Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag den 21. November.

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Amtliches.

Oberamt Böblingen. KrrirkspolizeMche Vorschrift, betreffend die Kelenchtnng der Fuhrwerke bei Nacht»

Unter Bezugnahme auf Z 366 Ziff. 10 des Strafgesetzbuchs für das deutsche Reich und die Art. 51 und 52 des Landesgesetzes vom 27. Dezember 1871, betreffend Aendernng des Polizeistrafrechts, wird mit Zustimmung des Amtsversammlnngs-Aus- schusses vom 3. November 1882 Prot. Z 258 und Genehmigung der Königlichen Regierung des Neckar­kreises vom 10. November 1882, Z. 7758, für den Oberamtsbezirk Böblingen Nachstehendes angeordnet:

8 l-

Während der Dunkelheit der Nacht muß jedes auf öffentlicher Straße befindliche Fuhrwerk vor­schriftsmäßig beleuchtet werden.

8 2 .

Als öffentliche Straßen im Sinne des Z 1 dieser Vorschrift sind die Staats- und sämmtlichen Ortsstraßen, sowie diejenigen Fahrwege anzufehen, welche den Nachbarschafts-Verkehr vermitteln; aus­genommen sind die Feld- und Waldwege.

8 3 .

Die Beleuchtung geschieht:

a) bei einem Fuhrwerk, welches vorzugsweise zur Personenbeförderung bestimmt ist, durch eine oben am Verdeck in zweckentsprechender Weise angebrachte Laterne, oder durch zwei Laternen, welche an den Seiten, soweit wie möglich nach vorn anzubringen sind,

b) bei anderem Fuhrwerk durch eine Laterne, welche in der Mitte der Vorderseite an oder auf dem Fuhrwerk dergestalt anzubringen ist, daß ihr Licht ungehindert durch das Gespann nach vornen fällt.

Wo vermöge der Bauart oder der Ladung des Fuhrwerks die Beleuchtung nicht an letz­terem selbst angebracht werden kann, ist es ge­stattet, sie an den Pferden oder an der Deichsel zu führen.

Die Laternen müssen in ordnungsmäßigem Stande und mit hell leuchtendem Lichte ver­sehen sein.

8 4.

Uebertretungen dieser Vorschrift unterliegen der Strafbestimmung in § 366 des Strafgesetzbuchs für das deutsche Reich.

Den 15. November 1882.

Königliches Oberamt.

Baur.

Nagold.

An dte GrtspsUketbehördeu.

Die Ortspolizeibehörden werden auf den Erlaß K. Ministeriums des Innern, betreffend die Ueber- sichten über die Fabriken, welche jugendliche Arbeiter beschäftigen, vom 4. November 1882, Ziffer 9117, (Ministerial-Amtsblatt Seite 398), zur Nachachtung hingewiesen. Hiernach sind die nach Z. 24 der Mi- nisterial-Verfügung vom 19. Dezember 1878 (Regie­rungsblatt Seite 285) von den Ortspolizeibehörden zu fertigenden Uebersichten über die in ihrem Ge­meindebezirk vorhandenen Fabriken, in welchen ju­gendliche Arbeiter beschäftigt werden, stets nach dem dieser Verfügung angehängten Formular v künf­tig und zwar erstmals im Dezember dieses Jahres nach der in oben genanntem Ministerial-Erlaß ab­gedruckten Tabelle nach näherer Maßgabe der daselbst enthaltenen Anleitung aufzustellen.

Die rechtzeitige Einsendung der gedachten Ueber- ichten wird gewärtigt.

Den 18. November 1882.

_K. Oberamt. Güntner._

Ursachen des Verbrecherthums.

Der Director der sächsischen Strafanstalt Zwickau, Geh. Regierungsrath d'Alinge, der älteste Gefängniß- beamte im Königreich Sachsen, hat sich auf einer Versammlung zu Dresden am 26. April d. I, über die Ursachen des Verbrecherthums ausführlich aus­gesprochen, und es dürfte unsere Leser interessiren, das Urtheil dieses Mannes, dem eine reiche Erfah­rung auf diesem traurigen Gebiete des menschlichen Lebens zu Gebot steht, kennen zu lernen.

Er betont in seiner Rede, daß es eine Menge von Ursachen für das heutzutage so sehr überhand­nehmende Berbrecherthum gebe. Einige dieser Ur­sachen zählt er dann auf:Die erste ist die über­handnehmende, und ich muß leider sagen, durch die gesetzlichen Bestimmungen mehr oder weniger unter­stützte Religionslosigkeit und der damit in Ver­bindung stehende Verfall des Familienlebens. Selbst Heinrich von Treitschke sagt beherzigenswerth:Wer den frommen Glauben, das Eigenste und Beste des Menschen zerstört, handelt als ein Verbrecher gegen die Gesellschaft". Und solche Verbrecher haben wir recht viele."

Als zweite Ursache nenne ich die für Deutsch­land und speciell für Sachsen gefährlichste Groß­macht, das Schankstättenthum. In ihm gleich­viel ob dort Caviar und Champagner, oder nur Käse und Schnaps verabreicht wird in ihm reifen mehr als die Hälfte aller Verbrecher, die wir in den Strafanstalten zu verwahren haben. Die statistischen Nachrichten darüber würden nach Befinden zu Dien­sten stehen."

