Der Baron Andreas von Swobada hatte inzwischen seine Aufgabe vollständig erfaßt. Er ließ in und vor dem herrschaftlichen Wohnhause alles zum festlichen Empfange der neuen Herrin der Swobada'schen Güter schmücken, zog auch seine Tochter, die liebenswürdige Baroneß Gertrud, die nicht wenig erstaunt über den Namen der neuen Herrin war, in's Vertrauen und ordnete ferner alles zum Empfang der Baroneß Gisela Nothwendige auf das Beste an. Am andern Tage, eine halbe Stunde vor der wahrscheinlichen Ankunft der Baroneß Gisela stiegen der Baron Andreas und seine Tochter Gertrud, begleitet von einer Anzahl Gutsbeamten, zu Pferde, um der neuen Gutsherrin das Ehrengeleit zu geben. Alle waren mit festlichen Kleidern angethan und die liebenswürdige und jugendlich reizende Baroneß Gertrud hielt in der zierlichen linken Hand einen Blumenstrauß, welchem die besten Blumen des Treibhauses zum Opfer gefallen waren und der in seinen Farben — vornehmlich blau, roth und grün — auf symbolische Weise den alten Wahrspruch der Versöhnung: „Glaube, Liebe, Hoffnung" darstrllte.
Ein Reiter war weit vorausgeeilt, um die an- kommende neue Gutsherrin zu erspähen und kam nach kaum einer Viertelstunde mit der Meldung zurück, daß der Wagen derselben nahe. Der Baron Andreas von Swobada und seine Tochter Baroneß Gertrud spielten ihre Rolle meisterhaft.
Sie ritten ihrer Begleitung jetzt auf circa hundert Schritt voraus und näherten sich mit vollkommener Unbefangenheit dem nahenden Wagen, in welchem nicht nur die Baroneß Gisela, sondern auch deren Vater, der Banquier Nepomuck und ferner der Herr von Burgstedt und Seyfried saßen.
Der Wagen hielt, der Baron Andreas stieg vom Pferde, nahte sich ehrerbietig der Baroneß Gisela, machte eine tiefe Verbeugung und stellte sich als den früheren Besitzer der Swobada'schen Güter vor. Dann nahte sich auch unter freundlichen Grüßen die Baroneß Gertrud, die der Baron Andreas als seine Tochter vorstellte, und indem darauf Baroneß Gertrud ihr Pferd dicht an den Wagen herandrängte und sich geschickt herabbeugte, überreichte sie der Baroneß Gisela unter herzlichen Glückwünschen zu ihrer Ankunft den Blumenstrauß.
Baroneß Gisela dankte verbindlichst und die Insaßen des Wagens begrüßten dann auch höflich den Baron Andreas und dessen Tochter. Als vollendeter Cavalier fragte dann der Baron Andreas die Baroneß Gisela, ob es ihm erlaubt wäre, die Herrschaften zu führen und nachdem ihm dies freundlich gestattet war, ritten der Baron Andreas und Baroneß Gertrud an der Spitze des Wagens und die übrige berittene Begleitung folgte. Mit Böllerschüssen und Iubelrufen wurde kurze Zeit darauf der Wagen im Gutshofe von den zahlreichen Beamten und Bediensteten empfangen und waren die Insassen des Wagens, zumal Baroneß Gisela und ihr Vater sehr angenehm davon berührt; der zu drastischen Witzen geneigte Banquier Nepomuck äußerte sogar, daß jetzt eine angenehmere Luft auf den Swobada'schen Gütern wehe, als bei seinem früheren Besuche. Geleitet von dem Baron Andreas und der Baroneß Gertrud begaben sich die Neuangekommenen dann hinauf in die besten Zimmer des Hauses, die sich ihnen gastlich öffneten. Baroneß Gisela und Baroneß Gertrud hatten sich in besondere Zimmer zurückgezogen. Beide Damen fanden großen Gefallen an einander und geberdeten sich bald wie alte Freundinnen, aber kein Wort über irgend welche Familienverhältnisse kam über ihre Lippen, überhaupt schienen Baroneß Gisela und deren Vater die letzten aussöhnenden Schritte von einer anderen Seite zu erwarten, eine Erwartung, die bald in Erfüllung ging. Beide Damen hatten eben ihre Gesellschaftstoilette beendigt, als sich Besuch anmeldete. Es waren die Baroneß von Swobada und ihr Sohn Baron Curt, hinter beiden zeigte sich aber auch der Baron Andreas und der Banquier Nepomuck. Baron Curt schritt in sichtbarer Aufregung auf die Baroneß Gisela los, beugte graziös vor ihr ein Knie und bat sie inständig um Verzeihung.
