Freiburg, 9. Sept. Ein merkwürdiger Fall wird derB. L.-Z." von dem Eisenbahnunglück be­richtet. Einwohner von Kolmar fanden zwischen Verwundeten auf dem Bahndamm einen Mann liegen, den sie Anfangs für todt hielten, weil er sich nicht regte, als sie ihn aber näher beobachteten, sahen sie, Laß er schlief und zwar so fest schlief, daß er weder gemerkt hatte, wie er aus dem Wagen geschleudert worden, noch sonst von dem ganzen furchtbaren Lärm etwas gehört hatte. (Kaum glaublich.)

Freiburg. 10. Septbr. Mit den inzwischen ihren Wunden Erlegenen beträgt die Zahl der Todten Mlilliehr 63. Von hen noch Daniederliegenden fürch­tet man für sdie (ihrigen sollen außer Leberis-

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Aus Baden, 9. Sept. (Zum Eisenbahn­unglück.) Verschiedene Blätter berichten: Ein Fach­mann in Sachen des Eisenbahnwesens schlägt die Summe der Entschädigung, welche Baden für das Freiburger Unglück zu bezahlen haben wird, auf 10 -bis 20 Millionen Mark an. (Das Heidelberger Un­glück soll 56 Millionen Mark gekostet haben.) Die Entschädigung für Väter, Mütter, Ernährer, für dauernde und vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, für Kurkosten und dgl. sind nach dem Reichsgesetz ganz enorm. Der entschädigungspflichtige Staat kommt dann am besten weg, wenn bei einer solchen Katastrophe eine Familie ganz ausgerottet wird. (Wir sind der lebhaften Ueberzeugung, daß diese Ziffern viel zu hoch gegriffen sind.)

München, 9. Septbr. In einem Walde bei Waltenhausen, Amtsgerichts Krumbach, wurde in der Nacht vom 5.-6. d. Mts. ein Gendarm von drei Handwerksburschen, auf deren Verfolgung er begriffen war, ermordet. (W. L.)

München, 11. Septbr. Gestern Abend stieß der letzte von Grafrath nach München verkehrende Zug mit einem in der Richtung nach Grafrath fah­renden Güterzuge zusammen. Zum Glück fuhren beide Züge sehr langsam, so daß der Stoß dem Publikum und dem Zugspersonal gegenüber, abge­sehen von einigen leichten Kontusionen, blos die Wirkung hatte, daß die in den Coupo's sich Gegen- übersitzendcn aufeinander prallten. Die Maschinen wurden so stark beschädigt, daß sie dienstuntauglich wurden, eine wurde aus dem Geleise geworfen und dieses demolirt. (N. T.)

Würzburg, 9. Septbr. Der schuldige Sta- lionSdiener Hoch ist vielleicht weniger hart zu bcur- theilen, wenn man bedenkt, daß der Mann Kinder hatte und fast Tag und Nacht sich um einen ge­ringen Gehalt als Diener, Bahnwärter, Briefträger und Auslader abquälen mußte, so daß er sehr un­wohl und schwer übermüdet war. Es war ein an- ezesagter Sonderzug aus Oestreich, den er vergaß und der also verunglückte. Den Schaden wird natürlich der Staat haben, der an den meisten Be­amten in verhäuguißvoller Weise sparen will und nun dafür Hunderttausende zu zahlen haben wird, abge­sehen von der Unterstützung der Wittwen und Waisen der todten Beamten.

DieGermania" theilt eine Nachricht der Köln. Volksztg. mit, wonach die Bürgermeister aufgefordert worden seien, über die in ihren Bezirken bestehende Praxis der kathvl. Geistlichen hinsichtlich der ge­mischten Ehen schleuningst Bericht zu erstatten. Es dürfte dies ein Anzeichen dafür sein, daß die Frage der gemischten Ehe noch nicht von der Tagesordnung verschwinden wird. Man faßt in Ncgicrungskreiscn das Einlenken des Breslauer Fürstbischofs als ein erzwungenes Zugeständnis; an den Staat auf, welches deshalb als werthlos erscheine, überdies auch dem Anspruch der protestantischen Kirche auf Gleichbe­rechtigung mit der katholischen in keiner Weise genüge. Es wird versichert, daß die Regierung auf diesem viel umstrittenen Gebiete der Bevölkerung und vor Allem der Kurie gegenüber den Beweis zu führen beabsichtigte, daß der preußische Staat stark genug sei, der Kirche gegenüber den Standpunkt der Reci- procität geltend zu machen. Wie von Rom gemel­det wird, hatte der nunmehr daselbst wieder eiuge- troffenc Gesandte Hr. v. Schlözcr mit Jaeobini bereits eine längere Unterredung wegen der Frage der Mischehen. Er verlangte radikale Abhilfe, ohne jedoch viel zu erreichen.

