Landsmann Sebastian Tochter mann erhielt von Sr. Maj. dem Kaiser Wilhelm unter dem 19. d. M. ein Gnadengeschenk von 100 durch die K. preußische Gesandtschaft in Stuttgart. Es ist dies die dritte derartige reiche Gabe, welche unser Hun­dertjähriger seit 3 Jahren von allerhöchsten Gebern erhielt. Zu seinem 100. Geburtstag wurden dem­selben von S. M. unserem König 100 übermit­telt: zu Bollendung seines 100. JahreS erhielt er neben einer prachtvollen Mcerschaumpseise 100 von I. M. unserer Königin: auch andere Gaben er­hielt er von anderer Seite seit seinem 100. Geburts­tag. jedcSmal zu Bollendung eines weiteren Jahres. Derselbe ist noch geistig frisch, macht seine Spazier­gänge, kann alle Speisen ertragen, der Schlaf ist gut und regelmäßig, er liest noch die Zeitung ohne Brille.

Bom Ries, 22. Mai. In Nördlingen wurde ein lljähriger Knabe auf dem Dachboden seiner Wohnung todt aufgcsunden. Derselbe schwang sich am Waschseile in die Hohe und umllammerte mit den zwei Beinen einen Dachbalken, wobei das Waschseil sich so unglücklich um den Hals schlang, daß der Knabe sich nicht mehr befreien konnte und bis die Mutter, der er zu lange ausgeblieben war, nach ihm schaute, den Erstickungstod erlitten hatte.

Zwei Offiziere der Garnison von Ulm gingen die Wette ein, an einem Tag nach Augs­burg zu Fuß zu gelangen. Beugte Herren gingen Sonnabend 1 Uhr Nachts von Ulm ab und trafen um 6 Uhr M' -rgens in Jchenhausen, um 1 Uhr Mittags in Dinkelscherben ein. Dortselbst hielten sie eine Rast von 2 Stunden und trafen um 7^/i Uhr Abends in Augsburg ein, so daß sie noch mir dem Kurierzug Abends nach Ulm zurückkehren konn­ten. Wenn man bedenkt, daß die Entfernung Neu- UlmAugsburg 78 Kilometer beträgt, so muß man gewiß diese Leistung anerkennen. Beide Herren wa­ren folgenden Tags frisch und munter im Dienst.

Karlsruhe, 22. Mai. Bei einer Feuer­wehr-Probe in Baden-Scheuern wurden u. A. auch Mannschaften mittelst des Rettungs-Korbs vom dritten Stock des Uebungshauses auf den Bo­den herabgelassen. Drei Feuerwehrleute hatten die Reise bereits glücklich gemacht, beim vierten brach leider der Hacken, an dem der Korb hing, ab und stürzte mit dem Korb drei Stockwerk hoch unter dem Entsetzensschrei der Zuschauer zur Erde. Ter Unglückliche hat neben inneren und Kopfverletzungen den rechten Oberschenkel zweimal gebrochen. Derselbe ist ein Schreiner und Familienvater.

Das Reichsgericht in Leipzig zählt mit den 4 Rechtsanwälten 88 Mitglieder, darunter 17 Hülfs- richter.

Frankfurt, 16. Mai. Verflossene Woche sollte einer Wittwe gepfändet werden. Die Forde­rung betrug 40 cM Sie bot. um den Verkauf auf­zuhalten, zwei Mark als Abschlagszahlung, worauf man nicht einging. Die damals schon kränkelnde Frau, welche die Roth erheuchelte, verstarb u. hinter­ließ in Depositen auf der Bank 20,000 und in Baar 10,000

