach Heimat, Sitten. Gebräuchen, Sprache, Lebensweise u. s. w. Wir entnehmen demselben daß die Zigeuner unter Kaiser Sigismund, versehen mit einem Schutzbrief desselben erstmals 1417 nach Deutschland, ungefähr 1435 nach Ulm kamen. In etymologischer und ethnologischer Beziehung stammen dieselben wahrscheinlich aus Indien (Pendschab), wo sie durch eine Wanderung von Mongolen vertrieben wurden. Im ganzen gibt es noch 600,000 Zigeuner in Europa, wovon 500,000 auf Ungarn und Rumämien kommen. Am Freitag brachte im Verein der Vogelfreunde Opernsänger Holpp aus Stuttgart in einem ebenso unterhaltenden als belehrenden Bericht über die Kanarien und deren Zucht seine Erfahrungen zur Mitteilung.
Schramberg, 3. März. Heute früh 5 Uhr, nach einer stürmischen Nacht und als gerade ein wolkenbruchartiger Regen niederging, ertönten die Zeichen der Feuerwehr. Die am 16. Sept. v. I. abgebrannte und inzwischen wieder ausgebaute Uhrensourniturenfabrik von K. Mayer und Söhne an der Schiltacher Straße stand abermals in Flammen; das Hauptgebäude brannte bis auf die Stockmauern nieder, während das nach dem letzten Brande neu aufgeführte Nebengebäude ziemlich beschädigt ist. Der Brand ist auch diesmal auf dem Bühaenraum ausgebrochen, der Schaden an Maschinen ist ziemlich bedeutend.
Lahr, 3. März. Viele der Herren, welche am Sonntag aus allen Teilen des Landes zum Badischen Handelstag hier versammelt waren, benützten den Morgen zu einen, Besuch des Reichswaisenhauses. Immer und immer wieder sprachen sie ihre Ueberraschung aus über die großartige Anlage und spendeten einen namhaften Beitrag in die Sammelbüchse. Einer derselben, ein hochangesehener Hausherr, hat weitere 100 Mark an den Verwallungsrat gelangen lassen mit folgenden Zeilen:
„Nur zu rasch ging der gestrige schöne Tag vorüber, und dankbar für so viel Aufmerksamkeit und Freundschaft genießen wir heute nocheinmal die frohen Stunden, die wir in Lahr verlebten, in der Erinnerung. Unvergessen bleibt mir aber ein Eindruck — der Moment, als wir des Morgens vor dem Reichswaisenhause standen und hier ein Werk freien deutschen Bürgersinnes schauten, ein Denkmal echter wahrer Humanität und Nächstenliebe , ein beredtes Zeichen, daß der Sinn für das Wohl und Weh der Verlassenen und Verwaisten noch nicht im Materialismus der Zeit untergegangen, — ein Denkmal, das jedem zu dauernder Ehre gereicht, der daran mitgearbeitet, dabei die Hände geregt hat. Stolz war ich, daß solch ein Werk unser Heimatland ziert; aber auch ein Gefühl tiefer Beschämung überkam mich, daß ich dabei nicht Mitarbeiter gewesen war. — Dies Versäumnis möchte ich wieder gut machen und darf mich deshalb schon an Sie wenden, da mir diejenigen Herren, die die Gelder des Hauses verwalten, unbekannt sind. Ich möchte Sie nun bitten, anliegende M. 100 entgegen zu nehmen und ohne Aufsehen und in aller Stille an diejenigen Persönlichkeiten gelangen zu lassen, die die Vermögens-Verwaltung des Hauses führen. Indem ich Ihnen und allen dortigen Herren Kollegen nochmals herzlich für alle uns erwiesenen Freundlichkeiten danke, grüße ich Sie, in der Hoffnung, recht baldigen Wiedersehens, aufrichtig.
