Daher wünscht Fürst Bismarck nicht der Vertraute der Absichten Englands in Bezug auf die Zukunft des Nillandes zu sein. Deutschland hat in dem Er­messen des Kanzlers in Egypten zu wenig auf dem Spiele stehen, um sich gerechtfertigtermaßen mit den Details der egyptischen Reorganisation zu beschäfti­gen. England, so glaubt er, habe indeß ein wirkli­ches Interesse daran, sich mit Frankreich in der An­gelegenheit auseinanderzusetzen. Fürst Bismarck sel­ber ist keineswegs geneigt, Partei gegen Frankreich zu nehmen, noch will er irgend welche' Abmachungen in Vorschlag bringen, welche sich als nachtheilig oder unannehmbar für Frankreich erweisen dürften. Mit einem Worte, der deutsche Reichskanzler ist entschlos­sen, sich der Regelung der Angelegenheiten in Egyp­ten gegenüber gänzlich neutral zu verhalten. Dies sind die leitenden Punkte der egyptischen Politik Deutschlands, welche Lord Granville zu erläutern Graf Münster angewiesen worden ist. Ich habe fer­ner Grund für die Annahme, daß Fürst Bismarck in der von ihm der egyptischen Frage gegenüber an­genommen Haltung keineswegs auf die Möglichkeit einer Entzweiung Englands und Frankreichs über den Gegenstand spekulirt.

DieStraßburger Post" brachte in den letzten Tagen Artikel über die jüngsten Veränderungen in der deutschen Diplomatie, in welchen sich eine Anzahl von Jrrthümern und Mißverständnissen befinden, von denen hervorgehoben werden möge: Von dem Grafen Hatzfeldt heißt es:Der neue Staatssecretar ist kein zünftiger Diplomat, der die hergebrachte vorgeschriebene Laufbahn durchgemacht und auf der steilen Leiter der Staatswü^den lang­sam eine Stufe nach der anderen zurückgelegt hat." Nun ist aber genau das Gegentheil der Fall. Graf Hatzfeldt ist gerade das, was man einen zünftigen Diplomaten nennen kann; er hat die vollständige diplomatische Schulung von den ersten Anfängen an erhalten und ist in der regelmäßigen diplomatischen Laufbahn Schritt vor Schritt, wenn auch im raschen Gange, vorwärts gekommen.

Fünfzehn landwirthschaftliche Vereine haben an den Reichstag eine Petition des Inhaltes gerichtet, es sei ein Moratorium auszuschreiben, um mit Hilfe von Grnndentlastungsbanken die verschuldeten Bauern aus ihrer Abhängigkeit vom Kapital zu befreien.

Aus Thüringen, 18. Okt., schreibt man der Allg. Ztg.": Von dem Kantor '-schlag in Stein- bach-Halleuberg ist dem Kaiser ein Staar zum Ge­schenk übersendet worden, der von dem Kantor fol­gende Worte sprechen gelernt:Es lebe der Kaiser! Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben, schwarz, weiß, schwarz, weiß! Bismarck, Bismarck!" Der Kai­ser ließ dem Kantor, wie dieDrfztg." meldet, neben einem reichen Geldgeschenk Dank und Anerkennung aussprechen, nahm aber den Vvgel, um den er den Lehrer nicht berauben wollte, nicht an. Danach wurde der beredte Staar für 100 verkauft.

