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1883 .

Auch für den Monat

Juui

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Amtliches.

N a g o l d.

Wckarmlmachung.

Die Maul- und Klauenseuche in der Stadt Nagold ist erloschen.

Den 2. Juni 1883.

K. Oberamt. Güntner.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

L Nagold, 4. Juni. Gestern Nachmittag fand im Gasthaus zum Pflug hier eine Ausschuß- sitznng des landwirthschaftl. Bezirksvereins statt. Zunächst machte der Vorsitzende, Herr Oberamtmann Güntner, die Mirtheilung, daß die telegraphischen Wetterprognosen dieses Jahr nicht, wie die zwei vor­hergehenden, von der Meteorologischen Centralstation mitgclhcilt würden, da ein Wunsch hiefür bisher noch nicht zum Ausdruck gekommen sei. Der Aus­schuß beschloß jedvch, die Prognosen auch Heuer kommen zu lassen und der Herr Vcreinsuorstand er­sucht die nöthigen Schritte hiefür zu thun. Mit der Beobachtung hinsichtlich des thatsächlichen Zutreffens der Prognosen und späteren Referats wurde Hirsch- wirth Klein beauftragt. Die im Laufe der letzten Zeit vorgenommene Farrenschau hat constatirt, daß leider in vielen Gemeinden des Bezirks nicht die nöthige Sorgfalt auf Zuchtvieh verwendet wird und wurde der Wunsch ausgesprochen, es möchte auf ge­setzlichem Wege dafür gesorgt werden, daß die Far- renhaltung in die Verwaltung der Gemeinde genom­men würde, da in Nagold, wo dies schon seit einer Reihe von Jahren der Fall ist. sehr günstige Resul­tate zu Tage treten. Beschlossen wurde weiter, im Laufe des Jahres wieder eine Anzahl Original- Simmenthaler-Farren und Kalbinnen zur Blutauf­frischung kommen zu lassen, wenn auf ergangenen Aufruf sich eine genügende Anzahl Abnehmer melden würde. Die am Samstag den 9. Juni in Reut­lingen stattfindende Versammlung württ. Landwirthe, verbunden mit einer Ausstellung von Vieh und bienenwirthschaftlichen Gerüchen und Produkten soll an diesem Tage besucht werden. Zum Schluffe be­dauerte noch Herr Link vom Tröllenshof, daß die Feldwegregulirung, die doch so günstige Wirkungen auf die Landwirthschaft ausüde, sich gar so schwer in unserem Bezirk Bahn breche und glaubt, daß auch hier nur auf gesetzlichem Wege Hülfe zu schaffen sei. Die nächste Sitzung soll in nicht zu ferner Zeit in Altenstaig gehalten werden.

Oeschelbronn, OA. Herrenberg, 31. Mai. Gestern Mittag entlud sich über unseren Fluren ein gräßliches Hagelwetter. Der Boden war von einer durchschnittlich wohl einen Schuh hohen Hagelschichte bedeckt. Großer Schaden wurde auch an den Obst­bäumen angerichtet, welche Heuer so reichlichen Er­trag in Aussicht gestellt hatten. Mit uns wurden betroffen die Gemeinden Thailfingen. Nebringen, Mötzingen, Jesingen u. A. Leider war fast Nie­mand gegen Hagel versichert. (Schw. M.)

Stuttgart, 30. Mai. (Landtag.) Heute beschäf­tigte sich die zweite Kammer mit der Berathuvg eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Strafbestimmungen über die

