Der GcklMfler

Amts und Intelligenz-BW siir den Oberamts-Bezirk

.M 84.

Erscheint wöchentlich Smal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet halbjährlich hier (ohne Trägerlolm) 1 ^ 60 in dem Bezirk 2 außerhalb des Bezirks 2 ^ 40 -l. Vierteljähr­liches und Monatsabonncment nach Verhältniß.

Samstag den 22. Juli.

! Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge- ! wohnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S 4, bei mehrmaliger je 6 -1. Die Inserate muffen , jnätestens Morgsns 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben ! _ sein. _

1882

»

Wer trägt die Verantwortung der Gräuelzustände in Egypten?

In Egypten ist nie sonderlich gewirthschaftet worden, aber niit der Erhebung zum Bicekönigreich im Jahre 1806 ist eine Aera der Verschwendung ein- getreten, die kein anderes Land mit so verhältniß- mäßig wenig Culturboden wie Egypten (nur etwa der 20te Theil des Areals) hätte ertragen können; ober auch dieses fruchtbarste aller Länder ist dabei zu Grunde gerichtet worden und erhält durch die jüngsten Ereignisse einen Stoß, von dem es sich auch bei der denkbar besten Verwaltung sobald nicht wie­der erholen wird. Seinen Höhepunkt erreichte die­ses Verschwendungssystem unter dem vorigen Khedive, Ismail Pascha. Dessen Streben ging auf nichts Geringeres hinaus, als sich von der Pforte gänzlich unabhängig zu machen. Zu diesem Zweck erhöhte er die Armee, machte große Waffenbestellungen, ließ Panzerschiffe bauen w. und als er 1869 auf Be­treiben des Sultans von diesem Wege abstehen mußte, versuchte er es mit Geld und erkaufte von der Pforte ein Recht nach dem andern mit schweren Summen, dabei legte er dem ohnehin schon über­bürdeten Lande die schwersten Opfer durch den Bau des Suezkanals auf. Die Eröffnungsfeierlichkeiten dieses Kanals ließ er sich sabelhaste Summen kosten; man spricht von 28 Millionen Thalern. Zu alledem kam noch landwirthschaftliche und handelspolitische Mißwirthschaft, jCorruption an allen Ecken und Enden. Natürlich konnte unter solchen Umständen das Land nur den geringsten Theil von dem auf­bringen, was Ismail Pascha für seine Zwecke brauchte. Es wurde daher Anleihe auf Anleihe gemacht, die Suezactien wurden verkauft, bis auch das nicht mehr ging. Das Geld bekam er größtentheils von den Engländern. Es war daher keine beneidenswerthe Erbschaft, die der jetzige Khedive antrat; sie hat sich denn auch recht bald verderblich für ihn erwiesen. Daß das Gewitter sich über seinem Haupte entladen, darf man daher nur zum Theil auf seine Unfähigkeit zurückführen. An ihm rächen sich die Sünden der Väter. Aber auch diejenigen sind mit schuldig, mit­telbar wenigstens, die durch Gewährung von An­leihen an einen allbekannt verschwenderischen und nur auf sein persönliches Interesse bedachten Regenten den Ruin des Landes beschleunigen halfen, die Her­ren Engländer, die jetzt mit ihrem Hausfriedensbruch dem Lande den Gnadenstoß geben. Denn wie man sieht, schlägt ihr Gewaltstreich in das gerade Gegen- iheil von dem um, was er bezwecken sollte. Alexan­drien, jetzt ein Trümmerhaufen, stände noch in seiner Pracht da, wenn dieser kopflose Eingriff unterblieben wäre. Was aber noch weiter daraus sich ergeben wird ja diese Frage mögen die Herren Eng­länder sich selbst vorlegen und froh sein, wenn es überhaupt ohne ernstliche Verwickelungen für sie ab­geht. Im allgemeinen Interesse kann man das nur wünschen, obwohl es gar nicht schaden könnte, wenn ihnen noch einmal der Standpunkt ä 1a Richter, Tromp und Pit Hein klar gemacht würde.

Der britische Leopard hat Blut geleckt, aber er wird dem zurückziehenden Arabi nicht uachsetzen, die Herrschaft über Egypten wird er nicht an sich reißen Frankreich würde ihn auf die Tatzen klopfen. Seinen legitimen Einfluß auf Egypten wird sich Frankreich auch von den Engländern nicht nehmen lassen, dazu hat es zu kolossal gerüstet. Ein Pro­test der Pforte an die Großmächte klagt England der groben absichtlichen Verletzung des Völkerrechts

an. Der barbarische Menschenschlächter Seymour wird als Blütdogge von Alexandrien in der Geschichte fortleben. Die Hauptursache des ganzen egyptischen Streites ist die endliche Empörung der ausgesogenen egyptischen Bauern gegen gewisse europäische Geld­fürsten. Was thut Deutschland? Was Bickmarck? Der deutsche Einfluß auf den Sultan soll seit der Verwüstung von Alexandrien merklich geschwunden sein. Nur nicht ängstlich! Beim Beginn eines diplo­matischen Feldzuges hat Bismarck seinen Plan so gut wie Moltke seinen strategischen beim Ausbruch eines Krieges. Einstweilen halten wir Bismarck noch für mächtiger als Gladstone und klüger als Rothschild. (Dorfztg.)

