schützen, ohne irgendwie hervormundend einzugreifen. Bei freier Entwicklung solcher Kolonien bedarf es keiner mit deutschen Soldaten besetzten Forts, keiner Abänderung des Gesetzes über die allgemeine Militärpflicht: Es ist nur nothwendig, daß diese freie Entwicklung überhaupt ermöglicht wird, damit der Nachweis zu führen ist, daß dem als gar zu idealistisch angelegten Deutschen die für Kolonisation nö- thigen Eigenschaften durchaus nicht abgehen. Deutschland soll keine auf Eroberungen hinzielende Kolonial- politik treiben, aber es kann und darf die Gründung von Handels- und Ackerbau-Kolonien befördern und schützen, und dann werden moralische Eroberungen die Folgen und Früchte deutschen Fleißes und deutscher Gesittung sein. Was die materiellen Resultate einer Entfaltung überseeischer Kolonien betrifft, so genügt die Erwähnung eines einzigen, um der jetzigen Bewegung die volle Berechtigung zuzugestchen: an der Hand vielseitiger Erfahrungen läßt sich nämlich mit Bestimmtheit behaupten, daß deutsche Kolonien eine regere Betheiligung Deutschlands am Welthandel zur unausbleiblichen Folge haben würden, und was das bedeutet, liegt zu klar auf der Hand, als daß noch eine ausführliche Erklärung nothwendig wäre.
Potsdam, 7. Juli. Prinzessin Wilhelm wurde heute früh nach 6 Uhr von einem Prinzen entbunden.
Aus Höchst wird geschrieben: Am vergangenen Sonntag, als eben der Zug 11 Uhr 28 Minuten Bormittags von hier nach Frankfurt abgefahren war, kam ein Herr im Hochzcitsstaate auf den Perron gestürmt, um den Zug noch zu erreichen, allein es war zu spät. In höchster Erregung erzählte der Aermste nun den Umstehenden sein Mißgeschick: er wurde nämlich in Frankfurt von einer zahlreichen Hochzeitsgesellschaft und seiner Braut sehnsüchtig erwartet, mit welch' letzterer er um 12 Uhr an den Traualtar treten sollte. Er hatte, von der zur Zeit herrschenden Hitze schwer gedrückt, sich zu Hause auf dem Sopha dem Schlummergotte ein wenig anvertraut — und der hatte ihn richtig sitzen lassen. Das ist Pech!
In Velpke bei Magdeburg liegt ein löjähriges Mädchen seit dem 10. Februar d. I. in einem todten- ähnlichen Schlafe. Das arme Ding war immer körperlich und geistig schwächlich und setzte sich in den Kopf, Hungers zu sterben. Der spät herbeigerufene Arzt verordnete ihr täglich 4mal Fleischbrühe und Wein, man mußte ihr aber die Zähne aufbrechen, um den Löffel einzuführen. Seit einiger Zeit öffnet sie die Augen ein wenig beim Trinken, ohne sich sonst zu regen. Die Aerzte meinen, es liege eine schwere nervöse Störung, durch Erkrankung der Hirnrinde und des Rückenmarks hervorgerufcn, vor.
Oesterreich-Ungarn.
Prag, 5. Juli. Gleich die Eröffnungssitzung des Landtages ließ die schroffen Gegensätze der Parteien drastisch hervortreten. Der Statthalter verlas die Ernennung des Oberst-Landmarschalls und seines Stellvertreters lediglich in czechischer Sprache, was lebhafte Rufe: „Deutsch! Deutsch!" hervorrief. Die Beeidigung des ersten, Lobkowitz', erfolgte blos zcechisch, die des zweiten, Waldert's, deutsch. Fürst Lobkowitz begann seine Antrittsrede in czechischer Sprache, während welcher die Czechen aufstanden, die Deutschen dagegen sitzen blieben: als Lobkowitz in deutscher Sprache das Wort nahm, erhoben sich auch die Deutschen, so daß das ganze Haus stand. Die erste Sitzung schon zeigte, daß nunmehr der czechischen Sprache im offiziellen Verkehre der Vorrang eingeräumt ist. Die deutsche Sprache wird nebenher gebandhabt.
