Berlin, 27. Aug. Zur Frage der Mischehen ist folgendes Faktum interessant: Der Berliner Oberbürgermeister Forckenbeck (katholisch) ist seit etwa 25 Jahren mit einer Protestantin verheirathet. Die Trauung wurde damals widerspruchslos katholisch und protestantisch vollzogen. Der dieser Ehe entsprungene Sohn wurde katholisch und die Töchter Protestantisch getauft. Eine Tochter verheirathete sich vor einigen Jabren mit einem katholischen Offizier; das Paar wurde widerspruchslos katholisch und protestantisch getraut; die Trauung fand statt nach Erlaß des Zivilehegesetzes in Berlin durch einen Kaplan des jetzigen Fürstbischofs, damaligen Dvmprobst Herzog. — Der bekannte Agitator, Hofprediger Dr. Stöcker, hat, wie positiv versichert wird, vom Oberhofprediger Kögel eine Vermahnung erhalten, worin Stöckers agitatorische Thätigkeit entschieden mißbilligt und derselbe vor weiterer Betheiligung aufs dringendste gewarnt wird.
In dcr Untersuchung der Berliner Mord aff irre der Conrad'schen Familie ist endlich ein fester Anhaltspunkt gefunden worden. Es ist nämlich sestgesteUt, das; die unverehelichte D. in Eharlottcnburg am Tage der That, 12. August, in der Mittagsstunde von Eonrad, zu dem sie bekanntlich in näheren Beziehungen stand, einen Brief erhalten hat, durch welchen Conrad ihr mittheilt, seine Alte habe sich erhängt: die Thür sei von innen verriegelt gewesen: er habe einen Schlosser holen müssen, um sie zu öffnen. Dieser Brief ist zwischen 7 und 8 Uhr Morgens in einen Briefkasten in der Nähe des Ostbahnhofcs geworfen worden: er ist also zu einer Zeit geschrieben, zu welcher die Oeffnuug der verriegelten Thür noch gar nicht erfolgt war. Conrad hat demnach von dem Tod seiner Frau bereits gewußt, als er vor dem bezcichnelen Tage um Pz9 Uhr nach Hause kam, den Schlosser hcrbeiholte und durch das Fenster cinsticg. Unmittelbar darauf ist er verhaftet worden und hat also keine Gelegenheit mehr gehabt, an seine Geliebte zu schreiben.
Ein Fall wunderbarer Heilung von schwerer Verwundung wird der Thür. Z. aus Hannover berichtet. Auf dem am letzten Pfingstfeste im benachbarten Dorfe Empelde abgehaltenen Schützenfeste schoß sich ein Dienstknccht den Ladestock eines Gewehrs durch den Kopf und zwar saß der Ladestock so fest in der Schädeldecke, daß die Aerzte denselben buchstäblich mittelst Hammerschlägen lösen und entfernen mußten. Der Knecht, im städtischen Krankenhause in Hannover verpflegt, wurde vor kurzem bis auf Erblindung des rechten Auges vollkommen geheilt entlassen. Diese Erblindung ist nach Aussage der Aerzte nicht durch die schwere Operation, sondern dadurch entstanden, daß der Ladestock auf seinem Wege durch das Gehirn den rechten Sehnerv zerrissen hat.
Ocftcrreich-Uilgar».
Wien, 25. August. Die heutigen Mittagsblätter bringen ein polizeiliches Cvmmnniqnc über das rasfinirte Raubattentat, welches am 4. Juli an dem Schuhmacher Merstallinger Hierselbst begangen wurde. Dasselbe sagt: Schon längere Zeit würben in den Journalen der Nevolutionspartei des Auslandes die Arbeitermassen zur Vernichtung dcr Staats- institutioncn angetrieben. Durch den unlengbaren Einfluß dieser Preßerzeugnisse bildete sich auch in den hiesigen Arbcitcrkreiscn eine Fraktion, welche den anarchistischen Standpunkt Most's vertritt. Die hiesige Sicherheitsbehörde gewann Anzeichen dafür, daß das Raub-Attentat gegen Merstallinger von Anhängern der hiesigen radikalen Arbeiterpartei verübt worden sei, um Agitationsgeldcr aufzubringen. In Folge der angestellten Recherchen ist ein Thcil des geraubten Gutes in der Wohnung des gegenwärtig flüchtigen fanatischen Führers der Umsturzpartei, ein anderer Theil bei einem mit diesen Kreisen liirtcn Goldarbcitcr vorgcfunden. Es wurden ferner Korrespondenzen beschlagnahmt, welche die Verhaftung noch anderer bctheiligtcn Sozialisten gestatteten. Amtliche Feststellungen haben die verbrecherische That ergeben, welche ihre Schatten bis in die Redaktionsstube eines hiesigen sozialdemokratischen Blattes wirft. In den Beweggründen ist von idealen Gesinnungen nichts zu entdecken. Die Details bei der schwebenden Untersuchung werden vorläufig nicht veröffentlicht.
