ben in ihm, was ihnen seit Jahren gefehlt hat: einen Redner ersten Ranges, einen Mann, der über ein breites, tiefes Wissen verfügt. Er hat nichtsKa- thedralisches," dieser Professor, weder im Ton noch in der Haltung. Schnell und leicht fließt ihm die Rede, ohne etwas Gekünsteltes an sich zu haben. Knappe Form prägt die Gedanken scharf aus, und das Helle, volle Organ beherrscht den ganzen Saal. Ob aber alle diese Vorzüge der konservativen Sache zu Gute kommen werden? Dazu kann man nachdem heutigen Debüt des Abgeordneten für Osthavelland zwei und drei Fragezeichen machen."

Die Lektüre des Kaisers. Daß der Kaiser in allen Zweigen der Regierung über die einzelnen Vorkommnisse durch Vorträge und Berichte auf das genaueste unterrichtet wird, ist bekannt, daß er aber auch über alle bemerkenswerthen Vorfälle des Tages auf das genaueste stets informirt wird, dürften die Meisten nicht wissen. Es werden zu diesem Behufe im literarischen Bureau des Staatsministeriums aus fämmtlichen Blättern Ausschnitte zusammengestellt, die auf feines Velinpapier geklebt und zu einem Buche verbunden werden. Jeder Ausschnitt trägt am Kopfe das Datum und die Nummer der betreffenden Zei­tung und, wenn irgend bekannt, den Namen des Verfassers. Dieses aus Zeitungsabschnitten zusam­mengestellte Buch wird allmorgendlich dem Kaiser auf den Arbeitstisch gelegt. Hierzu kommt von sonstigen Zeitungen nur noch dasFremdenblatt" als Organ des Hofes, dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" und dieKölnische Zeitung." Die Reden Bismarck's pflegt der Kaiser stets ganz genau durch­zulesen, weßhalb dieselben in derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" immer groß gedruckt werden. Vor Jahren wurde im Palais nur die inzwischen eingegangeneHaude- und Spener'sche Zeitung" ge­halten. In ähnlicher Weise werden auch für sämmt- liche Minister Zeitungsausschnitte zusammengestellt, namentlich solche, welche Angriffe der gegnerischen Parteien enthalten.

Traurig, aber durstig. Nach läugercr Krankheit war in Langensalza ein armer Familienvater seinen Leiden er­legen. Gute Freunde und Kollegen erklärten sich bereit, die Leiche umsonst zum Friedhöfe hinauszutragen. Dankbar wil­ligte die Wittwe ein und bat, daß jeder der Träger aus ihre (der Wittwe) Rechnung nachher ein Glas Bier trinken möge. Und was hatte die arme Wittwe schließlich zu bezahen? Ein- hundertachtzig Glas Bier, welche dieLeidtragenden" zur Linderung ihres Schmerzes vertilgt hatten.

Ein empörender Kirchendiebstahl wird aus Pömbsen bei Driburg gemeldet. Dort ist in der Nacht zum Montag die Kirche von Dieben so rein ausgeplündert worden, daß keine Messe gele­sen werden konnte. Der Schaden wird auf 12,000 Mark geschätzt. Die Diebe hatten sich mit einer Wagenachse durch die schwere eichene Kirchenthüre Eingang in die Kirche verschafft. In der Kirche wurden sämmtliche Schränke und Behälter erbrochen, die Meßgewänder des Besatzes, die Kirchenbücher des silbernen Beschlages, die Muttergottesbilder der Kronen und des Behanges beraubt. Ein Muttergot­tesbild fand man auf einer Miststätte wieder. Frankreich.

Paris, 20. Nov. Unfern Republikanern ist wieder einmal bänglich zu Muthe. Auf der einen Seite drohen die Royalisten, denen nichts mehr fehlt, als ein militärischer Führer, auf der andern Seite dauern in den Provinzen die anarchistischen Kundge­bungen noch immer fort: in Lille brandstifterische Maueranschläge und Drohbriefe, in welchen den Adres­saten der Tod auf Tag und Stunde angesagt wirv; in Lyon am Samstag eine Anarchisten-Versammlung mit revolutionären Beschlüssen gegen die Anarchie und einem Anträge, das Kaffeehaus des MisLtro Lslleoour in die Luft zu sprengen,um alle Zei­tungsschreiber zu vertilgen;" in Montceau Einbruch in das Schießhaus, um Patronen und Waffen zu stehlen, die indeß schon beiseite geschafft waren; in Genf wurde die letzte Nummer desRevolte" auf der Post so glücklich mit Beschlag belegt, daß, wie wenigstens dieKorrespondenzHavas" behauptet, kein Exemplar über die französ. Grenze kam; diese Nnmmer enthielt die eingehende Verkündigung einer Revolution, die in Paris ausbrechen werde und von der es wörtlich heißt:Was nicht durch Dynamit in die Luft gesprengt wird, soll durch Petroleum ver­brannt werden; die Bourgeois und Besitzer werden sich endlich überzeugen, daß wir vorhanden sind und daß wir uns rächen!" Eine in Lyon erfolgte Ver­haftung von 26 Personen wurde vom Untersuchungs­

richter angeordnet; die Beschuldigung lautet auf Theilnahme an einer Verbindung zwischen Frankreich und Ausländern, um Arbeitseinstellung zu veranlassen und Eigenthum und das Vaterland aufzuheben.

