Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Obemmts-Bezirk Nagold.
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Samstag den 13. Mai.
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1882
Tages-Uerrigkeite«.
Deutsches Reich.
Bösingeu, OA. Nagold. Das erfreuliche Gedeihen und heilsame Wirken und Eingreifen, wie es schon von verschiedenen Seiten an den landaus landab bestehenden Darlehens! asscnvere inen gerühmt worden ist, kann auch vom hiesigen Darlehenskassenvcrein berichtet werden. Dos Gc- schäftscrgebnis; des ersten Jahres war durchaus befriedigend.«) Bei einem Gesammtumsay von 37,648 ergab sich nach Abzug der Unkosten für Anschaffungen und Verwaltung ein Reingewinn von 231 -6, womit der Grund zu dem nach den Statuten anzusammelnden Rcservefond gelegt ist. Die zum ununterbrochenen Geschäftsbetrieb nvthigen Gelder gingen jederzeit ein. Zum Anfang wurden drei Posten in namhaften Beträgen auswärts ausgenommen und zwar 1/5 des Gesammtbetra- ges der Vcrcinsanlehen, während 4/5 desselben aus der hiesigen Gemeinde eingckommen sind. Gcldangebot und Geldnachfrage haben sich bis jetzt in auffallender Weise entsprochen, so daß wir im Laufe von 16 Monaten noch nicht in die Lage gekommen sind, einer Geldausglcichstelle zu bedürfen. Wir können nur von Glück und Gunst sage», die über unserem Verein und unserer Kasse walten, seit die Schwierigkeiten der Anfangszeit, wie sic in den örtlichen Verhältnissen ihren Grund hatten, überwunden sind. Neben dem Geschäft der Geldvcrmittlung an die Vercinsmitgliedcr sucht der hiesige Darlehenskassenvcrein auch noch auf andere Weise wohlthätig und segeubringend zu wirken und das Wohl seiner Mitglieder wie der ganzen Gemeinde zu heben und zu fordern. Zur Bestätigung mag folgendes dienen. Als neulich ein bekannter Hofhändler, S. A. von Cannstatt, der schon seit Jahren sein einträgliches Geschäft in unserer Gegend treibt und im Lause des Winters in verschiedenen Gemeinden der Umgegend Hofgüter gekauft und zerstückelt hat, auck hier ein Geschäft nach der bekannten Weise zu machen beabsichtigte, wurde der Bereinsvorstand noch rechtzeitig vcn der drohenden Gefahr und dem bevorstehenden Verkauf benachrichtigt, um eingreifeu, denselben anfhalteu und schließlich selbst übernehmen und leiten zu können. Wäre das nicht gelungen durch energisches Vorgehen, so hätte nicht nur der Händler eine große Summe Geldes auf die leichteste Weise von der Welt verdient und davon getragen, sondern cs wäre auch 2/g der hiesigen Einwohnerschaft in seine Abhängigkeit ge- rathen. Auf Jahre hinaus wäre wieder einer von den Namen, die vielfach und theilweisc mit Recht so verhaßt sind und aus den Untcrpfaudsbücherii getilgt werden sollten, in diese Bücher eingetragen worden. Unter Leitung des Vereinsvorstandes kam ein ehrlicher redlicher Verkauf zu Stande, während bekanntermaßen bei den Verkäufen der sog. Hofmetzgcr in den Wirthshäusern ein heilloses, wahrhaft polizeiwidriges Treiben und Hetzen herrscht. Der verkaufende Bauer hat ca. 1000 fl. mehr gelöst, als ihm der Handelsmann in Aussicht stellte, und die Käufer haben in nüchterner Weise gesteigert, wozu sie Lust hatten und kamen billiger zu Acker und Wiese, als wenn sie auf alle mögliche kaum glaubhafte Weise gehetzt worden wären. Wir können uns nicht versagen, cs auszusprechen, daß bei jenen Hofgüterzcrstückelungcn in den Wirthshäusern sich überall Bürger in den Gemeinden finden, oft sind es die reichen und angesehenen, die gegen freie Zeche und ein schuftiges Trinkgeld als scheinbare Liebhaber und Käufer auftreten, um den einfältigeren, ärmeren Mann hinein und hinauf zu treiben. Oder bietet der thörichte Bauer gegen eine Flasche Wein, die ihm für ein weiteres Bieten von 10 ^ versprochen und auf den Tisch gestellt wird, im Unverstand und in der augenblicklichen Trunksucht weit über den Anschlag und Werth eines Stückes. Wir haben hier den Beweis geliefert, daß