Als eine dritte Ursache haben die Strafan­stalten zu bezeichnen das seit 1015 Jahren durch die neuen Gewerbe-, Unterstützungs- und Freizügig­keits-Gesetze in Deutschland monopolisirte Vagabun­denthum. Herr Landrath Or. Elvers hat auf dem Congreß in Bremen in dankenswerther Weise aus­führlich darüber berichtet. 200 000 Menschen, hei- mathlos, ohne Besitz, zügel- und gedankenlos, ohne Lust zur Arbeit, zerlumpt oder auch wohl ausstaffirt mit Knüttel oder Revolver, immer aber mit der Schnapsflasche, ziehen tagtäglich bettelnd, stehlend, drohend, pressend, durch unser schönes Deutschland hindurch und erheben eine Steuer von mindestens 200 Millionen pro Jahr! Sie staunen über die Höhe dieser Summe? Und doch ist sie vielleicht zu niedrig gegriffen. Ich könnte Ihnen von vielen, recht eigentlich Sachverständigen, die selbst als solche Steuererheber und Executoren fungirt haben, die detaillirtesten Nachweise darüber bringen. Ich habe seit Jahren protokollarisch diese Angelegenheit be­handeln und sogar Karten anlegen lassen von einer Anzahl solcher Reiserouten, die von Norden nach Süden und von Osten nach Westen durch ganz Deutschland vagabondirend zurückgelegt worden sind; namentlich Sachsen, Thüringen, Westphalen, Rhein­provinz und Elsaß-Lothringen scheinen sehr begehrte Reiseziele zu sein."

Mir haben Briefe von Eltern junger Ver­brecher Vorgelegen, worin die Eltern selbst die jungen Sträflinge ermahnen, ja alsbald nach ihrer Entlas­sung in die Welt zu gehen; denn wie sie gehört hätten von dem und dem und dem und dem, so wäre das ein sehr gutes Geschäft, das Vagabondiren nämlich."

Als vierte Ursache möchte ich die Frivolität angeben, mit welcher die Gerichtsverhandlungen referirt werden. Ich will diesen Punkt möglichst discret behandeln und nur bemerken: eine auf Actien gegründete größere Zeitung geht damit voran, und viele Provinzialblätter geben die bezüglichen Zwie­gespräche zunächst zur Belustigung, aber auch zur Entsittlichung ihrer Leser wieder. Und was ist dabei zu fürchten bezüglich der Autorität der Gerichte!"

Als fünfte Ursache bezeichne ich dieColpor- tage von Schauder-Romanen in Lieferungen u. das Verbreiten von unsittlichen Karten und Bil­dern. Polizeilich wird in diejer Sache ja recht viel gethan, aber das böse Gift schleicht im Finstern im­mer weiter vorwärts. Wir haben z. B. jetzt aus der Lausitz zu beklagen, daß ein junger Bursche von 19 Jahren, der Sohn braver und gut situirter Eltern. Räuber geworden ist, blos weil ihm ein solcher Lieferungsroman von dem Colporteur aufge­drängt worden war. Wenn Sie Gelegenheit nehmen wollten, solche Lieferungsromane einzusehen, so wür­den Sie finden, daß man raffinirt in der letzten Spalte jeder Lieferung bei besonders spannenden, auf Sinnenlust und Phantasie des Lesers berechneten Schilderungen abbricht, damit ja die folgende Liefe­rung sicher gekauft wird."

Hiermit habe ich einen kleinen Theil der Ur­sachen unserer beklagenswerthen Zustände gezeichnet. Die Beseitigung dieser Ursachen liegt zum großen Theil in der Hand der Gesetzgeber. Unser Theil ist es aber, dem Weitergreifen der vorhandenen Uebel vorzubeugen und io weit es möglich ist mit unnachsichtlichem Ernst dem Verbrecherthum entgegen zu treten. Aber unser Theil ist es auch, in dem Centralgedanken des Christenthums, in der Liebe, die nimmer aufhören soll, den Strafentlassenen zu helfen, sie zu stützen, zu retten und alles Irrende, Schweifende nützlich zu verbinden. Solche Liebe zu wecken und zu stärken, wird die Aufgabe der Presse sein."

Gestatten Sie mir, diese Nothwendigkeit nur in einem einzigen Vorkommniß nachzuweisen."

Ein von edlem Streben beseelter, wahrhaft liebreicher Fabrikherr hat die große Güte gehabt, einem thätigen Vereinsmitgliede zu eröffnen, daß er gern bereit sei, einen oder den andern der Entlasse­nen in seine Fabrik aufzunehmen. Das Vereinsmit­glied, darüber hoch erfreut, ist eben bereit, ihm einen solchen Bedürftigen zuzuführen, da erscheint der Fab­rikherr und erklärt:Ach, es ist mir sehr leid, ich muß mein Wort zurücknehmen; denn meine Arbeiter haben mir gesagt, daß sie, wenn ein solch Entlasse­ner angenommen werde, selbst davon gehen würden, weil sie auf ihre Ehre halten müßten."

Nun, wir können stolz sein, daß wir Arbeiter haben, die auf ihre Ehre halten und noch Abscheu vor dem Verbrechen und seinen Verübern zeigen. Aber diesen redlichen und sicherlich braven Männern möchten wir andererseits doch zurufen:

Werft keinen Stein auf Jene, die gefallen!

Der Mensch ist schwach, Versuchung über Allen! Vielleicht hat nichts Euch mit der Welt entzweit Vielleicht das Glück nur Euch vom Fall befreit!

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

7^ Altenstaig Stadt, 19. Nov. Im Laufe der vergangenen Woche fand die Uebernahme unsrer Nagoldthalstraße durch Herrn Oberbaurath Leibbrand von Stuttgart und Herrn Straßenbauinspektor