586
wollte sich anfänglich in ein Kloster zurückziehen, aber die königliche Familie hatte sie von diesem Vorhaben abgebracht. Die karlistischen und republikanischen Blätter führen eine besonnene Sprache. Vorsichtshalber wurde für Kartagena, Barcelona, San Sebastian und die kanarischen Inseln der Belagerungszustand proklamiert. Es wird bestätigt, daß die Königin sich in gesegneten Umständen befinde. Doch ist das Stadium dieses Zustandes nicht vorgeschritten genug, um nach der am hiesigen Hofe üblichen Gepflogenheit mit der offiziellen Publikation desselben vorzugehen. Doch kann mit Rücksicht auf die zu wahrenden Rechte eines eventuellen männlichen Thronerben vor der Entbindung der Königin mit der Proklamierung der Infantin Maria de las Mercedes von Asturien zur Königin nicht vorgegangen werden. Durch diesen Umstand wird die Lage kompliziert, da die Publizierung des Zustandes der Königin vorläufig nicht erfolgen darf und infolge dessen scheinbar ein legaler Grund, die Proklamierung der Infantin zur Königin zu unterlassen, nicht vorhanden ist.
— Am 26. November wurde das Uebereinkommen bezüglich der Ka- rolinen-Jnseln mit Deutschland unterzeichnet. Dies war der letzte Regierungsakt des Ministeriums Canovas. — Man sagt in Berlin, Kaiser Wilhelm habe darauf bestanden, daß die Angelegenheit schleunigst aus der Welt geschafft werde. Die englische Regierung erklärte sich zur Anerkennung der Souveränen Spaniens über die Karolinen und die Pelew-Jnseln bereit, falls auch England die Deutschland gewährten Vorteile zugestanden werden.
Serbien, Bulgarien, Ostrumelien.
Belgrad. 30. Nov. Die Rüstungen und Truppensendungen an die Grenze dauern sort. Serbien will erst abrüsten, wenn ein neuer Gouverneur für Ostrumelien, der aber nicht Fürst Alexander sein darf, ernannt ist.
Hcrges-Weuigkeiten.
Stuttgart, 1. Dez. Am letzten Freitag wurde ein Schwindlerpaar hier fe st genommen, welches unter Vorzeigung gefälschter und gestempelter Zeugnisse, auf bessere Geschäfte lautend, als: Bautechniker, Apotheker, Buchhändler, Kaufmann, Goldarbeiter rc., hier bettelte und von einigen Personen bis 5 erhielt. Das edle Paar wohnte als verheiratet in einem hiesigen Gasthaus und hat zugestandenermaßen seit einem Jahr nichts mehr gearbeitet, vom erschwinvelten Gelde gelebt und sogar Luftreifen nach Italien und in die Schweiz gemacht. Mehrere ähnliche Schwindler sollen auf der Reise hierher begriffen sein, um dasselbe Geschäft hier auszuüben.
Ludwigsburg, 29. Nov. Das Offizierskorps des 3. württ. Jnf.-Regts Nr. 121 wurde am Samstag, 28. d. Mts. durch den hohen Besuch seiner Regimentsversammlung von Seiten S. K. H. des Prinzen Wilhelm von Württemberg im Gasthaus zum Bären beehrt. Zunächst wohnte S. K. H. dem Vortrag des Hauptmann Göz über „das Gefecht von Montoire auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz 1870/71" bei und nahm sodann mit dem Offizierskorps ein einfaches Souper ein. An höheren Vorgesetzten war der Oberst und Brigadekommandeur von Kettler anwesend.
Eßlingen, 30. Nov. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag drangen. zwei betrunkene Burschen in den Hof der Tuchfabrik widerrechtlich ein und verursachten furchtbaren Spektakel. Der eine davon schlug eine große Anzahl Fensterscheiben ein und warf, was ihm im Wege stand, übereinander. Als der Nachtwächter, der allein in dem Etablissement war, nicht Meister wurde, rief er einen patrouillierenden Polizeihilfswächter um Hilfe an und nahm mit diesem die Eindringlinge, die sich nun aufs heftigste wiedersetzten, fest. Dieselben werden sich vor Gericht zu verantworten haben.
Vom mittleren Remsthal, 30. Nov. Infolge Regenwetters ist die Rems zwischen Schorndorf und Grunbach aus ihren Ufern getreten, das Thal gleicht teilweise einem See. Der Fußweg zwischen Geradstetten und Station Grunbach war für Fußgänger unpassierbar.
Ellwangen, 29. Novbr. Im Schlosse Kapfenburg brannte es in der Frühe des Adventfestes in dem den westlichen Flügel bildenden Küchenbau.