Ein politisches Stimmungsbild aus dem Lager der Liberalen, das die Bad. Landesztg. ihren Lesern nicht vorzuenthalten glaubt, wollen auch wir unfern Lesern mittheilen, indem auch wir schon vielen mit gleicher Ansicht begegneten. Die Einsen­dung lautet: Vom Rhein, 21. Mai. Gestatten Sie einem alten Theilnehmer an den Kämpfen für deutsche Einigkeit und deutsche Freiheit, daß er die schmerzlichen Gefühle nicht verhehle, zu wel­chen ihm seit Wochen die Vorgänge im deutschen Reichstage fortwährend Anlaß geben. Ich will von dem bedauerlichen Jnnungsgesetze, mit wel­chem der Reichstag beschäftigt ist, ganz absehen; es wird offenbar von Abgeordneten votirt, welche nie­mals aus der Nähe kennen gelernt haben, welches Glück es ist, von Handwerker-Innungen abhängig zu sein: ich will von demselben absehen, weil von ihm, einen wie großen Rückschritt dasselbe auch be­zeichnen mag, doch die deutsche Kraft und Wohlfahrt in der Hauptsache nicht abhängen wird. Eine viel ernstere Sache aber ist es, daß der Gesetzentwurf, betr. die Unfallversicherung der Arbeiter, durch ultramontane und partikularistische Umtriebe einerseits, und durch blassen Doktrinarismus andererseits in der Reichstagskommission zu einem lebensunfähigen Unding umgewandelt worden ist. Hier war dem Reichstag auf Anlaß des Kanzlers von den Regie­rungen selbst ein Vorschlag gemacht, der, wenn auch

im Einzelnen mancher Verbesserungen fähig, doch im Ganzen von richtigen und großen Grundsätzen ausging, geeignet, an die Heilung ernster Schäden der heutigen, nicht etwa nur in Deutschland walten­den gesellschaftlichen Zustände mit wahrhaft bessern­der Hand erstmals heranzutreten: und eine so be­deutende, eine so kunstreiche Vorlage ist in der Kom­mission des Reichstages, sagen wir es nur gerade heraus, von allen Parteien, die daran herumgezerrt haben, vollständig verpfuscht worden. Das ist der Eindruck, den viele Freunde des Vaterlandes mit dem Einsender dieser Zeilen theilen. Und noch eine dritte, sehr schwere Gefahr scheint heranzuziehen. Wir wol­len in ganz Deutschland, daß Hamburg nicht länger in gewissem Sinn ein Allerweltsseehafen bleibe, son­dern voll und ganz ein deutscher Seehafen werde. Daß in Hamburg selbst Tausende von Svnderinte- resseu und Gewohnheiten einen solchen Entschluß er­schweren und oalonclas Arasoas verzögern, be­greift sich. Nun legt der Reichskanzler dem Bun- desrathe den Vorschlag zu einer Verordnung vor auf Einverleibung der Unterelbe in den Zollverein und Aufhebung des Hauptzollamtes in Hamburg, unbeschadet der Freihafeustellung des Letzteren. Es würde dadurch zum wahren Vortheil ganz Deutsch­lands und in letzter Instanz auch Hamburgs selbst doch ein sanfter Druck ausgeübt, um die endgiltigeu Entschließungen Hamburgs zu fördern und zu beschleu­nigen. Statt daß nun das liberale Deutschland diese Schritte des Reichskanzlers, dem wir unsere Größe und Einheit, trotz unserer Einsprüche in der Konfliktszeit, wesentlich mit zu verdanken haben, mit Jubel begrüßt, sind die liberalen Wortführer und Doktrinäre sofort zur Hand, dem Reichskanzler die Berechtigung zu einer solchen Verordnung abzu- sprechen und eine neue KvusliktSzeit heraufzude- schwören. Wäre es nicht au der Zeit, daß in ganz Deutschland die wirklich freisinnigen Männer aller­orts zu>ammentreteu, um laut zu erklären, daß sie von ihren Vertretern in allen großen und wesentli­chen Fragen eine Verständigung mit dem Reichs­kanzler fordern; daß sie namentlich verlangen, daß Hamburg völlig ein deutscher Seehasen werde; und ebenso daß sie das Unfallversicherungsgesetz auf der allgemeinen Grundlage einer Versicherung durch das deutsche Reich, im Gegensatz zu deu Kommissionsbeschlüssen des Reichstags, wiederherge- stellt und durchgesührt zu sehen wünschen? Genuß, er wäre an der Zeit!"

Kassel, 18. Mai, Folgender Vorfall wird dem Rürnb. Evrr." auS dem benachbarten Harleshausen gemeldet. Dort hat ein junger, seit Ostern angesteltter Lehrer gestern während des Unterrichts ein etwa 8 Jahre altes Schulkind dermaßen gezüchtigt, das; der Tod sofort eingetretcn ist. Der Lehrer sott so vernimmt man daS storrige Kind über die Bank gezogen und bei dem Bemühen, ihm Hiebe zu geben, wogegen der Knabe sich heftig sträubte, denselben mit so gro­ßer Gewalt am Kopse hcrangezogen haben, das; ein Genick­bruch die Folge war.