Baroneß Gisela hob ihren Gemahl zärtlich auf und war vor holdseliger Verwirrung keines Wortes mächtig. Die Baroneß von Swobada, die Mutter des Baron Curt, eilte nun auch herbei, bedeckte die Hand ihrer Schwiegertochter mit Küssen und bat sie gleichzeitig um Verzeihung. Die Gefühle der Versöhnung und der neu erweckten Freundschaft zu schildern, wären Worte vergeblich, es bewährte sich glänzend
der alte Spruch: „Freundliches Zutrauen erweckt wieder Zutrauen und Liebe erzeugt Gegenliebe."
Der Brief der Baroneß Gertrud an die Baroneß Gisela hatte, wie sich später herausstellte, den Anfang zur Versöhnung zwischen den Familien Nepomuck und Swobada eingeleitet. Gisela hatte in ihrer Hochherzigkeit beschlossen, die Familie Swobada zu retten und mit dem Danke die Liebe des Gemahles wieder zu gewinnen, was um so leichter war, da die Erkenntniß schon längst im Herzen des Barons ein- gezogeu war. Der Vater der Baroneß Gisela hatte, obwohl er die Ausführung seiner Rache fest im Sinne halte, die Bitten der einzigen, zärtlich geliebten Tochter schließlich doch erfüllt, zumal er erkannte, daß eine aufrichtige Versöhnung Gisela's mit dem Baron Curt der einzige Weg zu ihrem wahren Glücke sein würde.
A t t - r t r i.'
— Zur Mäßigkeitssache. In der neuesten Zeit ist die ernste Frage des Kampfes gegen den Branntwein tüchtig in Fluß gerathen, bedarf aber noch allerorten, besonders im lieben deutschen Vaterlande, einer energischen uud umfassenden Erörterung. Die englische Staatskirche hat dieselbe auf ihre Fahne geschrieben, und wie die obern zehn ihrer Kirchen- beamten der Aristokratie angehören und der Erzbischof von Canterbury gleich hinter der Königin folgt, so zählt sie bereits die höchsten Personen, darunter mehrere Bischöfe, zu den eifrigsten Förderern der MäßigkeitSfache. Aber dabei wird nun auch, wie der Ev. Kirchl. Anzeiger aus Berlin berichtet, eine sehr merkwürdige Sache zur Sprache gebracht. Und das ist gut; wenn etwas Gutes gefördert werden soll, so kann das nicht obne Abstellung von Schäden geschehen. Die englische Hochkirche besitzt nämlich ein großes Vermögen in Grund und Boden. Dieses wird in England nicht veräußert, sondern gegen eine jährliche Rente für beiläufig 100 Jahre zur Benutzung für bauliche Zwecke ausgeliehen. Das Eigenthumsrecht behält der Besitzer, also in diesem Falle die Kirche. Nun ist festgestellt, daß für ganze Straßen von der Äirchen- kommission Baukonsenje ertheilt worden sind, so daß z. B. der Bischof von London, wenn er sein Haus in St. James Square verläßt und nach seinem Palast in Fulham sich begiebt, er mehr als 100 Schankstätten passiert, die auf kirchlichem Grund und Boden errichtet sind. „Solches Geschäftmachen", sagt eine englische Zeitung, „ist nicht nur ungeziemend, es ist im höchsten Grade verbrecherisch. Ist es schon erniedrigend genug für den Staat, wenn er seine Einkünfte aus einem Handel zieht, der das Land mit Armuth und Verbrechen überfluthet, um wie viel schlimmer noch für die Kirche, wenn sie zu ihrer Erhaltung auch nur einen Pfennig aus einem Handel erwirbt, dessen Gewinn „Blutgeld" ist! Wie kann ein Reich bestehen, wenn es mit sich selbst uneins wird? Und die Kirche ist mit sich selbst uneins, wenn sie an einem Tage der Woche das Wort Gottes verkündet, während sie an den übrigen sechs Tagen den Branntweinhandel sanktioniert. Mag die englische Staatskirche auch mancher Reform bedürfen: d i e Reform erheischt die Gegenwart gebieterisch, daß Bischöfe und Geistliche ihre Hände von aller Besudelung mit dem Branntweinhandel reinhalten."