Kauf und Verkauf im Kleinen und Großen geschehen können, ohne jenes schändliche Treiben, über das aus allen Landcstheilcn geklagt wird, und das namentlich auch von den landwirthschaftlichcn Vereinen rücksichtslos enthüllt und öffentlich gebrandmarkt und bekämpft werden sollte. Was hilft es, den Bauern sagen, wie sie den Ertrag ihrer Wirthschaft und die Einnahmen steigern verbessern können, wenn man nicht auch behilflich ist, das Erworbene und oft mit saurem Schweiß Verdiente zu erhalten. Die Vcreinskasse erhielt für ihre Bemühungen bei dem oben berührten Verkauf Istg »,<>, ganz abgesehen von dem ganz bedeutenden Gewinn, welcher dadurch den Vereinsmitgliedern und der ganzen Gemeinde in ökonomischer und sittlicher Hinsicht zugesallcn ist. Ein derartiger Erfolg, wie er uns zu Theil geworden ist wider den Glauben und das Erwarten der ganzen Gemeinde, gibt uns Lust und Muth, die Thatigkeit des Vereins noch weiter zu entfalten und ein Bedürfnis; nach dem andern zu befriedigen und ein Borurtheil nach dem andern zu beseitigen. Unter Anderem hat der Vcr- einsvorstand auch Anschaffung besserer landwirthschastlicher G e- räthe ins Auge gefaßt und bereits den Anfang damit gemacht durch Anschaffung einer Egge aus Vereinsmitteln, die gegen einen kleinen Zins ausgeliehen wird. Es läßt sich aus diesem Gebiete zur Hebung des Ackerbaues, zur zweckmäßigen
Kultur der Wiesen u. degl. noch vieles thun und in den Dar- lehenskasseuvereinen ist die beste Gelegenheit gegeben, nicht nur zur Belehrung, sondern auch zur praktischen Ausführung dessen, was als gut und zweckmäßig erkannt worden ist, zu einer segensvollen Wirksamkeit, zur Hebung und Förderung ganz besonders des kleineren Bauern in den Stücken, wo er oft noch zurück, oder doch in Vorurtheilen befangen ist.
Calw, 9. Mai. In Agenbach wurden letzten Freitag ein 24jähriges Bauernmädchen, Dorothea Riexing er, flüchtig, auf welcher der Verdacht eines Kindsmords ruhte. Das sofort in Kenntniß gesetzte Amtsgericht nahm Augenscheim von der Wohnung der Entflohenen und fand in einer Schachtel auf der Bühne den Leichnam eines kürzlich geborenen Kindes. Weitere Verfolgung ergab die Flucht der Kindsmörderin nach Stuttgart, deren dortige Festnahme und sofortige Einlieferung beim Amtsgericht Calw, wo sie gestern beim ersten Verhör gestand, ihr Kind erdrosselt zu haben.
In diesem Monat feiert die bekannte Buchhändlerfirma I. B. Metzler das Fest ihres 200- jährigen Bestehens; sie ist die älteste Buchhandlung Süddeutschlands.
Tübingen, 9. Mai. Die Zahl der eingeschriebenen Studenten hat bis jetzt etwa 1360 erreicht. So bekommt die Universität diesmal weitaus die höchste Frequenz, deren sie sich je zu erfreuen gehabt hat. Zahlreiche Studenten sind wieder abgereist, weil sie die passenden Wohnungen nicht gefunden haben und weil auch die überfüllten öffentlichen Lokale ihnen nicht das genügende Behagen bieten konnten.
Aus Württemberg, 9. Mai. Eine auf Montag Abend in Heilbronn einberufene Versammlung zu Gunsten des Tabakmonopols, war so zahlreich besucht, daß viele Ankommende keinen Platz mehr fanden. Der Vorstand der deutschen Partei, Kaufmann Chr. Hermann, führte den Vorsitz. Hierauf erörterte Prof. Dr. Egelhas die Gründe, aus welchen vom Standpunkt der Finanzlage des Reiches und der Einzelstaaten aus eine höhere Besteuerung des Tabaks nothwendig und in der Form des Monopols am besten durchzuführen sei. Am Schluffe seines Vortrags schlug er der Versammlung Resolutionen vor, in welchen besonders eine ausreichende Entschädigung der Interessenten vorgesehen ist. Nach ihm sprach der frühere Landtagsabgeordnete Schultheiß Haag von Obereifisheim im gleichen Sinne vom Standpunkt der Tabakpflanzer aus. Reicher Beifall folgte den Vorträgen beider Redner. Es wurden denn auch am Schluffe die vorgeschlagenen Resolutionen mit überwiegender Majorität angenommen. Die Minorität bestand hauptsächlich aus Tabakarbeitern.
