Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt sür den Oberamts-Bezirk Nagold.

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1881.

Bestellungen

aus denGesellschafter" für das 4. Quartal neh­men alle Postämter und die Postboten entgegen.

Die Gerichtsvollzieher

haben Hauptregister und Kassentagbuch unverweilt cinzusenden.

Nagold, den 3. Okt. 1881.

K. Amtsgericht.

Daser.

Der Raub Straßburgs durch Ludwig XIV.

Zum 200jährigen Gedenktage den 30. September 1881.

Die denkwürdige Flugschrift:Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung," welche dein unglückli­chen Buchhändler Palm den Tod brachte, hat der Zeit nach der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt bis zum Wiederaufgang deutscher Freiheit ein so unverlöschliches Siegel ausgedrückt, daß alle Schmach und Schande, welche je über das deutsche Volk herein gebrochen sind, eben in jener Zeit die denkbar höchste Steigerung erfahren zu baben schei­nen. Blättern wir aber in den gegenwärtigen Ta­gen um 2 Jahrhunderte in dem Buche der Geschichte zurück, so tritt uns in der Thatsache, daß Straß- burg, diewunderschöne Stadt," mitten im Frieden am 30. September 1681 eine Beute des ländergie­rigen Königs Ludwig XIV. werden konnte und daß dieser Faustschlag ins Gesicht des deutschen Volkes von Kaiser und Fürsten des deutschen Reiches ungejühnt blieb, ein Ereigniß entgegen, welches an Schmach und Schande in der deutschen Geschichte kaum seines­gleichen hat. Heute, wo nach des Dichters Wahr­spruch die Weltgeschichte sich wieder einmal als das Weltgerichte bewiesen, indem sic das Beschämende jener nationalen Entwürdigung von uns genommen hat, möchte es sich wohl geziemen, die Erinnerung an jenen Tag aufzufrischen und die Fragen nach der Ursache und dem Verlauf der obgemeldeten Thatsache zu beantworten.

Der westfälische Friede war endlich nach Be­siegung der damals üblichen steifen Förmlichkeiten und trotz der Ränke des allmächtigen französischen Kardinals Mazarin abgeschlossen worden. Hatte der unglückliche 30jährige Krieg das Mark des deut­schen Reiches fast aufgezehrt, so stipulirte dieser Friedensschluß auch in aller Form die Ohnmacht des deutschen Reiches. Waren im Mittelalter alle wich­tigen Entscheidungen für Europa von Deutschland ausgegangcn, so wurde von jetzt an jede europäische Bewegung auf Deutschlands Boden ausgekämpft und auf seine Kosten vertragen. Das Reich war ein Spott der Völker, ja der Deutschen selbst geworden; weder zum Angriff, noch zur Vertheidigung geschickt, altersschwach und krankend, ging es dem Grabe zli. Der westfälische Friede hatte den deutschen Reichs­ständen das Recht gegeben, selbstständig mit fremden Mächten Bündnisse zu schließen; dadurch war aber nicht nur der erste Zweck des Reiches, eine in sich geeinte Macht gegen äußere Angriffe zu bieten, voll­ständig illusorisch geworden, sondern in seinem eige­nen Innern boten sich nun einem schlauen Angreifer die Mittel dar, es zu bekämpfen, lind dieser Angrei­fer, dem hervorragende Feldherrn und Staatsmänner die Wege zu hohem Ruhm und zu einer laugen Zeit unangefochtenen Hegemonie in Europa bahnten, stand in der Person Ludwigs XIV., mit einem starken, wohlgeübten Heere jenseits des Rheines, un­bedenklich in der Wahl der Mittel, wenn diese nur zur Vergrößerung seiner Macht führten. Zu den

