Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne : Trägerlobn) 90 -t, in dem Bezirk l ^ 20 *! außerhalb des Bezirks 1 40 -l. Monats­

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Dienstag den 12. Juni.

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wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 -l, bei mehrmaliger je 6 Die Inserate müssen spätestens Morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1883

Amtliches.

Nagold.

Un die Grtsvorsteyer.

Dieselben werden aufgefordert, den neuesten Pacht-Bertrag über die Farreuhaltung einzusendcn, mit einer Anzeige, ob und welche Sprunggelder ein­geführt sind. (Art. 4 des Gesetzes über die Farren- haltung und Z. 7 der Vollzugs-Verfügung.)

Den 8. Juni 1883.

K. Oberamt. Güntner.

A«rfr«f xnr Gimrrdurrg einer Arbeiter- kslonie in Württemberg.

Der Zweck, welcher mit der Gründung von Arbeiterkolonien erreicht werden will, ist, einer grö­ßeren Anzahl männlicher Arbeiter, welche seither auf den Straßen unseres deutschen Vaterlandes Wochen-, sa monatelang fern von der Heimat oder als hei­matlos ohne Arbeit umhergezogen und ihren Neben­menschen zur Last gefallen sind, sei es weil sie keine regelmäßige Arbeit gefunden haben, fei es weil sie keine finden wollten, durch Aufnahme in eine solche Anstalt Gelegenheit zur regelmäßigen Arbeit und eben damit die Möglichkeit zur Neugestaltung ihres seitherigen Lebenswandels zu gewähren.

Die Grundlage dieser Kolonie ist die Fre i- willigkeit. Hervorgegangen aus der freiwilligen Vereinigung von Menschen- und Armenfreunden, kann es nicht die Aufgabe eines solchen Unterneh­mens sein, an die Stelle des Staates oder der ver­schiedenen Körperschaften, deren gesetzliche Obliegen­heit es ist, für Unterstützungsbedürftige zu sorgen, einzutreten. Ebendcßhalb besteht bei der Arbeiter- kolouie keine Zwaugspflicht zur Aufnahme jedes Arbeitslosen, welcher sich an sie wendet; sie ist bei der Aufnahme zunächst an die Größe der ihr zu Gebote stehenden Räumlichkeiten und ihrer verfüg­baren Mittel gebunden, sie mit als Bedingung des Verbleibens eines Aufgenommenen mit aller Ent­schiedenheit die Achtung ihrer Einrichtungen, ihrer Hausordnung verlangen und demgemäß das Recht sich Vorbehalten, bei Nichterfüllung dieser Forderung den Einzelnen aus der Kolonie auszuweisen. Ande­rerseits ist auch der Eintritt des Pfleglings ein freiwilliger, sein Verbleiben in der Anstalt ein frei­williges, ebenso steht ihm der Austritt aus derselben, vorbehältlich etwaiger Ersatzansprüche der Anstalt, jederzeit frei.

Die Mittel zur Erreichung ihres Zweckes sind für die Arbeiterkolonie Arbeit und Zucht. Die durch fortgesetzten Müßiggang heruntergekom­menen Menschen können nur durch Gewöhnung an geordnete Arbeit gebessert werden. Es ist dieses aber auch erfahrungsgemäß in der Regel ein sicher wirkendes Mittel, vorausgesetzt, daß Hand in Hand mit der Gelegenheit zur Arbeit eine durch eine feste Hausordnung geübte Zucht geht. Die ganze Kolo­nie aber muß auf entschieden christlicher Grund­lage ruhen und von lebendigem christlichem Geiste durchdrungen sein. Gottesfurcht und Gottesliebe müssen in ihr walten, wenn sie ihr hohes Ziel er­reichen soll, wirklich gebesserte Menschen aus derselben ausziehen zu lassen. Mit dem Ausscheiden soll aber für den Einzelnen nicht das geknüpfte Band gelöst werden, die Aufgabe der Verwaltung der Kolonie soll es sein, dem Ausziehenden eine Stätte ausfinden zu helfen, wo durch regelmäßige Arbeit, sei es als Knecht oder sonstwie, das angefangene gute Werk der Wiederaufrichtung des Einzelnen fortgesetzt wird.