Karlsbad, 5. Juli. Heute wurde hier das Göthe-Denkmal enthüllt. Die Festrede hielt Heinrich Laube. Die Büste ist vom Professor Donndorf in Stuttgart.
Frohsdorf, 7. Juli. Graf Chambord empfing Mittags den Grafen von Paris und die Herzöge von Aleritzon und von Nemours, obwohl die Aerzte davon abgerathen hatten. Chambord richtete sich von seinem Lager auf, als die Prinzen eintraten und umarmte den Grafen von Paris. Die Unterredung war von kurzer Dauer. Die Prinzen verließen in tiefer Bewegung das Zimmer und kehrten alsbald nach Wien zurück.
Im TiSza-Eszlarer Prozeß verwickelte sich der Flößer Matei in seinen Angaben bezüglich des Leichenschinuggcls, während eines dreistündigen Kreuz
verhörs derart in Widersprüche, daß die Vcrtheidiger seine Versetzung in Anklagezustand wegen falscher Zeugenaussage und die sofortige Verhaftung verlangte. Gestern wurde der Angeklagte Amsel Vogel vernommen, von dem Smiloviks im Gefängnisse ausgesagt hat, daß er die fremde Leiche von ihm für 500 fl. übernommen habe, um sie auf der Theiß nach Tisza- Eszlar zu transportiren. Smiloviks hatte diese Aussage später zurückgezogen. Vogel bekannte sich unschuldig und weist nach, daß er mit Smiloviks gar nicht zusammcngekommen sein könne. Der Angeklagte erklärte ferner, daß er während der Untersuchung vielfach mißhandelt worden sei.
Nyiregyhaza, 6. Juli. jTisza-Eszlarer- Prozeß.j Der Vcrtheidiger Heimann beantragt die. Vorladung der Panduren, welche an der Mißhandlung Vogels theilgenommen haben. Der Staatsanwalt unterstützt diesen Antrag. Dr. Friedeman macht darauf aufmerksam, daß unter dem Eßlarcr Landvolke die Ansicht verbreitet sei, nicht nur, daß man gegen die Juden auch eidlich die Wahrheit nicht zu sagen brauche, sondern auch, daß das Landesinteresse die Verurtheilung der Angeklagten erfordere. Der Präsident theilt mit, er habe eine Zuschrift erhalten, wonach in einem Dorfe an der Nodrog gestern eine verkorkte Flasche gefunden worden sei mit einem Zettel darin, worauf der Maschiuen-Jngeuieur Johann Locki gesteht, daß er im Juni 1882, bevor er sich selbst ermordete, seine untreue Geliebte Julie Timas oberhalb Dada in der Theiß ertränkt habe. Der Gerichtshof wird über die Behandlung dieser Mit- tyeilung später beschließen. Der ärztliche Bericht über das Sehvermögen des Moritz Scharf consta- tirt, daß das Sehvermögen des rechten Auges bis vier und das des linken bis vierzig Meter reicht.
VielLärm u m N i ch t s! Das wäre der passendste Titel für die Komödie, die sich jetzt in Nyiregyhaza abspiclt — sagt der „lllk" in seiner letzten Nummer, und das mag ungefähr zutreffcn.
Schweiz.
Züri ch, 5. Juli. Einen eigcnthümlichen Kontrast zu dem bei der Unzahl von Festen in der Schweiz gefeierten schweizerischen Patriotismus und dem „Einer für Alle" und „Alle für Einen" bildet der Todeskampf der Stadt Winterthur, dessen Behörden öffentlich erklären, daß sie zum 1. Mal außer Stand seien, die mit 1. Juli fülligen Gehalte ihrer Angestellten und Lehrer ausznbezahlen. „Diese tiefste Beschämung" schreibt der Stadtrath, sei ausschließlich der unverantwortlichen Handlungsweise der aargauischen Brüder zu verdanken.