Ein humoristischer Verbrecher. Vor wenigen Wochen wurde, demB. T." zufolge, der,Arbeiter" W. nach verbiisstcr mehrjähriger Zuchthausstrafe aus der Strafanstalt nach Berlin entlassen und hier von der Polizei unter Aufsicht genommen. Es ist eine alte cciminalistische Erfahrung, daß die gewerbsmäßigen Spitzbuben Berlins eine angeborene Scheu vor 'dilcktirendcu Versuchen haben und dehhalb eine bestimmte Spezies von Diebstahl zum Beruf machen. Ein Collidieb bleibt Eollidicb, ein Bodcndieb bleibt Bodcndieb, ein Taschendieb bleibt Taschendieb. Ein Berliner Einbrecher hält es sür un­praktisch und für unter seiner Würde, mit einem Taschendieb zu verkehren, und umgekehrt würde ein Taschendieb ans der Zunft der Taschendiebe ausgeschlossen werden, wenn er mit einem Einbrecher verkehrte. So auch der jetzt der Freiheit zuriickgcgebcne W. Derselbe hat seine vielfachen Bestrafungen sämmtlich wegen verübter Kirchendiebstähle zndiktirt er­hallen Seine lenke That war der Einbruch in die hiesige katholische St. Michaelskirche. Anfangs der siebziger Jahre war er gewaltsamer Weise in diese Kirche gedrungen und hatte dort die sämmtlichen Werthsachen geraubt. Beim Versuch, die gestohlenen Gegenstände zu verkaufen, wurde er festgebalten n. nach dem Molkenmarkt gebracht. W. räumte auch ohne Um­stände den Diebstahl ein. Der verstorbene Polizciralh Pick ließ sich den Verbrecher vorsiihrcn, um ihm eine gehörige Slandrede zu halten. W. hörte den erfahrenen Eriminalisten mit der größten Seelenruhe an, als der Beamte aber geendet, fragte W., ob erooch een Wort reden" könnte, und als ihm dies erlaubt wurde, sagte der mit urwüchsigen! Humor ans­gestattete Verbrecher:Wal iS denn los, war ick (gemacht habe, is crioobt; is denn mch heut zu Tage in alle Zeitungen zu lesen: der Staat muß von die Kirche getrennt werden?" . . .

(Blutvergiftung durch Strickwolle.) Ein in Marienburg vor einigen Tagen vorgckommener Fall von Blut­vergiftung fordert zu großer Vorsicht ans. Es handelt sich um eine Vergiftung durch gewöhnliche blaue Strickwolle, die dadurch entstand, daß die Strickende den Faden um einen Finger gewickelt hatte, der nur ganz geringe Spuren einer höchst unbeinntcnden, kaum sichtbaren Verletzung anszmveisen halte. Bei der erkrankten Frau stellte sich schon nach wenigen

Stunden heftiges Fieber ein, bald darauf schwollen Hand und Arm bedeulend an, und nun erst wurde durch den schnell her- beigerufenen Arzt die Ursache der Erkrankung festgestellt. Eine Amputation des Arms, die man anfangs für nothwcndig hielt, hat zwar unterbleiben können, jedoch macht die Genesung der Frau nur sehr langsame Fortschritte.

Oeftkrreich-Ungarri.

Wien, 19. Oktbr. Das Militärgericht zu Triest erkannte Oberdank des Todes für schul­dig; das Urtheil wird jedoch dem hiesigen Mititär- appellgericht zur Bestätigung unterbreitet und um Aeusserung darüber, vb die Strafe durch den Strang vder durch Pulver und Blei zu vollziehen sei. Ober­danks Mutter ist eingetroffen, um Begnadigung zu erbitten; Graf Taaffe wies dieselbe an die Militär­behörden, da er in dieser Frage inkompetent fei.

Wien, 20. Okt. Die Petersburger Nowosti freuen sich über den sympathischen Empfang Lvba- noff's am kaiserlichen Hofe und in der öffentlichen Meinung. Sie sind der Ansicht, daß der Frieden mit Oesterreich sehr wünschenswerth und leicht auf­recht zu erhalten sei. Mit Ausnahme der Ruthenen gebe es keinen slavischen Stamm in Oesterreich, der sich zu Rußland hingezogen fühle. Nur Deutschland könnte aus einem Zerfall Oesterreichs Nutzen ziehen, die russische Politik müsse daher, da eine weitere Kräftigung des übermächtigen Nachbars nicht in seine Rechnung paffe, bestrebt sein, den Untergang des österreichischen Kaiserstaates zu hindern und Deutsch­land solchergestalt um die Früchte seiner intriguanten Politik zu bringen.

Schweiz.

