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älteste Kind erzählte, der Vater habe sie am Morgen unter dem Vorwandte, daß er Brod in der Stadt kaufen wolle, zurückgelassen und sei nicht wieder gekommen.
Berlin, 16. Nov. (Abgeordnetenhaus.) v. Benda (nationalliberal wurde mit 256 von 347 Stimmen zuin zweiten Vizepräsidenten gewählt.
Berlin, 16. Nov. Nach offiziöser Angabe betrifft die Aushebung der vier untersten Stufen der Klassensteuer 4,862,374 Steuerzahler mit 20,746,125 Mark. Für das nächste Jahr beträgt der Gesammt- ausfall rund 14 Millionen Mark. — Die Differenz zwischen Eugen Richter und Hünel ist dem Ausglich nahe; die Fortschrittspartei will, soweit möglich, gute Beziehungen zu den Sezejsionisten und zu der nätionalliberalen Partei anstreben.
Berlin, 17. Novbr. Es ist der Negierung gelungen, eine Vertagung der Kammer zu vermeiden, indem die vom Reichstage abgelehnte Schanksteuer als Vorlage im preußischen Landtage angekündigt wird. (N. T.)
Einer preußischen Ministerialverfügung zufolge soll gegen alle Diejenigen, welche — namentlich an Arbeiter — Branntwein nicht gegen baar verkaufen, sondern solchen borgen, unnachsichtlich des Verfah rens auf Konzessionsentziehung eingeleitet werden. Wenn diese Maßregel sich allgemein durchführen läßt, so wird sie gegen die Auswüchse der Branntweinpest gewiß segensreich wirken.
Die „Straßburger Post" klagt über die schreckliche Menge der Wirthschaften in den Reichslanden. Elsaß-Lothringen zählte 1879 nicht weniger als 13 833 Wirthshäuser. Mühlhausen hatte deren 577 gegen 110 Bäckereien. „Könnten wir die gegebene Zahl um das Drittel, selbst um die Hälfte verringern," schreibt dieses Blatt, „es wäre damit viel für unser Land gewonnen. Auf 110 Einwohner ein Wirthshaus ist zu viel. (In Nagold kommt ein Wirthshaus auf 114 Einw.) Der 1879 in Paris versammelte Kongreß zur Bekämpfung der Branntweinpest forderte als Prinzip ein Wirthshaus auf 2000 Einwohner. Gebe man unserem Lande eines auf 200—300 Einwohner, es wäre nichts Reaktionäres verlangt. 1872 verbrauchte Mühlhausen 311 Hektoliter Branntwein, 1868 3000 Hektoliter. 1876 hatte das Spital von Mühlhausen nur 2 Kranke, die am Säuferwahnsinn litten, 1877 deren 32.! Solche Zahlen brauchen keinen Kommentar."
Minden, 14. Nov. Das hies. Schöffengericht verurtheilte gestern den Regierungskanzlisten Kr. von hier wegen barbarischer Züchtigung seines eigenen viereinhalbjährigen Kindes zu dreimonatlicher Ge- sängnißstrafe. Welche Behandlung dem unglücklichen Kinde zu Theil geworden ist, läßt sich aus dem Befehl des Vaters erkennen, das hartbestrafte Kind in eine Kammer zu sperren, hungern zu lassen und die zerschlagenen Körperstellen mit Essig zu befeuchten, das schmerze und heile." Da der Mann schon früher wegen ähnlichen Vergehens, an demselben Kinde begangen, mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt wurde, augenscheinlich aber von seiner besonderen Art der Kindererziehung trotzdem nicht abließ, so glaubte der Gerichtshof mildernde Umstände ausschließen zu sollen, und erkannte, wie oben gesagt.