Eben die sittliche Wiederaufrichtuug des Auf­

genommenen, welcher durch Müßiggang gesunken ist I oder zu sinken droht, ist das hohe Ziel der Kolonie. Sie fragt daher bei der Aufnahme nicht ängstlich nach der Vergangenheit des Aufzunehmen­den und wird auch die Aufnahme eines entlassenen Sträflings nicht grundsätzlich verweigern; die uner­läßliche Voraussetzung für die Aufnahme von Seiten des um Aufnahme Ansuchenden ist nur der entschie­dene Wille, sich durch gewissenhafte Arbeit und getreues Befolgen der Hausordnung mit Gottes Beistand wieder zu einem nützlichen Mitglieds der menschlichen Gesellschaft emporzubringen.

Unrichtig wäre die Annahme, als wollte und könnte durch die Gründung von Arbeiterkolonieen die so wohlthätig wirkende Naturalverpflegung der Wandernden überflüssig gemacht oder gar besei­tigt werden. Im Gegentheil wird die Erhaltung der Naturalverpflegung in den Theilen Deutschlands, wo sie bereits besteht, und deren Ausdehnung auf alle deutsche Gauen, wo sie noch nicht besteht, ge­wünscht, da sie eine höchst wichtige Ergänzung und Sicherung der Wirksamkeit der Arbeiterkolonieen bil­det. Sie ist es besonders dann, wenn nach einem Vorgänge der Mutterkolonie Wilhelmsdorf in West­falen die einzelne Anstalt in der Regel nur die An­gehörigen der Landestheile aufnimmt, welche mit derselben in organischer Verbindung stehen und sie regelmäßig unterstützen. Und wenn aus Anlaß der Gründung von Arbeiterkolonieen die Naturalverpfle­gung mit Hilfe der Staatsbehörden die oft gewünschte einheitliche Regelung und Organisation erhält, so werden auch die Freunde dieser nützlichen Einrichtung damit zufrieden sein.

Schließlich ist noch vor der Annahme zu war­nen , daß mit der Gründung von Arbeiterkolonieen das Betteln und arbeitslose Herumziehen vollstän­dig aufhören werde. Wird auch nur eine erheb­liche Minderung dieser Landplage erzielt, so ist schon Großes erreicht.

Die Unterzeichneten haben sich auf dem Boden der vorstehenden Darlegung geeinigt, auch für Würt­temberg die Gründung einer Arbeiterkolo- n i e anzustreben. Zur Erreichung dieses Ziels wen­den sie sich an Alle, welchen die Besserung unseres Volkslebens am Herzen liegt und welche in der Lage und gewillt sind, mit Rath und That au diesem Werke wahrer Menschenliebe mitzuwirken. Die Aufgabe ist groß und schwierig. Vor Allem handelt es sich um Aufbringung der erforderlichen Geldmittel. Zu­nächst ist die Beschaffung einer Summe von minde­stens 50 000 cM in Aussicht zu nehmen, wenn die neue Schöpfung nicht von Anfang in allzu beschei­dener Weise angelegt werden soll. Zu deren Be­schaffung bitten wir um Zeichnung von kleineren oder größeren unverzinslichen oder nieder verzins­lichen Darlehen oder einmaligen größeren Gaben. Daneben ist aber eine fortlaufende Einnahme für die Verzinsung und allmälige Rückbezahlung der Dar­lehen, sowie für den regelmäßigen Betrieb der An­stalt, welche nach ihrer Aufgabe und nach den an anderen Orten gemachten Erfahrungen eine Reihe von Jahren wohl nicht ohne Zuschuß wird bestehen können, durch Zuwendung von regelmäßigen Jahres­beiträgen erforderlich, um welche wir gleichfalls bitten. Nicht weniger aber als die Unterstützung durch Geld­mittel ist die Unterstützung des Werks durch die Weckung und Pflegung des Verständnisses für die­ses Werk erforderlich, damit dasselbe in unserem Lande immer mehr Boden gewinne und Wurzel fasse und neben so vielen anderen wohlthätigen An-

I stalten emporwachse und Frucht bringe zum Heil unseres Volkes. Einige andere deutsche Staaten sind bereits vorangegangen. Unser wegen seiner Wohlthätigkeit im übrigen Deutschland so oft ge­rühmtes Württemberg sollte auch hier nicht Zurück­bleiben. Darum muthig ans Werk, mit Gottes Segen wird es auch gelingen.

Im Mai 1883.