Stcucrdefraudalionen. Der Kernpunkt dieses Gesetzes ist die Straflosigkeit der Erben, wenn sie rechtzeitig Anzeige von den Verfehlungen des Erblassers machen und hierdurch die Nach­forderung der sämmtlichen nicht verjährten Steuerverträge er­möglicht wird. Die Debatten über den einzigen Artikel des Gesetzes zogen sich bis ins Endlose hin. Einen heftigen Geg­ner hatte das Gesetz in dem in Steucrsachen eine drakonische Strenge predigenden Abg. Mohl. Er nahm keinen Anstand, das Gesetz eine Zerstörung der Garantien der ehrlichen Fassio­nen nennen. Die würtlembergischen Steuergesctze sind von ungeheurer Härte. Erblasser, welche unrichtig fatirt hatten, haben ihre Erben in vielen Fällen schon um einen guten Theii der Berlassenschast gebracht. Es sei hier nur an den Fall Hack­länder erinnert, dessen Erben eine Steuerstrecke von etwa M. 100 000 in Folge der zu niedrigen Fassionen Hackländers, die bei seinem Tode an den Tag kamen, zahlen sollten, eine Summe, die durch königliche Gnade auf etwa die Hälfte reducirt wurde. Das neue Gesetz gibt, wie gesagt, den Erben Gelegenheit, die unterlassenen Verpflichtungen des Erblassers gegenüber der Steuerbehörde zu erfüllen, ohne daß sie eine Strafe riskiren. Hinsichtlich dieser Bestimmungen, sowie der beiden weiteren, welche der einzige Artikel des Gesetzes ausspricht, schließt es sich enge an die in Bayern und Baden bestehenden Borschris­ten an. Für den Fall, daß nachgewiesen wird, daß eine Steuer- gesährdung nicht habe verübt werden können oder nicht beab­sichtigt gewesen, tritt neben der Nachholung der etwa angesal- ienen Abgabe für die Folge nur noch eine Ordnungsstrafe bis zu 300 ein. Verfechtungen gegen andere untergeordnete Vorschriften der Steuergesetzc sollen nur noch mit einer Ord­nungsstrafe bis zu 60 -«i bestraft werden. In letzterer Zeit sind von L-taatsdicnern in Württemberg ziemlich bedeutende Unterschlagungen verübt worden, besonders von einem Zahl­meister Knorr in Stuttgart, einem Hüttcucassicr Nestlen in Königsbronn und einem flüchtig gewordenen Postmeister Kett- nacker in Bopfingen. Eine Anzahl von Abgeordneten brachten nun heute eine Anfrage ein, in wie weit die Staaskasse für diese an den Tag gekommenen Unterschlagungen amtlich anver- trautcn Werthc durch Dicnstcautionen oder auf andere Weise gedeckt sei.

Stuttgart, 31. Mai. (Landtag.) Die zweite Kammer genehmigte heute die beiden letzten Artikel des Fi- nanzgcsetzes pro 1883/85. Nach demselben wurde das Bor­rathskapital der Staatshauptkasse auf 6 Mill. festgesetzt u. gestattet, cs durch Ausgabe von Schatzanweisungen ans 10 Millionen zu erhöhen. Ferner wurde bestimmt, daß die Til­gungsraten der Eisenbahnschuld Pro 1883/35 durch ein Staats- anlehen zu decken sind. Die Commission hatte beantragt, den bei Abschluß des Etats pro 1883/85 sich ergebenden Über­schuß von -tk 289169.50 der Postverwaltung zu überantwor­ten. Der Abg. Hartenstein dagegen beantragte, diese Mark 269 169.50 mit zur Tilgung der Eisenbahnschuldrate pro 1883 auf 1885 heranzuzichen und das zu diesem Zweck aufzuneh­mende Anlehen um diese Summe zu reduciren. Dieser Antrag fand in den Abg. v. Schad, Frhr. v. Gültlingen und Mohl Fürsprecher und wurde mit 55 gegen 25 Stimmen angenom­men. Von 17 Ortsvorstehern aus dem Oberamt Gmünd war eine Petition eingelaufen:Die Kammer möge an die k. Regierung wiederholt die Bitte richten, bei dem Bundesrath und dem Reichstag dahin wirken zu wollen, daß unseren ivürt- tcmbcrgischen Gemeinden die sog. willkürliche Gerichtsbarkeit, eine altbewährte, musterhafte Einrichtung, erhalten bleiben möge." Außerdem hatte der Abg. Mohl einen Antrag, der materiell ungefähr das gleiche verfolgt, cingebracht, und der lauter:Die Kammer wolle die k. Regierung bitten, daß die­selbe für die Erhaltung der Gesetzgebungsrechte und der Ein­richtungen des Landes auf dem Gebiete der freiwilligenZGe- richtsbark.it im Verhältnisse zum Reiche das ihrige aufs Ent­schiedenste thun möge." Nachdem Justizminister v. Faber erklärt, er habe gegen beide Anträge nichts einzuwenden, wur­den dieselben zur Mittheiluug an die k. Regierung angenom­men. Der Minister betonte bei dieser Gelegenheit, daß die württemb. Regierung überzeugt sei, das württemb. Mitglied des Bundesraths, welches in der Commission für die Redaction eines Reichscivilgesctzbuches sitze, werde die württembergischen Interessen in Beziehung auf die freiwillige Gerichtsbarkeit der Gemeinden aufs Wärmste vertreten.

Die in vorletzter Nr. aus Weingarten erzählte, dem StuttgarterN. Tgbl." entnommene ergötzliche Barbiergeschichte beruht, wie Hr. General v. Schachtmeyer dem gen. Blatte schreibt, zwar auf Wahrheit, jedoch ist dieselbe nicht ihm, son­dern dem General v. Guretzky begegnet.

