Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt sür den Oberamts-Bezirk Nagold.
e
U 117
Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donnerstag j und Samstag, und kostet halbjährlich hier (ohne! Trägerlohn) 1 t>0 ^l, in dem Bezirk 2 j
* außerhalb des Bezirks 2 40 ^1. Vierieljähr-!
liches und Moualsabonnement nach Berhältnist.
Dienstag den 4. Mtotrer.
Jinerlionsgebühr sür die tspaltige Zeile aus ge- : wohnlicher Sä'risl bei einmaliger Einrückung S 4, ! bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müssen spätestens Morgens 8 Uhr ain Tage vor der i Herausgabe des Blattes der Druckerei ansgegeben sein.
1881.
Bestellungen
aus den „Gesellschafter" für das 4. Quartal nehmen alle Postämter und die Postboten entgegen.
Die Gerichtsvollzieher
haben Hauptregister und Kassentagbuch unverweilt cinzusenden.
Nagold, den 3. Okt. 1881.
K. Amtsgericht.
Daser.
Der Raub Straßburgs durch Ludwig XIV.
Zum 200jährigen Gedenktage den 30. September 1881.
Die denkwürdige Flugschrift: „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung," welche dein unglücklichen Buchhändler Palm den Tod brachte, hat der Zeit nach der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt bis zum Wiederaufgang deutscher Freiheit ein so unverlöschliches Siegel ausgedrückt, daß alle Schmach und Schande, welche je über das deutsche Volk herein gebrochen sind, eben in jener Zeit die denkbar höchste Steigerung erfahren zu baben scheinen. Blättern wir aber in den gegenwärtigen Tagen um 2 Jahrhunderte in dem Buche der Geschichte zurück, so tritt uns in der Thatsache, daß Straß- burg, die „wunderschöne Stadt," mitten im Frieden am 30. September 1681 eine Beute des ländergierigen Königs Ludwig XIV. werden konnte und daß dieser Faustschlag ins Gesicht des deutschen Volkes von Kaiser und Fürsten des deutschen Reiches ungejühnt blieb, ein Ereigniß entgegen, welches an Schmach und Schande in der deutschen Geschichte kaum seinesgleichen hat. Heute, wo nach des Dichters Wahrspruch die Weltgeschichte sich wieder einmal als das Weltgerichte bewiesen, indem sic das Beschämende jener nationalen Entwürdigung von uns genommen hat, möchte es sich wohl geziemen, die Erinnerung an jenen Tag aufzufrischen und die Fragen nach der Ursache und dem Verlauf der obgemeldeten Thatsache zu beantworten.
Der westfälische Friede war endlich nach Besiegung der damals üblichen steifen Förmlichkeiten und trotz der Ränke des allmächtigen französischen Kardinals Mazarin abgeschlossen worden. Hatte der unglückliche 30jährige Krieg das Mark des deutschen Reiches fast aufgezehrt, so stipulirte dieser Friedensschluß auch in aller Form die Ohnmacht des deutschen Reiches. Waren im Mittelalter alle wichtigen Entscheidungen für Europa von Deutschland ausgegangcn, so wurde von jetzt an jede europäische Bewegung auf Deutschlands Boden ausgekämpft und auf seine Kosten vertragen. Das Reich war ein Spott der Völker, ja der Deutschen selbst geworden; weder zum Angriff, noch zur Vertheidigung geschickt, altersschwach und krankend, ging es dem Grabe zli. Der westfälische Friede hatte den deutschen Reichsständen das Recht gegeben, selbstständig mit fremden Mächten Bündnisse zu schließen; dadurch war aber nicht nur der erste Zweck des Reiches, eine in sich geeinte Macht gegen äußere Angriffe zu bieten, vollständig illusorisch geworden, sondern in seinem eigenen Innern boten sich nun einem schlauen Angreifer die Mittel dar, es zu bekämpfen, lind dieser Angreifer, dem hervorragende Feldherrn und Staatsmänner die Wege zu hohem Ruhm und zu einer laugen Zeit unangefochtenen Hegemonie in Europa bahnten, stand in der Person Ludwigs XIV., mit einem starken, wohlgeübten Heere jenseits des Rheines, unbedenklich in der Wahl der Mittel, wenn diese nur zur Vergrößerung seiner Macht führten. Zu den