Wien, 2tt. Aug. Die Blätter beschäftigen sich eingehend mit dem Raubattcntat auf den Schuhmacher Merstallinger. Die Behauptung, dcr OrdcnS- diebstahl bei Andrassif sei gleichfalls von Sozialisten verübt, ist falsch. Dagegen besagt ein Cvmmuuiquö der Polizei, es seien aus Anlaß des Raubattenlats auf Mcistallingcr sieben Personen verhaftet, lauter Sozialisten, von denen die beiden Tischler Mayer und Pfleger das Attentat vollführtcn, während fünf andere wegen Thcilnahme an dem Raube verhaftet seien. Unter den letzteren befindet sich der Redakteur
des Arbciterblattcs „Zukunft", Peikcrt, und die Gattin Hotze des flüchtigen früheren Redakteurs desselben Blattes.
In Pest hat gestern ein riesiger Wolkenbruch stattgefunden; ein ungeheurer Schaden wurde in einem Nachbardorfe angerichtet. 33 Häuser wurden beschädigt. Wegen der Ucberschwemmung fanden vielfache Bahnstörungen statt.
In Prag fand gestern eine große Arbeiter- Versammlung statt; dieselbe beschloß eine Resolution gegen die Sonntagsarbeit.
Schweiz.
Bern, 22. Aug. Letzte Nacht sind laut „A. A. Ztg." bei heftigem Sturmwind in dem Dorfe Bätterkinden bei Solothurn 20 Häuser abgebrannt, darunter die Gasthöfe „Zur Krone" und „Zum Bären." Leider ist auch ein älterer taubstummer Mann und einiges Vieh im Feuer umgekommen.
Frankreich.
Paris, 24. Aug. Die seit einiger Zeit wieder stark betriebene Deutschenhetze in der Presse übt ihre Wirkung. Der deutsche Turnverein hat seit Jahren in demselben Lokale Rue St. Mark seine wöchentlichen Versammlungen abgehalten, wobei stets deutsche Lieder gesungen wurden. Der Polizeikommissär des Stadtviertels hat nun den Vorstand des Vereins aufgefordert, das Singen fürderhin zu unterlassen, da er davon unterrichtet sei, daß Patrioten die Absicht hätten, solches zu verhindern, und er außer Stande sei, dem Verein polizeilichen Schutz zu gewähren.
Paris, 26. Aug. Der bereits gemeldete Strike dcr Rollfuhrleute von Marseille dauert immernoch an. Vier Werkstätten sind bereits ins Stocken gerathen; wenn der Strike noch einige Tage dauert, so werden 30 Werkstätten geschlossen und 40,000 Arbeiter arbeitslos. Der kommerzielle Verlust beläuft sich bereits auf 10 Mill. Ein Schiff, das 5 Millionen Säcke Getreide für Gibraltar an Bord nehmen sollte, mußte nach Triest gehen, um eine andere Ladung einzunehmen. Die Lastträger sollen übrigens gleichfalls beabsichtigen, die Arbeit einzu- stellcn, was zur Folge hätte, daß der ganze Marseiller Handel für eine Zeit brachläge. In Paris sind gegenwärtig 8 theils vollständige, theils theil- weise Striken zu verzeichnen, so unter anderem derber Arbeiter in den Schuhmanufakturen, welche auf diese Weise den der Pariser Schustcrgesellen zu unterstützen suchen und an die ausländischen Arbeiter dieser Branche die Warnung ergehen ließen, nicht nach Paris zu gehen.
Türkei.
