O
- 520 —
Gages-Weuigkeiterr.
Calw. Am letzten Samstag wurde im Comptoir dieses Blattes mittags zwischen 12'/^ und 12>/z Uhr die Comptoirthüre mittelst eines Nachschlüssels geöffnet und das Doppelpult mit einem kleinen Stemmeisen auf beiden Seiten aufgebrochen. Der Dieb, der für sein Risiko, am Hellen Tage an einer der frequentesten Stellen der Stadt einzubrechen, nur weniges von Wert mitnehmen konnte, wird sich nun anderswo zu entschädigen suchen. Weiteres mitzuteilen halten wir nicht für angezeigt, da schon das Vorstehende genügen dürfte, Jedermann zur Vorsicht zu mahnen.
(Amtliches.) Im Vollmachtsnamen Sr. Maj. des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 18. Dez. d. Js. auf die erledigte Amtsnotarsstelle von Weilheim, OA. Kirchheim, Hrn. Amts- Notar Dipper von Teinach seinem Ansuchen entsprechen!) gnädigst versetzt.
— Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm haben im Vollmachtsnamen S r. Maj. des Königs am 1 . d. M. die erlevigte evangelische Pfarrei Plüderhausen, Dek. Welzheim, Hrn. Pfarrer Dettinger in Neuweiler, Dekanats Calw, gnädigst übertragen.
* Hirsau, 18. Dez. Bei der gestern stattgehabten Bürgerausschußwahl haben von 128 Wahlberechtigten 61 ihre Stimmen abgegeben. Gewählt wurden: Fr. Märkle, Rößleswirt und Bürgerausschußmitglied, als Obmann mit 39 Stimmen, Carl Wurster mit 39, Christian Beckh mit 36, Louis Maj er, jr. Schlosser, mit 33 und Ulrich Stotz, Bäcker und Bierbrauer, mit 30 St. Weitere Stimmen erhielten: Gottlieb Lutz 28, Jak. Burk- Hardt 22, Fr. Koch 17 und Werner Kapplex z. Hotel äu O^gae 16 St. Die übrigen Stimmen zersplitterten sich. Die eine Partei brachte ihre sämtliche 5 Kandidaten durch, während die andere Parier infolge der Drehung des Windes keinen ihrer Kandidaten durchbrachte. Möge nun diese Wahl zum Wohl und Nutzen der Gemeinde ausgefallen sein, mögen die aufgeregten Gemüter sich wieder beruhigen und in Friede und Eintracht mit einander leben. — (Vielleicht wird es jetzt auch möglich, daß endlich einmal die längst ersehnte und dringend notwendige Straßenbeleuchtung zu Stande kommt. Eine Straßenlaterne ist zwar schon mehrere Jahre an der Zufuhr- ftraße zum Bahnhofe angebracht, dieselbe wird aber das Jahr über nicht angezündet und dient somit nicht ihrem Zwecke.)
-s Zavelstein, 19. Dez. Bei der heutigen Gemeinderatswahl war die Beteiligung eine sehr rege, es sind für die seitherigen Gemeinderäte Lutz und Seyfried neu gewählt worden: Johannes Großmann und Ulrich Hahn.
Alten steig, 18. Dez. Um die staatliche Bewilligung zum Bau einer Sekundärbahn von hier nach Nagold zu erhalten, hat die Gemeinde Altensteig nach Ansicht unseres Abgeordneten v. Lutz für Vz der ca. 450,000 ^ betragenden Baukosten auszukommen. Es wurden darum von der hiesigen Stadt vorerst 60,000 verwilligt. Vier Nagolder Firmen und sieben Sägmühlebesitzer garantieren einen Beitrag von 20,500 ^ Die hiesige Gerberei- Genossenschaft wird ebenfalls mit einer namhaften Summe beitreten, und auch von den umliegenden Gemeinden können Beiträge erwartet werden.