— Die Macht der Liebe. Im Jahr 1865 verließ der Nelson, ein amerikanisches Schiff, den Hafen von Antwerpen, um mehr als 500 Auswanderer nach New-Uork zu bringen. Der Kapitän hatte 50 Passagiere mehr ausgenommen, als er durfte, u. in dem überfüllten Zwischendeck, wo fast alle kochen, essen, wohnen und schlafen mußten, war die Luft so verpestet, daß eine gründliche Reinigung dnrch Ausräuchern nöthig war, wenn nicht ansteckende Krankheiten ausbrechen sollten. Am Morgen des 26. Juni gab Kapitän Smith den Befehl dazu; aber die nothwendige Vorsicht wurde vergessen. Das Schiff ge- rieth in Brand und alles Löschen war vergeblich. Eine unsägliche Verzweiflung kam über die sechst- halbhundert Menschen, gegen die der Tod die Flammen und Fluthen den Rachen aufsperrte. Die einzige schwache Hoffnung stand auf die Boote, welche schnell ins Meer gelassen wurden. Das war ein Drängen und Stoßen! Alle wollten hinein, der Mann wurde von der Seite der Frau gerissen, das Kind von der Hand der Mutter. So kommt auch der junge Franz Mayer, den die Auswanderungslust aus der Heimath in Solothurn weggelockt hatte, halb wider seinen Willen in ein kleines Boot, wel
ches von 13 Personen schwer belastet, vom brennenden Schiff abstößt. Seine Frau Anna, erst 19 Jahr alt, war zurückgeblieben. Hoffnungslos wendet sie das Auge von ihrem Mann, den der schwache Kahn davonführt. Da liegt vor ihr ein kleines Kind, kaum 14 Tage alt, vergessen von der eigenen Mutter, die sich mit ihrem Manne gerettet hatte. Das jammerte die edle Schweizerin, die selbst ihrer ersten Entbindung entgegensah. Sie schließt das hilflose Würmlein fest in den Arm, und wie das Feuer ihr nahe kommt, da springt sie kühn in die Fluth. Glücklich erfaßt sie eine abgerissene Schiffsplanke, rettet sich und den Findling darauf und hinaus geht's in den öden Ozean. So schwamm sie zwei volle Tage auf den hohen Wassern, nur ein Brett zwischen sich und dem Tode, ohne einen Bissen Brod, oder einen Trunk Wasser. Aber für das kleine Wesen auf ihrem Schoß gab ihr die erfinderische Liebe ein Mittel ein. Sie erhielt es mit dem Speichel ihres Mundes am Leben. Hat das junge Weib sich des fremden Kindes erbarmt, der Herr hat ihrer auch nicht vergessen. Sie wurde endlich von dem Schiffe Merkury aus erblickt und an Bord geholt. Da sollte sie nach der ausgestandenen Noth volle Freude kosten. Ihr Mann kommt ihr entgegen, der mit 40 Unglücksgefährten hier schon Rettung gefunden. Der Merkury brachte sie glücklich nach der Seestadt Havre in Frankreich, wo sich mitleidige Hände der Schiffbrüchigen annahmen. Der helden- müthigen Schweizerin vor allem fehlte es nicht an Beweisen der Bewunderung und Liebe von Seiten der französischen und deutschen Frauen. Bald schiffte sich Anna Mayer mit ihrem Manne wieder nach Amerika ein und kam glücklich in New-Iork an, mit dem Kinde, das sie gerettet, und mit einem eigenen, das ihr Gott unterwegs geschenkt hatte.
