Beilage zum Gesellschafter.

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Donnerstag den 6. April

Ei« Gederrkblatt auf Präsident Garsields Grad.

Zu Basel hat auf Ansuchen der Commission für die Arbeiter-Säle im Engelhof, welcher sehr viel daran lag, den Besuchern von kundiger Hand das Lebens­bild des ermordeten edlen Präsidenten der Union Ja­mes Garfield vorführen zu lassen, der amerikanische Consul Frank H. Mason das Bild des Verstorbe­nen, welchem er als Freund und ehemaliger Waffen­gefährte besonders nahe gestanden, seinen Zuhörern in kurzen Zügen vorgeführt. Wir finden in dieser Darstellung so viele ergreifende und schöne Züge, daß wir gern das Wesentliche des Vortrages hier mitthei- len. Nach einigen einleitenden Worten, in welchen der Vortragende seinem und der Anwesenden tiefem Schmerz über daS Hinscheiden des edlen Präsidenten der Union einen ergreifenden Ausdruck verliehen, fuhr derselbe fort:

Wie mir scheint, kann ich der mir zu Theil gewordenen gütigen Einladung, heute einige Worte über den Dahingcschiedenen an Sie zu richten, nicht besser entsprechen, als indem ich Ihnen eingehend die Anstrengungen und Kämpfe vorführe, welche dieser hervorragende Mann schon in seinen Jugendtagen zu bestehen hatte. Liegt doch gerade in dem Vorbild von Männern wie Präsident Garfield für den Ar­beiterstand ein überaus mächtiger Antrieb zum Flciße, zur Mäßigkeit und zum Christenglauben. Es ist kaum wahrscheinlich, daß auch nur Einer unter Ihnen in so ärmlichen und niedrigen Verhältnissen geboren wurde, wie der Mann, der als der erste Bürger der nordamerikanischen Republik sein Leven beschlossen hat.

Es sind jetzt 52 Jahre her, daß die Eltern Garsields mit einigen wenigen Habseligkeiten in einem von zwei Ochsen gezogenen Wagen vom Staate New- Dork nach dem Grenzgebiet von Ohio übersiedelten. Die ganze Baarschaft des Familienvaters bestand in etwa 50 Dollars; dafür besaß aber dieser Mann etwas, was ungleich werthvoller als alles Kapital ist: ein paar rüstige Arme und ein mutiges Herz. Er kaufte circa 80 Acker Land, das mitten im Waldes­dickicht gelegen war und fütterte feine Ochsen in Er­mangelung einer andern Nahrung mit den Blättern der Bäume. Dann begann er das kleine Häuschen zu bauen, in welchem der zukünftige Präsident der Union geboren werden sollte. Das Häuschen, welches eine Breite von 20 Fuß und eine Länge von 30 Fuß hatte, wurde im Blocksystem errichtet, und die Fugen zwischen den einzelnen Balken wurden mit Thon aus­gefüllt. Der Fußboden und die Thüre bestanden aus rauhen, einzig und allein mit der Axt ausge­hauenen Planken, da Sägemühlen zu jener Zeit durch­aus nicht in dem Bereich unsers braven Ansiedlers lagen. Anfänglich fehlte es auch an Glas für die Fensterscheiben, da mußte denn mit Fett getränktes Papier dessen Stelle vertreten. Während der Vater mit dem Bau des Häuschens beschäftigt war, wohnten seine Frau sammt den, zwei ältesten Kindern in dem mitgebrachten Zeltwagen. Die bescheidenen Mahlzei­ten wurden auf einem kleinen Herd, der sich an einen dicken Baumstumpf lehnte, bereitet. Der nächste Nach­bar wohnte mehrere Meilen weit entfernt und nur ganz rauhe, steinige Pfade führten durch die dichten Wälder von einer Ansiedelung zur andern. Nachts hörte die Familie das beständige Heulen der Wölfe rings um ihr Lager her, und sah wohl auch durch das düstere Gehölz deren feurige Augen funkeln. Aber die Flinte, welche an der Seite des Wagens lag, be­ruhigte den kleinen Familienkreis vollkommen und ließ denselben ruhig einschlummern. Da Dachschiefer nicht zu haben waren, mußte abermals die Axt Rath schaf­fen, es wurden Holzschindeln zurecht gehauen, gehö­rig auf dem Dach befestigt und auf diese Weife die Familie vor Regen, Sturm und Kälte geschützt.