Heilbronn, 18. Dez. Dem Sattler Ernst Entreß bereitete die heurige Volkszählung keine Freude, denn ein alter Feind von ihm, der Sattler Striegel, welcher sich vor 13 Jahren in derselben Straße wie Entreß hier niedergelassen, hatte sich zu dem Ehrenamte eines Zählers gemeldet und sollte in dieser Eigenschaft in das Haus des Entreß kommen, um dessen Bewohner aufzunehmen. Das war dem Entreß zu viel. Er teilte seinen Bekannten mit, daß er den Volkszähler zum Fenster hinauswerfe, wenn dieser sein Haus betrete, und dieser wurde nunmehr von einem Bekannten auf das ihm in Aussicht stehende Schicksal vorbereitet und zu bewaffnetem Volkszählen ermahnt. Am Morgen des Zähltages trank Entreß zunächst drei Schoppen Wein in einer seinem Hause nahegelegenen Wirtschaft und als er in dieser Kenntnis von dem erfolgten Eintritt des Zählers in sein Haus erhielt, machte er sich eilends auf, um seine Drohung auszuführen. Er traf den Striegel ,in seinem Hause mit der Verteilung der Zählkarten beschäftigt und rief ihm
in drohender Haltung zu: „Mach' daß Du hinauskommst, oder ich werfe Dich die Treppe hinunter, daß Du den Hals brichst!" Striegel ließ sich jedoch hierdurch von der Vollendung seines Geschäftes nicht abhalten, sondern verteilte die Zählbogen vollends an die Hausbewohner, ohne daß Entreß eine Thätlichkeit an ihm begangen hätte. Wegen versuchter Nötigung vor die Strafkammer des K. Landgerichts gestellt, brachte Entreß zu seiner Entschuldigung vor, daß er, durch einen Todesfall in seiner Familie schon in gedrückter Stimmung befindlich, diesen neuen Schlag nicht mehr habe ertragen können. Mit Rücksicht auf diese Umstände wurde ihm eine Geldstrafe von 30 ^ angesetzt.
Reutlinger Alb, 10. Dez. Ein Bauer von Undingen bewahrte sein zum Viehkauf bestimmtes Geld in einem Kaffeehafen auf. Am Markttage wurde das aus mehreren hundert Mark bestehende Geld in ein Säckchen geschüttet, worauf die Frau in dem Hafen sofort einen Thee bereitete, der dem Manne vortrefflich mundete. Nur als er auf den Grund des Hafens kam, fand er einen fremden, hautartigen Gegenstand, der sich bei näherer Besichtigung des Ehepaares als ein Hundert-Mark-Schein herausstellte, der beim Entleeren des Hafens zurückgelassen und so mitgekocht worden war. Man versuchte nun, dem gebräunten Wertpapier durch Waschen sein früheres Aussehen zu geben, was auch Dank des vortrefflichen Papiers unserer Reichskassenscheine so ziemlich glückte.
Ravensburg, 18. Dez. Dem Vernehmen nach ist Herr Amtsnotar Springer in Weingarten, welcher bei der am 26. v. M. vorgenommenen Stadtschultheißenwahl in Ravensburg die meisten Stimmen erhalten hat, höchsten Ortes zum Stadtschultheißen in Ravensburg gnädigst ernannt worden.
Mainz, 18. Dez. Der Schuhmacher G. F. Herbst, angeklagt der Ermordung des Schuhmachers Wohte und seiner Frau Marg. Wohte ist heute vom Schwurgericht des Mordes an Wohre und des Totschlags an Frau Wohte schuldig befunden und zum Tode und zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt worden. Herbst leugnete hartnäckig, aber die Indizien waren so gravierend, und in solcher Menge und Uebereinstimmung vorhanden, daß an der Schuld des Angeklagten nicht mehr gezweifelt werden konnte.
Werrnrifchtes.
— Abgekürzte Versicherung. Als Beweis für die große Beliebtheit, deren sich zur Zeit die sogenannte „abgekürzte Versicherung" erfreut , mag die Thatsache gelten, daß von dem reinen Zuwachs an Todes- fallversicherungeu von über 144/2 Millionen Mark, den die Lebensversicherungs-Gesellschaft zu Leipzig, auf Gegenseitigkeit gegründet 1830, („alte Leipziger") im Jahre 1884 zu verzeichnen hatte, mehr als 8>/2 Millionen Mark, also weit über die Hälfte, auf ab - gekürzte Versicherungen entfielen. Bei dieser Versicherungsart wird das versicherte Kapital fällig beim Tode des Versicherten, spätestens aber bei Erreichung eines zuvor festgesetzten Zeitpunktes, z. B. des 50. oder 60. Lebensjahres des Versicherten, wodurch dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit geboten wird, nicht nur für seine Hinterbliebenen zu sorgen, sondern auch für den Fall, daß ihm ein längeres Leben beschieden ist, selbst noch die Früchte seiner Sparsamkeit zu genießen, oder sich für den Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder Zeitpunktes ein sofort verfügbares Kapital zu sichern. Diese Versicherungsart vereinigt mithm in sich die Vorzüge der Lebensversicherung, der Pensions- und Aussteuerversicherung, und hierin dürfte auch der Grund ihrer mit jedem Jahr zunehmenden Beliebtheit zu suchen sein.
— Hamburg ist in den letzten 5 Jahren um 65,000Köpfe gewachsen und zählt jetzt 518,000 Einwohner. Durch den Anschluß Hamburgs an den Zollverein und die dadurch entstehenden Bauten sind zahlreiche Arbeiterschaaren angezogen worden. Der Teil der inneren Stadt, welcher infolge des Anschlusses an den Zollverein dem Abbruch verfallen war und gerade aus den engsten und winkligsten Gassen bestand, hat seine Bevölkerung an die Vororte, die viel gesünder sind, abgegeben.