Vom Lande. Mit seiner Aeußerung im Reichstag vom 5. Mai hat der Abg. Laster bei uns Heiterkeit erregt, wenn er von der Beschränkung des Hausirgewerbes eine Schädigung der „besten Kräfte der Nation" befürchtete. Wir reden nicht von den wenigen achtungswerthen, ehrlichen Hausirern, namentlich im Sammeln von Stoffen, deren Gewerbe diese Art des Verkaufes mit sich bringt. Sie waren auch schon früher da. Aber weitaus die Mehrzahl der Hausirer ziehen jetzt hinaus auf's Land, fallen in die überall offenen Bauernhäuser ein, setzen sich breit an den Tisch, wissen allerlei Neuigkeiten, Geheimmittel, Lügen, Kunststücke, gehen nicht eher vom Fleck, als bis sie vom Bauern oder noch lieber von der in dessen Abwesenheit geängsteten Bäuerin einen hohen Preis für fast immer nur schlechte Waare, namentlich durch profitabel« Tauschhandel, erpreßt
haben, ganz abgesehen von Fällen eigentlichen Betrugs, und dazu womöglich noch ein kaltes oder warmes Essen, einen Trunk u. dgl. Oft ist es ihnen auch lieber, man kauft ihnen nichts ab und gibt irgend etwas, weil sie die wenigen Maaren nicht verlieren mögen, welche sie nur als Vorwand der Bettelei mitführen. Gleicherweise erpressen sie das Nachtlager sammt Imbiß ohne jegliche Vergütung. Sie sind eine wahre Landplage für die Bauern. Vielleicht meint man, ein einfacher Zettel am Haus schütze den, der den Hausirer nicht, wolle. Das hieße aber die Verhältnisse ganz mißkennen. Erstens macht der Bauer keinen Zettel ans Haus, und dann — der Hausirer kennt ihn besser — dieser ginge am Zettel vorbei ungenirt hinein. Die hier gemeinten modernen Hausirer sind, außer einigen arbeitsunfähigen Leuten, meistens arbeitsscheue, untaugliche, verkommene, frivole Subjekte, welche neben den schlechten Maaren oft auch noch ihre cMd Anderer) auflösenden Ideen, unsittlichen Grundsätze und kommunistischen Theorien anzubringen suchten. Niemand, der auf dem Lande mit dem Volke lebt, wird dieser Erfahrung widersprechen. (Sch. M.)
Wegen widerrechtlicher Nachahmung eines geschützten Waarenzeichens des Cigarrenfabrikanten Hutten in Calw wurde der Stadtpflcger Launer in Heiden heim, Associc der Cigarrenfabrik I. M. Launer von der Strafkammer in Ulm zu 250 Geldstrafe und zu 50 ^ Buße an Fabrikant Hutten verurtheilt. Zur gleichen Strafe und Buße wurde der Cigarrenhändler Eichler in Cannstatt verurtheilt, weil er bei Launer Cigarren mit der nachgemächten Marke bestellt hatte. Daß die Herren Launer und Eichler Gegner des Tabakmonopols sind, läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen.
Giengen, a. B. 8. Mai. Im vorigen Herbste wurde im landw. Wochcnblartc darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn die Kartoffeln im Spätjahr gelegt werden, nicht nur ein früherer sondern auch ein reichlicher Ertrag erzielt werde. Dieser Rath wurde von mehreren hiesigen Landwirthen befolgt. Die Kartoffeln sind nun aber fast sämmtlich im Boden verfault, so daß sie im Frühjahr zum zweiten Male gelegt werden mußten.
Brandfälle: In Schömberg, (Neuenbürg) am 8. Mai ein Wohnhaus samt Scheuer; in Ludwigsburg am 9. Mai das Wohnhaus samt Scheuer des Viehhändlers Rosenfeld.
Ein Staotrath in Neustadt in der Pfalz wurde fast einstimmig zum Adjunkten gewählt. Nehmen Sie an? wurde er gefragt. — Fragen Sie meine Frau! antwortete er. — Eine Deputation ging an die Frau Stadlräthin und sie erklärte entschieden: Nein, er nimmt nicht an! — Eine zweite Wahl kam nicht zu Stande und abermals erging eine Deputation an die Dame und sie ließ sich erbitten unter der Bedingung, daß er einstimmig gewählt werde. Und so geschah's dem Manne seiner Frau.
Köln, 9. Mai. Die Strafkammer vernrtheilte den 23jährigcn Metzger Lichtensteincr von Bergheim, welcher in der dortigen Synagoge, deren Diener sein Vater ist, einen seidenen Vorhang entwendet und .daraus einen Fastnachtsanzug (Domino) sich hatte machen lassen, zu einem Jahre Zuchthaus.
Kaiser Wilhelm fuhr am Sonntag nach Potsdam, um seinen neugeborenen Urenkel in der Wiege zu begrüßen. Das Ereigniß, daß ein Herrscher seine muthmaßlichen Nachfolger bis in die dritte Generation sehen und segnen kann, steht einzig da in der Geschichte. Noch waltet der Kaiser in voller Rüstigkeit seines schweren Amtes und schon gibt es drei zukünftige deutsche Kaiser, den Kronprinzen, den Prinzen Wilhelm und dessen erstgeborncn Sohn.
Berlin, 8. Mai. Kaiser Wilhelm soll, als er gestern Mittag nach Potsdam herübergefahren war und sein Urenkelkind im Arme wiegte, Freuden- thränen vergossen haben. Der hohen Wöchnerin geht es wohl und sie stillt vorläufig ihr Kind selbst. Die Pflege der Mutter und des Neugeborenen ist zunächst zwei englischen Damen, die von der Königin Viktoria als besonders erfahren hiehergesandt wor-