Italien.
Rom, 5. Juli. Auf Anordnung des Papstes begann gestern 5 Uhr, Nachmittags in der Peterskirche eine neuntägige Andacht für den Grafen Chambord.
In Rom fand am 5. ds. um 8 Uhr Morgens auf dem Kirchhof in Varano die erste Leichenver- brennnng statt. Die Leiche war diejenige des Senators Cipriani. Somit ist die fakultative Leichen- verbrcnnung in Rom eingeführt.
England.
London, 5. Juli. Der Herzog v. Marlbo- rough (1876 Vizekönig von Irland) ist gestorben.
Rußland.
Aus Warschau, 30. Juni, läßt sich derDzien- nik Pozn. über den Empfang berichten, welcher der polnischen Krönungsdeputation in Moskau durch den Zaren zu Theil geworden ist. Keiner der Polen war dem Letzteren bekannt; Graf Tolstvj, dessen Gesinnung gegen die Nation bekannt ist, ließ sich erst suchen, um die Vorstellung zu übernehmen, so daß der Monarch einige Minuten warten mußte. Endlich begann die Präsentation, wobei der Minister den am Flügel stehenden Grafen Polocki als Grafen Zamojski bezeichnete, während dieser Krankheit halber gar nicht anwesend war. Der Zar stand unbeweglich, die Polen verneigten sich, der Zar schritt weiter, kein Wort wurde gewechselt, die „Audienz" war vorüber. Die eisige Kälte, welche der doch nur befohlenen Deputation von Seiten der russischen Regierung bezeigt wurde, verleugncte sich auch hier nicht. Wegen des unerfreulichen Eindruckes, den sie empfangen, haben die Depntirten über den Hergang bisher Schweigen bewahrt, und erst jetzt ist der darüber gebreitete Schleier gelüftet worden.
Friedrichsstadt (Kurland), 5 Juli. Gestern Nachmittag ist hier Feuer ausgebrochcn. Dasselbe zerstörte gegen fünfzig Gebäude, darunter das Post
amt. 2000 Pud Flachs verbrannten. Menschenleben sind nicht zu beklagen.
Amerika.
New-Uork, 4. Juli. Bei der Einfahrt in Cincinnati fuhr gestern Abend ein Eisen bahuzug mit voller Kruft gegen einen Waggon, in welchem sich 7 Personen befanden. Dieser Waggon wurde vollständig zerschmettert und 6 Insassen getödret und gräßlich verstümmelt. Die Lokomotive war ganz mit Blut befleckt.
China.
Der ZAtung „Paris" wird unter dem 22. ds. aus Hanoi (Tonkin) gemeldet: Alle unseren tapferen Offiziere, die bei dem für uns ungünstigen Treffen getödtct oder verwundet wurden — mit Einschluß der Soldaten, 84 an der Zahl - sielen in die Hand der Leute von der schwarzen Flagge, welche ihnen die Köpfe abgeschnitten und diese dann auf Lanzen als eine Art von Siegeszeichen in allen Provinzen hcrumführtcn.
Kandel L Uerkehr.
Herrcnbcrq. 3. Juli. In de» Orte» Kayh, Münch- berg und Brcitenholz fängt jetzt die Kmcheuerule au, welche- eiucu mittleren Ertrag verspricht. Jum Brennen wurden schon mehrere Abschlüsse in Kirsche» gemacht und bis zu 42 pr.. alten Eimer bezahlt. Die Obstbäume stehen ebenfalls schön, Acpfcl gibt cs ordentlich, Birnen dagegen weniger. Die Fcld- frnchte stehen so üppig, wie schon lange nicht mehr; auch von Kartoffeln erwartet man einen grosse» Ertrag.
