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ieie plötzlich auf und er erhielt drei Streiche auf den Kopf. Der noch sehr rüstige Greis faßte nach seinem Gegner und es entstand vor der Thüre ein Kampf, der damit endete, daß der letztere seine Waffe, ein Beil des rc. Mürder und seine Mütze zurücklassend das Weite suchen mußte, während Mürder von Blut überströmt von den auf sein Hilferufen herbeieilenden Leuten zu Bett gebracht wurde. Da der Thäter, der entkam, ehe Hilfe da war, anscheinend viel kleiner ist, als Mürder, haben wohl die Streiche, welche er demselben mit dem stumpfen Teil versetzte, nicht genügende Kraft erlangt, so daß die Knochen des Schädels nicht verletzt sind und Mürder seiner baldigen Wieder- Herst'llung entgegensieht. Er hatte in einem Kasten der Stubenkammer eine grö„.re Summe Geldes liegen und zweifellos hat der Erlangung derselben der nächtliche Besuch gegolten. Der Thäter stieg nach den zurückgebliebenen Spuren durch ein Schiebfensterchen des Erdgeschosses in die Holzkammer ein, wo er das von ihm benützte Beil fand, gelangte dann nach Sprengung der Thüre in den Hauegang, von dort vor die, wie erwähnt, verschlossene Wohnstube im ersten Stock, die er mit Hilfe des Beils öffnete. Leider erkannte Mürder nicht allein den Thäter nicht, sondern er ist auch nicht im Stand, ihn irgendwie näher zu beschreiben, so daß, da auch die Mütze, welche nach Stoff und Form den in ländlichen Kreisen vielfach getragenen Kopfbedeckungen zugehörl, keine sicheren Anhaltspunkte bietet, die Nachforschungen nach dem Thäter, welche sofort energisch eingeleitet wurden, sehr erschwert sind.
Marbach, 1. März. Gestern fand hier im Gasthaus zum Adler eine Versammlung des Altertumsvereins für das Murrthal und Umgebung statt, bei welcher von O.-A.-Baumeister Hämmerle aus Backnang u. A. Bericht erstattet wurde über das auf Kosten des Vereins in Murrhardt ausgegrabene, bezw. in seinen Umfassungsmauern bloßgelegte römische Kastell. Oberpräz. Drück erklärte die bei Gelegenheit dieser Nachgrabung aufgefundenen Bruchstücke zweier Jnschriftplatten, die schon die lebhafte Aufmerksamkeit verschiedener Gelehrten, darunter des Geschichtsprofessors Mommsen, erregt haben. Geometer Haidlen sprach über eine von ihm begangene Römerstraße, die von Rielingshausen her gegen Backnang führt, deren Spuren aber großenteils verwischt sind und nur deshalb verhältnismässig leicht sich verfolgen lassen, weil die Straße ihre geradlinige Richtung unbekümmert in Berg und Thal beibehält. O.-A.-Arzt Schwandner sprach darüber, wie man, nach seiner vielseitigen Erfahrung, in der Nähe alter Burgruinen immer noch zahlreiche und wichtige Altertumsfunde machen könnte; er zeigte hiebei Pfeilspitzen, die vor der Ruine Wolfsölden, die allerdings jetzt fast gänzlich abgetragen und für Bauzwecke verwendet worden sei, sich sehr häufig vorsinden. Der Verein zählt jetzt über 180 Mitglieder, ein Ergebnis das man hauptsächlich der Rührigkeit des Vorstands Hämmerle und der übrigen Ausschußmitglieder verdankt.
Karlsruhe, 26. Febr. Gerhard Rohlfs sprach heute abend im Museum in Anwesenheit des Großherzogs, des Prinzen Karl und Gemahlin und einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft über „die Ostküste Afrikas und Sansibar". Von einer deutschen Kolonisation ist, so führte Redner aus» erst seit Wiederaufrichtung des D. Reichs die Rede. Während aber in Frankreich und in England die Regierung mit Waffengewalt kolonisiert (Birma, Madagaskar, Tonkin), geschieht dies bei uns auf friedlichem Weg durch das Volk. Afrika ist zur Kolonisation geeignet; im Vergleich mit dem ihm ähnlichen Südamerika hat es mehr Wasser als letzteres, das an Seen nur den Titi- caca besitzt, der allerdings so groß ist, wie Bayern und Württemberg zusammen, aber sämtliche Seen des kolonisationsfähigen Afrika sind zusammen größer als Deutschland. Das Klima kann auch der Deutsche, der sich überall angewöhnt , ertragen lernen. Ec darf nur, da unter den Tropen das Thermometer bei Tag und bei Nacht nie unter 25 Gr. sinkt, die Wollkleidung vermeiden und sich an Baumwolle halten, ebenso schwere Speisen und Getränke. Unter den Tropen gedeiht alles; für den Handel ist besonders in Sansibar
das Elfenbein wichtig, auch die Straußenzucht lohnt sehr. Die einheimische Bevölkerung arbeitet zwar, aber nur das Nötigste. Sie ist den Deutschen freundlich gesinnt, sofern nicht mohamedanischer Fanatismus ins Spiel kommt. Man findet in Sansibar vielen äußern Glanz, aber im Innern viel Fäulnis, so daß die Kultur eine große Aufgabe hat. Viel haben schon die Basler und andere Missionen gethan, und wenn in der richtigen Weise fortgefahren wird, so dürfte der östliche Teil Afrikas für die deutsche Kolonisation bald von ganz besonderer Bedeutung werden.