(Nachahmenswerth.) Das Bezirksgericht Arau in der Schweiz hat einen Thicrgnäler, welcher seine Ochsen schlecht fütterte und dazu unmenschlich überanstrengte und behandelte, zu 26 Francs Buße, 6 Tage Gefangenschaft, wovon einen bei Wasser und Brod, vcrurtheilt. Ein zweiter Thicrgnäler, der sein Pferd mit einem Messer aneiferte, kam mit 4 Tagen Ge­fangenschaft weg. (Sicher zu gelind!)

Frankreich.

Paris, 20. Okt. Die Agentur Havas ver­sendet ein officiöscs Communiquö, daß die Stelle des Grasen Hatzfeld dem Fürsten Hohenlohe offerirt wurde.

St. Nazaire, 19. Okt. Ein jugendlicher Mör­der ist der 11jährige Knabe, der hier seinen 18 Jahre alten Bruder erschoß. Der Mörder wurde in das hiesige Gefängniß gebracht.

Man meldet aus Paris: 1100 Möbelarbeiter streiken; die Polizei entfernte von zahlreichen Häusern aufrührerische Plakate. (N. T.)

England.

London, 19. Okt. Das Kabinet hat definitiv gegen die Gestattung des Baues des unterseeischen Tunnels zwischen Calais und Dover entschieden.

Lvndvn, 21. Okt. Einer Meldung der Ti­mes aus Kairo zufolge bestehen die Hauptpunkte der Anklage gegen Arabi darin, daß er unter Verletzung des Völkerrechts die weiße Flagge in Alexandrien aufgehißt, unter Deckung durch dieselbe mit seinen Truppen sich zurückgezogen, die Stadt dem Feuer und der Plünderung preisgegeben und die Eghptcr zur Bewaffnung gegen den Khedive aufgewiegett und zum Bürgerkrieg, Massacre, Verheerung und Plün­derung des eghpptischeu Gebietes aufgereizt habe.

Belgien und Holland.

Der Friedens-Kongreß in Brüssel hat am 17. beschlossen: 1) daß in allen Ländern Vereine zu Gunsten der friedlichen Lösung internationaler Strei­tigkeiten zu bilden sind; 2) daß das beste Mittel, um allen Klassen die llebel des Krieges und die Nothwendigleit des Ersatzes durch schiedsgerichtliches Urtheil klar zu machen, die Konstitution einer inter­nationalen Föderation (wie vorerwähnt) ist; 3) daß die Wähler in den konstitutionellen Ländern ihre Stimmen vorzugsweise den Anhängern der Schieds­gerichte geben sollen. (St.-A.)

Rußland.

Petersburg, 19. Okt. Die Räuber, welche Ende vorigen Mouals zwischen Melitopel und Ber- diansk (Südrnßland) einen Postwagen überfielen, den Postillion tödteten und ans dem Postwagen 500,000 von der Moskauer Reichsbank nach Ber- diansk gesendete Rubel raubten, sind verhaftet. Die Thäier sind Kasau'sche Tartaren. 160,000 Rubel wurden anfgefunden. Die Untersuchung dauert fort.

DemDzienik Polski" wird aus Podwoloczyska telegraphirt, daß die russische Regierung gegen Oester­reich und Deutschland ein Pferdc-Ansfuhrverbot erlassen habe.

Türkei.

Die Frage, was mit Arabi Pascha und Ge­

nossen zu geschehen habe, spitzt sich zum ersten Conflikt zwischen dem Khedive und seinen neuesten Schutzherren, den Engländern, zu. Letztere wollen Arabi milde behandeln und ihm die Wohlthaten eines regelrecht und gewissenhaft durchgeführten Ge­richtsverfahrens angedeihen lassen. Der Khedive und seine Rathgeber hätten, wenn es auf ihr Gutdünken anküme, Arabi schon längst hinrichten lassen. Sie protestircn gegen die, wie sie behaupten, übelange­brachte Humanität der Briten und haben nun neuer­dings in einer Note an den englischen General-Con- sul Malet in aller Form Einsprache gegen die von englischer Seite beobachtete Praxis erhoben. Nicht mit Unrecht sagen die egyptischen Minister, daß in orientalischen Ländern sür eine so verwickelte Gerichts- procedur und eine milde Aburtheilung kein Verstäud- niß vorhanden sei.