(ScchsJahre lang ungewaschen.) In dem eine halbe Stunde von Siegen entfernten Bürbach wurde eine Frauensperson von ihren eigenen Angehörigen gefangen gehalten, so daß die Polizei einschritt. Der Eigenthümcr des Hauses, ein armer Bergmann, erklärte ohne Umschweif, daß seine unverehelichte 55 Jahre alte Schwester seit vollen 6 Jahren eine Kammer in seinem Hause bewohne und diese bis zur Stunde nicht verlassen habe, auch außer seinem 12jährigen Knaben, welcher ihr das Essen reiche, Niemand cinlasse. Hr. Amtmann Biilowins, in Begleitung der Siegener Gendarmerie, ließ sich das betreffende Zimmer öffnen. Ein entsetzlicher Anblick bot sich den Eintretenden dar. In einer Bettstelle lag ans Lumpen mit allerlei Gethier eine abgezehrte Frauengestalt, den Kopf aus einem mit etwas Heu ausge- stopftey Sacke ruhend und zngedeckt mit einem zerlumpten Unterrocke. Auf die Aufforderung, sich zu erheben, erklärte dieselbe, daß sie das nicht dürfe, bis Kl. (ein der Sekte der Wiedertäufer angehörender Burger Siegens, bei dem die Person früher gedient hatte) käme und ihr das befehle; sonst sei der Himmel für sie verloren! Da alles gütliche Zureden nichts fruchtete, beorderte die Behörde neben den Anverwandten noch zwei Frauen aus dem Dorfe, welche Hand anlcgen mußten, und es gelang diesen nur unter größter Anstrengung, die Person von ihrem entsetzlichen Lager zu heben. Aus dem früher kräftigen und starken Frauenzimmer war eine verkrüppelte, elende Person geworden. Wie wäre es auch anders möglich gewesen? Sechs Jahre lang hatte die Unglückliche keine reine Wäsche angezogen, dieselben Kleidungsstücke, Untcrrock und Jacke, nicht vom Leibe bekommen und jede» Tropfen Wassers zum Waschen und Trinken verschmäht. Vor dem Bette standen die Schuhe, umrahmt von fingerdickem Staub, ein Beweis,
daß sie viele Jahre unberührt dagestanden hatten, und das Merkwürdigste ist: die ganzen Wände ihres Zimmers, der Tisch, die Stühle, ja sogar eine Menge herumlicgeuder Brod- schnitten sind, soweit erkennbar, mit unzähligen Bibelsprüchen versehen, welche zum großen Theilc aus „Erlösung" hindeuren. Diese Hieroglyphen sind von der Person selbst geichricben und zwar mit aus der Wand gebröckeltem Lehm. Die Person sowohl wie das Zimmer wurde» auf polizeiliche Anordnung gereinigt. Der Geist dieses unglücklichen Frauenzimmers aver scheint umnachtet zu sein: eine Frucht des Seklirerthums.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 17. Nov. Der Magistrat erklärte, daß die Setzer durch die Arbeitseinstellung ohne Kündigung das Gewerbegesetz verletzt hätten, forderten jedoch die Buchdruckereibesitzer auf, den Forderungen der Setzer möglichst Rechnung zu tragen. Die Zeitungssetzer verlangen, nachdem der von ihnen ausgestellte Tarif angenommen worden, Aufhebung der Sonntagsarbeit.
Wien, 17. Nov. Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht ' eine Verordnung der Ministerien des Handels und der Finanzen, womit anläßlich der durch Ucberschwemmungen von Südthrvl eingetrctenen Ernteschädeu die Zollsätze für Getreide und Hülsenfrüchte bei der Einfuhr nach Throl und Italien zeitweilig auf die Dauer von einem halben Jahre fuspendirt werden.
Italien.
