61 . Jahrgang.

Mro. 26 .

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Erscheint Iienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen März 1886

Abonnementspreis halbjährlich 1 »L 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

'FoMische Wachvichterr.

Deutsches Reich.

Der Kaiser nahm gestern Vormittag nach einer gut verbrachten Nacht einige Vorträge entgegen, erteilte später dem Professor Schliemann eine längere Audienz und empfing mehrere höhere Militärs. Nachmittags empfing der Kaiser den Staatssekretär v. Bötticher sowie eine Abordnung von Webern vom Niederrhein in besonderer Audienz.

Karlsruhe, 1. März. Der Erbgroßherzog ist seit einigen Tagen an Gelenksrheumatismus erkrankt. Das heute ausgegebene ärztliche Bulletin lautet:Nachdem die rheumat sche Erkrankung des Erbgroßherzogs bis zum Freitag unter geringen Schwankungen sehr mäßig verlaufen war, steigerte sich am Nachmittag dieses Tages die Temperatur und wurden bis heute unter Anhalten des höheren Fiebers successive die größeren Gelenke des Körpers befallen. Komplikationen sind nicht vorhanden, namentlich ist das Herz voll­ständig frei."

Missions-Inspektor Zahn hat vor kurzem einen offenen Brief an den Reichstagsabgeordneten Wörmann veröffentlicht, welcher denselben mit Bezug auf seine nach Westafrika betriebene Spirituosen«.usfuhr heftig angriff. In dem Briese wird die Verderblichkeit des angeblich massen­haft in Afrika eingeführten Branntweins für die Neger näher erörtert und der Branntweinhandel unter heidnischen Völkern fürehrlos" erklärt. Wör­mann hat jetzt aus den offenen Brief eine offene Antwort erteilt, in welcher er den Nachweis führt, daß di^ Behauptungen des Zahn übertrieben, find und auf Unkenntnis der Verhältnisse beruhen. Er weist nach, daß die that- sächlich nicht mehr als 5 Millionen Mark betragende Spirituosenausfuhr seiner Firma sich auf eine Strecke von etwa 3000 englische Meilen und auf ein Gebiet verteile, dessen Einwohnerzahl auf mindestens 100 Millionen zu schätzen sei. Der nach Afrika ausgeführte Branntwein sei, wie wiederholt angestellte Untersuchungen ergeben hätten, völlig frei von gesundheitsschädlichen Stoffen, und durch die langjährigen Erfahrungen seiner Firma sei festgestellt worden, daß ein mäßiger Branntweingenuß dem Neger nicht nur nicht schade, sondern als ein gutes Reizmittel angesehen werden könne, um ihn zur Arbeit zu ver­anlassen. Außerdem weist Wörmann darauf hin, daß es sich hier um eine wichtige Ausfuhrindustrie handle, an der viele Tausende von deutschen Arbei­tern beteiligt feien, welche in der Branntweinproduktion und den zahlreichen mit ihr verbundenen Geschäftszweigen (Kistenfabrikation, Glasfabrikation,

Korbflechterei, Korkschneiderei, Böttcherei) ihren Unterhalt finden. Es sei eine falsche Sentimentalität, die danach trachte, einen so wichtigen Geschäftszweig Deutschlands zu unterbinden und zu beschränken.

Hcrges-Werrigkeiten.

Am Sonntag, den 28. ds. ging der Strumpfweber Fr. R. von Neubulach nach Nagold und kehrte an diesem Tage nicht mehr zurück. Gestern am 2. März fand man nun den Vermißten zwischen Nothfelden und Schönbronn, wohin er sich wahrscheinlich durch das Schneegestöber am Sonntag verirrt hatte und schließlich erlahmt war, erfroren.

Ihre Majestäten der König und die Königin von Württemberg haben dieser Tage in Nizza zahlreiche Audienzen erteilt, Besuche empfangen undrffinladungen zur Tafel ergehen lassen. Von fürstlichen Personen er­wähnen wir: Se. Hoh. den Prinzen Herrmann v. Sachsen-Weimar, Se. Hob. den Fürsten v. Hohenzollern, den Herzog v. Leuchtenberg; von anderen Personen Graf und Gräfin Schuwaloff, Graf Potocki, Frhr. v. Arnim u. s. w.

Pforzheim, 1. März. Der hiesige Kunstgewerbeverein hat soeben das 8.Musterblatt", enthaltend Entwürfe zu Schmuckgegenständen von Mitgliedern des Vereins (Lichtdruck von E. Koch dahier), herausgegeben. Das Blatt enthält 12 Entwürfe von Gold- und Silberschmuckgegenständen verschiedener Art, welche sich durch edle Formen und einen durchgebildeten Geschmack auszeichnen. Die meisten Entwürfe sind von frühern und jetzigen Schülern der hiesigen Kunstgewerbeschule und es macht sich auch hiebei der woAHätige Einfluß dieser Anstalt in erfreulicher Weife geltend. Der hiesige L- i'cr'd t r a k hat nach Umlauf der Zeit, für welche die Erhebung einer Verbrauchssteuer genehmigt worden war, bei der großherzogl. Negierung die Genehmigung der Erhebung auf weitere 6 Jahre nachgesucht. Diese hat aber, und zwar auch auf ein wiederholtes Gesuch die Erhebung vorerst nur auf 1 Jahr genehmigt.

