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61. Jahrgang

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8am8tag, äen 20. Februar 1886.

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"Uotttische Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Stuttgart, 17. Febr. Kammer der Abgeordneten. Die Frage der Revision des 132 der Verfassungsurkunde, welche schon in der letzten Landtagssession im Frühling vorigen Jahres die erste Kammer beschäftigte, wurde gestern in der Kammer der Abgeord­neten in Angriff genommen, und dabei kamen alle jene Anforderungen und Wünsche zur Sprache, die, besonders kräftig genährt durch die Verheißungen der beiden letzten Thronreden, übrigens schon seit mehreren Dezennien im Schoße der Volksvertretung, in der Presse und in öffentlichen Versammlungen laut geworden sind. Bei der Revision des §. 132 der Versaffungsurkunde handelt es sich um die Vermehrung der vom Könige zu ernennenden lebens­länglichen und erblichen Mitglieder-der ersten Kammer, die damit begründet wird, daß die Aufgaben, welche an einzelne Mitglieder des hohen Hauses gestellt werden, in einem Maße gewachsen sind, daß die Heranziehung von weiteren als ein dringendes Bedürfnis erscheine. Debattelos war die Vor­lage in der ersten Kammer angenommen worden, aber vorauszusehen war, daß die von dem Fürsten von Hohenlohe-Langenburg ausge­sprochene Hoffnung, auch die zweite Kammer möge ihr Einverständnis mit dem Entwurf erklären, nicht in Erfüllung gehen werde.

In der Kommission der Abgeordnetenkammer bestand nur eine Minder­heit, welche auf die Beratung des Entwurfs eingehen wollte, die Mehrheit beantragte Tagesordnung. Neben diesen beiden Anträgen liegen noch zwei weitere vor, die sich insoferne mit dem Mehrheitsantrage decken, als auch sie die Vorlage negieren, dabei aber jeder in seiner Art der Regierung den Weg zeigt, wie sie die Revision der Verfassung auffassen soll. Der Antrag der deutschen Partei ersucht die K. Regierung, dem nächsten Landtag den Ent­wurf eines Verfassungsgesetzes vorzulegen, wodurch eine zeitgemäße Ver­besserung des Kap. 9 der Versaffungsurkunde, insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung der Ständeversammlung, herbeigesührt wird. Der Antrag der Linken, faßt die Sache noch etwas radikaler auf. Er spricht gegen die K. Regierung die Erwartung aus, daß die in mehreren Thronreden zuge­sagten Verbesserungen des Kap. 9 der Versaffungsurkunde durchgeführt und insbesondere die Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer im Sinne freier Volkswahl unter Ausschluß aller Vorrechte der Geburt und des Standes geändert werde..

Als erster Redner ergriff gestern Probst in seiner Eigenschaft als Berichterstatter der Kommissionsmehrheit das Wort, um besonders darauf hinzuweisen, daß zu befürchten sei, die Vorlage werde die allgemeine Ver­fassungsrevision, zu deren Durchführung gerade jetzt, wo zwischen den Par­teien keine tieferen Gegensätze bestehen, der günstigste Moment sei, weiter verzögern. Der Redner ließ es sich dabei nicht nehmen, gewisse Vorschläge

Feuilleton.

Der: Auswanderer.

Erlebnisse eines Deutschen in Nord-Amerika.

Von Karl Aastrow.

(Fortsetzung.)

Still, mit gefalteten Händen hatte der Vater den Worten seines Sohnes gelauscht. Wie Schuppen war es ihm von den Augen gefallen, und als Andreas geendet, sprang er jählings auf und rief mit vor freudiger Rührung zitternder Stimme:Ich bin also ein ehrlicher, rechtschaffener Mann in den Augen meiner Vorgesetzten geblieben und niemand hat meinen guten Namen verunglimpft! O, Dank Dir, allmächtiger Gott! nimm meinen heißen Dank für Deine unbegrenzte Güte. O, Sohn! jetzt erst ist meine Freude über unsere Wiedervereinigung so lauter, so vollkommen und rein, wie ich sie mir dereinst im Jenseits denke, wenn die Seelen, vom Erdenstaube befreit, zum neuen Leben geweckt, ihr Wiedersehen feiern. Siehst Du, Andreas, nun bin ich erst so recht von Herzen glücklich und froh, da ich mit dem stolzen Bewußt­sein unter meine Familie treten kann, es haftet kein Makel auf mir, niemand ist, der nur um eines Haares Breite an meiner Rechtschaffenheit zweifelt. Ja, mein Junge, verschwunden ist das unheimliche Gespenst, das mit seiner eisernen Faust auf meinem Herzen lastete und jeden mutigen Schlag dieses armen Herzens unterdrückte. O Herr des Himmels, sei gelobt, daß ich wieder leicht und freudig atnien kann!"

Was sprichst Du da, Vater, vom Zweifeln? Wir, Deine Kinder, haben nie an Dir gezweifelt."

