daß ganz Moskau mit allen Gästen und Einwohnern während der Festtage im Banne der entsetzlichsten Furcht stand. Der Figaro-Chroniqueur schreibt, er könne es ja jetzt, da die Feste glücklich überstanden ieien, eingestehen, daß alle Seelen, die in Moskau der Krönung beigewohnt hätten, von Angst erfüllt gewesen seien. In dem Hause, in welchem er wohnte, hatten die Damen sich mit ländlicher Kleidung versehen, um im Falle der Katastrophe sich als Bäuerinnen verkleiden, und in dieser Verkleidung sicher entrinnen zu können. Tausende von Menschen hatten die Stadt verlassen, Familienväter, welche die Stadt nicht verlassen dursten oder konnten, sandten ihre Kinder aufs Land, damit diese wenigstens weit von der Gefahr seien. In den Festsälen, auf den Straßen und Plätzen, überall sah man bleiche Gesichter. Als endlich die Festlichkeiten vorüber waren, sank jedem der Theilnehmer ein Alp von der Brust. Die Einwohner Moskaus jubelten und geriethen in einen Freudentaumel darüber, daß Alles gut abgelaufen sei.
Amerika.
Am Panama-Kanal hat am 15. April ein großes Feuer Matachin, die Hauptniederlassung der Arbeiter und Ingenieure im Gebirge, fast vollständig zerstört. Ueber hundert Häuser und viele Verkaufshallen und Schänken sind zerstört. Der Hauptverlust trifft die Kanalkompagnie. Man nimmt an, daß das Feuer böswillig angelegt worden sei, hat aber den Thäter noch nicht ermittelt. Der Ort hatte über 700 Einwohner. Die Häuser bestanden fast nur aus Bambusrohr und Brettern, waren mit Schilf und Palmblättern bedeckt und brannten, am Ende der trockenen Jahreszeit, wie Zunder.
Afrika.
Der Tod Abd-el-Kaders wird bestätigt. Er war ein alter Löwe geworden, aber so angesehen, daß uicht einmal die bekannten Esel nach ihm auszuschlagen wagten.
Mexiko
Aus Chihuahu in Mexiko wird der „New- Jork-Tribüne" folgende Schauergeschichte gemeldet, die ein grelles Streiflicht auf die in Mexiko herrschenden Zustände wirft: „Dreißig Berittene zogen aus der Stadt auf die Jndianerjagd aus. Sie fingen acht Unbewaffnete, skalpirten dieselben und nahmen die ihnen gehörigen Squaws (Frauen) und Pferde ab. Am Sonntag kehrte die Partie nach Chihuahu zurück, und sie wurden auf der Piazza vom Bürgermeister öffentlich empfangen, als ob sie aus einem glorreichen Kriege heimkehrende Helden wären. Die ganze Stadt war auf den Beinen, um sie zu bewillkommnen. Die Kirchenglocken wurden geläutet, das Volk schrie sich heiser. Von den Triumphatoren trugen acht Männer auf Stangen die blutigen Skalps der Ermordeten und an Stricken führte man die armen Jndianerweiber, deren einige kleine Kinder auf dem Rücken trugen, trotzdem aber von den „tapfern" Chihuahuanern mit Füßen gestoßen, geschlagen und beschimpft wurden. Die armen Squaws werden lebenslänglich eingesperrt und für jeden Skalp zahlte der Gouverneur eine Belohnung von 200 Dollars.
Kandel 8- Uerkehr.
Karlsruhe, 31. Mai. Serienziehung der badischen 35 fl.-Loose: 80 221 255 308 308 356 371 411 682 982 1355 1366 1976 2044 2159 2737 2759 2981 3392 3555 3644 8652 3878 3999 4073 4346 4435 4891 5190 5191 5199 5370 5689 5994 6034 6293 6413 6580 6903 7569.
Lin vertuschter KriminalfaL
(Fortsetzung.)
V.
Ludwig Schmidt war früher heimgekehrt, als irgend Jemand erwartet, was er selbst nicht vorausgesehen hatte. Eine telegraphische, geheimnißvolle Depesche rief ihn schleunigst zurück. „Wenn er nicht eile, stehe die Ehre seines Kindes in Gefahr", hieß es in derselben. Sogleich gab er seine Reise auf und schon am Morgen nach seiner Abreise war er zurück.
Unvermuthet trat er in das Boudoir Emiliens. Das schöne Mädchen war eben dem Bett entstiegen. Freundlich lächelnd empfing sie ihn im Morgengewande.
„Das nenne ich überraschen", sagte sie, „das hätte ich nimmer geglaubt."
„Wahrscheinlich bin ich das Opfer einer Mystifikation", erwiderte der Alte, „aber die Sorge um Dich trieb mich zurück. Schau, diese Depesche empfing ich in Hamburg."
