19
da diese sich nicht öffnen ließen und, da sie aus Eisen konstruiert waren, auch nicht zerschlagen werden konnten. Zwei Frauen hatten sich auf das Dach geflüchtet, aber auch dieses war im Nu vom Feuer ergriffen, es sank zusammen und die Unglücklichen stürzten in die Glut. Verschiedene Arbeiter retteten sich an Riemen, Winden u. s. w., wobei sich manche nicht unerheblich verletzten. Ein Meister verlor sein Leben, als er noch rasch Einiges von seinen Habseligkeiten holen wollte. Wie verlautet, sind die Nottreppen nicht benutzt worden. Ueber die Entstehung des Feuers sind die Ansichten verschieden. Dasselbe ist um >/s7 Uhr abends wahrscheinlich durch Wollflocken, welche mit dem Gas in Berührung gekommen sind, auf der linken Seite der ersten Etage entstanden und verbreitete sich innerhalb drei bis vier Minuten über die erste Etage; in zehn Minuten stand das ganze Gebäude in Hellen Flammen.
Vom Airchenbair.
Wenn das Jahr zu Ende gegangen, so drängt es den einzelnen Menschen, das Werk seiner Tage zu überschauen, es ziemt der gut geleiteten Gemeinde zu prüfen, ob sie mit vereinten Kräften für körperliches und geistiges Wohl der Ihrigen gesorgt. Mit einiger Zufriedenheit darf die hiesige Stadtgemeinde ganz besonders auf eine Leistung der letzten Zeit Hinweisen: es erwächst ihr, von sorgsamen Händen gepflegt, ein herrliches Gotteshaus!
Wie mancher Sturm hat schon dies Haus umtobt: fremde Horden, nichts heiliges achtend, haben es zerstört; es erstand aus den Trümmern, um später wieder ein Raub des Feuers zu werden. So gut es bei den beschränkten Mitteln angehen mochte, erbaute man nach dem letzten Unglück der Gemeinde ein neues Haus; doch obgleich vom alten Bau manches Gute geblieben war, entsprach die Kirche keineswegs den an sie zu stellenden Forderungen.
Das Aeußere mit Ausnahme des Chores war ziemlich stil- und schmucklos; das Innere wenig herzerhebend, sogar ungesund. Diesem Uebelstand sollte abgeholfen werden und seit einer Reihe von Jahren legten mildthätige Freunde der Sache reichliche Gaben zusammen, die im Lauf der Zeit auf jene stattliche Summe anwuchsen, mit der man an einen Neubau herantreten konnte.
l'/s Jahre sind es nun, daß der Bürger mit wehmütigen Gefühlen das Haus niederlegen sah, in dem die heiligen Handlungen seines Lebens geschehen waren; doch vertrauensvoll schaute er zugleich in die Zukunft, denn die Bauleitung war kundigen Meistern anvertraut. Ein neues fremdes Leben entstand nun auf der sonst ruhigen Stelle, hier riß man nieder, dort bereitete man schon die solide Basis für das neu zu schaffende; und wo sonst der Geistliche sich vor dem Gang zur Gemeinde zu sammeln pflegte, da arbeitet es jetzt fleißig mit Reißbrett und Winkel, da zeichnet, zirkelt und rechnet der pflichttreue Baumeister.
Und jedem, der jetzt das schöne Gotteshaus betrachtet, will es bedünken, als hätte es gar Manches vor dem alten voraus: Ein Zschiffiges Langhaus, von einfachen hochragenden Säulen getragen, schließt sich an den stehengebliebenen ehrwürdigen Chor an; auf beiden Seiten vermitteln stattliche Türmchen den Eingang zur Empore; eine Reihe gemalter Fenster soll in Zukunft dem Tageslicht Zugang geben, und durch die große Rosette an der Giebelseite, deren kunstvollendeter David auch das Auge des Laien erfreuen wird, fällt der letzte Blick der scheidenden Sonne über die Orgel in das Innere.
Auch an dieser Giebelseite, dem wundesten Punkt der Kirche, hat die Bauleitung Wandel zu schaffen gewußt: da wo früher der Berg schwer schädigend auf dem Gebäude lag und Teile desselben geradezu unbrauchbar machte, trennt jetzt ein breiter Abzugsgraben die feuchte Erde von der Mauer und sichert auf diese Weise ihren Bestand. Wie schade, daß die Bergwand nicht weiter von dem massig aufstrebenden Giebel absteht!