^ — Was ist ein Stammtisch? Was ein Stammtisch ist, läßt sich leicht erklären. Ein Stammtisch ist ein bestimmter Tisch in einer bestimmten Restauration, in einem bestimmten Winkel derselben, an dem zu bestimmten Stunden des Tages bestimmte Gäste Platz nehmen; dieses sind die Stammgäste. Was ist ein Stammgast? Das ist schon schwerer zu demonstriren. Wenn in einem Restaurant ein Herr das Bierglas in die Höhe hebt und einen prüfenden Blick durchwirft und der Wirth springt hinzu und fragt ängstlich und devot: Wohl trübe? und der Herr antwortet: „Nein, nur ein ganz kleines Stückchen Pech, es hat sich schon gesetzt, thut nichts",
— der Wirth aber das Glas ergreift, damit zur Bierausgabe stürzt, unterwegs einen Kellnerjungen hart begrüßt und dem Herrn ein frisches Glas Bier mit der Bitte kredenzt, zu entschuldigen rc., so ist der Herr ein seltener Gast. Wenn ein anderer Herr das Bierglas in die Höhe hebt, dnrchsieht und zum Wirth, der gerade vorübcrgcht, sagt: „Heute recht viel Pech im Bier", worauf der Wirth leichthin antwortet: Fa, das kann Vorkommen — dann aber dem Kellner ein Zeichen gibt, das Bier umzutauschen, so ist der Herr ein regelmäßiger, aber kein täglicher Gast. Wenn aber ein Herr ins Bierglas guckt und bald darauf mit einem Hölzchen eine Menge Pech aus demselben fischt und ganz bescheiden zum Wirth, der, die Hände in den Hosentaschen, ruhig zusieht, sagt: „Aber, das muß das Letzte vom Faß sein, das kann man vor Pech kaum trinken", und der Wirth wird feuerroth und fährt den Herrn an: Na, Ihrem Magen schad's au nix, wenn er emal auspicht wird! — so ist das ein Stammgast, vom Stammtisch notabene!
— Neues für Blumenzüchter. Eine für Blumenliebhaber, Kunstgärtner u. s. w. ohne Zweifel sehr interessante Neuigkeit trifft aus England ein.
— Dieselbe besteht in den dort gemachten Versuchen der Färbung von Hyazinthen dnrch künstliche Mittel. Die Hyazinthenzwiebeln (selbstverständlich von weißen Hyazinthen) werden in eine Anilinlösung gesetzt, in welcher man sie zur Blüthe gelangen läßt; das gefärbte Wasser dringt in die Zellengänge der Pflanze und färbt die Blüthen. Wie versichert wird, sind durch diese Methode prachtvolle Farben, die sonst in der Natur nicht Vorkommen, erzielt worden und ist man der Ansicht, daß das Verfahren sich auch bei anderen Blumen zur künstlichen Färbung der Blüthen anwenden lassen wird.
— (Ans d er Jnstruktionsstunde.) Unteroffizier: Mit was und woran geht der Soldat zum Arbeitsdienst? Keiner weiß es. Unteroffizier: Mit einer Drillichjacke, ^woran sämmtliche Knöpfe angenäht sein müssen.