Kvnstantinopel, 25. Aug. Der dreijährige Kontrakt der deutschen Beamten Wettendorf, Gescher und Bertram wird bei demnüchstigem Ablaufen desselben wahrscheinlich nicht erneuert werden, da ihre Bemühungen an der Korruption der türkischen Beamten scheiterten. Herr Wettendorf war in Kon- siantinopel nie auf Rosen gebettet. Er hatte vom ersten Augenblick an gegen Beschränktheit jeder Art zu kämpfen und sich verschiedener böswilliger Jntri- guen zu erwehren, die gleichfalls dazu beitrugen, seine Mission ergebnißlos zu machen. Obfchon ihm der Sultan anfänglich große Vollmachten einräumte, war er doch nie im Stande gewesen, dieselben that- sächlich zu verwerthen. Herr Gescher ist ein besonderer Liebling des Sultans; aber bald muß dieser, bald jener Vorwand herhalten, um zu verhindern, daß er im Jildis-Kiosk wohne, wie es der Sultan gewollt hatte, um ihn jederzeit und bequem um Rath fragen zu können. Herr Bertram endlich Hütte das türkische Zollamt in eine Goldmine verwandeln können, wenn es nicht so viele Langfinger gäbe, die darunter gelitten hätten. Dieses Schicksal thxilen leider auch die deutschen Offiziere. Sie alle müssen sich mit dem Scheine und bestenfalls mit formellen Verbesserungen begnügen, die ihrem Ernst und Streben nicht eben zu entsprechen vermögen.
Kvnstantinopel, 28. Aug. Reuter meldet: Said Pascha begab sich am Sonntag Abend zu Lord Dnfferin und zeigte demselben an, die Pforte habe beschlossen, die Proklamation, welche Arabi zum Rebellen erklärt, zu publiziren und die Militürkonvention nach dem Entwurf Dnfferins zn acceptiren.
Egypten.
Alexandrien, 26. August. Der Offizier und die 12 Marincsvldalcn des österreichischen Kriegsschiffes Nautilus, welche am 21. ds. bei Abnkir gelandet und gefangen genommen waren, sind nunmehr
freigelassen worden. Der Nautilus ist nach Port Said abgegangen. (St.-A.)
Alexandrien, 28. Aug. Sultan Pascha und Ferid Pascha mit einem Gefolge von zwölf Personen begeben sich heute Nachmittag nach Jsmailia, um General Wolseley und Commissäre des Khedive zu begleiten und die Bevölkerung darüber aufzuklären, daß die Mission der britischen Armee nur die Wiederherstellung der Autorität des Khedive, sowie die Befreiung des Landes von dem militärischen Despotismus bezwecke.
Vierzig Mönche in HnngerSgcfahr. Ans dem Rücken des Berges Sinai befindet sich noch heute ein vom Kaiser Juftinian im sechsten Jahrhundert erbautes griechisches Kloster. Dasselbe ist festungsartig gebaut und besitzt nicht einmal ein Eingangsthor. Reisende und Lebensmittel werden daher in einen; vom Thurme des Klosters hcrabgelassencn Korb in das Innere desselben befördert. Die Verproviantirung des Klosters erfolgt von Alexandrien ans. Vor einigen Tagen konnte jedoch, wie die eghptischcn Blatter melden, in Folge der Kriegsercignisse die von Alexandrien abgcgangenc Proviantsendung nicht ins Kloster gelangen und mußten die vierzig Mönche durch einige Tage ausschließlich vvn Datteln leben. Der Abt hat nun Fürsorge getroffen, daß das Kloster von jetzt an von Suez aus vcrproviantirt werde.
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2- St u- r« —
Handel S Verkehr.
* Nagold. (Viehmarks - Resultat vom 24. Ang.) Zugeführt wurden: Ochsen 84 Paar, verkauft 53 Paar, Erlös 36,202 .Kl 15 4. Zufuhr: Kühe 267 Stück, verkauft 110 Stück, Erlös 19,531 4L Zufuhr: Kalbeln 121 Stück, verkauft 77 Stück, Erlös 11,000 4L Zufuhr: Schmalvieh 108 Stück, verkauft 48 Stück, Erlös 4960 4L Gesammtsnmme 35,591 .Kl Zufuhr: Länferschweine 218 Stück, verkauft 187 Stück, Erlös 3547 4L Zufuhr: Saugschweinc 270 Stück, verkauft 241 Stück,. Erlös 2892 .kl 10 4. Gesammtcrlös 6439 4L 90 4.