Eßlingen, 4. Juli. Die Kirschenznfnhr ans dem gestrigen Wochenmarktc war eine so starke, das; die Preise zeitweise bis ans 8 ^ per Psd. sanken. Der Verkauf ging lebhaft, namentlich an answäriige Händicr, welche größere Massen anskanften.
Vom oberen Neckar, 3. Juli. Die RepSernte ist bei der äußerst günstigen Witterung in vollem Gang - und liefert das Produkt in quantitativer und besonders in q.i.uitaii- vcr Beziehung ein vielversprechendes Erträgnis;. Bon Platz- Händlern wurden ca. 12 per Etr. angeboren; es inangelt aber vorerst an geputzter Waare.
Tübingen, 6. Juli. (Schweinemarkt.) Milchschweine zugcsührt ca. 500—800 St., Preise 18—36 per Paar, Läu- scrschwcine ca. 30 St., Preise 28—30 per St. Verkauf lebhaft.
Heilbronn, 5. Juli. (Wollmarkt.) Im Verlaufe des 2. n. 3. Markttags wurde beinahe Alles verkant:, argen den Schluß zn etwas weichenden Preisen. Bei feineren Qualitäten beträgt der Preis etwa 160 — 162 Abschlag gegen da-s Vorjahr 6 pCt.
(W cina n ssichte n.) Aus dem Rheingan wird geschrieben: Seit 1868 ist der Wein nicht so früh und so glücklich durch die Bliilhe gegangen, wie im gegenwärtigen; wir sind volle sechs Tage jenem gesegneten Jahre voraus) und das will viel bedeuten. Kommt nicht ein ungewöhnlich ungünstiger Sommer, so steht gutes, ja ganz Ausgezeichnetes zu erwarten.
Aer "Milchmann.
Eitle Erzählung von A. v. Rothenburg.
(Fortsetzung.)
Walther war unterdessen zu Bett gebracht worden. O, wie lag es sich' so gut in den weichen, weißen Kissen! welch ein Glück, wieder zn Hause zn sein! Bevor er entschlief, kam der Vater noch einmal, und redete ihm zugleich ernst und liebreich in das Gewissen, und da weinte er wieder, und gelobte wahrhafte Besserung.
Dem Milchmann, als er wieder auf die Straße hinanskam, schien es, als tanzten die großen Häuser rings umher auf den Spitzen ihrer Schornsteine; die ganze Welt funkelte und glitzerte, die Luft schien mit lauter Eoldflittern erfüllt.
So viel Verstand behielt er noch, daß er seine Milch überall richtig ablieferte, jeder Köchin aber erklärte er mit hochmüthigem Ton, sie möge sich nach einem andern Milchmann umthun, er wolle das Geschäft aufgeben; das Treppensteigen habe er satt, und er hätte es auch nicht nöthig n. s. w. u. s. w. Vor einem großen Laden aber blieb der Milchmann breitspurig stehen, die rechte Hand in der geräumigen Hosentasche, wo er das dick gefüllte, rothkarrirte Schnupftuch fühlte. Hinter der großen Glasscheibe sah er fette Leberwürste hangen, Hühner und Puten, Alles so hübsch zngerichlet, daß man es nur hätte in die Bratpfanne legen und in den Ofen schieben dürfen.
„Das Alles kann ich mir kaufen," dachte der Milchmann.
Er schleuderte weiter. Dort ein Laden mit Südfrüchten und anderen süßen, leckeren Sachen.
„Das kann ich mir auch kaufen, wenn ich will," dachte der Milchmann.
Zuletzt blieb er vor einer Garten-Restauration stehen, er wußte nicht recht, ob er hineingehen sollte oder nicht. Zwei elegant gekleidete Herren schritten so eben an ihm vorüber; sie mußten wohl sein unentschlossenes Gesicht bemerkt haben, denn der Eine kehrte alsbald wieder um, und ließ sich mit ihm in