Wevmischtes.
— Deserteur. Vor einigen Tagen wurde in Kaiserslautern ein Mensch entdeckt, der nach den Kämpfen bei Metz im Jahre 1870 mit Sack und Pack bei dem Regiment Nr. 117 desertiert und in den Regimentslisten als vermißt aufgeführt war. Der kecke Versuch, Papiere aus der Heimat, einem Dorfe bei Worms, behufs seiner Verheiratung zu erlangen, führte zur Entlarvung des Deserteurs, der sich seit 1873 unter falschem Namen in Kaiserslautern aufgehalten halte. Und dabei prangt der Name des Ausreißers auf der Ehrentafel, welches das Regiment seinen im Heldenkampf gefallenen Kameraden errichten ließ!
Briefliche Kuren. Der Umstand, daß bei der Redaktion der „Gartenlaube" täglich Briefe einlaufen, in welcher die ärztlichen Mitarbeiter derselben um Heilmittel gegen diese oder jene Krankheit ersucht werden, ver- anlaßte dieselbe, einen der hervorragensten Aerzte Deutschlands um ein Urteil über den Wert der brieflichen Kuren zu bitten. Die hierauf erhaltene Antwort druckt nunmehr die „Gartenlaube" in Nr. 8 dieses Jahrganges als selbstständigen Artikel unter dem Titel „Briefliche Kuren. Als Warnung mitgeteilt von einem langjährigen praktischen Arzte" ab. Die Frage, was von den brieflichen Kuren zu halten sei, wird darin auf das Absprechendste beantwortet. Da dieses Thema von der größten Wichtigkeit ist, glauben auch wir im Interesse unserer Leser einige Auszüge aus dem obengenannten Artikel bringen zu müssen. „Den größten Schaden," schreibt der Verfasser, „sah ich von brieflichen Kuren bei chirurgischen Leiden. Bei einem Knäbchen, dessen Haltung sich täglich verschlimmerte, dessen Rücken sich krümmte, dessen Kniee sich bogen, wurde brieflich gerathen, mit Strenge auf gute Haltung zu sehen und täglich Gymnastik zu treiben. Da aber darauf hin das kranke Kind täglich schlechter wurde, brachte man es mir, und ich fand, daß die angewandte Gymnastik in traurigster Weise den Beinfraß der Rückenwirbel zum vollsten Ausbruche brachte, während wir Aerzte uns in solchen Fällen Tag und Nacht mühen, dieses schreckliche Leiden durch Ruhe und Schonung zu verhüten. Nach Mitteilung eines zweiten ähnlichen Falles fährt der Verfasser fort: Wenn es nun bei so einfachen sichtbaren und greifbaren Uebeln solch' unglückliche Irrungen gisbt, wie wird es erst bei Krankheiten, deren Symptome schwerer von einander zu unterscheiden sind! Aerzte, welche 10 und 12 Jahre fleißig gelernt und das Lesen und Studieren nie aufgegeben haben, müssen alle ihre Sinnesorgane anstrengen, Gesicht, Gehör und Gefühl im höchsten Maße ausnützen und nebst sorgfältiger Beobachtung mit mikroskopischer und chemischer Untersuchung nachforschen, um die krankhaften Veränderungen des komplicierten, wunderbar organisierten menschlichen Körpers richtig herauszufinden. Wer es weiß, welche Schwierigkeiten hierbei zu überwinden sind, der kann von brieflichen Kuren mit sehr wenig Ausnahmen nur mit Abscheu sprechen und wird darin meist nur eine verbrecherische Ausbeutung der armen Kranken erblicken."
Der Leichtsinn, mit welchem man nur zu häufig einen Schnupfen, Husten, oder Katarrh unbeachtet läßt, indem man glaub!: .Es wird schon wieder von selbst vergehenhat schon Manchem eine schwere Erkrankung zugezogen. Nimmt man stets sofort von den bewährten, auf wissenschaftlicher Basis beruhenden Apotheker W. Vvß'schen Kalarrhpillen, so wird die Ursache der Erkrankung alsbald beseitigt und eine weitere Gefahr dadurch ausgeschlossen. Voß'sche Katarrhpillen sind erhältlich in den Apotheken. Jede ächte Schachtel trägt den Namcnszug vr. msä. Wittlinger's.