Stuttgart, 28. Aug. sLandesproduktcnbörse.s Der Besuch war stark, die Angebote dringend, dcr Umsatz mäßig. Wir nolircn per 100 Kilogr.: Waizcn, baierischer neuer 22 .kl 50 4, ungarischer 23 .Kl 75 4 bis 24 4L 75 4, russischer 22 .Kl, Kleie 8-9 .Kl — Mchlbörse. Durchschnittspreise pro 100 Kilogramm viel. Sack: Nr. 1 35 4L 50 4 bis 36 .Kl 50 4, Nr. 2 33 .Kl 50 4 bis 34 4L 50 4, Nr. 3 31 .kl 50 4 bis 32 4L, Nr. 4 26 .Kl 50 4 bis 27 .k 50 4, Nr. 5 18—20 .K.
lBiktualicnprcise.) Bibcrach, 23. Aug. 1 Kilo süße Butter 1 .Kl 80 4, Bauernbutter 1 4L 70 4, Nind- jchmalz 2 4L 10 4, Schweineschmalz 1 .Kl 80 4, 1 Kilo Ochsen- flcich I 4L 20 4, Schmalflcisch 90—96 4,- Schweinefleisch 1 4L 12 4, Kalbfleisch 88 — 96 — Ravensburg, 26. Ang.
y >2 Kilo Ochsenfleisch 60 4, Rindfleisch 45 — 54 4, Schweinefleisch 60 4, Banrenbuttcr 80—90 4, Banrenschmalz 1 4L 5 4 ins 1 4L 10 4, Schweineschmalz 80^85 4, 50 Kilo Stroh 1 .Kl 30-50 4, 50 Kilo Heu 2 .Kl 50 4 bis 3 .«
Nürnberg, 26. August. (Hopfen.) Die Frage nach neuen Hopfen war ziemlich mäßig, überhaupt scheinen die besseren Ernteaussichten, welche aus vielen Hopfenländern gemeldet werden, zur ruhigeren Tendenz wesentlich bcigetragen zn haben. Bei geringer Nachfrage wurden etliche Ballen Kalten- beiger zn 295 .Kl, neue Hallertauer zn 250-290 .kl, neue Steiermärker und Württembcrger zn 260—29v .LL und I8Ster zu 150-180 4L bezahlt.
Mittlere Mruchtpreise per Centnee
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Kernen.
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Reutlingen .
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39.
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8. 68.
7. 53.
Riedl ingcn .
... 13.
17.
8. 6.
7. 90.
Tuttlingen .
... 12.
51.
9. —.
9. 3.
8. 4.
Waldsee . .
... 12.
53.
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8. 13.
7. 95.
Backnang. .
6. 52.
Lentkirch . .
... 12.
15.
9. 75.
—. —. 8. 65.
(St.-Anz.)
Im Innern Ftnlands.
Gleichviel, wie arm dies Land auch sei Für den, der Gold begehrt.
Ein Fremdling fahr' uns stolz vorbei,
Wir bleiben diesem Lande treu;
Uns isl's mit dem, was ihm beschcert,
Doch mehr als Goldes Werth.
Zehn Minuten nach Abgang des Dampfwagens landeten wir im Hafen von Helsingssors, der Hauptstadt Fmlcmds. Kurz vor der Stadt passirlen^ wir „das Gibraltar des Nordens," die starke Festung Sweaborg. Auf steilen Felsen ragen seine drohenden Bastionen, mit 900 Kanonen besetzt, mitten ans dem Meer. — die Engländer konnten im Jahre 1854 von Sweaborg erzählen, daß sie es vergebens einznneymen versucht hatten. Die dahinter liegende Stadt Helsing- fors macht einen äußerst malerischen Eindruck ; doch wir eilen ins Hotel — Sozietätshaus heißt es wie alle Hotel in Finland — um am nächsten Morgen mit dem Frühzuge an unser Ziel zu eilen. Einen so reinlichen, eleganten, fast lautlosen Damfwagenzug sahen und hörten wir noch nie. „Wir Finländer müssen langsam fahren," hatten unsere Freunde uns gesagt, „damit die Schienen sich nicht so abnutzen, denn wir sind arme Leute." Nun, wir legten 30 Meilen in 6 Stunden zurück, aber zeugten diese von dem bequemsten Sitzen, mit ihren dicken Kerzen, welche
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