Der Bischof von Teruei hat nach dem „Osservatore Romano" nach seiner Rückkehr von der römischen Pilgerfahrt in einer Predigt folgendes Bild vom Pachte eniwvr,en: „Wer Leo XIII. nur ans seinen Portrails kennt, hat keinen Begriff von ihm, man kann ihn eben nicht malen; so wenig die Photographie einen Begriff von einer Wunderblume geben könnte, die jeden Augenblick ihre Farben änderte, ''bald rosig strahlend, bald erbleichend, bald sich verkleinernd, bald zu riesigen Verhältnissen wachsend. Nie habe ich ein so bewegliches Antlitz gesehen. Welch wunderbarer Wechsel, wenn dies Gesicht vom Lächeln zum Ernst übergeht! Spricht der Pacht öffentlich, so strahlt er von Majestät; spricht er unter vier Augen, iß alles Süßigkeit. Er ist hoch von Gestalt, weiß wie Schnee. Ich weiß nicht, ob mein Herz noch in Rom ist oder ob ich cs mitgebracht habe. Man mutz den Pacht sehen, um zu wissen, wer dieser Pabst ist. Großer Gott, wie liecht du deine Kirche! Für mich gibt es keinen Menschen, der würdiger wäre, die dreifache Krone zu tragen. Welche Veränderung ist in mir vorgegangen. Ich glaubte nicht mit einem Menschen zu reden, sondern mit einer himmlischen Erscheinung. „Und wie wird dein Antlitz leuchten, o Herr des Himmels" sagte ich zu mir, „wenn mich dein Stellvertreter auf Erden so rührt und bezaubert!" .... Er ist der Mensch im höchsten Sinne, der erste Mensch der Welt. In seiner Betrachtung fühlte ich mich glücklich, aber zu gleicher Zeit fühlte ich des eigenen Nichts durchbohrendes Gefühl." Als der Pabst nach längerer Unterhaltung von seiner Gefangenschaft sprach, bemerkte der Bischof eine Thräne auf seiner Wange." Ich sah sic, diese Thräne! Ach hätte ich in der Hand ein mit Diamanten besetztes Gefäß gehabt, ich hätte mich zu seinen Füßen gestürzt, um ehrfurchtsvoll eine Thräne aufzufangen, die sich in den Falten seines weißen Gewandes verlor. Ich hätte diese Thräne mitgebracht, hätte sie hier gezeigt und allen gesagt: „Und noch immer habt ihr Lust zu zanken? Wäre es nunmehr nicht Zeit zu schweigen? Nicht Zeit zu arbeiten?"
Schweiz.
Im Kanton Luzern hat das Volk die Verfassungs-Revision, deren Hauptpunkt die Wiedereinführung der Todesstrafe bildet, mit fast 9facher Mehrheit angenommen.
Frankreich.
Paris, 16. Nov. Aus allen Gegenden des Landes, namentlich von den Küsten, kommen Nachrichten über Verheerungen durch ^sturm und Ueber- schwemmungen. lieber Saint-Malo zog gestern ein furchtbares Hagelwetter. Mehrere Stunden hindurch fielen große Hagelstücke, die noch heute die Stadt wie mit einer Eisschicht bedecken. In S>aint-Briac stürzte ein durch die fortwährenden Regen unter- wühltes Haus zusammen; in Saint-Lunaire eine Seite der neuen Kirche. — Von Quimper aus meldet man, daß in der letzten Nacht die Mairie, das Schulhaus und das Postbureau in Crozon durch Feuer zerstört wurden. Der Hilfslehrer und acht Kinder kamen in den Flammen um. Der Lehrer erhielt gefährliche Brandwunden. Der heftige Sturm machte es schwer, das Feuer zu bewältigen.
Paris, 16. Nov. Die anarchistischen Kundgebungen dauern fort. Beispielsweise lesen wir in der „Corr. Havas" von einem Einbruch in die Kirche zu Plan bei Cazöres (obere Garonne), wo die Bildsäule der Mutter Gottes zertrümmert wurde; ferner eine Drohschrift, die an der Kathedralthüre von Blois angeschlagen war: „Die Ursulinerinnen fliegen nächstens in die Luft!" Ferner aus Brest, wo an mehreren Plätzen der Stadt unter einem Kreuze ein Drohbrief an die „schlemmenden Bourgeois, die Blutsauger, schwarzen Vampyre", denen das Herannahen der Revolution verkündigt wird, gefunden wurde. Aus Montluyon wird der Umsturz mehrerer
Crucifixe gemeldet, aus Saint Just (obere Loire) die Verhaftung eines Arbeiters, bei dem Dhnamitbomben gefunden wurden n. s. w.
England.
London, 17. Nov. Im Kricgsamt wird die Eventualität einer Vermehrung der eghptischen Garnisonen ernstlich erwogen. Im Marinearsenal herrscht eine erhöhte Thätigkeit.
Rußland.
Aus Petersburg erfährt die „Allg. Ztg." von zuverlässiger Seite, daß der russische Minister der auswärtigen Angelegenheiten, v. Giers, auf seiner bevorstehenden Reise auch den deutschen Reichskanzler Fürsten Bismarck besuchen wird.
Auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aus Velika Ludina wird folgender furchtbare Vorfall gemeldet. Vor einigen Tagen ging der dortige Schmiedemeister Franz B. in den Wald Pogsdska, um mit seinem Gehilfen die für die Schmiede nöthigen Kohlen zu brennen. Hier machten die Männer einen Scheiterhaufen von ca. drei Klafter Holz und zündeten denselben an. Der Meister wollte an dem mangelhaft brennenden Scheiterhaufen etwas richten, stieg hinauf und stürzte unglücklicher Weise in die Flammen. Alle Anstrengungen des Gehilfen, seinen Meister zu retten, blieben fruchtlos: der Bedauerns- wcrthe fand seinen Tod in den Flammen.
Bezirk Rottcnburg, 16. Nov. Die Hopfeilsaison darf nunmehr als abgeschlossen beirachke: werden. Die letzten Verkäufe beziffern sich auk 450 ^ pr. Ztr. Laut amtlichen Berichts sind im Bezirke 3428 Morgen — 1080 Hektare mit Hopsen bepflanzt gewesen, deren Ertrag 10,284 Ztr. ergeben hat; dieselben repräsenlircn bei einem Mittelpreis von 260 per Zentner einen Werth von 2,673,840 Während der Saison sind über 3000 Telegramme ans hiesige Station cingelau- sen, ein Beweis dasür, wie sehr der Hopsenmarkt von auswärtigen Käufern frequentirt war.
Lud wigsburg, 16. Nov. Heute kamen beim Train- bataillou 78 Pscrde zum Verkauf. Es sind eine Menge Käufer dazu erschienen. Für das Pferd wurde durchschnittlich 226 «kä erlöst. Der böchste Preis pro Pferd betrug 415 der niedrigste 95 (Schw. M.)
Ansbach, 15. Nov. Scricnziehung des Ansbach-Gun- zcnhausencr Eisenbahn-Anlchens. Es wurden folgende Serien gezogen: 40 187 251 256 488 654 715 717 721 828 1231 1302 1396 1577 1615 1851 1928 1963 2014 2108 2449 2591
2998 3028 3113 3119 3146 3176 3197 3209 3220 3446 3556
3580 3638 3643 3749 3824 4211 4225 4312 4376 4424 4432
4437 4560 4688 4735 4978 4990.
Att - rlri.
— Königliche Heilkraft. Durch Einführung der republikanischen Staatsform in Frankreich ist ein alter Brauch aufgehoben worden, der seit uralten Zeiten den Kranken und Armen im Lande zu gute gekommen war, nämlich die „königliche Cour." Historischen Traditionen zufolge schrieb man den Königen von Frankreich und England vor allen anderen Potentaten das Vermögen zu, durch Berührung der Kranken diese von gewissen Leiden heilen zu können. Demgemäß ließen sich die Regenten beider Staaten an bestimmten Tagen, insbesondere am Pfingstsonntag, herbei, eine sogenannte Cour abzuhalten, auf welcher Patienten aus allen Theilen des Reiches erschienen, um der königlichen Gnade theilhaftig zu werden. Beim Herannahen des Königs, der mit entblößtem Haupte in eifrigem Gebete seinen ihn ankündigenden Trabanten und Leibwachen folgte, wurden die Kranken von den hinter ihnen postirten Aerzten sanft bei den Haaren unter die segnenden Hände des Königs gezogen, während dieser sprach: Der König rühret dich, Gott heilet dich, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Darauf traten des Königs Almosengeber hinzu und lieben einen nach dem Anderen mit einer Gabe zum Saale wieder hinaus. Der König aber wusch seine Hände in einem ihm gereichten Becken, womit die Ceremonie beendigt war. Etwas feierlicher noch wurde in England bei demselben Akt verfahren, da der König hier auf dem Throne sitzend die mit dem „Königlichen Uebel" (der fallenden Sucht) Behafteten empfing. Sie mußten sich vor ihm auf die Kniee werfen, alsdann berührte der König mit der rechten Hand den linken und mit der linken den rechten Backen des Patienten, wozu von einem Geistlichen eine Stelle aus der Bibel verlesen wurde. Endlich wurde einer nach dem Andern von den Kranken vor den König geführt, der Jedem eigenhändig eine Goldmünze um den Hals hing. Die Rückerinnerung an diese immerhin für Viele willkommene und einträglich gewesene Ceremonie des Pfingstfestes macht es erklärlich, daß kranke Bettler in Frankreich keineswegs für die Republik schwärmen
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