Als Emilie sie las, färbte hohe Röthe ihre Wange. „Ich sehe", bemerkte sie dann, „daß ich mit elenden Lauschern «nd Horchern umgeben bin: sie hätten sich jedoch nicht die Mühe zu machen brauchen, da ich Dir sogleich Alles mitzutheilen Willens war."
„Und was wäre das?" fragte der Kaufherr mit gespannter Miene.
„Daß ich — Heribert — liebe." Sie war froh, daß das Wort über ihre Zunge gekommen war. Ihre Augen, welche den Boden gesucht hatten, blickten schüchtern auf.
Ein langegezogenes „So!?" war die Antwort. Die Stirn Ludwig Schmidt's war gerunzelt) seine Lippen auf einander gepreßt, „Du liebst den Bettler?" fuhr er dann fort. „Thorheit! Daraus wird nichts
— ich werde der Sache ein Ende machen. Du kannst darauf bauen."
„Vater!" rief sie.
„Bereite mir keine Scene", bemerkte er. „Es ist eine kindische Laune, die Dich angewandelt, und die Freischmid energisch hätte zurückweisen müssen. Freilich die Tochter des Prinzipals ist immer werth, daß man das Vertrauen bricht."
Er wollte gehen, sie warf sich ihm in den Weg und beschwor ihn, keinen Schritt zu thun.
„Bist Du mein Kind, gehorchst Du mir", ent- gegnete er. „Oder soll ich den säubern Burschen hierher kommen lassen. Ich denke, der Herr ohne Vermögen wird Dich aufgeben und mich nicht zwingen, ihn wegzujagen. Pah, Liebe! Du bist eine Närrin, Emilie."
Das schöne junge Mädchen sank, in Thränen gebadet, in einen Armstuhl, während der Vater in sein Comptoir ging, den Befehl gebend, sobald Heribert eintresie, ihn zu ihm zu senden. Das geschah: kaum waren zehn Minuten vergangen, so stand der junge Mann vor dem Vater seiner Geliebten.
„Mein Herr", begann dieser, „ich höre da hübsche Streiche von Ihnen. Ist das Recht, die Tollheit eines unbedachten Kindes zu benutzen, um sich ein Vermögen zu erheirathen?"
„Herr Schmidt, Sie sprechen in einem Tone, als ob ich eine unwürdige Handlung begangen hätte," entgegnete Heribert und richtete sich hoch auf, „ich gebe Ihnen die-"
„Schweigen Sie", herrschte ihn der Alte an, „Sie können Ihr Betragen gar nicht entschuldigen. Es war ein Schurkenstreich von Ihnen, mein unerfahrenes Kind in Liebe zu versetzen. Gut, daß ich gewarnt wurde — ich kam noch zeitig genug zurück, um der beabsichtigten Verführung die Spitze abzubrechen. Mein Herr, das ist Ihnen ungelegen — nicht?"
Heribert's Stirn war finster, seine Lippe zitterte vor Aufregung: „Herr Schmidt!"
„Ruhe", befahl Ludwig, der sich in immer höheren Zorn hineinredete. „Sie haben sich nicht zu verantworten, Sie Bettler, der die Angel nach dem Goldfisch auswirft, Sie Bastard!"
„Bastard!" wiederholte Heribert und seine Augen schienen Funken zu sprühen.
„Sind Sie das nicht? Wer war Ihr Vater? Sie sind mir sonst ausgewichen: wer war Ihr Vater? Mann ohne Namen, der es wagt, sich in ein unbescholtenes Haus zu schleichen!"
Jeder Muskel bebte an dem Körper des jungen Mannes vor wilder Erregung: „Wer mein Vater war ?
— wohl, so erfahren Sie, daß ich Ihr Neffe bin, dem Sie sein Eigenthum gestohlen haben, würdiger, getreuer Ohm."
„Ah, der Sohn der Mamsell Frey. Das setzt allem die Krone auf. Ich werde den Schuft hinauswerfen lassen, der sich in mein Haus geschlichen hat!" schrie der Alte und läutete in der wildesten Leidenschaft.
„Ich gehe allein, aber noch heute werde ich Ihnen beweisen, daß ich nicht mehr ohne Waffen bin. Scheinheiliger Sünder, mir konntest du die Dokumente nicht vernichten. Ich habe sie, sie sind in meinen Händen, die Ehre meiner Mutter wird hergestellt werden und der Schurke entlarvt, der seinen Neffen bestohlen." Er hatte ihm die Worte entgegengedonnert. Sie hatten wie gut gezielte Pfeile ihr Ziel getroffen. Ludwig Schmidt wankte.
Nur einen Augenblick dauerte die Schwäche, die ihn ergriffen hatte; im nächsten Augenblick stürzte er auf seinen Geldschrank zu. „Hier ist der Schlüssel", höhnte Heribert und warf ihm diesen zu. „Adieu, Ehrendieb, Dokumentenräuber!"
Er war zur Thür hinaus — der Kautherr
wankte auf einen Stuhl. „Heribert!" Der Ton erstarb ihm in der Kehle. „Verloren, Alles verloren! Ich will ihn zurückrufen — er wird nicht kommen.
