Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
M 71.
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außerhalb des Bezirks 2 40 -I. Vierteljähr
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Donnerstag den 22. Juni.
Jnsertionsgebiihr sür die Ispaltige Zeile aus ge
wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S -I, bei mehrmaliger je 6 -t. Die Inserate müssen spätestens Morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.
1882.
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aus den „Gesellschafter."
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die Redaktion <L Expedition.
I^. L. Die Vertagung des Reichstags
wird bei dem Style und dem Charakter, den seine Debatten nach und nach angenommen haben, allseits als eine wahre Erlösung empfunden werden. Die Fractionen haben gezeigt, daß ihnen das Interesse der Fraktion Alles, das Wohl des Vaterlandes nichts ist. Die Schlußthätigkeit des Reichstags: Genehmigung des bekannten Antrags der Elsäßer, war ein würdiges Seitenstück zum Hauptwerk der nun beendeten Session: zu der Verwerfung des Tabakmonopols. Diese Verwerfung ist das Produkt einer Coalition, die zu dem Bedauerlichsten gehört, was bis jetzt die Geschichte des deutschen Parlamentarismus zu verzeichnen hat.
Diese Coalition setzte sich zusammen: 1) aus denen, welche die Interessen der Tabakshändler vertraten , 2) aus den Prinzipienreitern der Freihandelspartei, 3) aus denjenigen, welche eine parlamentarische Herrschaft anstreben, 4) aus den Centrumsleuten, denen Bismarck nicht genug geboten hat,
5) den offenen und verdeckten Feinden des Reichs und Bismarcks, also aus der lieblichen Gesellschaft der Polen, Welfen, Sonnemänner, Mayer rc. rc.,
6) der Gruppe Bennigsen, von der weiter unten die Rede sein soll. Der Effekt des Berwerfens der Monopolvorlage ist das Verbleiben der Matrikular- beiträge, das Verharren der direkten Steuern auf ihrer jetzigen drückenden Höhe, das Wachsen der Finanzverlegenheiten der Einzelnstaaten u. Gemeinden.
Wahrscheinlich ist sogar, daß die Steuerlast noch erhöht werden muß, da die Sparrecepte der Opposition noch nie recht gefleckt haben und die Freunde der Resolution Lingens das Hervorrücken mit praktischen Vorschlägen fast wie eine Beleidigung weit von sich gewiesen haben.
Alles, was wir von dem Leben, Thaten und Meinungen der Angehörigen von Gruppe 4 der Antitabaksmonopolgesellschaft wissen, bringt von selbst aus die Annahme, es sei förmlich Absicht dieser Herren, daß das deutsche Volk das Reich als Last empfinde, damit es sich schließlich nach Ablauf des Septennats mit dem Gedanken an Verminderung der deutschen Kriegstüchtigkeit vertraut mache und eine Erleichterung seiner Lage nur von dieser Maßregel hoffe.
Folge hievon wäre, daß Deutschland Hon seiner jetzigen Machtsphäre heruntersteigen müßte und
die vom Fürsten Bismarck warnend in Perspektive gestellte neue Auflage des Bundestags verwirklicht würde.
Wir hoffen uud glauben jedoch, es sei dafür gesorgt, daß die Bäume der Gruppe 4 nicht in den Himmel wachsen.
Diese Hoffnung gründet in der Ueberzeugung, daß das deutsche Volk diese Zerstörung des mit theu- rem Blute Errungenen nicht will, sie gründet in dem Bewußtsein, daß das deutsche Volk in dem allgemeinen Stimmrecht eine Waffe besitzt, mit der es die Pläne der Reichsfeinde vernichten kann.
Dieser Glaube gründet in der Wahrnehmung, daß die für die Resolution v. Bennigsen's zusammengetretene Mehrheit die Nothwendigkeit einer Steuerreform im Sinne einer Selbständigmachung des Reichs, einer Entlastung der Einzelstaaten und der Gemeinden anerkennt und die Möglichkeit dieser Reform offen halten will.
Bereits erheben sich denn auch Stimmen, welche dem Nationalliberalismus, der unter v. Bennigsen's Führung gegen das Tabaksmonopol Front machte, die Aufgabe zuweist, jetzt, nach Abweisung des angeblich utopischen Theils in den Plänen des Reichskanzlers das Ausführbare derselben fördern zu helfen. Die gemächliche Defizitwirthschast im Reich und in den Einzelnstaaten muß aufhören, sie ist gerade für die letzteren eine Gefahr.
Die deutsche Partei Württembergs hat im Tabaksmonopol das geeignetste Mittel zu Erreichung des Zwecks gefunden, den auch die Gruppe Bennigsen anstrebt. Wir sind unterlegen und müssen nun abwarten, welche Vorschläge von jener Seite gemacht werden.
Erweisen sie sich als zweckdienlich und praktisch durchführbar, so werden wir, denen das Tabaksmonopol nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck ist, diese Pläne nach Kräften unterstützen.
Damit wir dies aber recht können, müssen wir uns an die Wähler wenden und diesen in der Presse, wie in den Versammlungen und im Einzelnverkehr klar machen, welch' hohe Güter auf dem Spiele stehen, wenn sie ihr Ohr den grobhetzenden Wahlagitationen der Leute aus Gruppe Nr. 4 öffnen.
Wer nicht will, daß der deutsche Reichstag auch fernerhin der Schlupfwinkel für diese Gruppe werde, die noch Schlimmeres planen könnte, als jetzt schon zu Tage tritt, der darf seine Stimme Keinem geben, der sich zu ihr bekennt.
Uns in Württemberg steht demnächst eine Reichstagswahl für den 14. württemb. Wahlkreis (Geislingen, Heidenheim, Ulm) bevor.
