6V. Jahrgang.

Uro. 141.

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Hamstag, äen 28. November 1885.

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Dönig Alfons X». non Spanien 1'.

Mit dem am Vormittag des 25. Nov. seinem schleichenden Leiden er« legenen König Alfons ist der beste Freund Deutschlands jenseits der Pyre­näen aus dem Leben geschieden. Es ist noch in unser Aller Erinnerung, wie er als Gast unseres Kaisers im Jahre 1883 an den großen Herbstmanövern teilnahm, wie ihn Kaiser Wilhelm durch Ernennung zum Chef des 15. Ulanen­regiments ehrte, eine Ehre, chie ihm den empörenden Empfang seitens der Pariser Gassenjungen eintrug. Und wieder wissen wir, wie der Kronprinz des deutschen Reiches, Namens seines kaiserlichen Vaters den Besuch erwidernd, in festlichem Empfang in der spanischen Residenz einzog und die angeknüpften freundschaftlichen Verbindungen der Höfe Deutschlands und Spaniens befestigte. Und als am 5. Sept. ein bethörter spanischer Pöbelhaufe in seinem Wahne sich an dem völkerrechtlichen Symbol des deutschen Reiches in Spanien ver­griff und fanatische Stimmen den Krieg gegen dieSeeräuber" predigten, da war es König Alfons, der durch sein männliches, festes Entgegcntreten den Sturm beschwor und Deutschland vor einem rühm- und ziellosen Kriege, Spanien vor namenlosem Unheil bewahrte. Es ist ein tragisches Stück Leben, das hier sein Ende nahm. Stets durch Empörungen und Aufstände gemahnt an die Unsicherheit seines Thrones, zweimal nur durch glückliche Zufälle den mörderischen Anschlägen seiner Gegner entronnen, im eigenen Herzen tief getroffen durch den Tod seiner heißgeliebten ersten Gemahlin, sollte es ihm doch nicht beschieden sein, eine sichere Ordnung der Dinge zu schaffen und Spanien einer glücklichen Entwicklung zuzusühren. Es ist, als hätte er die Sünden seiner Ahnen auf diesem Thron büßen muffen. Und was nun? Der König ist ohne männliche Erben gestorben, er hinterläßt 2 Töchter im Alter von 5 und von 3 Jahren. Mit Recht fragt man was aus dem von Parteien unterwühlten, von der republikanischen Propaganda angefressenen Lande nun werden wird. Die monarchistische Partei scheint machtlos, Miß­griffe der konservativen Regierung haben ihr Ansehen geschwächt und selbst der jüngste Konflikt ist von den antidynastischen Interessen zu einer Verstärk­ung ihrer oppositionellen Stellung benützt worden. Zunächst fällt die Regent­schaft an die 27jährige Königin-Witwe Maria, eine Tochter des Erzherzogs Karl Ferdinand von Oestreich. Allein schon ist von anderen Planen die Rede, von der Regentschaft eines Generals, von der Regentschaft des Herzogs von Montpensier, des Vaters von Alfonsos erster Gemahlin, ja von Ansprüchen der Exkönigin Jsabella auf den Thron, dem sie nie entsagt haben will. An­dererseits ist zu vermuten, daß die Republikaner den günstigen Augenblick nicht vorübergehen lassen werden, ohne den Versuch zu machen, die Gewalt

an sich zu reißen. Wir Deutsche können, abgesehen von der persönlichen Teilnahme für König Alfonso gelassen zusehen; höchstens könnte die endgiltige Bereinigung der Karolinenfrage eine Verzögerung erleiden. Wichtiger ist das Ereignis für Frankreich: sei es nun, daß der Herzog von Montpensier, ein Orleans, oder Castelar, der Priester des latem. Bundes, ans Ruder kommt. Und insofern wirken die spanischen Dinge auf die europäische Lage zurück, in der es heute ohnedem nicht an Verwicklungen fehlt. Schw. Merk.

Wcrctzrrrchten.

Deutsches Reich.

Berlin, 21. Nov. Die Sozialisten brachten den Antrag ein, 'der Reichskanzler sei zu ersuchen, eine internationale Konferenz wegen Ein­führung des zehnstündigen Normalarbeitstages, Abschaffung der Frauen- und Kinderarbeit zu berufen und in Deutschland eine Enquete behufs Feststellung der Lohnverhältniffe der Lohnarbeiter zu veranlassen.

^Berlin, 26. Nov. Das Zustandekommendes Waffen- stillstandes auf der Balkanhalbinsel gilt als gesichert.

