Der Gesellschafter.
Amts Md Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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1882
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Tages-Neuigkeiten.
Dtutschcs Reich.
Stuttgart, 10. Okt. Vor dem Schöffengericht kam heute ein Fall von Milchverfälschung zur Verhandlung, wie er in diesem Umfang wohl selten dagcwesen. Nicht weniger als S9 Prozent Wasscrzusatz wurde in der Milch konstatirt, welche der Angeschuldigte Friedrich Hartmann von Eltingen, OA. Leonberg, Milchlicfcraut des Viktualienhändlers Waller am Jlgcnplatz, hiehcrbrachte. Das Gericht verurtheilte den Beschuldigten zu 100 Geldstrafe und die Einrückung des Uriheils ins „Neue Tagblatt."
Stuttgart, 1t. Okt. Heute fand unter dem Vorsitz des Prälaten Or. v. Merz eine von etwa 250 Lehrern besuchte Versammlung des Volksschul- vereins statt, welcher auch u. A. Oberkonsistorial- rath Dr. v. Bitz er und Prälat v. Ha über anwohnten. — Man verhandelte über „das Maaß des in der Volksschule sicher anzueignenden Unterrichtsstoffes" und es kam dabei zu längeren Debatten, in deren Verlauf nicht weniger als 86 Reden gehalten wurden. Es lagen der Versammlung 10 Sätze zur Berathung vor; man kam nur bis zum achten. Das Wichtigste, was aus den acht Thesen angenommen wurde, ist etwa folgendes: Bei Bestimmung der Art des Unterrichtsstoffes muß in erster Linie das berücksichtigt werden, was für die Schüler nach ihren späteren Lebensverhältnissen am nvthwen- digsten ist. Das Blaß des Unterrichtsstoffes muß auf das beschränkt werden, was die Schüler sich mit Sicherheit aneignen können. Der Zweck der evangelischen Volksschule ist ein doppelter. Sie muß Neligionsschule und Vorbildungsschule sein. Die weltlichen Unterrichtsfächer theilen sich (abgesehen von Singen und Zeichnen) in solche, welche vorherrschend Können (sprachliche Fächer, Rechnen), und in solche, welche vorherrschend Wissen (Realien) anstreben. Der Unterricht in den sprachlichen Fächern (Lesen, Schön- und Rechtschreiben, Sprachlehre, Aufsatz) soll den Schüler befähigen: a) das zu erfassen, was ihm mündlich oder schriftlich mitgetheilt wird, b) das, was er erfaßt hat, verständlich und richtig wiederzugeben, mündlich oder schriftlich, v) einen einfachsten Brief und Geschäftsaussatz, wie er im bürgerlichen Leben vorkommt, in guter Form abzufassen. Was das Rechnen anbelangt, so soll das Ansatzrechnen fakultativ, das Speziesrechnen dagegen obligat sein. Der Unterricht in den Realien ist zu beschränken auf die Geographie und Geschichte von Württemberg und von Deutschland und die Geographie der Länder der heiligen Schrift. — So weit das Angenommene. — Die beiden weiteren Thesen, zu deren Berathung man nicht mehr kam, handelten von dem Unterricht im Zeichnen und Singen. Nach den Verhandlungen versammelten sich eine Anzahl Theilnehmer zu einem gemeinsamen Mittagsmahl. Toaste wurden keine ausgebracht. Auf eine Anfrage bemerkte Herr Prälat Dr. v. Merz, daß bis künftigen Frühling ein neues Batzenbüchle, sowie eine neue Auflage des Lesebuches unter Zugrundelegung der neuen v. Puttkammer'- schen Orthographie erscheinen solle. Eine hierzu eingesetzte Kommission, bestehend aus einem Mitglieds der Ministerialabtheilung, einem ordentlichen und einem außerordentlichen Mitglieds des Konsistoriums und einem Mitglieds des katholischen Kirchenrathes werde wohl bis Ende der Woche mit den Vorarbeiten fertig werden. Schließlich äußerte sich Herr Staatsrath Dr. v. Bitz er in höchst anerkennender Weise über die Bestrebungen des Vereins und die heutige Verhandlung, namentlich habe cs ihn gefreut, daß die Geistlichkeit so warm für die Realien eingc- trcten sei.
