mehr", 400 Stück des Flugblattes „An das deutsche Volk" und 250 Exemplare des „Sozialdemokrat" vorgefunden worden."
Das „Deutsche Volksblatt" belobt den Fürsten Bismarck, daß er bei dem Dombaufest durch seine Abwesenheit geglänzt habe. Er habe damit eine würdige Zurückhaltung bewiesen; ja das Blatt findet, daß es „der gewaltige Staatsmann wahrscheinlich seiner unwürdig gesunden habe, sich von obligaten Festrednern anräuchern und verherrlichen zu lassen, während die Zustände des neuen deutschen Reichs trübe genug seien." Daß es Fürst Bismarck seiner unwürdig finden sollte, bei einem Fest zu erscheinen, dem der Kaiser selbst mit vielen deutschen Fürsten anwohnte, das wird dem „Deutschen Volksblatt" kaum jemand glauben. Der Reichskanzler hat sich bekanntlich mit seinen Gesundheitsumständen und Gejchäftsüberhüufung entschuldigt: beides so notorische Dinge und zureichende Gründe, daß man nach einem weiteren Motiv nicht zu suchen braucht.
(Die Thäter gegen den Lehrter Zug.j Die Verbrecher, welche am Freitag vor 8 Tagen die frevelhafte Entgleisung des Zugs der Lehrter Bahn bei Spandau verübt haben, sind, wie die Post erfährt, Dank der außerordentlichen Findigkeit des Kriminalkommissarius Krause in Charlottenburg ermittelt und verhaftet worden. Sie heißen Plümecke, Hertzog und Klümpel und sind alle drei in Charlottenburg wohnhaft. Die beiden Erstereu waren bis zum August d. Js. als Kutscher oder Kondukteure bei der großen Berliner Pserdeeisenbahngesell- schaft beschäftigt, der dritte ist Arbeiter in einer Maschinenfabrik in Moabit. Zwei von ihnen haben bereits gestanden, daß sie nicht nur gemeinsam das Attentat gegen den Lehrter Zug verübt, sondern bereits vor 14 Tagen ein ähnliches Verbrechen gegen einen Zug der Hamburger Bahn versucht haben, welches jedoch noch rechtzeitig verhindert worden ist. Als Motiv ihrer Thal geben sie an, daß sie eine Beraubung des Postwagens beabsichtigt hätten.
Der deutsche Botschafter in Paris, Fürst Hohenlohe, z. Z. mit provisorischer Leitung des Auswärtigen Amts betraut, ist ernstlich erkrankt.
Das Befinden des Fürsten Hohenlohe hat sich gebessert und gibt zu Befürchtungen keinen weiteren Anlaß.
Dortmund. Das hiesige Schwurgericht hat den der Ermordung der Dienstmagd Lisette Schütten (der Mord geschah bei Castrop) angeklagten Strohhändler Heinr. Körte auch Bochum freigesprochen. Körte hat über 9 Monate in Untersuchungshaft zugebracht, was ihn derart zugerichtet hat, daß er die Anklagebank nicht allein besteigen konnte, sondern von Bediensteten des Gerichts sozusagen ans dieselbe getragen werden mußte. Von den geladenen Zeugen sind eine große Anzahl nicht vernommen worden, weil sich die Unschuld des Angeklagten bald zur Evidenz herausgestellt. Es ist zu bedauern, daß der Staat Personen, die so lange Zeit unschuldig in Untersuchungshaft zubringen müssen, nicht wenigstens die entstandenen pekuniären Verluste zu ersetzen hat.
Metz, 17. Okt. B'sher wurde jeder aus Deutschland kommende Ressende aus den französischen Grenzstationen durch Polizcibeamte einer Art Verhör über Namen, Stand, Woher, Wohin u. dgl. unterzogen und nicht selten wurden harmlose Personen, wenn cs den betreffenden Beamten gefiel, angehalten, um die telegraphische Bestätigung ihrer Angaben abzuwarten. Diese wohl aus der Zeit nach der Kommune stammende, unseres Wissens in keinem der zivilisirteu Länder von Europa mehr bestehenden Formalität ist nun endlich durch einen Erlast des Ministers des Innern aufgehoben worden, wohl anläßlich der zahllosen Klagen, welche bezüglich der vollständig zwecklosen Plackerei cinliefen.
