Baron Curt saß in glücklicher und gehobener Stimmung noch in der Laube, welche er vor einer Stunde mit bekümmertem Herzen aufgesucht hatte. Die Umkehr in seinem Geistesleben, in seinem Sinnen und Denken äußerte sich sehr wohlthätig auf seine Gemüthsstimmung. Es war ihm, als wenn er ein ganz anderer Mensch geworden wäre, sein Fühlen und Begreifen, sein geistiges Wahrnehmen und Beur- theilen war ein anderes geworden. Er hing mit all' seinen Gedanken an seiner Vermählung mit Gisela Nepomuck und durchforschte alle die Nebenumstände, welche die Vermählung herbeigeführt hatten. Er sah das Hochzeitsfest an seinem Geiste vorüberziehen, sah, wie der Banquier Nepomuck ein glückstrahlendes Ge­sicht und dessen Tochter Gisela ein bleiches, ernstes, aber würdevolles Antlitz gezeigt hatte, als wenn sie gewußt hätte, daß ihr aus dieser Ehe eine ernste Aufgabe oder gar ein herbes Mißgeschick erwachsen werde. Dann strahlte vor seinen Augen der lachende Landsitz Neudegg und nun kam der schwarze Punkt, der Zwist mit seiner ihm kaum angetrauten Gattin und die unmittelbar darauf erfolgte Trennung von ihr.

Baron Curt fieberte und phantasirte förmlich bei diesem geistigen Rückblick und als er geendet, als er fertig geworden war mit der Prüfung der Ange­legenheit im geläuterten Herzen, da stand als unwi­derlegbares Resultat vor ihm in flammender «Schrift: Du hast Unrecht gethan, Baron Curt!"

Doch während nun dieses Gefühl in das Herz des Baron Curt eingegangen war und er gemäß sei­ner ritterlichen Gesinnung den Drang in sich bemerkte, das Unrecht wieder gut zu machen, sah er sich in einer ganz erbärmlichen, hülflosen Lage, denn eine undurchdringbar erscheinende Wand, die Erklärung seiner Gemahlin, daß sie ihn selbst hasse und verachte und von ihm getrennt sein wolle, stand zwischen sei­ner Gemahlin und seinem guten Willen, sein Unrecht wieder gut zu machen und außerdem gähnte vor ihm noch der Abgrund, den der Banquier Nepomuck durch die angekündigte Entziehung seiner Gelder und seines Credits für die Familie Swobada eröffnet hatte. Baron Curt mußte auf der einen Seite einsehen, daß das bittende Wort allein keine Bedeutung haben konnte, um das gegen die tiefgekränkte Gisela began­gene Unrecht wieder gut zu machen, damit konnte nur einer Anstandsformalität genügt werden, nein, es be­durfte der Thaten, die ihn in den Augen der geschmäh­ten Gemahlin wieder achtenswerth erscheinen ließen, wenn der Versuch, sein Unrecht zu sühnen, nur irgend welche Aussicht auf Erfolg haben sollte. Und während Baron Curt sich dessen immer mehr bewußt wurde, erschloß sich ihm eine neue Erkenntniß. Er fand, daß Gisela, nachdem sie die Worte der Verachtung von ihm zuerst und ohne jegliche Herausforderung hatte hören müssen, vollständig correct handelte, indem auch sie mit Verachtung und Haß antwortete. Doch bei der Richtigstellung dieser Angelegenheit blieb es im Herzen des Baron Curt nicht, er dachte weiter in dieser Richtung nach und fand, daß ihm die Hal­tung Gisela's Hochachtung einflößte. So hatte denn, Baron Curt in seiner ganzen Gesinnung einen weiten Weg von links nach rechts durchlaufen und war rich­tig dahin gekommen, wo er schon am Tage seiner Ver­lobung mit Gisela Nepomuck hätte stehen müssen, wenn die gesellschaftlichen Vorurtheile und die persönliche Eigenliebe seinen Blick nicht getrübt und die Gefühle seines Herzens nicht in eine verfehlte Richtung gesto­ßen hätten. Nun war er endlich angekommen auf der lichten Zinne der Erkenntniß, aber unter ihm gähnte jetzt der Abgrund, denn die von ihm am Hochzeitstage verschmähte Gemahlin begehrte seiner selbst nicht mehr und sein Schwiegervater, der Banquier Nepomuck, der den Baron erst mit stolzer Freude als Schwiegersohn an seine Brust gedrückt hatte, grollte in furchtbarer Weise dem Schwiegersöhne und dessen Familie, ja, er ließ bereits die Macht'des Alles beherrschenden Gol­des gegen die Familie Swobada spielen und hatte, wie es sicher schien, fest im Sinne, sich eine gehörige Rache an der Familie zu, bereiten.