entscheidenden Schritten waren seit Jahren durch die diplomatischen Künste Richelieus, Mazarius u. s. w. die besten Vorbereitungen getroffen worden. Manche deutsche Fürsten bezogen von Ludwig XIV. förmlich JahrgchÜltcr; Ocstreich schirmte wie von jeher das Reich nur soweit, als sein eigener Vortheil in Frage kam. Bei der Schwäche seiner damaligen Herrscher aber hatte überhaupt die habsburgische Schirmherrschaft fast jede Bedeutung verloren. So durfte cs Ludwig XIV., der an allen seinen Grenzen leichte Wege sah, Ruhm zu erwerbe» und Frankreich zu vergrößern, wagen, einen Nachbarstaat nach dem andern räuberisch anzufallen. Vermochten auch Tapferkeit und Stärke seiner Heere ihn nicht überall an das Ziel seiner Wünsche zu bringen, jo halfen doch die schlauen Künste seiner Diplomaten durch die Friedensschlüsse von Aachen (1663) und Nymwegen (1678) von den Niederlanden die wichtige südliche Festungsgrenze, von Spanien die Viauolls 6ornts, vom deutschen Reiche 10 Städte im Elsaß, das feste Freiburg im Breisgrau und Lothringen loszureißcn und zu dauerndem Besitze mit Frankreich zu vereinen. In der sicheren Berechnung, daß keiner seiner bisherigen Gegner, die seine Ueberlegenheit gefühlt hatten, sich seinen weiteren Vergrößerungsplänen entgegensetzen würde, ging Ludwig XIV. alsbald mit der Einrichtung jener famosen „Reunionskammern" zu Metz und Breisach vor. Es waren dies Kommissionen, welche in Bezug auf die seit dem westfälischen Frieden zu Frankreich gekommenen Länder untersuchen sollten, was in den früheren Zeiten .— man ging dabei sogar auf die Zeit des ersten französischen Königsgeschlechts der Merovinger zurück! — sonst noch von denselben abhängig gewesen war. Was half der Widerspruch von Herzögen, Pfalzgrafen, Grafen und freien Reichsstädten, was halfen alle historischen und völkerrechtlichen Deduktionen? Ihre. Besitzthümer wurden durch französische Truppen besetzt und ihre Unterthanen mußten dem französischen Könige huldigen. Das deutsche Reich, ohne Kraft und Lust sich zu bewegen, hatte nur ohnmächtige Protestativuen dagegen. Ja, während Deutschlands Grenzen schamlos beraubt wurden, stritten die kurfürstlichen und fürstlichen Abgesandten im „weiten Saal der Worte" zu Regensburg darüber, ob elftere auf purpurnen, letztere auf grünsamtenen Sesseln sitzen sollen.
Noch war Straßburg, das seit dem Anfänge des 30jährigen Krieges in beständigen Sorgen wegen Frankreichs Gelüsten gelebt hatte, von den Reunionen verschont geblieben. Aber bereits war der alten Reichsstadt die Zumuthung gestellt worden, wegen der ihr zugehörigen Aemter Wasselnheim, Barr, Jll- kirch und Marlen , die bereits reuniert waren, Ludwig XIV. zu huldigen. Man wußte in Straßburg, worauf Ludwig hiuzielte. Kein L-chritt, die Unabhängigkeit und Zusammengehörigkeit mit dem deutschen Reiche zu wahren, blieb unversucht. Ludwig XIV. und sein Minister Louvois hatten nur schöne Worte, der Kaiser Leopold, durch die andringende Türkengefahr gelähmt, nur leere Vertröstungen. In aller Stille hatte Ludwig inzwischen einige französische Regimenter ins Lothrigische verlegt, andere sich um Breisach und Freiburg lagern lassen, um sie au einem bestimmten Tage durch Louvois vor Straßburg zusammcuzuziehen und die Stadt einzuschließen.