Die Gefahr für das Schloß war bei dem stürmischen Wetter eine große. Glücklicherweise ist es den Anstrengungen der Schloßbewohner und der rasch herbeigeeilten Hilfsmannschaft aus den Nachbarorten gelungen, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken, so daß nur ein Teil des Küchenbaus zerstört ist. Das stattliche Schloß, eine Zierde des oberen Jagstthals, ist uns erhalten geblieben.
Göppingen, 28. Nov. Aus Geislingen kommt laut G. W. die Nachricht, daß Herr Fabrikant Oskar Römer daselbst gestern abend an dem Rechen der obern Mühle, im Wasser liegend, tot aufgefunden wurde.
Gaildorf, 1. Dezember. Der Kocher hat infolge des fortdauernden Regens eine Höhe von 3'/- Meter erreicht und steigt immer noch. Die Wasserwerke mußten eingestellt werden.
Giengen a. Br., 28. Nov. Gestern mittag gegen 1 Uhr entstand in der hiesigen Filzfabrik ein Brand, welcher den rechten Anbau und einen kleinen Teil der Hintergebäude in Asche legte. Das Feuer ist im Trockenraum ausgebrochen und griff so schnell um sich, daß ein dort befchästigter Arbeiter herausgeholt werden mußte und ziemlich bedeutende Brandwunden erlitten hat. Gegen 4 Uhr gelang es den vereinten Anstrengungen der Feuerwehren von hier, Hohenmemmingen und Hermaringen, des Feuers Herr zu werden. Der Schaden wird auf 300,000 angeschlagen.
Vom Brenzthal, 29. Nov. Nachdem vorgestern die Filzfabrik in Giengen (das sogenannte alte Bad) durch Feuer großen Schaden erlitten, riefen gestern abend in Giengen die Glocken abermals die Feuerwehr zusammen: fast mitten in der Stadt brannte eine Scheune. Dem raschen Einschreiten der Feuerwehr und der zwischen der Scheune und dem angebauten Wohnhaus aufgeführten steinernen Scheidewand ist es zu danken, daß das Wohnhaus selbst gerettet werden konnte. Brandstiftung ist wohl außer Zweifel. Well es in den letzten Abenden vorkam, daß große Steine von ruchlosen Händen durch die Fenster in Wohnungen geworfen wurden, so nimmt man an, daß eben dieser Brand von den gleichen Buben gelegt worden.
Laupheim, 29. Nov. In der Nacht vom 28. auf 29. zwischen 9 und 10 Uhr brannte es in einem Hause der Schmidgasse. Das Feuer griff so rasch um sich, daß eine Wöchnerin mit ihrem drei Tage alten Säugling aus einem oberen Stockwerke mittels Leitern 'fortgeschafft und gerettet werden mußte. Drei Familien sind obdachlos geworden. Der starke Westwind bedrohte die Nachbarhäuser und nur der emsigen Thätigkeit der Feuerwehr ist es zu verdanken, daß nicht weiteres Brandunglück entstand. Die Abgebrannten sind teilweise mit ihrer beweglichen Habe versichert. Die Entstehungsursache des Brandes ist bis jetzt noch nicht ermittelt. (Nach einem andern Bericht ist das Haus des Bäckers Leimgruber nebst dem angebauten Wohnhaus der Geschwister Leichtle ein Raub der Flammen geworden.)
Luzern, 21. Nov. Die italienischen Weine heuriger Ernte werden in Italien selbst von Weinhändlern aus Frankreich bezogen, gegenwärtig in Menge aufgekauft; diese Händler sind dabei außerordentlich liberal in ihren Preisbewilligungen. Der Andrang ist um so größer, als neben Frankreich und dessen Hauptlieferant Spanien Heuer eine schlechte, Italien hingegen eine gute Weinernte hatte. Als interessant darf auch hier angeführt werden, daß letzter Tage Weinhändler aus Bordeaux für ihren privaten Gebrauch italienischen Wein in den Niederlagskellern in Luzern gekauft und nach Bordeaux mit sich genommen haben und zwar von dem früher erwähnten, den feinen, echten Bordeauxsorten ähnlichen Weine des Senators Devincenzi, Präsidenten der Looietä äoi vitiooltori italisni. Auf Vorschlag ihres dortigen Konsuls hat sich die italienische Negierung entschlossen, nunmehr auch in München eine önotechnische Station in Verbindung mit Niederlags- kellern für italienische Weine zu errichten, nach dem Muster der Anstalt in Luzern, mit einigen Verbesserungen in der Organisation auf Grund der bisherigen Erfahrungen, wie sie demnächst bei der Anstalt in Luzern zur Durchführung gelangen werden. Es liegt in Rom ein weiteres Gesuch für Errichtung einer ähnlichen Anstalt in Stuttgart vor. — Nach den telegra-
zu kümmern. Plötzlich blieb er jedoch stehen und ein Lächeln überflog seine ernsten Züge, als fein Blick auf das schwarze, grinsende Gesicht eines Negers siel, der ihm mit den Worten entgegentrat:
„Soll ich Mafia Koffer tragen?"