Tages-Nerrigkeiten.

Deutsches Reich.

Friedrichsthal, 19. Juli. Am letzten Samstag trafen 12 Knaben der Stuttgarter Ferien­kolonie in Begleitung eines Lehrers hier ein. Auf dem Bahnhof wurden sie von ihrem Gastgeber, Hrn. Raus er, freundlich empfangen. Welche gute Un­terkunft die Knaben im Gasthofzum Schmelzofen" gefunden, das dürften sie bald erfahren.

Stuttgart, 18. Juli. Durch Cabinetsordre ist der Prinz Wilhelm von Württemberg, welcher bisher als Generalmajor die 27. Cavallerie- Brigade (2. C. Württ.) eommandirte, auf seine Bitte von diesem Commando entbunden worden. Das Motiv dieser Bitte ist zweifellos in der tiefen Trauer zu suchen, in welche der Prinz durch den unlängst erlittenen Verlust seiner Gemahlin versetzt wurde.

Volksbank Stuttgart. E. G. In dem Konkurse der Volksbank Stuttgart sind beim Prüfungs­termin 1068 Forderungen angemeldet worden, welche sich wie folgt vertheilen : Anlehen 2,040,188 ^ 87 L, Spareinlagen 11,170 74 Stammkapital

4,067 c/U. 42 Wechsel und Kreditoren 1,181,439 Mark 91 Pfennig, bedingt angemeldete Forderungen 247,326 <4L 30 bestrittene Forderungen 210,970 Mark 14 Pfennig. Der Gesammtbetrag der ange­meldeten Forderungen beziffert sich demnach auf 3,695,163 38 L. (W. L.)

Cannstatt, 18. Juli. Heute Nachmittag nach 1 Uhr kamen 3 Stromer in die WirthschaftZweigle" in der Fischergaffe beim Rathhaus, um zu zechen und am Tische ein Mittagsschläfchen zu halten. Von der Tochter auf das ungeziemende Benehmen auf­merksam gemacht, packten sie dieselbe nach kurzem Wortwechsel, warfen sie zu Boden und würgten sie. Auf deren Hilferufe kamen die Mutter und die ältere Tochter herbei, wurden aber mit Bieruntersätzen traktirt, so daß das Blut aus vielen Wunden floß. Mittlerweile hatte sich vor dem Hause eine ansehn­liche Menschenmenge angesammelt, welche nicht übel Lust zeigte, Lynchjustiz zu üben. Die Frauensper­sonen sind in ärztlicher Behandlung, die Frevler verhaftet. (N. T.)

Ein Reutlinger Correspondent desN. T." gibt von den Verheerungen, welche das Unwetter im Tübinger Un­teramt angerichtet hat, die folgende drastische Schilderung: Wenn ein ganzes Armeekorps mit Train über eine Fläche Lan­des marschirt wäre, trostloser könnte es nicht aussehcn, als cs heute bei uns aussicht. Reutlingen selbst ist verhältnißmäßig noch gut weggekommcu; wohl haben wir viele Verluste zu be­klagen, aber was will all das heißen gegenüber dem, wie cs in den Nachbargcmcindcn Bezingen, Degerschlacht, Sickenhau­sen, Oferdingen, Rommelsbach aussicht: auf keinem Dach mehr ein ganzer Ziegel, die stärksten, prächtige Frucht tragenden Bäume wie Zündhölzchen abgcknickt und über die Straße ge­worfen: diese selbst von hcrabgerissencm Obst bedeckt. Und erst die Felder! Denken Sie sich, man hätte die Stuttgarter Dampfstraßcnwalzc durch die Kornfelder der betroffenen Ge­

meinden gehen lassen, und Sie haben ein schwaches Bild von dem, wie es bei uns allssieht. Alles, aber auch gar Alles ist vernichtet. Es kann einen nicht wundern, wenn man weiß, daß die Hagelkörner minutenlang größer als Enteneier fielen. Ihr Correspondent selber zählte heute in einem Acker mehr als 70 vom Hagel erschlagene Staaren, sogar Hasen fielen dem Hagel zum Opfer. In der kleinen Gemeinde Sicken­hausen wird nach Angabe des Gemeinderaths der entstandene Schaden allein aus 100,000 ^ geschätzt. Selbst die letzte Hoffnung, das Getreide noch als Viehfutter benützen zu kön­nen, ist zu nichte; cs muß gut gehen, wenn überhaupt noch Streu daraus gewonnen wird, und dabei ist die Jahreszeit viel zu weit vorgerückt, als daß die armen Betroffenen', denen nichts anderes übrig bleibt, als ihre Aecker abzumähen, etwas säen könnten. Leider sind nur wenige versichert.