Paris, 25. Novbr. In der Kathedrale von Saint Denis wurde gestern ein beträchtlicher Dieb­stahl begangen. Der Werth der gestohlenen Gegen­stände, darunter sechs Abendmahlskelche, zwei Mon­stranzgehäuse, sieben Königskronen wird auf hundert­tausend Franks geschätzt.

Nur noch wenige Tage und die Demolirungs- arbeiten an den Pariser Tuilerien werden begin­nen. Axt, Spitzhacke und Schaufel setzen sich in Be­wegung, um die geschwärzten Trümmerreste des einst so glänzenden Königspaiastes vom Erdboden ver­schwinden zu lassen. Als im Jahr 1789 das Volk die Zwingsburg Bastille in Trümmer legte, wurde von Paris an jede Kommune in Frankreich ein Bruch- theil, ein Mauerstück rc. von diesem düstern Schre­ckensgebäude vertheilt. Die Regierung der dritten Republik gedenkt dieses Beispiel zu befolgen und die Trümmerreste der Tuilerien auf diese Weise zu zer­streuen.

England.

London, 24. Nov. Die Eisenbahnbrücke von Bromley, an der London-Chatam-Dover-Bahn ge­legen, ist heute morgen zusammengebrochen. Sieben Arbeiter wurden getödtet, mehrere verwundet. Die Züge nach dem Continent konnten in Folge dieses Unfalls nicht ab gehen. (Fr. I.)

Die englische Regierung läßt gegenwärtig ein Stahl- Panzerschiff bauen, welches in jeder Beziehung alle bisher gebauten Schisse übertreffen soll. Das Schiff soll ein Depla­cement von tO OOO Tonnen haben und mit Maschinen von 7500 Pferdekraft, die unter vollem Dampf aus 9500 gebracht werden können, ausgestattet sein. Das Schiff soll vorläufig mit 60 Tonnengeschiitzen ausgerüstet werden, ist aber im Stande, Geschütze bedeutend schwereren Kalibers zu tragen. Die Kosten sind auf 600 000 Pfd. St. veranschlagt.

Während einer Feuersbrunst in einer Fabrik zu Providence (Rhode-Jslaud) entstand eine Panik unter den Arbeitern. Vierzig, darunter zwanzig Frauen, sprangen aus den Fenstern und sielen auf eiserne Spitzpfähle. Dabei kamen acht Frauen sofort ums Leben, andere wurden schwer verwundet.

Gisela.

(Fortsetzung und Schluß.)

Fast eine Woche war nach dem Verkaufe der Swobada'schen Gütern verstrichen und die ehemaligen Herren derselben erwarteten mit Ungeduld eine Nach­richt von dem neuen Käufer, dem sie sich als Pächter ihrer umfangreichen ehemaligen Güter vorstellen soll­ten. Die Swobada'sche Familie vermuthete in dem Käufer einen Fürsten und möglicher Weise ein Mit­glied des österreichischen Kaiserhauses, welches in der That die herrlichen Güter des Baron Swobada schon wegen der prächtigen Waldungen und schönen Zagd- gründe angekauft haben konnte. Dies war nun frei­lich ein großer Jrrthum, wie sich bald herausstellte, denn der Baron Andreas von Swobada erhielt am Tage darauf von dem Käufer seiner Besitzungen fol­genden Brief:

An den Baron von Swobada.

Hochgeehrter Herr!

In meinem Aufträge hat Herr von Burgstedt aus Wien Ihre Besitzungen für mich angekauft, doch beabsichtige ich nicht, diese Besitzungen selbst zu be­wirtschaften, da ich bereits im Besitze eines größeren Landgutes, welches nahe bei Wien liegt, bin. Ich betrachte den Ankauf Ihrer bisherigen Besitzungen nur als eine sichere Capitalanlage und will demge-' mäß meine neuerworbenen Güter verpachten. Es ist mir dabei weniger um die Erzielung einer hohen Pachtsumme, als vielmehr darum zu thun, die Gü­ter in guten Händen zu wissen. Da Sie nun nebst Ihrem Sohne sich erboten haben, meine Güter zu pachten, so bin ich umsomehr geneigt, Ihnen die Verpachtung dieser Güter zu überlassen, weil ich er­fahren habe, daß Sie nicht durch leichtsinniges Wirtschaften, sondern wegen eines mit Ihrer früheren Lebensstellung als Offizier in kaiserlichen Diensten verbundenen Aufwandes und einer zahlrei­chen Familie, der sie eine standesgemäße Erziehung mußten angedeihen lassen, genöthigt wurden, Ihre Güter zu verkaufen. Auch ist mir vollständig be­kannt, welche absonderlichen Umstände noch dazu beigetragen haben, Ihr und Ihrer Familie Unglück zu beschleunigen. Morgen Nachmittag komme ich auf meine neuen Besitzungen, um selbige zu besich­tigen und hoffe ich, daß sich bei meiner Anwesen­

heit das Weitere zwischen uns regeln lassen wirb.