Ein Geräusch, das von der Treppe her aufklang, schnitt Borrmann's Antwort ab. Er wollte eben an die Thüre treten, um sich von der Ursache

bezüglich einer künftigen Zusammensetzung der Ständeversammlung zu machen. Den Minderheitsantrag vertrat Landauer, indem er darauf hinwies, daß die Vorlage nur den Charakter eines Notgesetzes habe., das der allge­meinen Verfassungsrevision ja keineswegs vorgreife. Göz vertrat den An­trag der deutschen Partei, dabei aber ausführend, daß er der Vorlage als Notgesetz, d. h. wenn die Regierung die bestimmte Zusicherung gebe, daß sie dem nächsten Landtag das Verfassungsrevisionsgesetz vorlegen wolle, wohl zustimmen könne. Für die Privilegierten sprach v. Schad, der namentlich auf die hervorragende Thätigkeit der Mitglieder der Ritter- und Prälaten­bank als Mitglieder der zweiten Kammer, sowie auf das gute Einvernehmen zwischen ihnen und den Abgeordneten des Volks hinwies. Aus dem hierbei angenommenen elegischen Ton ging Herr v. Schad zu kräftigen Ausfällen über gegen die nie ruhenden Verbesserer an unseren konstitutionellen Ein­richtungen und legte sodann ein Vetto ein, gegen die von Landauer empfohlene Vertretung der Höchstbesteuerten in der Kammer. Nach v.Schad ergriff Becher das Wort, um für den Mehrheitsantrag zu sprechen und dabei darauf hinzuweisen, daß die Annahme der Vorlage eine Verschiebung des Machtverhältnisses zwischen den drei gleichwertigen Faktoren der Gesetz­gebung zu Gunsten der Regierung bedeute.

Jetzt erhob sich Minister v. Hölder, um zu Eingang seiner Rede in resigniertem Tone auszusprechen, daß er das Schicksal des Entwurfs in ablehnendem Sinne für entschieden halte. Es sei oder denrvch seine Pflicht, darzulegen, wodurch die Regierung sich zur Einbringung des Entwurfs ver­anlaßt gesehen. In dieser Beziehung betonte oer Minister den Charakter der Vorlage als Notgesetz, das der allgemeinen Verfassungsrevision nicht vorgreifen solle. Der Minister machte sodann auf die Fülle dringender gesetzgeberischer Arbeiten aufmerksam, welche die Regierung ausgearbeitet oder in Vorbe­reitung habe, und denen gegenüber sie glaubte, das bisher keineswegs als besonders dringend bezeichnet« Verfaffungsändcrungsgesetz zurücktreten lasier» zu sollen. Auf einzelne verbesserungsbedürftige Punkte übergehend, betonte der Minister die Notwendigkeit der Beibehaltung des Zweikammersystems, für das auch Probst eingetreten war, und gab schließlich der Hoffnung Ausdruck, daß auf Grund allgemeiner Verständigung ein gutes Ergebnis bei dem Werke der Verfassungsrevision in nicht zu langer Zeit sich herbeiführen lassen werde.

Der letzte Redner der gestrigen Sitzung war Schwarz, welcher für den Antrag der Linken eintrat und dabei gegen die deutsche Partei und indirekt gegen Minister v. Hölder einige kräftige Ausfälle machte. Heute setzt die Kammer die Debatte über die Verfaffungsrevisionsfrage fort, und man erwartet, daß auch noch Ministerpräsident v. Mittnacht das Wort ergreifen wird.

Berlin, 19. Febr. Im Reichstag stand heute der Antrag des Abg. v. Moltke, betreffend die Abänderung des Militärpensions­gesetzes, auf Tagesordnung; er mußte jedoch wegen Erkrankung des

zu überzeugen, als ein Paar fröhliche Kinderstimmen laut wurden, bei deren Klang ein wunderbarer Strahl über das Antlitz des ehemaligen Kassen­beamten flog. Auch Andreas war mit den hastigen Worten:Das sind Lieschen und Fritzchen mit der Mutter! Sie haben wohl von meinen Kameraden bereits Alles erfahren und sind uns nachgekommenl" an die Thür geeilt. Im nächsten Augenblick flog diese auf und mit dem jubelnden Aus­ruf:Vater, liebster Vater! da bist Du ja!" stürzten die glücklichen Kinder in das Zimmer und hingen sich fröhlich jauchzend an ihn, der sie entzückt emporhob und an sein Herz drückte. Dann kam auch die Mutter und warf sich mit einem Strom von Freudenthränen in die Arme des Gatten. Draußen aber klang es wie lautes Weinen, und als Andreas ein Licht ergriff und auf den Flur hinausleuchtete, sah er den Neger in einem Winkel stehen, sichtlich bemüht, das Schluchzen zu unterdrücken und die Thränen zu stillen, welche in der Rührung, womit ihn das Glück der wiedervereinten Familie erfüllte über seine Wangen rollten. -

Komm nur auch herein, mein ehrlicher, braver Red!" sagte der alte Borrmann, indem er, von dem Sohne benachrichtigt, gleichfalls hinausging und dem Neger freundlich zuwinkte.Sieh, Frau, und auch Ihr Kinder brauchst Dich nicht zu fürchten. Lieschen! seht Euch den schwarzen Mann dreist an. Er hat es gut mit Eurem Vater gemeint und war ein treuer, edelmütiger, aufopfernder Freund. Er soll fortan zu unserer Familie gehören und wir wollen suchen, ihm die Liebe zu vergelten, womit er mir während meiner Krankheit zur Seite gestanden hat."

O Massa! Massa!" rief der Neger, indem er voller Freude in dem engen Stübchen auf. und abtanzte,das ist ein Weihnachtssest, wie es die Engel im Himmel nicht schöner haben können. Ja, ja, der Red bleibt bei Ihnen, gleichviel, ob hier in Amerika, oder drüben, jenseits des großen Wassers.