Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

M 71.

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, und kostet halbjährlich hier (ohne Trägcrlohn) 1 60 <1, in dem Bezirk 2

außerhalb des Bezirks 2 40 -I. Vierteljähr­

liches und Monatsabonnement nach Verhältnis

Donnerstag den 22. Juni.

Jnsertionsgebiihr sür die Ispaltige Zeile aus ge­

wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S -I, bei mehrmaliger je 6 -t. Die Inserate müssen spätestens Morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1882.

Abonnements-Einladung

aus denGesellschafter."

Mit dem 1. Juli beginnt wieder ein neues Abonnement auf den Gesellschafter und ersuchen wir daher diejenigen, die das Blatt durch die Post be­zogen haben, ihre Bestellung daselbst noch vor Ab­lauf dieses Monats zu erneuern, wenn ein ununter­brochener Empfang des Blattes gewünscht wird.

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Die große Verbreitung des Blattes sowohl im Bezirk als in den angrenzenden Oberämtern macht dasselbe vorzugsweise zur Aufnahme von Inseraten geeignet, die bei 1 maliger Aufnahme zu 9 ^ die kleine Zeile in gewöhnlicher Schrift, bei mehrmaliger aber nur zu je 6 L berechnet werden.

Zu zahlreichem Beitritt ladet daher ergebenst ein

die Redaktion <L Expedition.

I^. L. Die Vertagung des Reichstags

wird bei dem Style und dem Charakter, den seine Debatten nach und nach angenommen haben, allseits als eine wahre Erlösung empfunden werden. Die Fractionen haben gezeigt, daß ihnen das Interesse der Fraktion Alles, das Wohl des Vaterlandes nichts ist. Die Schlußthätigkeit des Reichstags: Genehmi­gung des bekannten Antrags der Elsäßer, war ein würdiges Seitenstück zum Hauptwerk der nun be­endeten Session: zu der Verwerfung des Tabakmo­nopols. Diese Verwerfung ist das Produkt einer Coalition, die zu dem Bedauerlichsten gehört, was bis jetzt die Geschichte des deutschen Parlamentaris­mus zu verzeichnen hat.

Diese Coalition setzte sich zusammen: 1) aus denen, welche die Interessen der Tabakshändler ver­traten , 2) aus den Prinzipienreitern der Freihan­delspartei, 3) aus denjenigen, welche eine parlamen­tarische Herrschaft anstreben, 4) aus den Centrums­leuten, denen Bismarck nicht genug geboten hat,

5) den offenen und verdeckten Feinden des Reichs und Bismarcks, also aus der lieblichen Gesellschaft der Polen, Welfen, Sonnemänner, Mayer rc. rc.,

6) der Gruppe Bennigsen, von der weiter unten die Rede sein soll. Der Effekt des Berwerfens der Monopolvorlage ist das Verbleiben der Matrikular- beiträge, das Verharren der direkten Steuern auf ihrer jetzigen drückenden Höhe, das Wachsen der Finanzverlegenheiten der Einzelnstaaten u. Gemeinden.

Wahrscheinlich ist sogar, daß die Steuerlast noch erhöht werden muß, da die Sparrecepte der Opposition noch nie recht gefleckt haben und die Freunde der Resolution Lingens das Hervorrücken mit praktischen Vorschlägen fast wie eine Beleidigung weit von sich gewiesen haben.

Alles, was wir von dem Leben, Thaten und Meinungen der Angehörigen von Gruppe 4 der Antitabaksmonopolgesellschaft wissen, bringt von selbst aus die Annahme, es sei förmlich Absicht dieser Her­ren, daß das deutsche Volk das Reich als Last empfinde, damit es sich schließlich nach Ablauf des Septennats mit dem Gedanken an Verminderung der deutschen Kriegstüchtigkeit vertraut mache und eine Erleichterung seiner Lage nur von dieser Maß­regel hoffe.

Folge hievon wäre, daß Deutschland Hon sei­ner jetzigen Machtsphäre heruntersteigen müßte und

die vom Fürsten Bismarck warnend in Perspektive gestellte neue Auflage des Bundestags verwirklicht würde.