Breslau, 11. Sept. (F. I.) Das öster­reichische Kronprinzenpaar ist gestern Abend Uhr hier eingetrosfen und vom Kaiser, von dem Kron­prinzen, von der Kronprinzessin, sowie den übrigen

Prinzen empfangen worden. Die Begrüßung war die Herzlichste, der Kaiser umarmte und küßte den Kronprinzen Rudolph. Heute früh 9 Uhr begab sich der Kaiser mit dem Kronprinzen Rudolph zum Manöver.

Breslau, 11. Septbr. Bei dem gestrigen Osfiziersrenuen, welchem der Kaiser und sämmtliche Fürstlichkeiten beiwohnten, trug sich ein schwerer Unglücksfall zu. Lieutenant Neuling (vom 6. Husarenregiment) stürzte, das Pferd des dicht fol­genden Reiters sprang auf denselben; Neuling wurjde hervorgezogen, verschied aber nach we­nig Augenblicken. Der Kaiser und die anderen Fürstlichkeiten sind schmerzlichst ergriffen, die Festfreude sehr getrübt. (N. T.)

In Nordhaufen ist in 12 Wirthschaftcn die Polizeistunde auf Abends 10 Uhr festgesetzt worden; es sind solche Wirthschaften, in denen weibliche Be­dienung ein geführt kfl, die sich als sehr bedenklich er­wiesen hat.

Berlin, 11. Septbr. Der Kaiser bewilligte für die Hinterbliebenen der bei Hugstetten Ver­unglückten eine namhafte Spende aus der Privat- chatoulle und ließ bereits dem Komite in Freiburg wie dem vaterländischen Frauenverein in Straßburg je 2000 übersenden. (N. T.)

Berlin, 12. Sept. Aufsehen erregte die Ab­wesenheit des Großfürsten Wladimir und der russischen Offiziere beim Empfang des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich in Breslau. (N. T.)

In bundesräthlichen Kreisen ist so schreibt man derK. Z." über Anträge bei dem Bundes- rath über einheitliche Postwerthzeichen nicht das Mindeste bekannt, zumal nicht an jenen Stellen, von denen man die Einbringung derartiger Anträge zu gewärtigen haben sollte.

Es erregt einiges Aufsehen, daß die bekannte, von dem Rabbiner Philippson in Bonn herauöge- gebeneAllgemeine Zeitung des Judenthums" in ihrer neuesten Nummer einem Leitartikel Aufnahme gewährt hat, welcher die Juden auffordert, bei den politischen Wahlen für den Fürsten Bismarck und besonders für seine sozialpolitischen Pläne einzutreten. Das Judenthum", heißt es in dem Artikel,ist verhältnißmäßig wohlhabend und intelligent. Der Wohlhabende wird seinen Wohlstand konscrviren wol­len; er wird deßha.b zur staatserhaltenden, nicht zur umsturzsuchenden politischen Partei sich hingezogen fühlen. Der Intelligente wird seine bessere Einsicht dadurch bekunden, daß er der Stimme der Dema­gogen kein Gehör schenkt, daß er unterscheidet zwischen leeren, wenn auch schön klingenden Redensarten und der kräftigen Hand, die das Staatsgetriebe regelt und ordnet."

Wollen denn die Pariser Deutschenfresser gar keine Vernunft annehmen? Wollen sie mit aller Gewalt mit dem Feuer spielen und einen kalten Wasserstrahl Bismarcks nach Paris herausfordern? Deroulöde, der Führer der Liga in Paris, der die Hetze gegen den deutschen Turnverein veranstaltete, hat, wie schon kurz mitgetheilt, einen neuen Austritt hervorgecufen. Er hat einen Deutschen Meyer, Di­rektor der ZeitungImutorno« im Theater geohr- feigt. Als Meyer widerschlug, rief Deroulöde:Zu Hülfe Horecourt, es ist ein Preuße!" Sofort wurde Meyer von vielen mit Stöcken und Todtschlügern bewaffneten Franzosen angegriffen. Als mehrere Zuschauer riesen:Das ist feig", entgegnete Dervu- Isde:Lassen Sie doch, es ist ein Deutscher! Er muß gezüchtigt werden!" Horecourt rief:Wenns gegen die Deutschen ist, so schadet die Mehrzahl nichts!" Deroulsde erklärte dem einschreitenden Po­lizei-Commissar ins Gesicht, er werde seine Helden- that wiederholen. DerselbeOberpriester der Liga der Patrioten" läßt an öffentlichen Orten eine Karte von dem verkaufen, was Deutschland Frankreich ab- gcnommen hat und angeblich noch abnehmen will, nämlich Burgund und das rechte Rhoneufer. Oesterreich-Ungarn.

In Wien haben neuerdings Haussuchungen bei Arbeitern stattgefunden. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen und zahlreiche aufrührerische Manifeste aufgcfunden. (N. T.)

Italien.

In Venedig kam cs zu einer Prügelei zwischen Katholiken und Protestanten. Angeb­lich gab cs 4 Todle und 40 Verwundete. In Pa­lermo wurde eine Räuberbande verhaftet, welche 11 Morde beging. (N. T.)

