61 . Jahrgang.

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Amts- um! IrüeüttjeuMlüt jur tlen Aezirlr.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

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äen 23. Januar 1886.

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öre Weöcrktiorr.

Herr D^roulöde.

Endlich scheint der Schreihals Däroulöde einem Teil der Fran­zosen doch zu viel zu werden. Unter Anspielung auf das bekannte »ülarl- dorovAb vs-t-en ßuerro", das im vorigen Jahrhundert überall gesungen wurde und denreisenden Briten begleitete", schreibt der radikaleCri du Peuple", was folgt: Der moderne Marlborough. Ist es ein Dichter? Nein, ein Barde; es ist nicht Hugo, den wir meinen, sondern Däroulöde, jener große Vaterlandskämpe, der die Saiten der Leier schlägt und dabei wie wei­land König David vor der Bundeslade tanzt. Er erhebt zum eigenen Vorteil Wucherzinsen von dem Enthusiasmus, bei Elsaß-Lothringen vertritt er Vater­stelle, den ArtikelRevanche" hat er in Alleinvertrieb und macht dabei gute Geschäfte und alles das posaunt er mu großem Getöse in die Welt yiiräütz,' indem er wie eine umherziehende Musikbande unter dem Beifall von Maul­affen von Straßenecke zu Straßenecke wandert. Man kann nicht behaupten, daß er geistreich aussehe mit seinem länglichen Schädel und seinem erleuchteten Einfaltspinselgesicht; doch das liegt ja in seiner Nolle. Herr Däroulöde ist nämlich stets auf dem Kriegspfad, beständig ist er bereit, ins Feld zu rücken. Morgens erhebt er sich und schlägt die Decke zurück mit einer Miene, wie sie etwa ein Held aufsetzen würde, der ausßseinem Zelt heraustritt; beim Frühstück schwingt er sein Messer wie ein Saraß und bearbeitet rollenden Auges sein Hühnchen mit einem Wutgeifer, als ob es gelte, einem Feind den Bauch aufzuschlitzen; zündet er eine Zigarre an, so thut er, als ob er die Lunte einer Kanone m Brand setzen sollte; geht er spazieren, so geschieht das genau in dem Schritt, in welchem man zum Angriff vorgeht, spricht er, so brüllt er wie °ein Hauptmann inmitten der tosenden Schlacht und auf seinem Kopfkiffen ruht er, als ob' es eine Lafette wäre. Vor den Augen dieses Marlborough-Pofsenreißers findet nichts Gnade als die betreßten Menschen mit Goldschnitt und alles, was einen knallroten Boden in der Hose und ein versoffenes Weingesicht hat, was in einer Harlekinsuniform steckt, auf wMe die Staaten ihre Orden hingespuckt haben, was das Maul vollnimmt, gMöst mit altem Eisen glirrt und den mächtigen Schnurrbart zu drehen üerWt, bis er spitz ist wie eine Nadel. Bei Mondfinsternissen pflegen die W'.Hen, um das Tier, welches ihr Gestirn fressen will, zu erschrecken und zu ver­scheuchen, mit vollen Backen in Trichter hineinzupusten und aus Kesseln heistm- zutrommeln; Herr Döroulvde will dasselbe Verfahren, eben dieses ohreiGr- reißende Getöse Deutschland gegenüber anwenden und glaubt, die MaiHni von Metz wie einst die von Jericho mit Posaunenstößen niederlegen zu könffen. Das ist so die Art, w.e er seiner Liebe zu Frankreich Ausdruck verleiht. 'Er freut sich unbändig, wenn er Kikeriki geschrien hat und meint, damit sei das Vaterland gerettet; die Wiedergeburt seines Volkes besteht ihm darin, lurlu- tutu zu machen; laut schreien heißt bei ihm das Vaterland lieben, nach seinen Begriffen haben Tugend und Tapferkeit ihren Sitz in den Lungen und, wer den besten Kehlkopf hat, ist der beste Patriot. Nachdem er so an allen Gaffenecken die große Trommel geschlagen und wie ein marktschreierischer Zahnausreißer seine Waren angepriesen hatte, wollte er einen Sitz in der Kammer haben; da wäre in der That eine Bombe in den Sumpf gefahren! Man hat aber diesem Kriegsblitz die Thür vor der Nase zugeschlagen und ihm bedeutet, er möge anderswo, nur nicht in diesem Sumpf seine Gluten löschen. Darauf folgte allerdings auch der Donner, dieser Dvroulöde'sche Donner jedoch ist ein Blechdonner, wie wir ihn im Theater hören. Wir leugnen ja nicht, daß er ein sehr ehrenwerter Mann ist, der vielleicht im Stand wäre, einem Dutzend Sauerkrauteffern das Rückgrat zu zerschmettern, das ist aber - noch nichts so Absonderliches, um ihn deshalb auf den öffentlichen Plätzen auszustellen und ihn den Gaffern als Schaustück anzupreisen:Holla, ihr guten Leute von Frankreich, kommt herein! Hier ist zu sehen das große Weltwunder Deroulede, der erste Patriot der Erde. Man wird ihn sehen, wie «r in dreifarbigem Trikot in den anmutigsten Stellungen von oben bis unten gewappnete Preußen samt Pickelhaube mit Haut und Haaren roh ver­schlingt und Kanonenkugeln wie Prllen schluckt; er wird sich zeigen in fernen