Wir hoffen uud glauben jedoch, es sei dafür gesorgt, daß die Bäume der Gruppe 4 nicht in den Himmel wachsen.

Diese Hoffnung gründet in der Ueberzeugung, daß das deutsche Volk diese Zerstörung des mit theu- rem Blute Errungenen nicht will, sie gründet in dem Bewußtsein, daß das deutsche Volk in dem allge­meinen Stimmrecht eine Waffe besitzt, mit der es die Pläne der Reichsfeinde vernichten kann.

Dieser Glaube gründet in der Wahrnehmung, daß die für die Resolution v. Bennigsen's zusammen­getretene Mehrheit die Nothwendigkeit einer Steuer­reform im Sinne einer Selbständigmachung des Reichs, einer Entlastung der Einzelstaaten und der Gemeinden anerkennt und die Möglichkeit dieser Re­form offen halten will.

Bereits erheben sich denn auch Stimmen, welche dem Nationalliberalismus, der unter v. Bennigsen's Führung gegen das Tabaksmonopol Front machte, die Aufgabe zuweist, jetzt, nach Abweisung des an­geblich utopischen Theils in den Plänen des Reichs­kanzlers das Ausführbare derselben fördern zu helfen. Die gemächliche Defizitwirthschast im Reich und in den Einzelnstaaten muß aufhören, sie ist ge­rade für die letzteren eine Gefahr.

Die deutsche Partei Württembergs hat im Ta­baksmonopol das geeignetste Mittel zu Erreichung des Zwecks gefunden, den auch die Gruppe Bennig­sen anstrebt. Wir sind unterlegen und müssen nun abwarten, welche Vorschläge von jener Seite gemacht werden.

Erweisen sie sich als zweckdienlich und praktisch durchführbar, so werden wir, denen das Tabaks­monopol nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck ist, diese Pläne nach Kräften unterstützen.

Damit wir dies aber recht können, müssen wir uns an die Wähler wenden und diesen in der Presse, wie in den Versammlungen und im Einzelnverkehr klar machen, welch' hohe Güter auf dem Spiele stehen, wenn sie ihr Ohr den grobhetzenden Wahl­agitationen der Leute aus Gruppe Nr. 4 öffnen.

Wer nicht will, daß der deutsche Reichstag auch fernerhin der Schlupfwinkel für diese Gruppe werde, die noch Schlimmeres planen könnte, als jetzt schon zu Tage tritt, der darf seine Stimme Keinem geben, der sich zu ihr bekennt.

Uns in Württemberg steht demnächst eine Reichs­tagswahl für den 14. württemb. Wahlkreis (Geis­lingen, Heidenheim, Ulm) bevor.

Die sogen. Volkspartei gibt sich der festen Hoffnung hin, diesen Bezirk für sich zu erobern. An einer geschickten und, wie der Fall mit dem entwen­deten Schreiben des Oberamtsmanns zeigt, in ihren Mitteln keineswegs wählerischen Agitation wird es nicht fehlen. Um so mehr sollten die Männer un­serer Partei es sich angelegen sein lassen, dieser Agitation die Spitze zu bieten und den wackeren Bewohnern dieses Bezirks die Möglichkeit zu geben, die hochtönenden Phrasen der Sonnemänner und Mayer nach ihrem wahren Werthe zu schätzen.

Dann dürste uns wegen des Ausfalls der Wahl nicht bange sein!

Tages-Nruiskeiterr.

Deutsches Reich.

Die Turnvereine des Achalmgaues feierten am gestrigen Sonntag in Rotten bürg ihr Gauturn­

fest. Die Bethelllgung war eine äußerst rege, denn außer den Städten Balingen, Eningen, Metzingen, Münsingen, Pfullingen, Reutlingen, Tübingen, Urach, welche dem Gauverbande angehören, waren auch die Turnvereine Herrenberg, Horb, Kirchheim, Nagold und mehrere Turner von Stuttgart erschienen. An dem Festzug betheiligten sich auch die bürgerl. Col- legien, die Bürgergarde, Feuerwehr und die sonstigen Vereine Rottenburgs. Zu dem Preisturnen hatten sich 30 dem Gauverbande angehörige und 9 dem­selben nicht angehörige Bewerber, sowie 9 Zöglinge gemeldet. Die Leistungen der Preisturner wie der Zöglinge waren durchschnittlich sehr gut.