Berlin, 20. Mai. DieNordd. Allg. Ztg." bemerkt, das die Ablehnung des Staats- (Reichs-) Beitrags gleichbedeutend sein würde mit einem Ver­zicht auf das Zustandekommen des Unfallversicher­ungsgesetzes in dieser Session. Sie glaubt sicher zu sein, daß die Regierung eS lieber mit einer künf­tigen Volksvertretung versuchen, als aus den staat­lichen Beitrag zur Unfallversicherung und zu der dem Vernehmen nach für die Zukunft in Aussicht stehen­den Altersversicherung verzichten werde. In den Kreisen der liberalen Partei wird die Frage er­örtert, ob nicht bei Berathung des Gesetzes betreffend die Erhöhung des Mehlzolles ein Antrag auf Besei­tigung der Getreidezölle einzubringen sei. Ueber diesen Gegenstand schreibt dieNordd. A. Ztg." : Wenn diese Sorte von Liberalen ein Herz für va­terländische Interessen hätte und wirklich das Brot wohlfeiler machen wollte, so sollte sie doch damit an­fangen, die drückenden Lasten, welche die inländische Produktion vertheuern, zu mindern und dadurch eine Verminderung der Produktionskosten für das deutsche Getreide herbeizuführen. Daß diese Liberalen aber nur das ausländische, russische und amerikanische Ge­treide unter ihren Schutz nehmen, beweist unwider­leglich, daß es ihnen nicht um wohlfeiles Brod, son­dern um Partei- und Klasseninteressen zu thun ist.

Berlin, 20. Mai. Die Entscheidung des Reichsgerichts, nach welchem dem verstorbenen Gra­fen Harry v. Arnim das nachgesuchte freie Ge­leit zu gewähren sei, traf bei dem Justizrath Prim- ker, dem Vertreter des Grafen, fast gleichzeitig mit der telegraphischen Nachricht von dessen Tode ein.

Berlin, 23. Mai. Süddeutsche nationallibe- rale Abgeordnete stellen zu dem Antrag des Abg. v. Varnbüler, betr. das Heimathsrecht, den An­trag, daß zum Erwerb des Unterstützungswohnsitzes 3 Jahre erforderlich sind und dessen Verlust nach 5 Jahren cintritt.

Berlin, 23. Mai. Der Reichstag hat den Antrag HE des Abg. Payer ans Herabsetzung der Gerichtskosten am Samstag mit großer Mehrheit nur einige konservative Ab- 's-- geordneten sollen dagegen gestimmt haben angenommen.

Dieser Antrag unterzieht den Grundtarif des Z 8 des Gerichts- « kostengesetzes einer Herabsetzung, durch welche nach den Aus- 3'ff führungcn derNordd. Allg. Ztg." die jährliche» Staatscin- H nahmen ans Gerichtskosten um 2030 Prozent vermindert s L ^ werden wurden. Das genannte, der Reichsregierung naheste- ^

hcnde Blatt spricht sich aber gegen diesen Antrag und dessen Z Annahme sehr scharf ans und meint, den Abgeordneten Wärt- Aq ^ tembcrgS sei cs nicht zu verargen, wenn sie sich nach dem gol- S

denen Zeitalter znriicksehnten, in welchem die Justiz chres Ssi »

engeren Vaterlandes so gut wie unentgeltlich oder vielmehr aus d z,! x,

Kosten der nicht prozeßsiichtigett Theile der Bevölkerung vsr- waltet wurde. s

sDie silberne Mans.s Fürst Bismarck's Idee,

Berlin zu dekapitalisiren, läßt die französischen Z'eitungcn nicht zur Ruhe kommen. DerFigaro" gar behandelt die angeb­liche Verlegung der deutschen Hauptstadt von Berlin nach Frank­furt am Main schon als bestimmte Thatsache und' benützt diese- Gelegenheit, um die patriotischen Empfindungen seiner Lesen mit antipreußischen Anekdoten zu kizeln. Eine Probe der letz­teren wollen wir unfern Lesern nicht vorenthaltcn. DerFi­garo" erzählt: Ein preußischer Offizier besuchte kürzlich mit einige» Freunden unter anderen Sehenswürdigkeiten Frank- surtS auch den Dom. Der Küster, ein Sachsenhcneser, führte sie herum mid lenkte ihre Aufmerksamkeit auch auf eine silberne Maus, welche frommer Glaube als Weihgabe gestiftet batte..