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 10. Okt. (Eine Vergangenheit.) Der Maurer Schmalzbauer, der beim Militär nicht weniger als 10,200 Ruthenstreiche und 335 Stockstreiche erhielt, überdies etwa achtzehn Jahre im Kerker weilte — alles wegen Diebstahles - befand sich wegen eines Einbruchsdiebstahls vor Gericht und wurde zu fünf Jahren schweren Kerkers verurtheilt.
Wien, 20. Okt. Sämmtliche Mächte erklären die von der Pforte an Montenegro gestellten Bedingungen in Betreff Dulcignos als ein Abweichen von dem in der jüngsten Note der Pforte gemachten Versprechungen bedingungsloser '.Uebergabe. Graf Hatzfeld und Baron Calice machten dieserhalb in Konstantinopel energische Vorstellungen.
Was war das in der Praterstraste in Wien am Hellen Nachmitage? Lehrjungen und Kinder springen mit Hellem Jubelgeschrei aus einem grossen Hause, Hintendrei» ein Mann mit der Drehorgel, er spielt immer von neuem: O Lisebeth, o Lisebeth! Und hinter dem Orgelmann her marschirt eine statt
liche Schaar von Dienstmädchen, alle kichernd und lustig und in ihrer Milte schreitet gravitätisch eine handfeste böhmische Köchin, einen kolossalen Kranz von Grünzeug, Bast und gelben Rüben auf dem Kopse und die ganze stramme Figur umwunden mit Guirlandcn von Stroh und papiernen Klalschrosen, in der Rechten einen Kochlöffel schwingend. Zu guter Letzt der Hausmeister mit einem Besen, als wolle er alle auskehren. Der Neugierigen werden immer mehr. Was lachen, was jubeln sie übermüthig? Still! Jetzt schließen sie einen Kreis, die Orgel schweigt, die schöne Babelt hält eine Anrede: „Heut, m. Herrschaften, iS d's Tausend vnll wor'n. Marienka is d'S lOOOte Dienstmadl von Frau v. K. da oven! Sü sull leben hoch, hoch, hoch!" Der hnnderrstimmige verständnißinni- ge Chor auf der Gasse fällt jubelnd ein und deutet lachend zum Fenster hinauf, an welchem Frau v. K. zornsprühend und mit den Fäusten drohend steht und nach der Polizei schreit.
Der Wiener „Presse" zufolge har es allen Anschein, daß sich die öffentliche Meinung Europas ernstlich mit der Eventualität eines Thronwechsels in Rußland zu befasse» haben wird; sei es nun, daß der Großfürst Thronfolger die Mitregentschaft übernimmt, wie eine Parsier Depesche der „Presse" in Aussicht stellt, sei eS, daß die Dinge einen noch rascheren Verlauf infolge der Krankheit des Zaren nehmen.
Ein trauriger Vorfall hat sich vergangene Woche in Budapest ereignet. Die Tochter eines angefeheuen Ofener Bürgers, Fräulein Antonie M., ein Mädchen von außerordentlicher Schönheit, unterhielt seit längerer Zeit intime Beziehungen zu dem Sprößlinge eines alten aristokratischen Hauses. Die Liebenden halten sich seit Wochen nicht gesehen, weil die Familie des jungen MauneS gegen die,angestrebte Verbindung war und dieser auch, wie man ihr versicherte, durch eine leichte Krankheit ans Bett gefesselt sein sollte. Vorige Woche besuchte das Mädchen den Eyristineustädter Friedhof und bemerkte ein neues Grabmal. Sie trat näher und sah nun, daß der Stein das Grab ihres Geliebten, welcher schon zwei Wochen vorher gestorben war, decke. Mit einem Schrei des Entsetzens sank die Arme in Ohnmacht, aus der sic als Irrsinnige erwachte.
Frankreich.
Paris, 19. Okt. Felix Phat wurde wegen Vertheidigung des Königsmordes in oontumaoiani zu einer Gefänguißstrase von 2 Jahren und zu einer Geldstrafe von 1000 Frcs. und der Gerant des Journals „Commune Affranchie", Robert, zu einer Gefängnißstrase von 6 Monaten und zu einer Geldstrafe von 1000 Frcs. verurtheilt.
Belgien und Holland.
Brüssel, 19. Okt. Der Minister deS Innern antwortete in einer zu Genf ab gehaltenen Generalversammlung der „Liberalen Vereinigung" dem Abgeordneten Delhongne, welcher es als die Aufgabe des Ministeriums bezeichnte, nur die Gesetzlichkeit, aber die volle Gesetzlichkeit zur Geltung zu bringen: „Belgien wird nicht nach Canossa gehen weder im Jahre 1880, noch 1882 — niemals!"