Schweiz.

Neunkirch bei Schaffhausen, 9. Sept. Heute Mittag wurden bei einem Bahnübergang oberhalb Neunkirch zwei Kühe von dem von Basel kommenden Zug erfaßt und nebst dem Bauer und dem Wagen, an welchen sie gespannt waren, über den Eisenbahn­damm hinabgeschleudcrt. Die Kühe brachen hiebei das Genick und verendeten alsbald, der Bauer er­litt eine schwere Verletzung am Kopf. In Folge des vom Zugführer gegebenen Nothsignals wurde der Zug zum Stehen gebracht. Viele Passagiere stiegen aus, um an die Unglücksstätte zu eilen. An jener Stelle versieht eine Frau den Bahnwartsdienst, die­selbe vergaß die Barriere zu schließen und verursachte so den Unfall, der leicht von noch viel schlimmeren Folgen hätte begleitet sein können.

Frankreich.

Löwen, 11. Sept. Das Theater Bcriot ist vergangene Nacht niedergebrannt; der Schaden be­trägt 200,000 Fr.; es sind keine Menschenleben zu beklagen.

Griechenland-

Athen, 12. Sept. (Fr. I.) Die griechische Regierung hat am vorigen Samstag ein Rundschrei­ben an sämmtliche Mächte erlassen, worin sie diesen mittheilt, daß Griechenland das streitige Gebiet ge­waltsam besetzen werde, falls die Pforte dasselbe nicht baldigst freiwillig übergäbe.

Die Haltung Griechenlands wird beunruhigend, ja geradezu herausfordernd, da die Rüstungen des­selben trotz aller Ermahnungen Europas fortgesetzt werden. Die diplomatischen Verhandlungen über die Grcnzfrage drohen ins Stocken zu geratheu. Außer diesen griechischen Rüstungen machen sich noch andere auf Sturm deutende Symptome auf der Balkanhalb­insel bemerkbar. Nach Bulgarien ziehen wieder russi­sche Offiziere und an der montenegrinisch-albanesischen Grenze häufen sich die blutigen Zusammenstöße in bedenklicher Weise. Es gährt überall und wenngleich man davor noch nicht zu erschrecken braucht, verdienen jene Vorgänge doch im Auge behalten zu werden.

Dänemark.

Island ist von einer verheerenden Hungers-

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sich im hohen Norden große Eismassen gelöst, die südwärts trieben. Sie umlagerten den nördlichen Theik der Insel, der noch im Anfänge dieses Mo­nats von einem Eismeere umwogt war. Die Kälte hat jeden Keim der Vegetation niedergehalten und die Erwerbsquelle der armen Bewohner, die Viehzucht, mußte verstechen; denn das Futter fehlte. Der Hauptthicrbestand hat eine entsetzliche Verminderung durch den Futtermangel erlitten. Schon nähert sich der Schluß der Schifffahrt nach jener eisigen Insel, und sie ist dann abgeschnittcn von der Welt, sich selbst überlassen ohne Lebensmittel.

England.

London, 11. Septbr. Die Morgenblätter melden: Die Kanonade bei Kassasin hörte Samstag Nachmittag auf. Seitdem ist Alles ruhig. Der Feind, von Arabi persönlich befehligt, war 15- bis 20,000 Mann aller Waffengattungen stark. Derselbe focht mit unerwarteter Entschlossenheit, handhabte die Artillerie vortrefflich, retirirte in guter Ordnung, hart bedrängt von den britischen Truppen. Der Verlust des Feindes wird auf 250 Todte und Verwundete geschätzt, der britische Verlust höchstens auf 5 Todte und 54 Verwundete. (Sch. B.) Rußland.

Petersburg, 7. Sept. In Khokant erbrachen die Sträflinge das Gefängniß und suchten nach Er­mordung der Wache die Flucht zu ergreifen. Dem herbeigeeilten Militär leisteten sie heftigen Widerstand. Es entspann sich ein förmliches Gefecht, bei dem sämmtliche Sträflinge über vierzig Personen erschlagen wurden.

Man meldet aus Petersburg: Auf's Be­stimmteste verlautet, die Krönung des Zaren sei auf 1. Oktober anbcraumt. Die Bahnhöfe auf der Route Petersburg-Moskau werden gegenwärtig rcstaurirt. (N. T.)

Rumänien.

(Zn spät.) Vor wenigen Tagen brachten Bnkarcster Blätter die Nachricht, das; sich der 22 Jahre alte Sohn des dortigen Bankiers Rosentha! erschossen habe, weit er 20 000 Ir. verlor, die er im Anftrngc seines Vaters zur Post bringen sollte. Das Schicksal des jungen Mannes hatte durch eine Entdeckung, die 4 Tage nach seinem Tode gemacht wurde, einen geradezu tragischen Anstrich bekommen: die arme Mutter des Selbstmörders fand, als sie die Kleidungsstücke desselben unter-

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