Gez. Gisela, Baroneß von Swobada, geb. Nepomuck.

Der Baron Andreas von Swobada war nach dem Durchlesen dieses Briefes keiner anderen Worte mächtig, als daß er seinem Sohne, dem Baron Curt, den Brief mit den Worten zuschob:

Hier lies!"

Baron Curt las nun auch den Brief und ge­riet über den Inhalt desselben in einen Zustand der Bestürzung. Was mochte die Frau, mit der er in Scheidung lag, bewegt haben, die Millionen ihres Va­ters zu Gunsten des Mannes in Bewegung zu setzen, der ihr nichts weniger als Annehmlichkeiten bereitet hatte?

Einige Zweifel stiegen in der Brust des Baron Curt auf. Sollte Baroneß Gisela dies Alles bewerk­stelligt haben, um die Familie von Swobada in einer abhängigen Stellung von sich zu sehen? Aber wäre die Rache nicht vollständiger gewesen, wenn die Ba­roneß die Familie von Swobada resp. Ihren Gemahl Baron Curt, dem verhängnißvollen Schicksal überlas­sen hätte! Die Ueberlaffung der Pacht einer so an­sehnlichen Besitzung, wie die ehemals dem Baron von Swobada gehörige, die eine halbe Million Werth re« präsentirte, schloß doch auch eine Art Vertrauensstel­lung in sich, denn mancher adelige Domänenpächter hatte Güter von viel geringerem Umfange zu bewirth- schaften und war dabei noch stolz auf seine Stellung. Sollten sich der Baron Andreas von Swobada und dessen Sohn, Baron Curt, nachdem sie die Macht der Nepomuck'schen Millionen in den letzten Monaten in so empfindlicher Weise gespürt hatten, nun in dem Umstande befinden, daß diese Millionen, wenn auch in anderen Händen, ihr Schicksal wieder günstiger ge­stalten konnten? Freilich hieß es nur Pacht und nicht Weitergewährung des Nepomuck'schen Credits. Die­ser Umstand erweckte zuweilen wieder einen Zwiespalt in dem Gedankenkreis der Barone. Schließlich erhob sich die Gemüthsstimmung des Baron Andreas von Swobada aber doch zu einer geharnischten Erklärung seinem Sohne gegenüber und mit energischer Stimme sagte der alte Baron zum Sohne:

Entweder ist dieses Weib ein Teufel oder ein Engel, eine dazwischen liegende Erklärung finde ich nicht. Was sagst Du dazu, Curt?"

Ich muß Dir beipflichten, lieber Vater," ent- gegnete dieser.Ich glaube auch, ich habe der Ba­roneß Gisela seiner Zeit Unrecht gethan."

Sooo!" betonte der Baron Andreas.Und das erfährt man jetzt erst? Warum hast Du nicht nachgegeben, als ich Dir seiner Zeit zur Nachgiebig­keit rieth? Kommt Deine Einsicht jetzt erst, dann könnte ich Dir von Herzen zürnen!"

Verzeihe mir, Vater, mein Sinn war verblen­det und ich ließ mich nur von der Mutter leiten."

»Ihr habt beide damals nicht auf meinen Rath gehört und in einer unbegreiflichen Verblendung ein großes Unglück über Euch selbst und über uns herauf­beschworen. Ich kann nicht umhin, dies ernsthaft zu tadeln. Ich will indessen zu dem Familienunglück kei­nen Familienskandal hinzufügen, doch stehe Du nun zu, wie Du die Sache wieder gut machst und Deine Mutter, welche damals das Schlimmste begünstigte, mag nun auch Dir mit zum Guten verhelfen."

Du wirst uns beistehen, Vater, Du wirst der Vermittler zwischen mir und Baroneß Gisela sein!"

Vermittler? Ich werde mich hüten! Ich will mich bemühen, die Güter in Pacht von der Baroneß Gisela zu erhalten, doch weiter kann ich ihr und mir nichts zumuthen. Aber sowohl von Dir, als auch von Deiner Mutter verlange ich, daß Ihr Baroneß Gisela um Verzeihung bittet, sonst trifft Euch mein schwerer Zorn!"

Nach diesen energischen Worten verließ Baron Andreas das Zimmer und Baron Curt wußte, daß an dem Willen des Vaters nichts zu ändern war, wenn er einmal etwas als nothweodig anerkannt hatte.

Es folgte nun eine peinliche Scene zwischen der Baroneß von Swobada, der Mutter des Baron Curt und diesem, ihrem Lieblingssohne.

Bei der Eröffnung der Nachricht, daß die Ba­roneß Gisela die neue Besitzerin der Swobada'schen Güter sei, fiel die Mutter des Baron Curt vor Schreck und Freude in eine halbe Ohnmacht und dann gab es zwischen Mutter und Sohn bittere Vorwürfe und Thränen und beide zogen sich darauf den ganzen Tag in ihre Zimmer zurück und ließen auch am anderen Morgen nichts von sich hören.