Emilie; Er liebt sie, ja sie ist es allein-rasch
zu ihr, ehe es zu spät."
Er sprang auf und schritt auf die Thür mit wankenden Schritten zu. Sein Antlitz war leichenblaß, er konnte sich kaum aufrecht erhalten. Er wollte zu ihr eilen, er konnte es nicht.
Als er endlich in das Zimmer seiner Tochter trat, hatte Rosa ihr so eben hinterbracht, baß der Herr den ersten Buchhalter hinausgeworsen habe. Mit starrem Auge und zuckenden Gesichtsnerven sah sie ihn eintreten. „Ist das wahr? Du hast Heribert-"
Der Vater warf sein Auge umher, es haftete wild aus Rosa. „Hinaus, Horcherin! mit Dir und Deinesgleichen spreche ich nachher. Ich werde den nichtswürdigen Spion ermitteln. Hinaus, oder ich lasse Dich auf die Straße weisen, so wahr — Hinaus!"
Vor seiner Wuthgcberde flüchtete die Zofe. Unten an der Treppe traf sie auf Karl Weiß.
„Triumph!" rief dieser. „Freischmid ist aus dem Hause."
„Wer weiß, ob wir ihm nicht folgen", erwiderte das erschreckte, bebende Mädchen.
In dem Boudoire seiner Tochter saß aber Ludwig Schmidt und erzählte, die Blicke am Boden, was er einst gethan, wie er Wittwe und Waise bestohlen habe. Die Scham erstickte oft die Stimme; es durfte ihr nichts verschwiegen bleiben, sollte sie zu retten im Stande sein.
Mit blassen Wangen, die Lippen krampfhaft auf einandergepreßt, die Hände gefaltet, stand sie ihm gegenüber. Ein wilder Schmerz arbeitete in ihrer Brust. Als der Vater geendet hatte, sagte sie mit leiser, kaum hörbarer Stimme: „Entsetzlich! Ja, du mußt gerettet werden. Vater, mein Lebensglück ist zerstört; denn jetzt darf ich, die Tochter desjenigen, der ihn um sein Erbe beraubt hat, ihm nicht angehören. Er muß dasselbe zurückerhaltcn. O Gott! ich weiß nicht, was ich rede. Er wird mich hören. O er ist gut, besser als wir."
„Täusche Dich nicht — er ist unerbittbar. Ich habe ihn kennen gelernt, den Mann mit dem kalten Herzen. Versprich ihm, was du willst. Führe ihn zurück! Die Schande ertrüge ich nicht, welche mich treffen würde, wenn er gegen mich aufträte."
Emilie hatte Mantel und Hut genommen. „Vertraue Deiner Tochter!" Mit den Worten war sie hinausgeeilt, die Treppe hernieder. Sie trat in das Comptoir, wo die Buchhalter arbeiteten. „Wo ist Herrn Freischmid's Wohnung?" fragte sie. Man nannte sie ihr, und fort eilte sie. Der Vater sah ihr noch nach, als die Thür sich hinter ihr geschloffen hatte.
„Eine schlechte That rächt sich stets", murmelte er vor sich hin. Plötzlich ergriff ihn ein Gedanke, der ihn wie ein Pappelblatt im Sturm erbeben machte. „Nicht so! nicht so! das wäre zu schrecklich. Wenn er ihre Verzweiflung — Und ich ließ sie allein zu ihm. Es wäre eine furchtbare Rache. Er ist der Mann dazu. Wie er vor mir stand, so höhnisch, so dämonisch! — Ich muß ihr nach; es darf nicht sein, ich muß sie retten, mein einziges, geliebtes Kind retten. Sie für mich zum Opfer bringen: Nein! nein!"
Er stand aufrecht im Zimmer — mit festen, raschen Schritten verließ er das Haus.
„Was das werden wird?" meinte Rosa zu dem Buchhalter Karl Weiß.
„Sie ist ihm nachgelaufen, und jetzt geht der Vater, sein Kind zu holen. Das ist eine hübsche Geschichte ; der Fleck wird nicht so rasch abgewaschen sein, sie kann froh sein, wenn ein anständiger Mann sie noch heirathet."
(Schluß folgt.)
Altertet.
— Das Papiermache wird zu immer ernsteren Zwecken benutzt. Hausgeräth, Kronleuchter u. Rittercostüme, die das metallische Aussehen der Originale täuschend nachahmen, gibt es bereits in großer Menge. Neulich aber hat die Adt'sche Fabrik in Ensheim auch den Auftrag der russischen Regierung ausgeführt, 500000 Säbelscheiden aus Papiermache herzustellen. Außerdem beabsichtigt die Fabrik, ihre Erfindung, Herstellung von vollständigen Figuren für das militärische Scheibenschießen in natürlicher Größe, Breite und Dicke, dem Kriegsministerium zu unterbreiten.