Metzingen, 8. Okt. Die hiesige Gemeindeverwaltung wird ca. 600 Zentner gute Kartoffeln aus der Pfalz beziehen und einkellern lassen, um sie dann im kommenden Winter nach und nach an die unbemittelten Leute zum Selbstkostenpreis abzulassen, weil voraussichtlich auf den künftigen Wochenmärkten das Bedürfniß mit guter Waare nicht gedeckt werden kann. Ein Beispiel, das gewiß alle Anerkennung und Nachahmung verdient.
Aus Künzelsau wird dem „Kocher- und Jagst- boten" geschrieben, daß in letzter Zeit von einem Ort, der sonst durch seine schöne Butter bekannt ist, Butter auf den Wochenmarkt in Künzelsau kommt, welche mit kardirter Baumwolle vermengt ist. Mögen daher die Hausfrauen beim Einkauf der Butter vorsichtig sein.
Ravensburg. Durch Urtheil des Schwurgerichtes vom 10. Okt wurde Anton Lohr, Drechsler und Tag- lohner von Biberach, wegen des am 18. August d. I. gegen den Stadtschultheißen Nikolai von Biberach verübten Mordversuchs zu der Zuchthausstrafe von 7 Jahren verurthcilt, auch wurde auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt.
Hall, 6. Okt. Für den Jaxtkreis hat sich, ähnlich wie in den andern Kreisen Württembergs, ein Verein geprüfter Werkmeister gebildet, um mit den andern einen Landesverein zu konstituiren.
Nürnberg, 9. Oktbr. Der Ueberschuß, mit dem voraussichtlich die Rechnung der Landes- Ausstellung abschließen dürfte, wird jetzt ziemlich übereinstimmend auf mindestens 280,000 geschätzt.
Das „Mainzer Tageblatt" schreibt: „Wieder ist eine Anzahl Auswanderer aus Amerika zurückgekommen und durch unsere Stadt Passirt, um ihrer Heimath (Pfalz und Baden) zuzuwandern. Sie haben in der neuen Welt nicht nur nichts gewonnen, sondern fast Alles verloren. Kaum daß ihre Baar- schaft zur Bestreitung der Rückfahrtskosten reichte. Die Leute sagen, die europäischen Auswanderer bevölkern brod- und obdachlos in Masse die Straßen New-Aorks und anderer amerikanischen Städte. Alle Geschäftszweige seien dort überfüllt."
Essen, 5. Okt. In der heutigen Sitzung der Strafkammer wurde der frühere städtische Armenarzt Dr. inoä. I. Seligmann für schuldig befunden, im Sinne des Z 278 des Strafgesetzbuches zum Beweise einer Behörde oder einer Versicherungs-Gesellschaft gegenüber wissentlich ein unrichtiges Gesundheitsattest ausgestellt zu haben und zu einem Jahr Gefängnis; unter Anrechnung der verbüßten Untersuchungshaft verurthcilt.
Berlin, 9. Okt. In der ersten Woche des November erfolgt nunmehr die Einstellung der Rekruten bei allen Truppenkörpern der Armee. Die Einexerzirung der Rekruten währt dann bis zum Februar, zu welcher Zeit die Einstellung derselben in die Kompagnien erfolgt. (N. T.)
Berlin, 10. Okt. Der Bankier Davidsohn, welcher von seiner Geliebten durch einen Revolverschuß verwundet wurde, ist heute gestorben.
Berlin, 10. Okt. Der Direktor der hiesigen Vereinsbank, August Sternberg, ist wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit verhaftet worden. Eine Kaution von hunderttausend Thalern, die er für seine Freilassung anbot, wurde ab gelehnt. — Offiziös wird mitgetheilt, daß Lothar Bücher nirgends die Absicht, zu demissioniren, ausgedrückt habe. — Das Reichsjustizamt bearbeitet sehr energisch die Frage der Gerichtskostenermäßigung. (N. T.)
Berlin, 10. Oktbr. Die Verhaftung des Vorsitzenden des Aufsichtsraths der Vereinsbauk, August Sternberg, hat großes Aufsehen erregt.