Zu spät! Zu spät b' seufzte Baron Curt.Man wird mich auslachen, ja noch mehr, verachten, wenn ich jetzt als reuiger Sünder zurückkehren und um Ver­zeihung bitten wollte. Sie sind zu arg enttäuscht worden, um so ohne Weiteres die in meinem Herzen vor sich gegangene Wandlung begreifen zu können. Die Erkenntniß und Reue einer Stunde kann das nicht ausgleichen, was die Verstocktheit und Blindheit des Herzens während vieler Wochen verschuldet hat. Ich muß den Kelch austrinken, den ich mir selbst mit j

Bitternissen gefüllt habe und ach, die Meinen, die El­tern, die Brüder und vor Allem die unschuldigeßSchwe- strr Gertrud werden es schwer mit empfinden, mit er­dulden müssen, wenn wir durch Nepomuck's Willen besitzlos geworden sind."

Das Gefühl des Unglücks bemächtigte sich sbei diesen Gedanken des Baron Curt in einer vorher nie geahnten Weise, denn er empfand eine vollständige Ohnmacht dieser Sachlage gegenüber, sein guter Wille konnte und vermochte nichts dagegen auszurichten. Wieder dachte er an seine Schwester und deren un­schuldiges, treues und edles Gemüth. Konnte nicht auch seine Gemahlin ein solches besitzen? Doch wenn sie auch ein solches besaß, ihm gegenüber, der sie tödt- lich in ihrem weiblichen Stolze beleidigt hatte, mußte es verschlossen bleiben.

Das Familiendrama zwischen den Familien Swobada und Nepomuck nahm in den folgenden Wo­chen einen raschen Fortgang, denn die Verwickelung und der Knoten war ja gleich im ersten Akte unmit­telbar nach der Vermählung des Baron Curt mit Gi­sela Nepomuck aufgetreten und nachdem nur von Sei­ten des Vaters der jungen Gemahlin, des Banquier Nepomuck, ein Versuch gemacht worden war, dem Zwiste eine friedliche Lösung zu geben, hatte man sich dann von beiden Seilen bemüht, die Vermählung, welche zwei Menschen anstatt für das ganze Leben zu binden, in wenigen Stunden auseinandergetrieben hatte, wieder aufzuheben. Die Dinge hatten bereits einen derartigen Verlauf genommen, daß schwerlich eine Partei einen anderen Weg Anschlägen konnte. Wenn auch im Herzen des Baron Curt hellstrahlende Erkenntniß ihren triumphirenden Einzug gehalten hatte, so war der Schritt der Versöhnung dennoch gerade für ihn sehr schwierig, sowohl in Bezug aus die Ausführung, als auch noch mehr auf die Wir­kung. Er, der geglaubt hatte, mit klarem Geiste und starkem Charakter einer Verbindung zu entgehen, die ihm ganz besonders lästig erschien, fühlte jetzt nicht nur sein Unrecht, seine verkehrten Anschauungen heraus, sondern er mußte sich auch sammt seinen Eltern und Geschwistern als die Sühnopfer für seine Handlungs­weise betrachten. Das Gefühl, welches Baron Curt im weiteren Verlaufe seines Scheidungsprozesses mit Gisela empfand, war daher ein ganz anderes, als das­jenige, welches er hatte, als ihm sein Rechtsanwalt zunt ersten Male anzeigte, daß der Scheidungsprozeß voraussichtlich einen raschen und befriedigenden Ver­lauf nehmen werde. Nachdem die beiderseitigen Advo­katen bei den zuständigen Gerichten die Formalitäten eingeleitet und auch schon Termine gehabt hatten, in denen jedoch die klagenden Ehegatten verschmäht, per­sönlich zu erscheinen, war ihnen nun doch das persön­liche Erscheinen zur unerläßlichen Pflicht gemacht wor­den, wenn der Scheidungsprozeß nicht in eine schließ­lich zu keinem Resultate führende Verschleppung gera- then sollte.