entscheidenden Schritten waren seit Jahren durch die diplomatischen Künste Richelieus, Mazarius u. s. w. die besten Vorbereitungen getroffen worden. Manche deutsche Fürsten bezogen von Ludwig XIV. förmlich JahrgchÜltcr; Ocstreich schirmte wie von jeher das Reich nur soweit, als sein eigener Vortheil in Frage kam. Bei der Schwäche seiner damaligen Herrscher aber hatte überhaupt die habsburgische Schirmherr­schaft fast jede Bedeutung verloren. So durfte cs Ludwig XIV., der an allen seinen Grenzen leichte Wege sah, Ruhm zu erwerbe» und Frankreich zu vergrößern, wagen, einen Nachbarstaat nach dem an­dern räuberisch anzufallen. Vermochten auch Tapfer­keit und Stärke seiner Heere ihn nicht überall an das Ziel seiner Wünsche zu bringen, jo halfen doch die schlauen Künste seiner Diplomaten durch die Frie­densschlüsse von Aachen (1663) und Nymwegen (1678) von den Niederlanden die wichtige südliche Festungs­grenze, von Spanien die Viauolls 6ornts, vom deut­schen Reiche 10 Städte im Elsaß, das feste Frei­burg im Breisgrau und Lothringen loszureißcn und zu dauerndem Besitze mit Frankreich zu vereinen. In der sicheren Berechnung, daß keiner seiner bis­herigen Gegner, die seine Ueberlegenheit gefühlt hat­ten, sich seinen weiteren Vergrößerungsplänen entge­gensetzen würde, ging Ludwig XIV. alsbald mit der Einrichtung jener famosenReunionskammern" zu Metz und Breisach vor. Es waren dies Kommissio­nen, welche in Bezug auf die seit dem westfälischen Frieden zu Frankreich gekommenen Länder untersu­chen sollten, was in den früheren Zeiten . man ging dabei sogar auf die Zeit des ersten französischen Königsgeschlechts der Merovinger zurück! sonst noch von denselben abhängig gewesen war. Was half der Widerspruch von Herzögen, Pfalzgrafen, Grafen und freien Reichsstädten, was halfen alle historischen und völkerrechtlichen Deduktionen? Ihre. Besitzthümer wurden durch französische Truppen be­setzt und ihre Unterthanen mußten dem französischen Könige huldigen. Das deutsche Reich, ohne Kraft und Lust sich zu bewegen, hatte nur ohnmächtige Protestativuen dagegen. Ja, während Deutschlands Grenzen schamlos beraubt wurden, stritten die kur­fürstlichen und fürstlichen Abgesandten imweiten Saal der Worte" zu Regensburg darüber, ob elftere auf purpurnen, letztere auf grünsamtenen Sesseln sitzen sollen.

Noch war Straßburg, das seit dem Anfänge des 30jährigen Krieges in beständigen Sorgen wegen Frankreichs Gelüsten gelebt hatte, von den Reunio­nen verschont geblieben. Aber bereits war der alten Reichsstadt die Zumuthung gestellt worden, wegen der ihr zugehörigen Aemter Wasselnheim, Barr, Jll- kirch und Marlen , die bereits reuniert waren, Lud­wig XIV. zu huldigen. Man wußte in Straßburg, worauf Ludwig hiuzielte. Kein L-chritt, die Unab­hängigkeit und Zusammengehörigkeit mit dem deut­schen Reiche zu wahren, blieb unversucht. Ludwig XIV. und sein Minister Louvois hatten nur schöne Worte, der Kaiser Leopold, durch die andringende Türkengefahr gelähmt, nur leere Vertröstungen. In aller Stille hatte Ludwig inzwischen einige franzö­sische Regimenter ins Lothrigische verlegt, andere sich um Breisach und Freiburg lagern lassen, um sie au einem bestimmten Tage durch Louvois vor Straß­burg zusammcuzuziehen und die Stadt einzuschließen.