Eßlingen, 1. März. Die hiesige Maschinenfabrik ist gegenwärtig mit Lokomotiven-, Wagen- und Kesselbau vollauf beschäftigt. Für einzelne Arbeiter wurde die Arbeitszeit bis 8 Uhr abends verlängert.

Groß-Süßen, 28. Februar. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wachte der 79 Jahre alte frühere Taglöhner Thomas Mürber hier, der als kinderloser Witwer allein sein etwas abgelegenes Häuschen be­wohnt, an einem Geräusch auf und als er von seinem im Wohnzimmer stehen- den Bett aufgestanden an die zuvor von ihm abgeschlossene Thür kam, ging

§ euilleton.

Die Falschmünzer.

Kriminal-Roman von Gustav Lössel.

(Fortsetzung.)

Wie sieht denn der Herr aus?" fragte er endlich.Wenn er zu meinen Gästen gehörte, müßte ich ihn doch gesehen haben, da um zwölf Uhr demaskiert wurde."

Der Herr war überhaupt nicht maskiert," wandte Soltmann ein.

Das ist nicht möglich," erwiderte Etwold.Er hätte dann keinen Einlaß gefunden. Es war Verabredung zwischen uns, daß Alle maskiert erscheinen sollten. Aber wie sieht der Ermordete aus?"

Die Beschreibung wurde gegeben. Der Hausherr schüttelte den Kopf. Nein," sagte er fest,eine solche Person ist auf meinem Feste nicht ge­wesen."

Auch nicht unter ihrem Hauspersonal?" fragte Soltmann.

Nein. Ich kenne jeden Einzelnen desselben und habe Diener genug, um bei festlichen Gelegenheiten keine neuen Leute zu benötigen. Uebrigens kann Ihnen mein Prokurrist, Herr Duprat, mit dem zusammen ich sie auf­gesetzt, die Liste der Geladenen vorlegen. Sie befinden sich auf falscher Fährte, meine Herren, und ich kann nicht genug bedauern, daß mein Haus der Ausgangspunkt derselben geworden."

Herr Kommerzienrat, die Fußspuren I" erwiderte der Kommissar. Vielleicht nehmen Sie dieselben einmal selbst in Augenschein und auch die Leiche, die unweit von hier liegt."

Etwold' überlegte einen Augenblick, dann nickte er stumm und ging jenen voran hinaus.

Diese Scene war nicht ohne Zeugen geblieben.

Klara Etwold hatte von dem Diener erfahren, um was es sich handle; sie war ihrem Vater bis unter die Thür des Verhandlungszimmers gefolgt, wo sie, von einer Portiere verdeckt, den Auftritt belauschte.

Diese Neugierde der jungen Dame war aus dem ungewöhnlichen Anlaß wohl entschuldbar, aber höchst auffallend war die Veränderung, welche mit ihr vorging, als Soltmann die Person des Ermordeten beschrieb. Und als jene jetzt hinausgingen, stand sie da, blaß und wankend, wie das verkörperte Gespenst der entdeckten Schuld.

Von einer unbesiegbaren, verhängnisvollen Macht getrieben, folgte sie leise den Voraufgegangenen; auch einige vom Hauspersonal drängten später neugierig nach, so daß die Beamten ihrer nicht achteten. Dies geschah erst am Thatort, wo Soltmanns Auge bei einem raschen Umblick wie gebannt auf ihr hasten blieb. Klara merkte das nicht. Sie blickte stier, mit einem irren Ausdruck auf die Gestalt des Ermordeten.

Etwold betrachtete kopfschüttelnd und mit unverkennbarem Grauen das im Tode erstarrte Antlitz des Ermordeten, sie aber glitt gespenstisch näher. Plötzlich that sie einen hastigen Schritt vor, ihre Lippen öffneten sich, als wenn sie einen Namen nennen wollte; im selben Augenblick aber sank sie mit einem Aufschrei ohnmächtig zusammen und dem hinzuspringenden Solt­mann, der sie genau beobachtet hatte, in die Arme.

Der Kommerzienrat war sehr aufgebracht darüber, daß man seine Tochter nicht verhindert hatte, hierher zu kommen und schalt auf das Diener- gefolge, deren weiblichem Teil er nun befahl, die Ohnmächtige nach ihren Zunmern zu tragen. In übler Laune wiederholte er den Beamten, daß er den Ermordeten auf seinem Feste nicht gesehen habe und entschuldigte sich mit dringenden Geschäften.

Um Vergebung, Herr Kommerzienrat," sagte der Kommissar, damit können wir uns aber noch nicht zufrieden geben. Sie müssen uns schon noch gestatten, Ihr Hauspersonal zu vernehmen."

Und auch Ihr Fräulein Tochter," fügte Soltmann mit einem Blick auf den Kommissar hinzu.

Etwold stand wie versteinert. Er glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen.

Meine Tochter verhören?" stammelte er.Das ist wohl"

Unsere Pflicht," erwiderte kurz der Kommissar.