Die sogen. Volkspartei gibt sich der festen Hoffnung hin, diesen Bezirk für sich zu erobern. An einer geschickten und, wie der Fall mit dem entwendeten Schreiben des Oberamtsmanns zeigt, in ihren Mitteln keineswegs wählerischen Agitation wird es nicht fehlen. Um so mehr sollten die Männer unserer Partei es sich angelegen sein lassen, dieser Agitation die Spitze zu bieten und den wackeren Bewohnern dieses Bezirks die Möglichkeit zu geben, die hochtönenden Phrasen der Sonnemänner und Mayer nach ihrem wahren Werthe zu schätzen.
Dann dürste uns wegen des Ausfalls der Wahl nicht bange sein!
Tages-Nruiskeiterr.
Deutsches Reich.
Die Turnvereine des Achalmgaues feierten am gestrigen Sonntag in Rotten bürg ihr Gauturn
fest. Die Bethelllgung war eine äußerst rege, denn außer den Städten Balingen, Eningen, Metzingen, Münsingen, Pfullingen, Reutlingen, Tübingen, Urach, welche dem Gauverbande angehören, waren auch die Turnvereine Herrenberg, Horb, Kirchheim, Nagold und mehrere Turner von Stuttgart erschienen. An dem Festzug betheiligten sich auch die bürgerl. Col- legien, die Bürgergarde, Feuerwehr und die sonstigen Vereine Rottenburgs. Zu dem Preisturnen hatten sich 30 dem Gauverbande angehörige und 9 demselben nicht angehörige Bewerber, sowie 9 Zöglinge gemeldet. Die Leistungen der Preisturner wie der Zöglinge waren durchschnittlich sehr gut.
Stuttgart, 17. Juni. (Landgericht.) Ein Diebstahlsfall, bei dem der Dieb wie der Bestohlene ins Gefängniß kommen, ist gewiß etwas Seltenes, aber bei schwäbischen Bauern kommt es doch vor. Bauer Alber hatte dem Bauern Vohl in Bernhausen Saatkorn gestohlen, obwohl Erstercr ein reicher Mann ist, der 15,000 ^ Vermögen besitzt. Deshalb war's ihm auch möglich den Vohl zu bitten, ihn nicht anzuzcigen und ihm dafür Geld anzubieten. Vohl aber wollte kein Geld, ihm war ein Stück von des Nachbars Garten lieber, auf das er ohnehin schon lange ein Auge geworfen hatte und gegen Hergabc dieses versprach Bohl dem Alber zu schweigen. Der letztere gab schließlich nach und nun gingen Beide auf's Rathhaus u. ließen den Gartenverkauf protocollircn, den Vohl dem Alber uni 85 Mark abgekauft habe. „Doch das Auge des Gesetzes wacht!" Der Landjäger don Bcrnhausen kam hinter Alles und zeigte Beide an. Alber ist bereits vor 3 Wochen zu 4 Monaten Ge- sängniß verurtheilt worden und Bohl wurde gestern wegen Erpressung mit 6 Wochen bestraft. „Wem gehört nun der Garten" ? Diese Frage wurde vom Strafrichter natürlich nicht beantwortet.
Stuttgart, 18. Juni. Der am Sonntag Abend im Stuttgarter Liederkranze aufgetretene Künstler Ritter v. Palm aus Wien entledigte sich seiner Aufgabe aufs glänzendste. Derselbe versprach, längstens innerhalb 30 Minuten ein 1 gin großes Oelgemälde herzustellen und erbat sich vom Publikum das Motiv nebst einigen Details dazu. Man stellte ihm die Aufgabe, eine Landschaft Mitteldeutschlands bei Mondscheinbelenchtung, im Hintergründe Berge, im Vordergründe eine Mühle am Bachesrand, nebst einer Gruppe von Tannenbäumen rc. zu malen. Bei Musikbegleitung ging die Arbeit spielend vor sich und nach 20 Minuten war das Kunstwerk zum Staunen und unter großem Beifall des Publikums vollendet.
Stuttgart, 19. Juni. Herr Dr. Bloch in Berlin hat in letzter Zeit mit Glück an Thieren Versuche gemacht, kranke Stellen der Lunge herauszuschneiden. Der erste Mensch, welcher sich zu diesem Versuch hergeben will, ist Etuisarbeiter Schlegel hier, Christophsstraße 16 hier. Derselbe wird bereits in den nächsten Tagen aus dieser Veranlassung nach Berlin abreisen. (W. L.)
Ludwigsburg, 18. Juni. Heute durchläuft die traurige Kunde unsere Stadt, daß der Medizinalrath vr. Werner verschieden ist. Derselbe war nicht blos für die hiesige Stadt, sondern auch für das ganze Land ein ärztlicher Berather und Vater so vieler armer, leidender Kinder. Vor ungefähr einem halben Jahrhundert gründete er die hiesige Kinderheilanstalt (1834), in welcher krüppelhafte und gebrechliche Kinder jeden Standes und jeder Religion Heilung und Pflege fanden. Auch die Kleinkinderschule, sowie die mit der Mutteranstalt in Verbindung stehenden Filialen in Jagstfeld und Wildbad verdanken ihre Entstehung dem segensreichen Wirken dieses edlen Mannes. Das seit 3 Jahren bestehende Maria-Martha-Stift, ein Asyl zur Beschäftigung krüppelhafter Kinder, ist gleichfalls eine Schöpfung des Verstorbenen.
(SchwurgerichtTübingen.) Tagesordnung für die Verhandlungen im II. Quartal 1882. 1) Montag den 26. Juni, Vorm. 9 Uhr: Strafsache gegen die ledige Dienstmag