Am Sonntag, den 30. September 1681 hörte man in Straßburg Plötzlich Kanonenschüsse. Die Sturmglocke läutete, Alles verließ die Kirchen. Die Stadtthorc wurden geschlossen und die Schöffen in

die Stuben ihrer Zünfte zusammengerufen. Bald wurde bekannt, daß Louvois eine scblccht bewachte Schanze auf der Rhciuinsel ohne jede vorhergehende feindselige Kundgebung meggenommen und an der Spitze eines Heeres von 20,000 Manu die sofortige Uebergabe der Stadt fordere. Im Falle der Weige­rung würde, so hieß es, der Sieger das Kind im Mutterleibe nicht verschonen. Noch einmal begab sich eine Deputation, bestehend aus den Senatoren Dietrich, Frörcisen, Schmidt, Richshofer, Stör, Franz und dem Stadtsyndieus Güntzer, ins französische Hauptquartier nach Jllkirch, kehrte aber unverrichte­ter Sache wieder zurück; denn der übermüthige Mi­nister hatte seine Drohungen unter dem Vorwände wiederholt, es sei eine starke kaiserliche Armee im Anmarsche gegen den Rhein begriffen.

Man berechnete die Streitkräste der Stadt und fand, daß von 4000 waffenfähigen Männern 300 der einflußreichsten sich gerade ans der Frank­furter Messe befanden und daß man nur noch 400 brauchbare Lwldnec hatte. Trotzdem ermunterte der Kommandeur von Janecke, ein alter tapferer Krieger, zum Widerstande: aber der Kampf wurde doch von den meisten Senatsmitgliedern als aussichtslos be­trachtet. Dem Anträge des Senats, die Kapitula­tion anzunehmen, stimmten auch die 300 Schöffen bei, welche in wichtigen und bedenklichen Fällen ge­fragt wurden. Am Nachmittag fuhren dieselben Wagen wieder hinaus, um die Deputirten nach Jll­kirch zu führen.

Vor 30 Jahren noch fand man in der Mitte des Dorfes Jllkirch ein mit Thürmchen ausgestatte­tes Haus, in welchem die Kapitulation unterzeichnet wurde. Bald rückten französische Truppen in Straßburg ein, und am 4. Oktober leistete der Rath den Eid der Treue in Gegenwart des neuen Stadt­kommandanten v. Chamillh. Bon dem herrlichen Dom, der allein dem katholischen Kultus übergeben wurde, nahm jener unwürdige Bischof Egon von Fürsten­berg Besitz, derselbe Bischof, der seit langem der Träger aller antinationalen Gesinnungen gewesen war und welcher am 23. Oktober den als Sieger einziehenden Ludwig XIV. am Portale des Domes mit den Worten Simeons:Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen," empfing. Bald hiel­ten Kapuziner und Jesuiten ihren Einzug in Slraß- burg und erhielten eine protestantische Kirche nach der andern zurück.

Und der Kaiser und das deutsche Reich? Ver­gebens hatte der vaterlandsliebende Dichter Aßmann v. Abschatz gemahnt:

Nun ist cs Zeit, za wachen,

Eh' Deutschlands Ehre stirbt Und i» dem weiten Rachen Des Krokodils verdirbt.

Herbei, das; man die Kröten,

Die uniern Rhein betreten,

Mit aller Macht zurücke Znr Saone and «eine schicke.

Zwei Jahrhunderte mußten vergehen, ehe des Dichters Mahnruf in dessen Sinne verwirklicht wurde. Möge die Erinnerung an die Tage der tief­sten Erniedrigung den Sinn der Einheit stärrken und der Zersplitterung i m Rei che wehren._

An dem an der K. Thicrarzncischnle abgehaltencn theo­retisch-praktische» Lehrknrs im Hufbeschlag hat u. a. die ab- gchaltcne Prüfung mit Erfolg bestanden: Kübler von Noth­felden, O.A. Nagold.

In Folge vorgenommenen Abiturientcnprüfungen sind u. a. zu höherem Studium ermächtigt worden: Denglcr, Jakob, s. d. Ockouomen in Oberjefingen, Schweitzer, Jo­ses, S. d. Oekonomen in Gündringen.