„So thun Sie, was — Sie müssen!" rief zornglühend der alte Herr. „Beschimpfen Sie meinen durch Jahrhunderte vererbten ehrlichen Namen, brandmarken Sie mein Haus als eine Mörderhöhle — immerhin! Ich werde aber nicht ermangeln, an höherer Stelle Genugthuung über die mir ange- thane Schmach zu fordern."
Der Kommissar zuckte mit einem kalten Blick auf Etwold die Achseln, und dieser ging mit raschen Schritten seinem Hause zu.
2. Kapitel.
Was der rote Mathies gesehen.
In arger Verstimmung und großer Unruhe weilte der Kommerzienrat ln seinem Privatkomptoir.
Im Vorbeigehen hatte er bei seiner Tochter vorgesprochen. Sie war aus ihrer Ohnmacht noch nicht erwacht. Er hatte nach dem Hausarzt gesandt.
Jetzt blätterte er nervös in den Zeitungen. Er wollte sich zur Ruhe zwingen, indem er den Kurszettel studierte. Aber die Buchstaben und Zahlen tanzten vor seinen Augen. Unwillig warf er das Blatt weg. Er klingelte. Der Büreaudiener Jonas kam.
„Herr Duprat noch nicht da?" fragte Etwold. Jonas verneinte. „So ehen Sie einmal auf sein Zimmer. Er möge sogleich zu mir kommen; ich abe wichtiges mit ihm zu besprechen."
Der Diener ging, kehrte aber bald zurück und meldete, daß Herr Duprat aus seinem Zimmer nicht sei, sein Bett sei unberührt und Frank, der Pförtner, wollte gesehen haben, wie er zur Nachtzeit mit einer leichten Reisetasche das Haus verließ. Er ging durch die Seitenpforte hinaus.
Ein jäher Schreck überkam Herrn Etwold; aber den lauernden Blick des Dieners auf sich gerichtet sehend, zwang er sich, ruhig zu erscheinen.
Es war dies ein Mann mit bescheidenem Wesen und mit stetem, sauersüßem Lächeln im Gesicht, sonst aber mit einem verschmitzten Blick in den kleinen, beweglichen Augen. Seine übrige Erscheinung war, seiner bescheidenen Stellung entsprechend eine dürftige. „Es ist gut, Jonas," sagte er, „Sie können gehen."
Der Diener entfernte sich, kehrte aber sogleich mit einer inzwischen abgegebenen Depesche zurück. Dieselbe kam von Duprat und lautete: „Unglückliche Nachrichten von unserem Hause in M. Auf dem Wege dorthin; kehre sobald als möglich zurück. Wollte das letztnächtige Vergnügen damit nicht beeinträchtigen."
Das klang beruhigend, und doch schien jetzt Etwolds Unruhe ihren höchsten Grad erreichen zu wollen. Er starrte wie vernichtet auf das Blatt.
„Von M.," murmelte er, „und hier die Polizei. Sie dürfen nur in den Keller hinabsteigen, um zu finden —"
Er brach kurz ab, als nach leisem Pochen die unverschlossene Außenthür sich öffnete und die Gestalt des roten Mathies, des nach seinen roten Haaren so benannten Privatkutschers Etwolds, sich hereinschob.
„Was wollt Ihr hier noch?" herrschte der Kommerzienrat ihn an. „Ich wähnte Euch schon aus dem Hause. Habt Ihr Euren vollen Lohn an der Kasse nicht ausbezahlt erhalten?"
„Habe denselben noch gar nicht erhoben," sprach der sommersprossige lange Mensch, dessen unsympathisches Aeußere noch durch ein Paar grünlich schillernde Augen erhöht wurde, mit verlegenem Lächeln; „und wenn es dem Herm gefiele, möchte ich es auch jetzt lieber unterlassen."
„Jetzt? Warum?" fragte kalt ablehnend Etwold. „Ihr wart ja ehedem ganz einverstanden mit Eurer Entlassung für den heutigen Tag."
„Ja das war vor dem Morde," sprach, noch immer verlegen, der rote Mathies.
Etwold blickte erstaunt empor. „Vor dem Morde?" wiederholte er „Was hat denn das mit Eurer Entlassung zu thun?"
„O, sehr viel," entgegnete schon kühner der Rote, „sehr, sehr viel."
„Was mich doch aber nichts angeht," polterte der Kommerzienrat, „so wenig wie die ganze dumme Geschichte da draußen. „Ich habe den Menschen ja nie mit Augen gesehen."
„Nein — Sie nicht — allerdings," sprach zögernd der Kutscher.
„Sie vielleicht?" fragte Etwold scharf.
(Fortsetzung sogt.)