Haag. Der Knabeumörder de Jongh bleibt bei seiner Behauptung, Mitschuldige nicht zu haben. Die Triebfeder des entsetzlichen Verbrechens war 'Neid. Wenn der Sohn des Millionärs mit seinem mit Ziegcnböcken bespannten Wagen aussuyr, wenn de Jongh die Jugendfreundin seiner Mutter in ihre elegante Equipage zurückgelehnt sah, wenn die Rede war von den Millionen des Herrn Bogaardt, dann entbrannte verzehrender Neid in der Brust des Unholds. So reiste der Plan, den Knaben zu entführen und ein enormes Lösegetd zu erpressen. Als Frau Bogaardt am 23. Scpt. um 3 Uhr nach Scheveningen ausfuhr, war sein Plan gefaßt. Ec eilte zum Rheinbahnhof und holte den jungen Marius aus dem Institut, angeblich im Aufträge seiner Mutter, nach den Dünen bei Scheveningen ab. Zur Ermordung will er dadurch getrieben worden sein, daß der gebundene Knabe schrie, er kenne ihn, er werde es Papa und Mama sagen f da erstach er ihn, denn in der Ferne sah er Leute.
Italien.
Die „Italic" meldet: Papst Leo ließ vom Cardinal Hohenlohe vor seiner Abreise nach Deutschland die an ihn gestellte mündliche Anfrage, ob seine Heiligkeit keine Aufträge nach Deutschland für ihn habe, in Ostentation unbeantwortet, wonach Cardinal Hohenlohe, welcher auf eine Mission gehofft hatte, sehr verstimmt die Audienz verließ, nur von einem kurz angebundenen Kva voz-LAv" des Papstes begleitet. Türkei.
Die bulgarische Bewegung zur Vereinigung Ostrumeliens mit Bulgarien schreitet stetig vorwärts. So finden jetzt von Seiten der ostrumelischen Turnvereine vollständige Corps-Manöver statt, Me ganz den Charakter eines militärischen Feldlagers haben. In der Woche vom 3. bis 6. Okt. haben bei Ka- zanlik bei 8000 Turner sich versammelt, um zu manöveriren. Diese Turnerei wird der Pforte doch zu gefährlich und ist neuerdings Aleko Pascha aufgefordert worden, die wiedererstandenen Turnvereine zu unterdrücken, welchem Befehle jedoch der Gouverneur von Ostrumelien nicht nachkommt, sondern die Turner gewähren läßt.
Die Aussichten für die Uebergabe Dulcig- no's gestalten sich schon wieder zweifelhaft. Die
Verzögerung scheint übrigens mehr in Petersburg und London als in Cettinje und Konstantinopel gesucht werden zu müssen. Hinter den montenegrinischen Garantie-Forderungen steht, wie vermuthet wird, Rußland, das wohl gern eine ständige russische Schutzwacht im Dulcignoer Distrikt aufstellen möchte, um festen Fuß dort zu fassen. Bismarck, heißt es, werde auf keine weiteren Maßnahmen einer gemeinschaftlichen Controle eingehen, überhaupt Gladstone nicht weiter folgen. Die Frage bleibt, ob es ihm im Verein mit Oesterreich und Frankreich gelingen wird, die englisch-russischen Pläne zu durchkreuzen. Rußland.
St. Petersburg, 21. Okt. Die Nachrichten über das Unwohlsein des Kaisers sind durchaus unbegründet. Der Kaiser war unwohl, weil er bei einer unter anhaltendem jRegen abgehaltenen Revue in Tschugujew auf dem Wege nach jLivadia sich ein Fieber geholt hatte. Jetzt aber ist er wieder ganz hergestellt.
Amerika.
Newyork, 19. Okt. Der Dampfer Commerce ging gestern bei einem Orkan auf dem Michigau-Sce unter; 10 Mann von der Schiffsmannschaft sind ertrunken. Der Dampfer Alpina, der von Grand- haven nach Chicago fuhr, ging ebenfvlls unter; die Zahl der Mannschaft und der Passagiere wird verschieden geschätzt, 40 bis 70, aber mau glaubt, jdaß sic alle zu Grunde gegangen sind.