„Was kriegst, Schwarzer, wenn Du mir den Koffer bis zum nächsten Ferrpboot (eine Art Dampsschiffomnibus) trägst?"
„Zwei Dollars, Mafia!"
„No — Schwarzer! danke schön. Dafür trägt Massa seinen Koffer selbst!"
Der Neger schüttelte seinen Wollkopf und schaute dem sich entfernenden Deutschen mit einem dumm verlegenen Grinsen nach. Der letztere aber sprach leise vor sich hin:
„Gelt, Borrmann, wenn Du schwindeln und betrügen könntest, dann wäre Dein Glück hier zu Lande bald gemacht!"
Er hatte das Ufer des Flusses erreicht und wurde mit dem Fährmann eines Dampfbootes bald um den Preis der Ueberfahrt einig. In kürzerer Frist, als er gedacht, erreichte er das jenseitige User, worauf er einm Plan der Stadt Newyork aus seiner Brieftasche nahm, denselben entfaltete und eifrig darauf zu suchen begann.
„In welchem Teile der Stadt befinden wir uns hier?" fragte er einen mit ihm zugleich ausgestiegenen Passagier.
„The Battery!" klang es zurück, „am Südende der Stadt, zwischen East-River und Hudson!"
Der Deutsche nickte,.dem Anscheine nach sehr befriedigt und setzte, den Koffer fest in der Hand haltend, seinen Weg fort. Er mochte wohl einige hundert Schritt in der breiten, von prächtigen Sykomoren eingefaßten Straße gemacht haben, als sein Blick auf ein im altertümlichen Stil gebautes Haus von gefälligem Aussehen siel, über dessen Hausthür ein Schild mit einem goldenen Anker befestigt war, worunter das Wort „Boardinghouse" mit großen gelben Buchstaben gemalt war.
Ohne sich lange zu besinnen, trat er ins Haus, begab sich in die Gaststube und befahl dem Barkeeper (Kellner), ihm ein Glas guten Biers nebst Brot und etwas Schinken zu bringen. Als das verlangte vor ihm auf dem Tisch stand, machte er sich sogleich darüber her und verriet durch den Eifer, mit dem er Speise und Trank verzehrte, daß er vom Hunger und Durst ziemlich hart mitgenommen war.
Die Gaststube war mit Gästen angefüllt, deren größter Teil dem Matrosenstande angehörte. Sie rauchten und tranken Gin und tauschten unter Lachen und derben Seemannsspässen ihre jüngsten Erlebnisse aus. Niemand achtete auf den schweigsamen Deutschen, der hastig sein Mahl verzehrte und nur hin und wieder einen schnellen Blick über die Gesichter der Anwesenden gleiten ließ.
In einer ziemlich finstern Ecke des weiten Gemaches saß ein viereckiger stämmiger Mann von ungefähr 50 Jahren. Seine Kleidung sowohl, wie der ganze Ausdruck des wettergebräunten Gesichts bis auf die derbknochigen Hände verrieten einen jener Ansiedler des Westens, die man mit dem Ausdruck „Hinterwäldler" zu bezeichnen pflegt. Er hatte den Deutschen, ohne daß dieser das Geringste davon gemerkt hatte, eine zeitlang scharf beobachtet. Plötzlich jedoch kam er aus seiner Ecke hervor, schritt mit schwerfälligem Gange quer durch das Zimmer und nahm ohne Umstände dem Fremden gegenüber Platz.
„Um Vergebung, Herr!" begann er in rauh und unangenehm klingendem Tone, „Ihr seid doch ein Deutscher?"
„Ja", klang es barsch zurück, „was geht's Euch an?"
„Werdet's gleich hören", fuhr der Hinterwäldler fort, „und nichts für ungut. Ich frage nicht aus Neugier oder in der Absicht, Euch Euer bischen Geld aus der Tasche zu locken. Nicht wahr, Ihr seid ein Preuße?"
„Ja, und nun laßt mich gefälligst in Ruhe. Ich kann das viele fragen nicht leiden." (Forts, folgt.)