Baron Curt hatte sich mit schwerem Herzen zu diesem gerichtlichen Gange entschlossen, denn seine innere Verstimmung war bis dahin gewachsen, die theilneh- menden Worte seiner Schwester, der Baroneß Ger­trud, waren für ihn ebensoviel bittere, stachelnde Vor­würfe und von Seiten seiner Eltern, die seit der Er­fahrung, daß der Banquier Nepomuck eine furchtbare Rache zu üben entschlossen war, eine große Niederge­schlagenheit zeigten, konnte Baron Curt erst recht kei­nen Trost erwarten, und seine im höchsten Maße tact- volle Mutter band ihm bei seiner Abreise nach Wien, wo der Prozeß geführt wurde, nur noch auf's Herz, unter allen Umständen mit Würde den Ausgang des Prozesses zu ertragen und von keiner anderen Regung des menschlichen Herzens einen Schatten auf den Adel seiner Gesinnung und Abkunft fallen zu lassen.

Der Baron Andreas befand sich der ganzen Situation regungslos gegenüber, er sorgte wohl außer dem Hause für eine gute Ausführung seiner gutsherr­lichen Geschäfte, aber seiner Familie und zumal Curt gegenüber blieb er in sich gekehrt und auf diese Weise verabschiedete er sich auch von dem nach Wien reisen­den Sohne.

(Fortsetzung folgt.)

Altertet.

Noch einmal: Bleibt auf dem Lande! Aus Berlin wurde jüngst gemeldet, daß in der Nähe des alten Museums, da, wo allerlei Höker sich auf­zuhalten Pflegen, etwas sich zugetragen, das wohl ge­eignet ist, einem Menschenfreunde die Seele mit tie­fem Wehe zu erfüllen. Einer jener Händler hatte