unübertrefflichen Gauklerkünsten mit Krupp'schen Kanonen und in dem noch nie dagewesenen Ballspiel mit Granaten. Den Schluß der Vorstellung bildet seine Apotheose in der durch rot-weiß-blaue bengalische Flammen beleuchteten Kammer, wo der stolze, unvergleichliche Deroulöde über die in Uniformen der Schülerbataillone gekleideten Deputierten Timppenschau halten wird. Ein Hase als Trommler wird die Musik dazu machen!" Zim la bum! Zim la bum! Aber er ist nicht gewählt worden und man hat wohl daran gethan. Doch warum soll man nicht den ersten besten Adjutanten in die Kammer schicken? Die Staatsgeschäfte würden dann viel besser in Schritt und Tritt zusammenklappen; Frankreich müßte wie eine Korporalschaft geleitet werden und einen Unteroffizier sollte man zum Präsidenten der Republik machen. Dann aber, ihr Lässigen, hütet euch vor dem Arresthaus! Alle Gesetze müßten abgeschafft werden, die militärischen natürlich ausgenommen, und die­jenigen, welche am lautesten schreien könnten: Lang lebe Frankreich! würden den Orden der Ehrenlegion erhalten, jene Blutstropfen, mit denen Napoleon I.. als er durch die Blutlachen seiner Opfer watete, die Nation bespritzt hat. Das ganze Geschrsi des Herrn Doroulöde jedoch ist blinder Lärm und Ge­klapper auf der Eselshaut. Ein Volk, welches seine Unabhängigkeit bedroht sieht, vergeudet seine Zeit nicht mit thörichtem Kläffen und Spiegelfechterei es beißt die Zähne aufeinander, rückt ins Feld und zerschmettert den Gegner lautlos, aber tätlich und dazu braucht es keiner Lieder. Deshalb haben wir es mit aufrichtiger Freude begrüßt, als dieser Don Quixote des Patriotismus, dieser Säbelverschlinger und Blutzecher bei den "Wahlen untergeduckt, wurde.

H- Dorfztg.

-RoMische Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Stuttgart, 20. Januar. Die Kammer der Abgeord­neten trat heute in die Beratung des Gesetzentwurfs, betr. die Feld- bereinigung, ein. Die einzelnen Artikel riefen längere Debatten hervor. Bei Art. 1 wurde von verschiedenen Seiten besonders Nachdruck darauf ge­legt, daß die Tendenz des Gesetzes nicht die Güterzusammenlegung sein solle, sondern eine neue Feldeinteilung zum Zweck der Schaffung neuer Zufahrten u. s. w.

Berlin, 19. Jan. Im Reichstag wurde heute die Beratung des Postetats zu Ende geführt. Hierauf folgte die des Etats für das Aus- wärtige Amt. Die exigierten Summen für Gesandschaften und Konsulate, allgemeine Fonds rc. wurden im Ordinarium ohne Debatte bewilligt. Zur Einleitung derjenigen Maßnahmen, welche zur Durchführung der dem Reich in den Schutzgebieten von Kamerun, Togo und Angra-Pe- quenna zufallenden Aufgaben notwendig sind, sowohl zur Nemunerierung von Beamten als zur Ausführung unbedingt erforderlicher Bauten 300,000 wurde ein Mehr von 52,000 ^ verlangt. Windthorst will Aus­kunft, ob der Mehrbetrag für Angra Pequenna bewilligt werden solle und kündigt für die dritte Lesung einen Antrag betreffend ReaAung des Misfions- wesens in den deutschen Schutzgebiete auf Grund der KoMakte an. Schra- d er (freist) ist für dis Bewilligung, wünscht aber Beteiligung der interessierten Firmen an den Verwaltungskosten und für künftig größere Vorsicht der Reichsregierung dem Andrängen der Kolinisationspro'jekte gegenüber. Wör- m ann: Der Augenblick wäre schlecht gewählt, um jetzt die Firmen mit schweren Opfern zu belasten. Staatssekretär v. Bötticher: Die verbündeten Re­gierungen behalten sich vor, falls die vorgesehenen Bauten in diesem Jahre nicht ausgeführt werden, den nicht verwendeten Teil der Exigenz auf das nächste Etatsjahr zu übertragen. Richter bestreitet das Recht zu dieser Uebertragung und beantragt Nückverweisung der Sache an die Budgetkom­mission. Er spricht dann von der Einführung des Branntweins bei den Negern und fragt, wo die im Vorjahre bewilligte Dampfbarkasse für den Gouverneur von Kamerun geblieben sei und was die Reichsregierung veran- laßt habe, auf den Marschallsinseln die deutsche Flagge zu hiffen. St»cker beklagt sich über die Intoleranz der Katholiken in der Missionssrage und protestiert gegen die Einfuhr des Branntweins in Afrika. Wörmann erwidert, ebenso Win dt hör st. Der Titel wird darauf an die Budget­kommission zurückverwiesen.

Bei allen Erörterungen über das Branntwein. Monopol tritt je länger, je mehr die gewichtige Thatsache hervor, daß cs wirkliche und überzeugte Freunde des Monopols nicht allzuviel gibt. Die eifrigsten Ver­fechter desselben gestehen zu, daß es nur eine unangenehme Notwendigkeit sei, und daß man sich derselben am besten überhoben sehen würde, wenn ein