— Testament für den jüngsten Tag. Wie das Blatt Nowi Czas berichtet, ist kürzlich in Seret (Bukowina) ein alter Mann Namens
beschreibungen bekannt war, die Europäer den Indianern gegenüber anwandten, fügte er hinzu:
„Mein roter Bruder ist ein tapferer Krieger. Er wird den Männern seines Stammes die Klauen des erlegten Bären vor die Füße legen, und die roten Krieger werden ihn zu ihrem Häuptling ausrufen und ihn feiern in ihren Schlachtgesängen. Milantok, werden sie sagen, Milantok ist ein großer Häuptling. Milantok wird das große Beil ausgraben, das nun schon fünfzig Jahre lang zehn Klafter tief unter der Erde zwischen den Städten und den freien Jagdgründen rostet. Ja, Milantok ist ein großer Mann!"
Aber diese überschwengliche Lobhudelei blieb ohne alle Wirkung. Der Indianer verzog keine Mühe und sagte nur, als jener mit seinen Phrasen zu Ende:
„Der weiße Mann ist ein Thor. Milantoks Stamm ist längst verstreut und Niemand kennt ihn mehr. Milantok wohnt mit seinem Vater in einer Hütte weit hinten am Ufer des Arkansas im dichten Urwald und handelt mit Tierfellen und was er sonst auf der Jagd erbeutet."
„Ah so!" rief Borrmann, „das ist freilich etwas Anderes."
„Hast Du Feuerwasser?" fragte der Indianer, der mit seinem Messer sich über den Bären hermachte, indem er einen forschenden Blick auf die Jagdtasche des Deutschen warf.
„O ja!" rief dieser, eine kleine, mit gutem Rum gefüllte Flasche hervorziehend und sie dem Indianer darbietend, „da, trink' einmal."
Milantok, dessen Augen sich gierig funkelnd auf die Flasche richteten, sprang hastig auf und setzte sich mit einem Sprung in den Besitz derselben. Ihr Inhalt fuhr mit einem kurzen Gegurgel in den Schlund des Indianers, worauf er sie vollständig leer ihrem Eigentümer wieder zustellte.
„Nun, .das muß ich sagen, Freund, rief Borrmann halb erstaunt, halb ärgerlich, „Du Haft einen vortrefflichen Lungenschlag. „Leert mir da mit
einem einzigen Zuge die Flasche, an der ich mich vierzehn Tage lang hätte stärken können."
Milantok hatte unterdessen ein Hinterviertel von dem Bären abgetrennt, welches er dem Deutschen jetzt mit den Worten überreichte:
„Hier, Blaßgesicht! hast Du das beste Stück von meinem Bären für Dein Feuerwasser. Milantok wird Dir außerdem dankbar sein, weil Du ihm das Leben gerettet hast."
Nach diesen Worten legte er die Hände an den Mund und gleich darauf hallte der Schrei einer Eule durch das Thal, sich rings herum an den waldigen Hügeln brechend. Ein zweiter Ruf aus weiter Ferne antwortete. Milantok wiederholte den Schrei, der unmittelbar darauf zum zweiten Male, aber aus größerer Nähe beantwortet wurde. Einige Minuten vergingen, während welcher der junge Indianer angestrengt lauschte. Dann wurde plötzlich auf den zerklüfteten Felsen, durch welche der Fluß mit wildem Gefälle seine brausenden Wasser zwängte, die Gestalt eines zweiten älteren Indianers sichtbar. Er hatte kaum den jüngeren Gefährten erblickt, als er mit einigen gewandten und sicheren Sprüngen den ziemlich steilen, zackigen Felsabhang hinabeilte. Schnell wie der Sturmwind rannte er dann am jenseitigen Ufer des Flusses hin, bis er zu einer Stelle gelangte, wo der Fluß sich in einem Grade verengerte, daß man ihn eben überspringen konnte.
Wenige Minuten später befand er sich an Milantok's Seite. Die beiden Indianer befestigten, ohne sich ferner um den zuschauenden Weisen zu kümmern, den Bären an einen starken Baumast, den der Jüngere mit seinem Tomahawk von einem in der Nähe befindlichen Eiche losschlug, luden dann den solchergestalt beschwerten Ast auf ihre Schultern und schlugen nunmehr eilig den Weg nach dem Walde ein, welcher sich in geringer Entfernung dem Blicke öffnete und in dessen düsterem Schatten der pfeilschnell dahinbrausende Fluß sich mit dumpfem Gemurmel verlor. (Forts, folgt.)