Die innere Ausstattung wird dem würdigen Aeußeren ebenbürtig zur Seite stehen; Kanzel, Altar sowie die Gestühls sollen, so dürfen wir hoffen, mit nicht weniger Sorgfalt behandelt werden als alles andere; und damit
auch der Kranke und Schwache künftig in herber Winterszeit ohne Schaden betend seinem Gott sich nahe, wird eine ausgiebige Heizung das Gebäude durchziehen. Sehen wir also freudig der Vollendung des Werkes entgegen und danken denen, die dem Herrn diese Stätte geschaffen; möge sie noch in fernen Zeiten rufend und sammelnd unter uns stehen! k.
Wevnrifchtes.
— Apotheker Brandt von Leipzig, später in Schaffhausen, ist vor längerer Zeit nach Zürich übersiedelt und hat sich eine schöne Villa in der Ausgemeinde Enge erbaut. Seine Pillen haben ihn zum Millionär gemacht.
— Prinzessin Beatrice von England erhielt zu Weihnachten von ihrem Schwager, dem Fürsten Alexander von Bulgarien einen Brief, in welchem er ihr schreibt: Ich habe auf den Schlachtfeldern vergebens nach Dingen gesucht, die man einer eleganten jungen Frau zum Weihnachtsfeste bescheeren kann. Da hat mich unwillkürlich ein Jammerlaut, der in meiner Nähe ertönte, auf die herrlichste Gabe gebracht, die ich Deinem guten Herzen bieten konnte: Ich bitte Dich, meinen armen Soldaten Wein, Zwieback, Fleischkonserven zu schicken, und ich weiß, daß die Befriedigung, die ich Dir damit verschaffe, das beste Geschenk ist, das Dir ein wetterharter Krieger zu spenden in der Lage ist.
— In dem Göthe-Archiv zu Weimar ist das älteste Manuskript von des Dichters Hand aufgefunoen worden: ein Gedicht in Alexandrinern, welches Göthe zu Neujahr 1757, also als achijähriges Kind geschrieben und an seinen „erhabenen Großpapa", den Rat Textor, gerichtet hatte. Ungewiß ist es noch, ob das Kind Göthe das Neujahrgedicht selbst verfaßt oder nur als Probe seiner Schreibekunst dargebracht habe. Das Gedicht schließt mit der Hoffnung, daß der Feder künftig wohl Besseres gelingen werde.
— Auch ein Gedicht. Der Lehrer eines in der Nähe von Soest gelegenen Dorfes fordert seine Schüler zum Hersagen irgend eines ihnen bekannten Gedichtchens auf. Ein blonder Krauskopf reckte seine Arme schnell empor und deklamiert: „Lieber wollt ich ledig leben, als der Frau die Hosen geben!" Auf die Frage des ebenso erstaunten als belustigten Lehrers, wo er dieses Gedicht gelerne habe, antwortete der Junge: „Dat steiht in usem Nappe!" Wie sich fand, war der Reim die Inschrift eines Geschirrs im Elternhause des Schülers.
— In einem Wiener Blatte findet sich folgende Anzeige: „Ein junge Witwe von angenehmem Aeußern wünscht zu einem ledigen Herrn oder Witwer als Stütze der Hausfrau baldigst unterzukommen." — Ein schwierige Stellung!
Kcrnöet L Wevketzrr.
* Weilderst« dt, 11. Januar. Dem heutigen Vieh markt waren zugetrieben 374 Stück Ochsen, 469 Stück Melk- und Schmalvieh, 1596 Stück Milchschweine und 117 Stück Läufer und fette Schweine. Auf dem Ochsenmarkt war der Handel im Zug- wie im Fettvieh sehr lebhaft und es wurden 600—1000 per Paar, sowie 30—35 „16 per Ctr. lebend Gewicht bezahlt. Melk- und Schmalvieh war verhältnismäßig mehr zugeführt als Fettvieh. Der Handel im Schmalvieh und insbesondere im Melkvieh war ein sehr lebhafter, während Fettvieh nur zu gedrückten Preisen Abnehmer fand. Bezahlt wurden für Melkvieh bis zu 380 per Stück, für Schmal, vieh 150—350 per Stück und für Fettvieh 25—28 „16 per Ctr. lebend Gewicht. Auf dem sehr stark befahrenen Schweinemarkt war ebenfalls ein lebhafter Handel, insbesondere in Milch- und Läuferschweinen und wurden bezahlt pro Paar Milchschweine 18—38 „1s, pro Paar Läuferschweine 40 bis 90 Für fette Schweine, welche zu mittleren Preisen Abnehmer fanden, wurden 38—40 per Ctr. lebend Gewicht bezahlt.