Der Deutsche Kriegerbund, die bedeutendste Krieger­vereinigung im Deutschen Reiche, die mehr als 200,000 Mitglieder zählt, wird derSchles. Ztg." zufolge dem Kaiser aus Anlaß seines Regier­ungs-Jubiläums als König von Preußen zum 3. Januar einen Unterstützungsfonds für hilfsbedürftige Kameraden, für den bereits über 60,000 aufgebracht sind und für den noch weiter gesammelt wird, dar- onngen und ihn bitten, daß der Fonds den Namen des Kaisers tragen dürfe.

DieNat.-Ztg." weiß von Aeußerungen, welche Fürst Bismarck im Privatgespräch über die Branntweinsteuer gemacht habe. Das Blatt schreibt: Die Persönlichkeit, mit welcher der Kanzler das Gespräch führte, hatte sich zu Gunsten einer erheblichen Erhöhung der Branntweinsteuer, namentlich auch behufs Einschränkung der Trunksucht geäußert; Fürst Bismarck bestritt, daß diese so verbreitet sei, wie vielfach behauptet werde, und berief sich dabei auf seine persönlichen Erfahrungen unter der ländlichen Bevölkerung. Mit einer Steuer-Erhöhung, welche die Belastung des Branntweins verdoppeln würde, schien Fürst Bismarck indes einverstanden zu sein, wobei er annahm, daß der Schankwirt, der jetzt unbillig viel verdiene, die Erhöhung teilweise tragen würde; er sprach deshalb sein Bedauern darüber aus, daß s. Z. das Schank­steuergesetz nicht zu Stande gekommen sei.

Spanien.

Ein Telegramm aus Madrid meldet: König Alfonso ist morgens S Uhr an durch Dysenterie beschleunigter Schwindsucht ge­storben.

Infolge des Todes des Königs Alfonso übernimmt die Königin Christine sofort die Regentschaft für die fünfjährige Infantin Maria Mercedes. Dep. d. Fr. Journ.

Jeuilleton.

Der WÄschStz.

Eine Geschichte aus den Alpen. Von P. A. Rossegger.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

6. Kapitel.

DasGericht.

In der Stube des Waldhauses war es dunkel. Zu den kleinen Fenstern strahlte noch Abendrot herein und fiel auf das junge, leblose Wesen in der Wiege, als wollte es die so früh verblaßten Wangen wieder färben.

Martha kniete vor der Wiege und stöhnte laut. Der Gied stand im finstersten Winkel. Er hatte dem Weibe eben Alles mitgeteilt, wie es gekom­men war.

Sie hatte es gehört und jetzt schrie sie auf:Sein eigenes Kind erwürgt!"

Da trat er zwei Schritte zu ihr heran, faltete die Hände und sagte mit bebender Stimme:Jesus Maria, Weib, wenn Du so redest! Ich geh' zu Grund."

Ein Elender kauft sich von der verdienten Strafe los mit dem Leben seines einzigen Kindes!" schrie sie,aber nicht ein Vater."

Ja, wenn'» mit Willen war geschehen, dann könntest so reden. Du weißt, wie ichs Hab' lieb gehabt."

Du weißt nicht, was es heißt ein Kind gebären und ein Kind ver­

lieren. Hättest Du nur den Schatten von einer Mutterlieb in Dir, keine Begier und keine Angst wär' Dir so groß gewesen, daß Tu auch nur einen Augenblick das Kind hättest können) vergessen. Wie habe ich mein Leben und meine Seligkeit auf Dich gebaut! und Du schlenkerst voll Leicht­fertigkeit in den Weiten herum und verscherzest den guten Ruf Deiner Familie, und verspielst das Kind. Jetzt ists aus mit uns. Gied! Jetzt thu' mir noch Eins zu lieb: Dort liegt das Messer, stoß' mir's ins Herz!"

Er sprang zum Tisch, erraffte das spitze Brotmesser.

Mir selber thu' ichs!" Und stemmte es gegen die Wand, um sich darein zu stürzen.

Sie riß ihn zurück. In demselben Augenblick traten drei bewaffnete Männer herein zur Stube und fragten barsch, ob der Holzer-Gied zu Hause wäre.

Dieser trat vor sie hin und sagte:Da bin ich."

Du bist verhaftet und gehst mit uns."

Er hielt ihnen die Arme kreuzweise hin, welche sie mit einem Eisenband aneinanderschloffen.

Noch ein Blick auf die Wiege, noch ein leiser halberstickter Ruf:Martha!"

Sie sah ihn nicht mehr an. Die Männer drängten. Mt einem schweren Seufzer verließ der Gied das Haus. Ein Verbrecher, vom eigenen Gewissen gefoltert, vom eigenen Weibe verflucht so wankte er zwischen den Män­nern dahin.

Das Kind verloren, den Gatten verloren in einer einzigen Stunde. Im öden, finsteren Waldhause mutterseelenallein.