Nach zweimonatlicher, harter Arbeit war das Häuschen und ebenso ein Verschlag für die Ochsen fix und fertig hergestellt. Jetzt begann der Vater die großen Bäume seines Reviers zu fällen und hiermit das Land für seine Farm urbar zu machen. Die

Bäume wurden massenhaft niedergeschlagen und da, wo sie sielen, einfach verbrannt, und es war darum der Wald Nachts von der gewaltigen Lohe taghell er­leuchtet. Mit diesem Niederbrennen des Waldes wurde ein doppelter Zweck erreicht: das momentan werthlose Holz wurde aus dem Wege geschafft und gleichzeitig wurden die Bären und Wölfe verscheucht.

Zwei Jahre etwa waren im Urwald in der eben beschriebenen Weise verlebt worden, als am 9. Novbr. des Jahres 1831 dem Elternpaare ein Söhnchen Namens James geschenkt wurde: der zukünftige Prä­sident der Nepublick. Derselbe zählte noch keine zwei Jahre, als die kleine Familie von einem furchtbaren Schlage betroffen wurde. Eben war es dem Vater nach großer, mühsamer Arbeit gelungen, zehn Acker Landes zu roden und mit Korn zu bepflanzen, als die trockenen Blätter, welche den Boden bedeckten, an einem der verbrannten Baumstämme Feuer singen. Es war im Monat August, rasch näherte sich das Feuer dem schon hoch in den Halmen stehenden Korn und drohte die ganze Ernte, die einzige Hoffnung der ganzen Familie zu zerstören. Da eilte der Vater so­fort zur Stelle und nach sechsstündiger fast übermensch­licher Anstrengung gelang es ihm in der That, daß Feuer von seinen Kornfeldern fern zu halten. Durch diese furchtbare Arbeit außergewöhnlich erhitzt, wurde er unglücklicher Weise plötzlich von einem Regen über­fallen, gelangte völlig durchnäßt und schwer erkältet nach Hause und wurde von einer Halsentzündung, die ihn alsbald befiel, nach nur zweitägigem Leiden hin­weggerafft. Sein Weib sammt vier unerzogenen Kin­dern mußte der tapfere Pionier inmitten der Wildniß allein zurücklassen.

Doch die Mutter war eine tüchtige, heroische, christliche Frau, die tapfer Hand an die Feldarbeit legte, für die Kinder sorgte und täglich ihr Gebet zum Himmel sandte, Gott möge ihr Kraft verleihen, die schwere Bürde weiter tragen zu können. Beim Glanz des Herdfeuers die Armuth gestattete weder Kerze noch Lampe unterrichtete sie ihre Kinder im Lesen. Auf diese Weise lernte der kleine James das Alpha­bet und machte dabei so gewaltige Fortschritte, daß er die Bibel, so zu sagen das einzige Buch im Hause, schon als Vierjähriger zu lesen vermochte.

Die guten Leutchen waren in der That entsetz­lich arm! Die Mahlzeit bestand meistens nur aus Brot; und einmal war der Vorrath an Lebensmitteln vor der Ernte so gering, daß sich die Mutter gezwun­gen sah, sich selbst mit einem Stück Brot täglich zu begnügen, um nur die Kinder nicht verhungern zu lassen. Hat wohl je ein hiesiger Arbeiter unter so schwierigen Umständen seinen Lebenslauf begonnen?

Doch gehen wir weiter! So klein die ganze Ansiedelung auch war, schuldenfrei war dieselbe doch nicht und die Wittwe mußte deshalb 50 Acres Land verkaufen, um nur Geld zum endgiltigen Ankauf der übrigen 30 Acres zu erhalten. Dann verkaufte sie noch ein kleines Stückchen Land, worauf eine zum Schulhaus eingerichtete Blockhütte errichtet wurde. In dieser Schule erhielt James den ersten Schulun­terricht, während sich sein Bruder zu Hause wacker an der Feldarbeit bethätigte.

Als James 12 Jahre zählte, war er bereits seinem Bruder bei der Herstellung eines sogenannten Ringelhauses für die Mutter behilflich. Obgleich noch jung, war James hoch, willig und stark, und fand an der Arbeit so großen Gefallen, daß er Zimmer­mann zu werden sich entschloß. Mit mehreren Andern half er beim Bau einiger Scheunen in der Nachbar­schaft und wagte sich schließlich sogar an die Errich­tung eines Schuppens, in welchem aus der Asche des massenhaft verbrannten Holzes Potasche gewonnen werden sollte. James, welcher nunmehr geläufig le­sen und schreiben konnte, war ein willkommener Fund für den Potasch-Fabrikanten, welcher ihn bat, ihm seine Bücher zu führen.