Auf die Frage der symbolische» Bedeutung der silbernen Maus gab der Küster folgende Erklärung:Durch eine Schickung des Himmels lmrrde einst ein ganzes Nraßenviertcl der Stadt Frankfurt von Mäusen überschwemmt. Mau ließ alle Katzen und Bulldoggen der ganzen Stadt gegen die Mäuse- los und wendete überhaupt alle möglichen Mittel an: cs half-aber Al­les nichts, die Mäuse ütiebeu standhaft. Da kam eine gottcs- fürchlige Dame auf die Idee, eine silberne Maus anfertigen zu lassen und sie der heiligen Jungfrau zu widmen. And kaum vergingen acht Tage und iäinmtliche Mäuse waren verschwun­den!" Der preußische Offizier schüttelte sich nun vor Lachen und sagte:Wie naiv sind die Frankfurter, daß sie solche Sa­chen erzählen und glauben!"Wir erzählen sie wohl;" entgeg- nete der Küster erregt,aber wir gla-üien nicht daran. Wenn wir daran glaubten, sd würden wir der beiligen Jungfrau schon längst einen silbernen Prcu-ßen gewidmeb haben.

Güttingen. Aus Anlutz der neuerdings in Kraft getretenen Polizei-Verordnung, wonach der Schluß aller vffenMichen Lokale- auf 12 llsir festge- fctzt wird, hatte- sich der Studirenden eine große Aufregung beinächtigt, welche mehrere Nächte hinter einander zu erheblichen Ruhestörungen führte. Un­ter Aufbietung-kl etwa 60 Mann Militär wurden, zahlreiche Verhaftungen vorgenoinmen; man spricht von 240. Am 18. ds., Abends, erschien folgende- polizeiliche Bekanntmachung:Sollten die- lärmenden Zusammenrottungen in den Straßen der- Stadt sich diese Nacht wiederholen, so wird die- militärische Macht zur Herstellung der Ordnung einschreitem"

Die Aufregung unter der Bürgerschaft Di kaum §e- - ringer, als die- der Studenten.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 21. Mai. Aus Krakau liegt öem§§U ^ B. T." zufolge die Privat-Nachricht vor, daß Ko-AZ,Hj sakenbanden die Gegend zwischen Kiew« und Nikolai-"AJAt -» jew ungehindert plündernd durchziehen. Bisher wnr- ? ! tzl ^ den von ihnen etwa 40 Dörfer geplündert. Die^§Z^ ' Landstraßen sind mit Flüchtlingen, unter denen sichAZAc Kranke und Verwundete befinden, bedeckt. Z'Ä

Im österreichischen Abgeordnetenhauses"^, ist am letzten Freitag ein Abgeordnetenftrike ans ge- GGZst brochen. Und das ging so zur Das Reichsgericht^^ «si hatte nemlich die Wahl mehrerer Großgrundbesitzer '-A wegen erheblicher Verstöße bei der Wahl kassirt. DieZ sog. konservative Majorität will nur ihre Parteige-' Z l nossen trotzdem im Parlament behalten und zwar ' «

dadurch, daß sie die Zustängigkeit des Reichsgerichts ^ in Wahlprüfungen verwerfen wollen (!) Zu diesem Behuf beantragte Graf Hohenwart die Einsetzung einer Kommission. Der Führer der sog. Verfassungs­treuen Dr. Herbst erklärte aber, seine Partei könne sich an der Berathung des Hohenwartschen Antrages nicht betheiligen, worauf die Mitglieder der Verfas­sungspartei und die Ruthenen den Saal verließen.

Dr. Herbst bezeichnete den Hohenwartschen Antrag als eine Verfaffungsverletzung. Graf Taffe kann jetzt mit den Vertretern der Nationen der Czechen,

Mähren, Polen, Slovenen und wie sie alle heißen, hübsch unter sich sein, ohne diese lästigen idealisti­schen Tölpel von Deutschen. Ob diese Gesellschaft auf die Dauer dem Kaiser Franz Joseph aus Grün­den der innern wie der äußern Politik besser zusagt als der frühere Reichsrath mit allen Nationen außer

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