nämlich seinem Hunde ein Fäßlein des in Berlin nicht unbekannten Hundefutters gekauft, das aus allerlei in Restaurationslokalen gesammelten Abfällen besteht und in der großen Stadt, wo so Vieles noch benutzt wird, was man anderswo wegwirft, zu einem besonderen Handelsartikel geworden ist. Da geschah es nun, daß der genannte Hund in einer durch Müdigkeit und Sättigung veranlaßten Pause vor seinem Fäßlein einschlummerte. Ein ärmlich aus­sehender, aber noch jugcndkräftiger Mann, der schon längere Zeit mit gierigen Augen dem Hunde zuge­sehen hatte, benutzte diese Pause, um mit raschem Griffe das Gesäß sich anzueignen und etliche dem­selben entnommene Brocken zu verschlingen. Die an- gestellte Forschung ergab, daß der 35 Jahre alte Mensch einige Stunden zuvor aus einer fünftägigen Haft, die er Bettelns halber verbüßt hatte, entlassen worden war, daß ec nicht vermocht hatte, Arbeit zu finden und daß er deßhalb zu diesem in der Ge­schichte der Frühstücksgewohnheiteu gewiß höchst sel­tenen Mittel der Hungerstillung gegriffen hatte. Welch' einen Blick in die sozialen Verhältnisse einer Großstadt eröffnet uns dieses Berliner Straßeubild! Wem kämen nicht dabei die Worte in den Sinn: Er begehrte seinen Bauch zu füllen mit den Tra­bern, welche die Säue aßen, und Niemand gab sie ihm"? Hungerleiden lhut weh, und wenn es einem Menschen zu Theil wird inmitten von Hunderttau­senden, die nicht hungern, so ist es doppelt schmerz­lich. Ein Vorwurf gegen die Berliner, deren Wohl- thätigkeitssinn weithin bekannt ist, sollen diese Worte nicht sein, ebensowenig eine Anklage der dort organi- sirten ebenso energischen als opferwilligen Armen­pflege. In einer Stadt, deren Seelenzahl eine Million übersteigt, kann unmöglich jede Noth bemerkt und jedes Elend verhütet werden. Eins aber, was schon oft gesagt worden ist, muß angesichts dieser Hundefütterungsgeschichte wiederholt werden. Das ist die Frage: Warum gehen denn so viele Menschen, die mit starken, zu nützlicher Arbeit befähigenden Gliedern und mit gesunder Eßlust begabt sind, immer und immer in die großen Städte, warum suchen sie nicht Arbeit und Verdienst in Landstädtchen, Marktflecken oder Dörfern, wo man für die Land- wirthschaft und allerlei sonstige mit der Bodencultur eng zusammenhängende Handarbeit tüchtige Arbeits­kräfte stets braucht und sucht? Warum verkümmern so viele jugendliche Menschen lieber in dem lungen­verzehrenden Dunst und Qualm einer allwöchent­lich kommenden sechstägigen Fabrikarbeit und in dem ebenso regelmäßig folgenden Taumelleben groß­städtischer Sonntagsausschweifnngen, als daß sie auf Feldern und Wiesen in stärkender Bewegung und bei reichlicher Speise ihr Blut frisch und ihre Moral fern von den verderblichen Einflüssen und Giftblumen des großstädtischen Lebens sich rein erhalten? Es ist ein unheimlicher und berückender Zauber, der in stets neuen Schaaren unsere Jugend den schlichten und einfachen, für Leib und Seele ungleich vortheil- hafteren Verhältnissen des Landlebens entzieht und sie in jene Kreise hineinführt, die wie ein tückischer Strudel im Meere den unvorsichtig Nahenden in die Tiefe hinabreißen. Ein Paradies ist ja auch das Landleben nicht. Es hat, wie jeder Lebenskreis, nicht nur seine eigenthümlichen Mühen und Sorgen, sondern auch seine besonderen sittlichen Nothstände. Im Großen und Ganzen aber bietet es noch zwei Lebensgüter, die nicht mit Geld noch Gut zu be­zahlen sind, nämlich eine der Gesundheit förderliche, das tägliche Brod aus der Erde erzeugende Arbeit und einen durch Stille und Ruhe geweihten Sonn­tag. Wo diese Doppelsterne leuchten, da sind noch menschenwürdige Zustände. Zum Hungerstilleu mit Hundefutter kommt es deshalb Gottlob in unseren Landorten noch nicht.

Gegen den Durchfall bei Saugkälbern hat sich nach einer Mittheilung eines Praktikers an dieMilchzeitung" Salicylsäure bewährt. Man gibt nach Wahrnehmung des Durchfalls bei Saugkälbern je nach dem hohen oder niedrigen Grade der Krank­heit */z bis 1 Gramm Salichlsäure und dies nach Verlauf von 12 Stunden wiederholt. Die Mutter bekommt zu gleicher Zeit mit dem Kalbe 1 bis 2 Gramm.

Ahasverus gibt in den Fliegenden Blät­tern den Rath:Wenn Dir etwas fehlet in der That Zieh' höchstens einen Arzt zu Rath; Denn wisse, ein Concilium, bringt selbst den ew'geu Juden um."