Am Sonntag, den 30. September 1681 hörte man in Straßburg Plötzlich Kanonenschüsse. Die Sturmglocke läutete, Alles verließ die Kirchen. Die Stadtthorc wurden geschlossen und die Schöffen in
die Stuben ihrer Zünfte zusammengerufen. Bald wurde bekannt, daß Louvois eine scblccht bewachte Schanze auf der Rhciuinsel ohne jede vorhergehende feindselige Kundgebung meggenommen und an der Spitze eines Heeres von 20,000 Manu die sofortige Uebergabe der Stadt fordere. Im Falle der Weigerung würde, so hieß es, der Sieger das Kind im Mutterleibe nicht verschonen. Noch einmal begab sich eine Deputation, bestehend aus den Senatoren Dietrich, Frörcisen, Schmidt, Richshofer, Stör, Franz und dem Stadtsyndieus Güntzer, ins französische Hauptquartier nach Jllkirch, kehrte aber unverrichteter Sache wieder zurück; denn der übermüthige Minister hatte seine Drohungen unter dem Vorwände wiederholt, es sei eine starke kaiserliche Armee im Anmarsche gegen den Rhein begriffen.
Man berechnete die Streitkräste der Stadt und fand, daß von 4000 waffenfähigen Männern 300 der einflußreichsten sich gerade ans der Frankfurter Messe befanden und daß man nur noch 400 brauchbare Lwldnec hatte. Trotzdem ermunterte der Kommandeur von Janecke, ein alter tapferer Krieger, zum Widerstande: aber der Kampf wurde doch von den meisten Senatsmitgliedern als aussichtslos betrachtet. Dem Anträge des Senats, die Kapitulation anzunehmen, stimmten auch die 300 Schöffen bei, welche in wichtigen und bedenklichen Fällen gefragt wurden. Am Nachmittag fuhren dieselben Wagen wieder hinaus, um die Deputirten nach Jllkirch zu führen.
Vor 30 Jahren noch fand man in der Mitte des Dorfes Jllkirch ein mit Thürmchen ausgestattetes Haus, in welchem die Kapitulation unterzeichnet wurde. — Bald rückten französische Truppen in Straßburg ein, und am 4. Oktober leistete der Rath den Eid der Treue in Gegenwart des neuen Stadtkommandanten v. Chamillh. Bon dem herrlichen Dom, der allein dem katholischen Kultus übergeben wurde, nahm jener unwürdige Bischof Egon von Fürstenberg Besitz, derselbe Bischof, der seit langem der Träger aller antinationalen Gesinnungen gewesen war und welcher am 23. Oktober den als Sieger einziehenden Ludwig XIV. am Portale des Domes mit den Worten Simeons: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen," empfing. Bald hielten Kapuziner und Jesuiten ihren Einzug in Slraß- burg und erhielten eine protestantische Kirche nach der andern zurück.
Und der Kaiser und das deutsche Reich? Vergebens hatte der vaterlandsliebende Dichter Aßmann v. Abschatz gemahnt:
„Nun ist cs Zeit, za wachen,
Eh' Deutschlands Ehre stirbt Und i» dem weiten Rachen Des Krokodils verdirbt.
Herbei, das; man die Kröten,
Die uniern Rhein betreten,
Mit aller Macht zurücke Znr Saone and «eine schicke.
Zwei Jahrhunderte mußten vergehen, ehe des Dichters Mahnruf in dessen Sinne verwirklicht wurde. Möge die Erinnerung an die Tage der tiefsten Erniedrigung den Sinn der Einheit stärrken und der Zersplitterung i m Rei che wehren._
An dem an der K. Thicrarzncischnle abgehaltencn theoretisch-praktische» Lehrknrs im Hufbeschlag hat u. a. die ab- gchaltcne Prüfung mit Erfolg bestanden: Kübler von Nothfelden, O.A. Nagold.
In Folge vorgenommenen Abiturientcnprüfungen sind u. a. zu höherem Studium ermächtigt worden: Denglcr, Jakob, s. d. Ockouomen in Oberjefingen, Schweitzer, Joses, S. d. Oekonomen in Gündringen.