Heben, um Stimmen zu angeln, und man hat ja auch kein Fabrikpersonal, Lein man seine Meinung aufzwingcn —"
„Ihr werdet unverschämt!" brauste Etwold auf. Was wollt Ihr überhaupt noch hier? Nemmt Euer Geld und beglückt Amerika mit Euren Ideen. Ich fürchte nur, Ihr werdet unter den Hellen Köpfen im Dankeelande auch keinen fruchtbaren Boden dafür finden. Guten Morgen!"
Der entrüstete Chef wandte sich nach der inneren Komptoirthür, da Jener nicht gehen zu wollen schien. Aber Mathies vertrat ihm den Weg.
„Sie kennen nur einen Grund, warum ich heute nicht entlassen sein will," zischelte er. „Ich sagte Ihnen aber schon, ich habe noch einen zweiten."
„Ich will gar keinen kennen," rief nun wütend der Kommerzienrat. „Packt Euch hinaus oder ich rufe meine Leute, um Euch hinaus werfen zu lassen."
„Oho!" entgegncte Malhies. „Liebt Ihr Euer eigen Fleisch und Blut so wenig?"
Statt jeder Antwort streckte Etwold seine Hand nach dem Klingelzuge aus.
„Ich meine Ihre Tochter," fügte Mathies rasch hinzu.
EiwoldS Arm blieb in der Schwebe.
„Meine Tochter?" fragte er mit ungläubigem Staunen. „Ihr müßt wirklich Euren Verstand verloren haben. Was wollt Ihr denn nun wieder von meiner Tochter?"
„Sie ist der zweite Grund, warum ich am Tage der Entdeckung des Mordes aus Ihrem Hause nicht gern scheiden möchte."
„Meine Tochter?!"
„Jawohl, Ihre Tochter, Fräulein Klara. Denn niemand weiß besser als sie. wer der Ermordete gewesen."
Der Kommerzienrat war einen Augenblick sprachlos. Er konnte nur
den Kopf schütteln und den Mann anstaunen, der ihm so unerhörte Dinge sagte.
„So, so," sagte er endlich; als wenn er nun dahinter gekommen. „Wäret Ihr nicht einer von denen, die vorhin mit draußen waren bei der Leiche?"
Mathies nickte.
„Und da hörtet Ihr," fuhr Etwold in hönischem Tone fort, „daß meine Tochter verhört werden sollte — vielleicht weil sie mit einem Aufschrei, wie es so Mädchenart ist, bei dem Toten niederstürzte. Halt, dachtet Ihr, jene Menschen sehen überall Gespenster, und auf wen sie einmal ihren Verdacht geworfen, den lassen Sie nicht mehr locker, bis Sie irgend ein Geständnis von ihm erpreßt haben. Jetzt eine glaubhafte Lüge, um das rasch erwachte Vorurteil gegen meine Tochter zu stärken, und Ihr hattet das beste Zwangsmittel gegen mich in Händen. Aber wie wenig kanntet Ihr mich da! Ich bin nicht so leicht eingeschüchtert; auch unter so außerordent- lichen Umständen nicht. Geht Eurer Wege, sage ich, und erzählt Euer Märchen an den Kommissar oder an den superklugen Herrn Assessor Soll- mann, der ja ohnehin schon die Verwegenheit hatte, die Vernehmung meiner Tochter zu verlangen. Sie werden es Euch Dank wissen, von mir habt Ihr keinerlei Rücksicht weiter zu gewärtigen."
„Es ist gut," sagte Mathies, ich kann ja auch gehen, wenn «Lie es denn durchaus wollen. Ich bemerke nur noch, daß ich nichts weiter berichten werde, als was ich mit meinem Eide erhärten kann, weil ich es mit meinen eigenen Augen gesehen habe."
Die Worte waren zu ernst und eindringlich gesprochen, als daß sie auf Etwold nicht doch einen beunruhigenden Eindruck gemacht haben sollten.
(Fortsetzung sogt.)
4
4