Stuttgart, 17. Juni. (Landgericht.) Ein Dieb­stahlsfall, bei dem der Dieb wie der Bestohlene ins Gefängniß kommen, ist gewiß etwas Seltenes, aber bei schwäbischen Bauern kommt es doch vor. Bauer Alber hatte dem Bauern Vohl in Bernhausen Saatkorn gestohlen, obwohl Erstercr ein reicher Mann ist, der 15,000 ^ Vermögen besitzt. Deshalb war's ihm auch möglich den Vohl zu bitten, ihn nicht anzuzcigen und ihm dafür Geld anzubieten. Vohl aber wollte kein Geld, ihm war ein Stück von des Nachbars Garten lieber, auf das er ohne­hin schon lange ein Auge geworfen hatte und gegen Hergabc dieses versprach Bohl dem Alber zu schweigen. Der letztere gab schließlich nach und nun gingen Beide auf's Rathhaus u. ließen den Gartenverkauf protocollircn, den Vohl dem Alber uni 85 Mark abgekauft habe.Doch das Auge des Gesetzes wacht!" Der Landjäger don Bcrnhausen kam hinter Alles und zeigte Beide an. Alber ist bereits vor 3 Wochen zu 4 Monaten Ge- sängniß verurtheilt worden und Bohl wurde gestern wegen Er­pressung mit 6 Wochen bestraft.Wem gehört nun der Garten" ? Diese Frage wurde vom Strafrichter natürlich nicht beantwortet.

Stuttgart, 18. Juni. Der am Sonntag Abend im Stuttgarter Liederkranze aufgetretene Künstler Ritter v. Palm aus Wien entledigte sich seiner Aufgabe aufs glänzendste. Derselbe versprach, längstens innerhalb 30 Minuten ein 1 gin großes Oelgemälde herzustellen und erbat sich vom Publikum das Motiv nebst einigen Details dazu. Man stellte ihm die Aufgabe, eine Landschaft Mitteldeutschlands bei Mondscheinbelenchtung, im Hintergründe Berge, im Vordergründe eine Mühle am Bachesrand, nebst einer Gruppe von Tannenbäumen rc. zu malen. Bei Musikbegleitung ging die Arbeit spielend vor sich und nach 20 Minuten war das Kunstwerk zum Staunen und unter großem Beifall des Publikums vollendet.

Stuttgart, 19. Juni. Herr Dr. Bloch in Berlin hat in letzter Zeit mit Glück an Thieren Versuche gemacht, kranke Stellen der Lunge heraus­zuschneiden. Der erste Mensch, welcher sich zu die­sem Versuch hergeben will, ist Etuisarbeiter Schle­gel hier, Christophsstraße 16 hier. Derselbe wird bereits in den nächsten Tagen aus dieser Veranlassung nach Berlin abreisen. (W. L.)

Ludwigsburg, 18. Juni. Heute durchläuft die traurige Kunde unsere Stadt, daß der Medizinal­rath vr. Werner verschieden ist. Derselbe war nicht blos für die hiesige Stadt, sondern auch für das ganze Land ein ärztlicher Berather und Vater so vieler armer, leidender Kinder. Vor ungefähr einem halben Jahrhundert gründete er die hiesige Kinderheilanstalt (1834), in welcher krüppelhafte und gebrechliche Kinder jeden Standes und jeder Religion Heilung und Pflege fanden. Auch die Kleinkinder­schule, sowie die mit der Mutteranstalt in Verbin­dung stehenden Filialen in Jagstfeld und Wildbad verdanken ihre Entstehung dem segensreichen Wirken dieses edlen Mannes. Das seit 3 Jahren bestehende Maria-Martha-Stift, ein Asyl zur Beschäftigung krüppelhafter Kinder, ist gleichfalls eine Schöpfung des Verstorbenen.

(SchwurgerichtTübingen.) Tagesordnung für die Verhandlungen im II. Quartal 1882. 1) Montag den 26. Juni, Vorm. 9 Uhr: Strafsache gegen die ledige Dienstmag