Die Verhaftung August Sternberg's erfolgte auf Grund des § 176 Alinea 3 des Strafgesetzbuchs. Die angebotene Kaution von 300,000 wurde zurückgewiesen, weil gegen Herrn Sternberg schon ein anderer in das betreffende Fach schlagende Fall zur Anzeige gelangt war, mit dessen Aufklärung die Kriminalpolizei sich noch beschäftigt. (N. T.)
Der ständige Hilfsarbeiter in der Reichskanzlei, Gerichtsassessor Graf v. Bismarck-Schönhausen, ist zum Regierungsrath ernannt worden.
Das Funkensprühen der Lokomotiven hat bekanntlich schon in vielen Fällen Brände, an Gebäuden sowohl als namentlich auch an Waldungen, angerichtet und dadurch die Eisenbahnverwaltungen schon viel Geld gekostet (neuerlich erst mußte die Berlin-Anhalt'sche Gesellschaft für derartigen Waldschaden 20,000 Entschädigung zahlen.) In Folge dessen hat diese Verwaltung jetzt die Lokomotiven mit einer Vorrichtung versehen, welche das Aufstiegen der Funken zu verhindern im Stande ist.
Der „Köln. Ztg." wird geschrieben: Es bestätigt sich, daß im Reichsjustizamt nach zwei Richtungen hin eine lebhafte Thätigkeit entfaltet wird; einerseits ist man ernstlich daran, eine Herabsetzung der Gerichtskosten herbeizuführen, andererseits ist man auch mit der längst geplanten Gesetzgebung in Betreff der Aktiengesellschaften beschäftigt. Ueber den Stand der Gerichtskostenfrage wird wohl schon bei den bevorstehenden Berathunoen eine Auskunft gegeben werden. (St.-A.)
Die letzte deutsche Volkszählung bestätigt, daß die Zahl der Geisteskranken in erheblicher Zunahme begriffen ist. Am 1. Dezember 1880 gab es in Preußen 66,345 Geistenkranke, und zwar 34,309 männliche und 32,036 weibliche. Am 1. Dezember 1881 hatten sich bei der Zahlung ergeben 55,043 Geisteskranke, darunter 28,002 männliche und 27,041 weibliche. Die Zahl der Geisteskranken ist also in den neun Jahren um 20 Prozent gestiegen, während im gleichen Zeitraum die Bevölkerung nur um 10 Prozent gewachsen ist. Im Jahr 1871 kam auf 448 Personen ein Geisteskranker, 1880 schon auf 441. Beim männlichen Geschlecht ist die Zahl der Geisteskranken verhältnißmäßig stärker als beim weiblichen, auch steigt sie in stärkerm Maße. Merkwürdigerweise trifft die Vermehrung die höhern Altersklassen. Was das Glaubensbekenntniß anbelangt, so nehmen auch unter den Geisteskranken, wie unter den Taubstummen, die Israeliten eine eigenthümliche Stellung ein, indem sie einen 'verhältnißmäßig sehr hohen Prozentsatz aufweisen. Während von 10,000 Evangelischen 24,i und von 10,000 Katholiken 23,7 geisteskrank waren, gab es unter eben so viel Juden 38,g. Unter den preußischen Provinzen zählt verhältnißmäßig die meisten Geisteskranken Schleswig- Holstein — 33 auf 10,000, am wenigsten Posen — 16 auf 10,000 Einwohner.
Ueber das Verbleiben Lothar Bucher's in seinem Amte bemerkt ein Berliner Brief der Wiener Montagsrevue: Bücher hatte sein Entlassungsgesuch anfangs August an den Reichskanzler abgehen lassen und war dann nach Bormio in die Ferien gereist. Dort erhielt er die Einladung, zunächst zu einer Besprechung nach Varzin zu kommen, der er kürzlich entsprach. Die Vorstellungen und Zusagen, die ihm der Reichskanzler bei dieser Zusammenkunft machte, bewogen ihn nach einigen Bedenken, sein Abschiedsgesuch zurückzuziehen. (Sch. M.)
Die „K. Z." meldet von Berlin: Die friedliebende, maßvolle und verständige Rede des italie-