New-Pork, 19. Okt. Bei einem im Mentor gehaltenen Empfange von etwa 500 Deutschen gab der Präsidentschaftskandidat James Garfiel kr der Hoffnung Ausdruck, daß die nach Amerika kommenden deutschen Einwanderer das Land bald zu ihrer Heimat machen würden. Sodann beglückwünschte Garfield die Deutschen zu der Vollendung des Kölner Doms, der durch den deutschen Kaiser dem F rieden geweiht sei. _
Kandel L Derkevr
Stuttgart, >9. Okt. (Kartoffel-, Obst- und Kraut mar kt.) Leonhardsplatz: 200 Säcke Kartoffeln 5 3^ bis 3 NL 50 N per Ccntner. — Wilhelmsplatz : 150 Säcke Mostobst ä 10 ^ bis 11 ^ per Eentner. - Marktplatz: 10,000 Stück Filderkraut ä 6 ^ bis 8 <Nl per 100 Stück.
Die Wein preise differiren immer noch je nach Lage von 50—66 pro Hektoliter.
Bei der heute stattgehabten Ausloosnng der auf der Ausstellung in Mannheim ansgestellten 30,000 Pfaff-Nähma- schine wurde die Gewinn-Nummer 8524 gezogen. Dem Ge- winner wird die Nähmaschine, welche höchst elegant ausgestattet, sowie mit allen Verbesserungen der Neuzeit versehen ist, gegen Einsendung des betreffenden Looses franco zugestellt.
Die Postanstailen sind angewiesen worden, Po st fr eimarken, deren Farbendruck verwischt oder an deren Rändern die Zacken der Bohrlöcher etwa ganz oder theilweisc fehlen, nicht an das Publikum zu verkaufen, sondern an die Bezirks- Ober-Postcassen zum Austausch gegen probemäßige Postwcrth- zeichen cinznseuden. — Der Verbrauch an Postkarten hat in der kurzen Zeit des Bestehens dieses Verkehrsmittels einen außerordentlichen Umfang genommen. Im Jahre 1878 sind in Europa 342 Millionen abgesandt worden. Davon entfallen 111,445,000 Stück auf England, 108,74i,000 auf Deutsch-, land 30,522,000 Stück auf Frankreich. Die Zahlen, so groß sie sind, werden noch übcrtroffen von dem entsprechenden Verkehr in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo die Postkarten erst seit sechs Jahren cingcführt sind. Im vergangenen Jahre hatte der Postkartenvcrbrauch daselbst über 246 Millionen Stück betragen und für das Etatsjahr 1880/81 berechnet die nordamerikanische Postverwaltung den Bedarf aus mehr als 300 Millionen Stück. Der Jahresverbrauch in allen Ländern des Weltpostvereins ist auf mehr als 700 Mil- lio nen an zu nehmen , also täglich etwa 2 Mi llionen. _
Lebensversicherungssache. — Sehr erfreulich ist cs, daß die Lebensversicherung trotz des Darniederliegens so vieler anderer Branchen stetig gute Fortschritte macht. So hat z. B. nach dem neuesten Ausweise der Lebe nsversich e- rungs- und Ersvarniß-Bank in Stuttgart diese Anstalt im laufenden Jahre vom 1. Januar bis 30. September einen reinen Zugang an neuen Versicherungen von 1504 Policen mit ^ 9,203,000 erhalten, und der Gesammt-Vcrsiche- rnngsstand seit 31. Dezember 1879 von 36121 Policen mit ^ 151,045,000 hat sich dadurch ans 37625 Policen mit »kä 160,248,000 gehoben.
Diese günstigen Ergebnisse zeugen für das allgemeine Vertrauen zur Verwaltung dieser Bank. Solches ist dadurch auch begründet, daß aller und jeder Gewinn ungeschmälert den Versicherten wieder zufließt, jede Prämie Anspruch auf Dividende genießt, daß die seit dem Bestände der Bank (1854) alljährlich zur Bertheilung gelangten Dividenden in Folge sparsamer und vorsichtiger Verwaltung 33—46<>/g, durchschnittlich 37,g"/g der Normal-Prämie betrugen (für die abgekürzten Versicherungen stellt sich die Durchschnitts-Dividende sogar auf 42 bis 610 /g der Normal-Prämie) und dadurch die von den Versicherten zu leistenden Prämien ans das möglichst niedrige Maß herabgcmindert wurden. Die Sterbfälle werden in coulanter Weise sofort erledigt. Die Versicherungsfonds erreichten Pr. Ende 1879 die Summe von über 30 Millionen Mark und nach dem derzeitigen Geschäftsgang haben solche einen jährlichen Zuwachs von über 3 Millionen Mark zu erwarten: die Bank gewährt demnach neben größtmöglicher Billigkeit alle und jede Garantie.
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