Ellwangen, 17. Juli. Der vor dem hiesigen Schwur­gericht verhandelte Fall Hesselmaier bot, so schreibt die I. Ztg., in seinem Gesammtbild wie im Einzelnen mehrfach hochtragische Momente dar. Doch auch die Komik schlich sich wie häufig unwillkürlich ein. Eben lauschte das Publikum in gespanntester Aufmerksamkeit des Vertheidigers von Hessel­maier, nach der die Geschworenen über Leben und Tod ent­scheiden sollten: in seiner beredten und überzeugenden Weise suchte er darzulegcn, daß nicht der Angeklagte, sondern der neben ihm auf der Zeugenbank sitzende 58 Jahre alte dem Schnaps ergebene Dienstknecht Rcttenmaier der unbekannte Thäter sein dürfte. Dieser aber, der in des Tages Hitze wohl schon etliche hinter die Binde gegossen hatte, ließ die eben gegen ih» vorgebrachte schwere Verdächtigung ruhig über sich ergehen, denn er schlief den Schlaf des Gerechten, und der neben ihm sitzende Polizeidiener hatte Mühe, ihn durch Rip­penstöße in des Daseins Ernst zurückzurufen. Daß die von dem Vertheidigcr beabsichtigte Wirkung in das Gegentheil um­schlug, war in der sich bis zum Richtertisch fortpflanzendcn Heiterkeit zu erkennen. Als dem Hesselmaier das Todesur- theil verkündet wurde, brach er heftig in Thränen aus: Spat- schek war selbstverständlich erfreut über seine Freisprechung: er soll während der Berathung der Geschworenen gebetet haben. Er wurde nach seiner Entlassung mit seiner ihn erwartenden Frau von Bekannten in eine Wirthschaft geführt, dort regalirt und mit Geld (200 .«y und Nahrungsmittel beschenkt. Daß er für die »jstährige Untersuchungshaft keine Entschädigung er­halte, wolle ihm nicht einleuchten.

Auf dem Härtsfeld hat sich ein lljährigcr Knabe von Aufhausen an einem Baum erhängt. Ein in der Nähe beschäftigtes lojähriges Mädchen kam aber gerade noch recht, um mit einer Sichel den Strick abzuschneidcn, wodurch der Lebensüberdrüfsige gerettet wurde. Die Gründe, die den Kna­ben zu seinem verzweifelten Schritte veranlaßten, sind unbekannt.

Mössingen, 16. Juli. Heute war- hier Missionsfest bei gedrängt voller Kirche. Während Missionar Seger sprach, brach das Gewitter mit Sturm und Hagel los, daß alle Fen­sterscheiben an der Westseite der Kirche klirrten und die Hagel­körner auf die Andächtigen flogen. Aus der Kirche zu fliehen war nicht möglich und so entstand ein Händeringen und Weh­klagen, daß der Redner abbrechen mußte. Der Schaden aus den Feldern ist sehr groß. Das Korn gelbte in den letzten Tagen zusehends, und man sah freudevoll der reichen Ernte entgegen. Diese ist jetzt zu sjig vernichtet. Die in seltener Ueppigkeit prangenden Kartoffelfelder sind zerhackt und thcil- weise überschwemmt.

Brandfälle: In Burgrieden (Laupheim) am 14. Juli, Nachmittags 3 Uhr, 1 Wohnhaus unter einem Strohdach sammt Scheuer; in Kirch- berg (Biberach) am 16. Juli, Morgens 8^/« Uhr, 1 Wohnhaus sammt Scheuer zum größten Theil.

Friedrichshafen, 17. Juli. Der See hat, wie nachträglich berichtet wird, gestern, am Sonntag Abend, auch seine Opfer gefordert; eine ganze Fa­milie, aus 7 Personen bestehend, aus Hardt am österr. Seeufer, war in einem Boot (Nachen) nach Bregenz unterwegs, als solche von dem orkanartigen Sturm überrascht wurde; die Insassen des Nachens ertranken sämmtlich. Wie sehr die armen Leute beim Festhalten an dem umgekippten Boot mit den Wellen kämpften, ist darin zu erkennen, daß an den Händen der Ertrunkenen, die ans Land geworfen wurden, keine Nägel mehr sichtbar waren. (N. T.)

Stühlingen, 17. Juli. Ein furchtbares Hagelwetter ging gestern über unsere ganze Ge­gend nieder. Die frohe Aussicht des Landmannes ist gänzlich vernichtet; sämmtliche Früchte find total