WqU" Vergesset -er hungernde« Vögelein nicht!
während er sie in den Pausen als Taktstock benutzte und sie mit haarsträubenden Grimassen und wilden Geberden nicht bloß gegen seine Mitglieder, sondern auch gegen die Tanzenden schwang; denn Maestro Fitz war nicht bloß Kapellmeister, sondern versah auch zugleich die Geschäfte eines sogenannten „»laUi-o de plaisir" , indem er die Touren der Quadrillen ausrief und die Ordnung in der Reihenfolge der Tanzenden überwachte. Von den übrigen Mitgliedern der Bande wurde Borrmann mit der den Negern eigenen Gutmütigkeit empfangen. Er zeigte sich daher so freundlich und entgegenkommend, als möglich, und suchte mit aller Macht das peinliche Gefühl niederzukämpfen, das für ihn in dem Gedanken lag, als der letzte und unbedeutendste in der edlen Kunst von den Kollegen stillschweigend bezeichnet zu werden.
Der Saal, in welchem die Tanzbelustigungen ihren Verlauf nahmen, war nicht allzu hoch, sonst aber in seiner Ausdehung geräumig genug. Von der Mitte der Decke hing ein mit Schmutz bedeckter Kronleuchter herab, an dem das schärfste Auge nicht zu unterscheiden vermocht hätte, ob er von Messing, von Bronce oder sonst irgend einem Metall sei. Der Boden war weder gebohnt, noch in sonstiger Art geglättet. Vielfach zeigte er sich, ebenso wie die Wände, beschmutzt. Die an der Wand hinlaufende Tribüne für das Orchester war mit einer dicken Lage von Stroh bedeckt, vermutlich in der Absicht einem oder dem andern der Musiker, der die Müdigkeit nicht mehr zu bewältigen vermochte, eine geeignete Schlummerstätte zu gewähren, rein Wunder, daß der an strenge Sauberkeit und Ordnung gewöhnte Deutsche beim ersten Eintritt in diesen amerikanischen Tanzsaal den Eindruck empfing, als befinde er sich in einem mächtigen Pferdestolle.
Die wenigen Lichter an dem zweifelhaften Kandelaber waren mit dem achten Glockenschlage angezündet worden und bald darnach füllte sich der Saal mit einer Gesellschaft, die aus Arbeitern der untersten Stände und Dienstmädchen aller Art bestand. Die Letzteren, mit allem möglichen Pomp und Füttertand herausgeputzt, schienen sich in jeder Beziehung als „Ladys"
zu fühlen und wurden auch von dem Herrenpersonal mit aller möglichen Auszeichnung als solche behandelt. Eine eigentümliche Lebhaftigkeit herrschte unter den Gruppen, die laut lachend und schwatzend den Saal auf- und niederschritten. Mit dem neunten Glockenschlage hob Maestro Fitz seine Klarinette, sah mit einem funkelnden Blick im Kreise herum und schwenkte das Instrument alsdann kräftig durch die Luft, worauf er es an die Lippen setzte, und nun in Mark und Bein erschütternden Tönen die Melodie eines Walzers herunterqnetschte. In demselben Augenblick begann der Baß zu schnurren und zu brummen. Der Trompeter schmetterte so laut und dröhnend dazwischen, daß man einen wildgewordenen Stephanien zu hören glauben konnte. Die Geigen quieckten und schnarrten. Der Flötist pfiff in gellenden Lauten, und Borrmann, der im ersten Augenblick Bewegung gemacht hatte, als wolle er sich die Ohren zuhalten, sah sich durch einen grimmigen Blick des Maestro genötigt, gleichfalls seine Fertigkeit zu zeigen. So faßte er denn mit fester Hand den Klöppel und schlug mit einer wahren Todesverachtung auf das Kalbfell los. Unter ihm rauschten die Roben der „Ladys", tönte das Gestampfe der Tänzer, das rohe, wiehernde Gelächter berauschter Kehlen, die sich durch Whisky und Rum in eine heitere Stimmung versetzt hatten. Bald stiegen dichte Rauch- und Staubwolken empor, zwischen denen die Lichter unheimlich flinkerten, die wankenden, springenden und schwebenden Gestalten gespensterhaft hervordämmerten. Erst um Mitternacht trat eine längere Pause ein. Die schweißtriefenden Handwerksmusiker setzten die schäumenden Bierkrüge an die vertrockneten Lippen und suchten durch den Genuß der stärksten Zigarren den erschlafften Lebensgeistern neue Spannung zu geben. Trompeter und Flötist sanken „hundsmüde" auf den weichen Strohteppich und schnarchten bald ein Duett, wie sie es mit ihren Instrumenten im wachen Zustande kaum bester hätten Hervorbringen können.
(Fortsetzung folgt.)