Württembergs Schuljugend. Die Ge- sammtzahl der Schüler an den öffentlichen Gelehr­tenschulen beträgt nach den letzten statistischen Erhe­bungen 9064; von diesen gehören 6630 der evange­lischen, 2050 der katholischen, 365 der israelitischen,

19 anderen Konfessionen an. In den Volksschulen sind 302449 Schüler und zwar 143 714 Knaben und 158 735 Mädchen; 100 441 Knaben und 112 773 Mädchen gehören der evangelischen, 42 567 Knaben und 44 998 Mädchen der katholischen Konfession an. 1151 Kinder sind Angehörige der jüdischen Religions­gesellschaft. Die Zahl der in Vorschulen der Volks­schule oder in Kleinkinderschulen befindlichen Kinder beträgt über 25 000. Diese große Kinderzahl wird in 2111 Schulgemeinden, 1314 evangelischen und 797 katholischen, unterrichtet. Den Unterricht an den Volksschulen ertheilen 2826 Lehrer der evangelischen, 1260 der katholischen Konfession.

Aalen, 31. Mai. In Unterrombach wurde dieser Tage dem Schultheiß Bruder ein Knabe ge­boren, der mütterlicherseits im Besitze einer Mutter, Großmutter, Urgroßmutter (73 Jahre alt) und Ur­urgroßmutter (94 Jahre alt) ist. Gewiß eine Seltenheit!

In Schussenried hat sich der Gemeinde- und Spitalpfleger August Kettnacker, Bruder des vor kurzem entwichenen Postmeisters Kettnacker von Bo­pfingen, erschossen. Derselbe soll sich in verschiedene Bürgschaften für seinen Bruder eingelassen haben und durch den traurigen Fall in eine Art Trübsinn ver­fallen sein; er hinterläßt eine Frau mit 6 Kindern nebst seinen betagten Eltern.

München, 31. Mai. Wie dieAllg. Ztg." vernimmt, hat der König genehmigt, daß nach dem Anträge des protestantischen Oberkonfistoriums die Feier des Reformationsfestes in diesem Jahre auf den 11. November verlegt und mit der 400jahrigen Gedächtnißfeier der Geburt Luthers verbunden, und daß am Samstag den 10. November ein entsprechen­der vorbereitender Gottesdienst für diese Feier abge­halten werde.

In Würzburg will man im Lusamgarten den Steinsarg des Dichters Walter von der Vogelweide aufgefunden haben.

In Mainz Pflegen die Landstreicher im Arrest die Lumpen, in die sie gekleidet sind, vollständig zu zerreißen, um neue Kleider zu bekommen. Der Bür­germeister läßt ihnen seitdem einen Anzug machen, dessen eine Hälfte weiß, die andere bunt karrirt ist. Das gefällt ihnen gar nicht; denn sie können sich auf der Straße kaum sehen lassen.

Zum Gastwirthstag in Berlin haben sich schon mehr als 700 Theilnehmer gemeldet; die Bierprobe am 7. Juni in der Flora wird von 24 bayerischen und 20 Weißbierbrauereien beschickt. Da wird wohl der Tag zur Nacht werden.

Im Reichstage gab's heißen Kampf über das Col- portiren von Büchern, Schriften und Bilder. Stöcker schil­derte in seiner Weise den furchtbaren Schaden, der durch das Colportiren irreligiöser und unsittlicher Bilder und Bücher angerichtet werde und klagte zugleich das Volk anals aller Idealität baar und der Unsittlichkeit in allen Gestalten ver­fallen." Die Gcgenredner fragten, ob denn das dasselbe Volk sei, das vor einem Jahrzehnt durch seine geistige, sittliche und körperliche Gesundheit und Tüchtigkeit das Reich in blutigen Kämpfen gegründet habe. Abg. Kapp sagte: Durch Aufhebung der Colportage legen Sie den ganzen Buchhandel lahm. Zur Verhinderung der Colportage von unsittlichen Schriften genü­gen auch die jetzt geltenden Strafbestimmungen vollständig. Es ist auch von keiner Seite bisher ausgesagt worden, wie viel von der Schundliteratur eigentlich durch die Colportage verbreitet wird. Wohl aber ist cs Thatsachc, daß ein volles Fünftel des Buchhandels sich auf die Colportage stützt. Ich hoffe, das Haus wird einen Beweis dafür liefern, daß wir heute nicht mehr wie im Mittelalter lediglich durch priesterlichcn Einfluß regiert werden und daß das deutsche Volk die Polizei nicht zum Richter einsetzen will seines geistigen Lebens. (Die schärfere Ueberwachung siegte bei der Abstimmung.)

Im Reichstage stand am 28. Mai die 3. Lesung der