Beringer, Reinh., Kaufmann, Stuttgart. Buuz, I., Helfer, Winnenden. Burkhardt, G., Pfarrer, Gaisburg. Camerer, Oberamtsarzt, Dr., Niedliugeu. Clausnitz er. Fr., Reg.-Rath, Stuttgart. Distel, Notar u. Abgeordne­ter , Stuttgart. Elben, Eduard, Stuttgart. Elwert, Oberamtmann, Saulgau. Fischer, Gemeinderath, Stutt­gart. Gmelin, Oberamtsrichter, Reutlingen. Goll, Ho­spitalpfleger, Biberach. Griesinger, v., Geh. Lcg.-Rath, Stuttgart. Groß, G., sen., Kausm., Reutlingen. Gült- ling cn, v., Frhr., Landes-Ger.-Rath u. ritterschaftl. Abg., Ravensburg. Hartmann, P., Fabrikant, Heidenhcim. Hochcisen, Baurath, Böblingen. Hohenlohe-Wal­denburg, Fürst, Kupferzell. Huzel, Oberamtmann, Blau- beurcn. I osenh ans, Joh., Kausm., Stuttgart. Kappus, Pfarrer, Entringen. Klett, Dr. med., Heilbronn. Län­derer, Jnsp. u. Abg., Göppingen. Lang, v., Prälat, Ulm. Nestl e, Landesgerichtsrath, Stuttgart. Pclargus, A., Kausm., Stuttgart. Ramm, Oekonomierath u. Abg., Stuttgart. Schittenhelm, Stiftungspfleger, Heilbronn. Schwend, Oberamtmann, Künzelsau. Stähle, Gemeinde­rath, Stuttgart. Teichmann, Stadtdekan, Stuttgart. Böhringer, I. G., Kaufmann, Stuttgart. Wanner- Rominger, O., Kausm., Stuttgart. Wendler, Fabrikant und Abg., Gomaringen. Werner, Gustav, Reutlingen. Werner, v., Präsident, Stuttgart. Wünsch, Oberamts- pfleger, Frcudenstadt. _

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Tübingen, 8. Juni. Für die hiesigen Schwur­gerichtssitzungen des II. Quartals l. I. wurden u. a. folgende Herren als Geschworene gezogen: Böckle, I. M., Gcmeinde- rath in Oeschelbronn, Frei, K. F., Ochsenwirth und Gcmein- dcrath in Beihingen, Großmann, I. G., Bauer in Wenden, Lutz, A., Kunstmüller in Calmbach, Ottmar, I. M., Ge­meinderath in Unterjesingen, Paulus, G., Gemeinderath zu Gärtringen, Rapp, I., Obermüller in Haiterbach, Rau, R., Gutsbesitzer in Gächingen.

Stuttgart, 7. Juni. Die Vorbereitungen zur Gründung einer Arbeiterkolonie für Würt­temberg machen erfreuliche Fortschritte. Ein von 36 Männern erlassener Aufruf (s. oben) um Beiträge für das Unternehmen hat bereits schöne Erfolge ge­habt, indem eine Reihe von Zeichnungen für ein^un- verzinsliches Darlehen eingegangen, ebenso verschie­dene größere einmalige Gaben und regelmäßige Jah­resbeiträge zugesagt, zum Theil schon eingezahlt wordest. Von Seiten der Amtskorporation Blau­beuren ist ein unverzinsliches Darlehen von 1000 zunächst auf 5 Jahr in Aussicht gestellt. Aus dem Kabinet S. M. des Königs, Höchstwelchem der Auf­ruf von dem prov. Ausschüsse vorgelegt worden ist, ist ein Schreiben eingegangen, nach welchem Seine Majestät dem neuen Unternehmen, dessen gemein­nützige und wohlthätige Zwecke sich der vollen An­erkennung des Königs zu erfreuen haben, den besten Erfolg wünschen. H^rch in Hand mit den Bestreb­ungen zur Beschaffung der erforderlichen Geldmittel gehen die Bemühungen auf Auffindung eines für die Kolonie geeigneten Grundstückes, und hoffen wir in nicht zu ferner Zeit in der Lage zu sein, hierüber Näheres mittheilen zu können. Wir wünschen diesen Bemühungen und dem neuen Unternehmen den besten Erfolg und Gottes Segen.

Ein Extrazug StuttgartBerlin und zu­rück wird von Ehr. Tröster dahier veranstaltet. Die Abreise erfolgt am 20. Juni, die Dauer der Exkur­sion ist auf 8, der Berliner Aufenthalt auf 6 Tage berechnet. Der Preis für ein Retonrbillet 3. Klaffe