Dies geschah denn auch eine Zeit lang und die einzige Freude, welche ihm in dieser Stellung zu Theil wurde, waren seine Abende, in denen er beim Lichte

1882 .

der großen Feuer unter den Kesseln verschiedene Rcise- beschreibungen und abenteuerliche Geschichten ver­schlang, welche die Tochter seines Prinzipals ihm zu leihen die Güte hatte. Aber unser junger James be­saß den Stolz und den jedem wahren Arbeiter inne­wohnenden Drang nach Selbstständigkeit und als er sich darum nur als Knecht behandelt sah, rebellirte er, gab diese Stellung auf und kehrte zu seiner Mutter zurück. Er war indessen zu arm, um müßig gehen zu können und schloß darum sofort einen Contrakt ab, indem er sich verpflichtete, circa 100 Klafter Holz für 25 Dollars zu spalten. Von dem Wald aus, wo er diese Arbeit verrichtete, konnte er in einiger Entfernung leicht die Seen erblicken, auf denen weiße Schiffe auf- und absegelten, welcher Anblick ihn dazu bestimmte, Matrose zu werden. Als er darum sein Holz gespalten hatte, gab er seiner Mutter das hier­mit verdiente Geld, nahm mit zwei Dollars in der Tasche den Weg nach Cleveland unter die Füße, be­trat dort das erste beste vor Anker liegende Schiff, erkannte aber bald, daß der Kapitän ein roher Mann und die Bemannung eine lärmende, dem Trunk erge­bene Rotte war. Das war kein passender Ort für einen christlich gesinnten Knaben und eine christliche Lebensführung, und es suchte darum Garsields aufs neue, bis er endlich ein seinem Vetter angehörigcs Canalboot fand. Mit diesem letzteren wurde er dahin einig, die Maulesel zu lenken, welche das Boot ziehen mußten. In dieser bescheidenen Stellung als Canal­boottreiber, arbeitete der zukünftige Präsident 3 Mo­nate lang zur großen Betrübniß seiner Mutter, welche fürchtete, daß ihr Sohn von einer so rohen und gott­losen Gesellschaft, wie dies die Canalarbeiter insge­mein waren, ebenfalls angesteckt werde und seine frühere christliche Erziehung vergessen könnte. Ueber dem Canal lagerten starke Nebel, welche häufig Wech­selfieber erzeugten; von einem derartigen Fieber wurde auch der junge Bootführcr nach 3monatlichem Dienste ergriffen und mußte schwer krank zu seiner Mutter zurückgebracht werden.

Als der Kranke wieder auf dem Wege der Genesung war, machte ihn seine Mutter und sein ehe­maliger Lehrer darauf aufmerksam, was für große Vortheile die Bildung biete und weckten in seiner Brust den Trieb nach höheren Zielen, als diejenigen eines Canalbootführers oder Matrosen sein konnten. Kaum war er wieder völlig hergestellt, so befolgte er den Rath seiner Mutter und trat mit blos 17 Dol­lars, den Rest des am Canal verdienten Lohnes in der Tasche, in eine einige Meilen von seiner Heimath entfernte Akademie ein, wo er das Leben eines Stu­denten zu führen begann. Zu arm, um ein eigentli­ches Kostgeld bezahlen oder viele Bücher kaufen zu können, hauste Garfield in einem kleinen Dachstübchen und kochte seine bescheidenen Mahlzeiten eigenhändig auf einem kleinen Oefelein, welches zugleich sein kah­les, trauriges Gemach erwärmen mußte.

Die Akademie besaß eine zwar kleine aber gut gewählte Bibliothek, welche der junge Student gern durchlas. In allen Klassen war er bald der Erste und faßte darum den Entschluß, sich eine höhere aka­demische Bildung anzueignen. Um sich die hierfür- thigen Mittel zu verschaffen, ertheilte er in einer Land­schule Unterricht, arbeitete während der Erntezeit auf den Waizenfeldern und wunderte dann mit dem auf diese Weise verdienten Gelde nach dem sogenannten Hiram-Collegium" in Cleoeland, wo er sich noch eine geraume Zeit seine Speisen selbst bereitete und sich seine Schulgelder durch die Reinigung der stau­bigen Gänge und Säle des Collegiums und die Uebernahme des Glockenläuteramts verdiente, in welch letzter Eigenschaft er die Studenten durch Glockenstg- nale zum Gebet oder zu den Studien zu rufen hatte. Auch hier wieder war der unermüdliche Ringer stets der- Erste seiner Klasse. Nach drei Jahren endlich gelang es ihm, von einem Freunde seiner Mutter ein kleines Darlehen zu erhalten, welches ihm ermöglichte, seinen Studiengang in einem Collegium des Ostens zu vervollständigen. Dann kehrte er nach Hiram zu-