Laut Berichten aus Konstantinopel herrscht in Ober-Armenien ein Zustand der vollkommensten Anarchie. Die Kurden mißhandeln die Christen und plündern deren Dörfer aus, während die türkischen Truppen nicht allgreifen wollen, so lange sie nicht genügende Verstärkungen erhalten haben.

Handel K Uerkrhr.

Sterncnfels, 19. Okt. Die allgemeine Lese beginnt hier am Montag den 90. Oktober, die Lese des Frühgcwächscs am Donnerstag den 26. Oktober. Einige Kaufe zu 35, 362/z und 38yz per Hektoliter. Die Weinberge stehen hier schon; der Ertrag ist reichlicher als im Vorjahr.

Gisela.

(Fortsetzung.)

Baron Curt war in den Garten cingetreten und schritt langsam in tiefem Sinnen durch Laubgänge und auf gelben Kiespfaden, die sich zwischen bunten Blu­menbeeten durchwanden, dahin. An einer entlegenen Stelle des Gartens ließ er sich in einer Laube nieder und setzte sein ernstes Sinnen fort. Die mittägige Ruhe in der Natur, die fächelnde Kühle im Schatten der dichtbelaubten Bäume und die angenehme Som­merluft wirkten erleichternd auf die Gemüthsstimmung des Baron Curt, doch rang sich mancher Seufzer aus seiner Brust und die Augen schließend schien er zu dem Resultate gekommen zu sein, daß cs gut wäre, die Situation, in der er und die Seinigen sich befand, zunächst einen Augenblick zu vergessen. Nicht lange hatte indessen Baron Curt so dagesessen, als Jemand leichten Schrittes nahte und eine sanfte Hand sich um seinen Nacken legte.

Der überraschte Baron Curt richtete rasch das gebeugte Haup! empor und erkannte seine Schwester, die sechzehnjährige Baroneß Gertrud von Swobada, dasselbe junge Mädchen, welches vor einer Stunde die Männer oben im Zimmer belauscht und ihrer Mutter offenbar Kenntnis; von dem außergewöhnlichen Ereig­niß, das den Gemahl und Sohn auf einige Zeit nie­dergeschmettert, gegeben hatte.

Du bist heute recht traurig, Curt," redete Baroneß Gertrud ihren Bruder an und fuhr fort: Papa und Mama befinden sich in einer ähnlichen Stimmung. Mir ist es ganz ängstlich da oben in den ! Zimmern geworden, weshalb ich in den Garten hcrab- , geeilt bin. Was ist denn geschehen? Ich wagte we- i der Papa noch Mama zu fragen, aber diese Ungewiß­heit machte mir doch auch Sorge. Ich bin zu wenig Kind mehr, um fröhlich und lustig zu sein, wenn ich lauter traurige Gesichter sehe."

Baron Curt war durch diese herzlichen Worte seiner Schwester, welche noch nicht angehaucht vom Tone der großen Welt war und ein unschuldiges, rei - zendes Mädchengemüth besaß, tief gerührt und in große Verlegenheit gebracht. Aber sollte er diesem Wesen, welches er als Bruder so sehr liebte und schätzte und dessen Lebensglück er so rosig als möglich gestaltet zu sehen wünschte, die Wahrheit sagen und eine vollständige Aufklärung der Nothlage geben, welche sich über die Familie Swobada eröffnet hatte. Baron Curt schrack vor diesem Gedanken zurück und suchte nach einer Nothlüge. Er befand sich indessen nicht tu der Stimmung, sofort eine paffende zu finden, sondern sagte verdrießlich:

Es giebt zuweilen wirthschaftliche Calamitäten, welche uns viel Sorge bereiten. Du brauchst Dich indessen darüber nicht zu ängstigen, Gertrud, Dein Lebensloos bleibt dadurch unverändert, Du bist unser Trost, unser Glück und unsere Freude."

Diese Worte wurden jedoch einesthsils vom Baron Curt nicht mit eusprechender Sicherheit ausge­sprochen, um befriedigen und beschwichtigen zu können und anderntheils schien auch Baroneß Gertrud wenig